Besprechungen 349 Stimme stärker, als die andere, arbeiten, und also mancherley kräuselnde, laufende und verändernde Sätze hören lassen"). Verdiente angesichts dessen nicht auch ein Satz wie das Allegro assai der A-Dur-Violinsonate (BWV 1015/2) mit seiner ausgedehnten Arpeggien-Partie über einem Orgelpunkt das Attribut „auf Concertenart“? Als eine eher problematische Kategorie stellt sich mir der „Konzertsatz .auf Sonatenarp“ dar. Als dessen maßgebliches Kriterium gilt dem Verfasser die nach seiner Sichtweise vom Sonatensatz übernommene fugierte Anlage des eröffnenden Formteils, eines Formteils, der nach der Konzertsatz-Ter minologie - wenigstens überwiegend - als „Ritomell“ anzusprechen wäre. Seine Kennzeichnung als Ritornell wird indes abgelehnt, weil sich „nach den Kriterien der vorliegenden Darstellung [...] die Begriffe .RitornellfomV und .fugierende Setzart“ 1 ausschließen (S. 271). Wie bereits oben an gedeutet. geht diese Sichtweise aber an der Realität dessen, was im Ritor- nellsatz an Gestaltungsvarianten begegnet, vorbei. Die Setzweise eines Formteils ist das eine, seine Funktion für das Formganze das andere! - Eine andere Frage ist die, ob es in einem Satz über die Satz-Eröffnung „auf Fugenart" hinaus weitere Merkmale gibt, die auf eine sonatenmäßige Form anlage verweisen. Unter diesem Aspekt würde ich wohl dem Schlußsatz des 5. Brandenburgischen Konzerts, auch wohl dem ersten Satz des Violin- Doppelkonzerts d-Moll, das Etikett „auf Sonatenart" zugestehen, keines falls aber dem Schlußsatz des Violinkonzerts a-Moll. in dem die Merkmale einer Ritomellsatz-Struktur so bestimmend hervortreten. Nebenbei: Die im Blick auf BWV 1043/1 geäußerte Feststellung, die „nur fragmentarische Wiederaufnahme der am Satzanfang aufgestellten thematischen Einheit am Satzende wäre ein eklatanter Verstoß gegen die Normen des Ritomell- satzes bei Bach" (S. 272), läßt sich nicht im Sinne einer für den Ritornell- satz generell geltenden Regel begreifen; in zahlreichen vor allem späten Konzerten Vivaldis und erst recht solchen jüngerer Zeitgenossen erklingt am Satzende oft nur der Ritornell-Epilog. und dem entspricht auch die Be schreibung des Konzertsatzes bei Quantz (1752) und Joseph Riepel (1755). Unter die von ihm vorgeschlagenen Begriffe „Sonatenfuge“ und „Konzert fuge“ faßt Geuting die (relativ wenigen) schnellen Sonaten- bzw. Konzert sätze, die nach seinen Analyse-Befunden als „ordentliche Fugen" (Scheibe) zu betrachten sind. Auf den Satztyp „Konzertfuge“ bezogen formuliert er: „Primär ist in den .Konzertfugen 1 der Brandenburgischen Konzerte das eigentlich gattungsfremde Konzept der Fuge, hinter dem die Frage nach dem Einfluß des Ritornellprinzips als sekundär zurücktreten muß" (S. 282). Genau dies aber ist für einen der beiden gemeinten Sätze (BWV 1047/1 und 1049/3) in Frage zu stellen: Anders als in BWV 1047/1 erkenne ich im Schlußsatz des vierten Brandenburgischen Konzerts einen wirklichen Konzertsatz auf der Basis der Ritornellform - einer Ritomellform freilich.