Wilhelm Werker, Studien über die Symmetrie im Bau der Fugen und die motivische Zusammengehörigkeit der Präludien und Fugen des "Wohltemperierten Klaviers" von Johann Sebastian Bach. - Leipzig : Breitkopf & Härtel, 1922
82 Kritik. Alt I: Note 15 überhaupt nicht vorhanden. Sopran: Note 15 an die vorige gebunden, zählt also nicht. Weitere solcher Zauberkunststücke finde ich z.B. auf S. 112 ff., Präludium und Fuge in ck moll betreffend. Wer sich die Mühe nimmt, Werker Note für Note zu kontrollieren, gerät von einem Staunen ins andere. Nicht ein einziges dieser Beispiele trägt die Evidenz der Natürlichkeit, nicht ein einziges überzeugt. Dafür krasse Willkür und Spintisiererei. Alles auf Kosten des „großen Baumeisters" Bach, der sich dagegen nicht mehr wehren kann. Er würde sich schön bedankt haben für eine Tabelle wie die auf S. 10 ff., die - ganz abgesehen davon, daß sie drei Figuren unterschlägt, also aucb zu gunsten der Theorie gefälscht ist - zum Verständnis des Baus der Ldur-Fuge nicht^das geringste beiträgt. Und mit einem kräftigen barocken Musikantcnfluche würde er sich verbeten haben, sich an den Takten 8-10 und 19-29 seines Ldur-Präludiums derart zu vergreifen, wie es Werker S. 15 ff. tut. Diese Konstruktion des sogenannten „phonischen Nachsatzes" mit der an sich wunderschönen Pyramidentafel aus S. 19 ist eine der größten Dreistigkeiten des Verfassers; inhaltlich der bare Unsinn. Ich fürchte, daß Werker, wenn er nicht beizeiten bei Seb. Bach und dem seit drei Jahren Heimgegangenen A. von Dettingen hierfür Abbitte leistet, nie in den Musikantenhimmel kommt, sondern zu ewigem Dechiffrieren phonischer Nachsätze verdammt werden wird. Diese unsaubere Wäsche in aller Breite vor unfern Lesern durchzuwaschen, erspare ich mir der überaus vielen notwendig werdenden Notenbeispiele wegen und führe lieber noch einige andere Entgleisungen des Verfassers an. Unter den etwa ein halb Dutzend Kunstgriffen, mit denen Werker arbeitet, ist einer der gefährlichsten das leichtsinnige Umgehen mit Ausdrücken wie „Umkehrung", „Umbildung", „Variation", „Verzierung". Mit ihrer skrupellosen Verwen dung — dem Leser als „selbstverständlich", „leicht erkennbar", „natürlich" aufgedrangt — gelingt es ihm, bis ins Groteske gehende Motivbeziehungen herzustellen. Wäre Werker Advokat geworden, er hätte, um seine Delinquenten zu retten, samt-