dann in Homophonie überzugehen — eine Schreibweise, die besonders in der die Bach-Händelsche Epoche ablösenden noch häufig angewendet wurde — geschieht es, daß, sobald die Durch führung von oben nach unten geht, das Thema unten wegen sehr einfacher Harmonisierung abgeändert wird. Meist handelt es sich da um parallele Beziehungen zwischen Mittel- und Außcnsiimmen mit mehr oder weniger Ausschmückung. Aucb die Fagottsiimme im Mittelteil der Arie „Den Fels hat Moses Stab geschlagen" ist hierunter zu rechnen. Würde man die Arie „Laßt mich ihn nur noch einmal küssen" in irgend einem Sopran- oder Tenoralbum finden und man das andere gar nicht zu Gesicht bekommen, so müßte man trotz der Imitation in den Oberstimmen an der Autor schaft Bachs zweifeln. Die im Hauptteil fast ununterbrochen fortgehcnden Terzen- und Sertcnparallelen zwischen Singftimme und einer der beiden Violinen, die in dieser Häufung selbst Advokatenkunft mit motivsprachlichen Gründen nicht entschul digen könnte, die ängstliche Behutsamkeit in einem unter brechenden höchst simpel harmonisierten Choral mit der Sing stimme bei jedem Viertelschlag auf ein harmonisches Intervall zu treffen, die stockende Baßbewegung, die, meist Note gegen Note zu einer nicht minder stockenden Violastimme gesetzt, fast nur in Vierteln einherschleicht, würden gegen die Echtheit sprechen. Auch einen motivischen Baß kennt die Lukas-Passion nicht. Man trifft in ihr, abgesehen von Chorälen und Rezitativen, einerseits nur den „gehenden", der Homophonie ein wenig aufhelfenden, eine Manier, die sich nach Bach noch längere Zeit als alter Zopf hielt; vgl. hauptsächlich die Chöre „Furcht und Zittern", „Nie keinen", „Herr, hier sind zwei Schwert", „Er hat andern geholfen", „Hinweg mit diesem", „Bist du der Juden König", und die Arie „Das Lamm verstummt". Anderseits ist der Baß ein nur harmoniemarkierender Trommel baß; vgl. besonders die Arie „Weh und Schmerz". Wenn Wolfrum meint, die Choräle der Lukas-Passion hätte Bach als Sextaner nicht so geschrieben, so kann man wohl füglich behaupten: einen solchen Orgelpunkt wie in der letzten Arie auch nicht.