Wilhelm Werker, Studien über die Symmetrie im Bau der Fugen und die motivische Zusammengehörigkeit der Präludien und Fugen des "Wohltemperierten Klaviers" von Johann Sebastian Bach. - Leipzig : Breitkopf & Härtel, 1922
74 Kritik. aufs Geratewohl hinschrieb, ist sicher. Ebenso, daß die Geschlossen heit, Einheit und Monumentalität auch des kürzesten Satzes auf planvoller Anlage beruhen. In diesem gewaltigen Kopfe herrschte dieselbe Klarheit und Ordnung wie in dem von Kant, Goethe oder einem anderen unserer Genies, und daher nahm alles, was sich ihm entwirkte, den Geist der Klarheit und Ord nung an, auch ohne vorher Gegenstand einer mathematischen Gleichung gewesen zu sein. Ware Bach so zu Werke gegangen, wie Werker sich denkt, so hätte er trotz allem Genie nur Homun kuli fertig gebracht. Es ist der schlimmste Vorwurf, den man dem Buche, abgesehen von seiner unwissenschaftlichen Methode und sachlichen Unrichtigkeiten, machen muß, daß es das Ver hältnis von Ursache und Wirkung, Mittel und Zweck auf den Kopf stellt. Es vermittelt Beziehungen auf dem a posteriori- Wege, deutet sie aber sofort ins a priori um, wobei eine Kon fusion der Begriffe entsteht, die geradezu entsetzlich ist. Es kann dem Bachjahrbuch nicht erspart bleiben, dem Ver fasser des Buches auch in Einzelheiten genauer auf die Finger zu sehen. Die anfangs gehegte Hoffnung, daß eine sauber dis ponierte und einwandfrei belegte Untersuchung die Kluft der An schauung zwischen Verfasser und Referenten verringern möchte, wurde arg getäuscht^). Ich kenne kein zweites Buch aus den letzten zwanzig Jahren, daö mit solcher Sorglosigkeit gearbeitet und auf die Leichtgläubigkeit naiver Leser angelegt ist. Ihm geht daö erste und letzte ab, was jede echte Wissenschaft fordert: Ehrfurcht vor den Tatsachen, vor dem Gegebenen. Es ist im Gegenteil be herrscht und bestimmt von einer vorgefaßten Meinung, dem die Tatsachen mit Gewalt und List dienstbar gemacht werden. Hierzu sei bemerkt, daß Werker, um ihm Gelegenheit zu geben, seine Theorie persönlich vorzuführcn, aufgefordert wurde, auf dem letzten (Breslauer) Bachfest und in den Ortsgruppen der Deutschen Musikgescll: schüft in Leipzig und Halle (hier sogar auf Einladung des oben gczeich: netcn Referenten) zu sprechen. Da von den beim Hallischcn Vortrag An wesenden leider noch keiner sein Buch gelesen halte, so beschränkte sich die Diskussion nach den im Fluge vorgebrachlcn Erläuterungen des Ldur- Präludiums mit Fuge auf ein paar unerwidert gebliebene Äußerungen starken Befremdens. Sonst hätten wir ihm wohl schon damals ohne Rück sicht auf die Person ewige Fehde geschworen.