KLEINE BEITRÄGE Fasch-Ouvertüren aus Johann Sebastian Bachs Notenbibliothek? In seinem Aufsatz „Die französische Ouvertüre (Orchestersuite) in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts“ 1 verwies Hugo Riemann auf zehn, ehedem in der Leipziger Thomasschulbibliothek aufbewahrte Orchestersuiten von Johann Friedrich Fasch, von denen er aufgrund des Quellenbefundes zu erkennen glaubte, daß sie aus Johann Sebastian Bachs Notenbesitz stammen. Bedingt durch Kriegs- und Nachkriegsereignisse ist von diesen Handschriften nur eine einzige auf uns gekommen: der Stimmensatz zu einer B-Dur-Suite für 2 Oboen, Fagott, Streicher und Basso continuo. 2 Riemanns Behauptung, daß die Umschläge zu den von ihm erwähnten Fasch-Ouvertüren eigenhändig von Johann Sebastian Bach geschrieben worden seien, kann durch die vorliegende Quelle allerdings nicht bestätigt werden. Dessen ungeachtet steht diese in direk tem Zusammenhang mit einem der beiden Leipziger Collegia musica. Die Titel seite zeigt eindeutig die Schriftzüge Carl Gotthelf Gerlachs, 3 des Musikdirek tors und Organisten an der Leipziger Neukirche von 1729 bis 1761. Als Altist, Violinist und Cembalist war Gerlach - wie verschiedene Quellen erkennen las sen 1 - seit 1729 eng mit Bachs Collegium verbunden, und vor diesem Hinter grund ergab sich auch, daß er die Leitung des studentischen Ensembles von 1737 bis 1739 interimistisch und (spätestens) 1744 dann endgültig übernahm. 5 Das vorliegende Aufführungsmaterial enthält folgende Stimmen: 1. Bassono = Schreiber I 6 , die erste Seite dieser Stimme ist als Titelblatt ver wendet worden. 2. Oboe I = Schreiber I 3. Oboe II = Schreiber I 1 In: Musikalisches Wochenblatt 30, 1898/99, Nr. 1-9, besonders S. 113—115 und 129-130; vgl. auch H.-J. Schulde, J ohann - F riedrieh - F ascb -Quellen in Leipziger Bibliotheken, in: Studien zur Aufführungspraxis und Interpretation von Instrumentalmusik des 18. Jahrhunderts, H. 24, Johann Friedlich Fasch (1688-1758), Wissenschafdiche Konferenz in Zerbst am 5. Dezem ber 1983 aus Anlaß des 225. Todestages, Konferenzbericht, S. 87L 2 Stimmen, Thomasschule Leipzig (ohne Signatur) in Verwahrung des Bach-Archivs (Natio nale Forschungs- und Gedenkstätten Johann Sebastian Bach der DDR), vorübergehend im Stadtarchiv Leipzig. 3 Zur Identifizierung seiner Schriftzüge vgl. BJ 1978, S. 3 3 ff. (H.-J. Schulze). 4 Auf Gerlachs Mitwirkung im Bachischen Collegium musicum weisen u. a. mehrere Ab schriften von italienischen Kammerkantaten von N. A. Porpora (Leipzig MB, Sammlung Becker III. 5.24 und III. 5.25) und von A. Scarlatti (Leipzig MB, Sammlung Becker III. 5. 27), die der Musikdirektor der Neukirche zum Teil in Zusammenarbeit mit J. L. Dietel um 1734 anfertigte. Vgl. dazu auch BJ 1981, S. 68 (A. Glöckner). 5 Vgl. W. Neumann, Das .. Bacbische Collegium Musicum 11 , BJ i960, S. 5 fT. 6 Die Schriftzüge dieses Kopisten haben eine entfernte Ähnlichkeit mit denen des von A. Dürr (vgl. Dürr Chr 2, S. 154) als Anonymus Vh bezeichneten Schreibers. 5 6125