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02-Abendausgabe Dresdner Nachrichten : 07.11.1912
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-11-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19121107027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1912110702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1912110702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Nachrichten
- Jahr1912
- Monat1912-11
- Tag1912-11-07
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57. Jahrgang. Veiu,«-Ge»ühr ««tiger Zulragung <an Sinn- ijiid Montage,, «ur «Imp.» » »0 DI., »urch »u»wtlr«tg« Nom- mMonSr« dl«»,!« M. «Inmiltger Lu- , durch »le Polt "-IteUgetd». fern ,,,, Umgebung ,m lag« «orher zu- pÜeMen «deiid.«u». »»»«»erhalten dl« au»- «irttgen «e,IHer mit der Morgen-«»»»»»« plsammen pigelselt«. Nachdruck nur mit heut- Quellenangabe rr-chr.'» ,u- Unoerlangie llanulkrlpi« «erden nicht ausdewahrt. und Umgebung am La-« 308. ef«N »»n r>re»den »orher bereit, »l. -fbend-Mrgabe« ftellt, während e, di« Post-Abonnrnt«« am >«n in «in« »«lmntauigab« erhalten. Telegramm-Adresse: Nachrichten Dresden. 1850 Druck und Verlag von kiepsch 6c Reichardt in Dresden. Hauptgeschäftsstelle: rNarienstrafte 58/sO. D^esclnei^ Lank ^Iclienlcapilal und Reserven 261 IVlill. I^larlc. Donnerstag, 7. November 1912. Fernsprecher: 11 » 209« * »601. Anzeigen-Tarif. «nnahme »an «nNtn- »iaungen bi, nachm S Uhr. Sonntag- nur Maitenftrahe « oon II di» >/»I Uhr. Di« einspaltig« «ürundieiie <-a. , Silben» P> . Aamilien-SI-chricht«, »u» Lre.den r« PI., di« gweispaitig« Zeile auf I» »seit- 7üPs. die z«eispaltig« NeName- «Ile I.ro Ni. — In Nummern nach Gon», und geirrt«-«» die einspaltige GrundreN« itli Df. Familien. Nachrichten «u» Dre». den die tbrundzetie S«> Pf. — Lu»«artige Nustrag» nur gegen Dorausbeu' Jede, Bel« I« ^ Oreackca-X., Lünig-3oknnn-8traase 3 „ „ krager Strunne 43 :: :: „ 8trie»ener 8traase 4S :: Vreackea-Ä., Lsuirner 8lr»s»e 3 :: :: Sinnewilr, Lurort V7ei„er Uiracd, kAetaaen uns Lätraekendrocla. Lareialaxeo, L.nriaiiius rur Vvr^insuojr. u Lelleclc-Verlredr. Lröüuuux rou LotrvoUccrnt«». ^Wertpapiere, unä Vsricauk, LelelltULA. LoupvQS, killlösunZ unck V srvsrtullßs. Depots, ^utbsvakrunx oüsner u. rsrscklisssbnrvr. Xreclitdriete suk nlls Luuptplatrs 6vr ^Vslt. Aürr srtrgs <Lesev. Der König ist gestern abend zum Aagdansenthalt in Sibyllenort eingetrosfen. An Stelle des verstorbenen Grafen Rex lZehistuj wurde von den Ständen des Meißner Kreises Geheimer Oekonomierat Steiger lLeutewttzj in die Erste Kammer gewählt. Prinz und Prinzessin Heinrich von Prcnsten sind heute vormittag in Berlin eingetrosfen. Der Panzerkreuzer „Gäben" hat heute vormittag von Wilhelmshaven aus die Ausreise nach Kon st ant i- nopel angetreten. Kaiser Franz Joseph betonte beim Empfange der Delegationen in Budapest die bedeutenden Interessen Oestcrrcich - Ungarns »im nahen Orient und die S ch l a g f e r t t g k c i t des -Heeres. Der türkische Thronfolger ist nach .Konstanti nopel zurückgckchrt. Der Kommandant von Saloniki beging Selbst mord. um in der Frage der Ucbergabc -er Stadt dem Mali nicht nachgebcn zu müssen. Die Blockade der bulgarischen Häsen durch die türkische Flotte ist vorläufig aufgehoben worden. Der Demokrat Wilson wnrde zum Präsidenten der Bereinigten Staaten von Nordamerika gewählt. Mksm. dir neue demokratische Präsident der Union. Mit unerwarteter Schnelligkeit — wegen der größeren Unzahl der Slewerber war in der amerikanischen Presse ein verlangsamtes Zählvcrfahren in Aussicht gestellt worden — hat der Draht die Meldung von der Wahl des demokrati schen Präsidentschaftskandidaten in die Welt geblitzt. Mister Wi I s o n heißt das nunmehrige neneOberhaupt der großen transatlantischen Republik. Ahm geht -er Ruf großer Gelehrsamkeit und strenger Rechtlichkeit voraus, was im Lande des Königs Dollar immerhin schon etwas heißen will. Ob cs ihm freilich gelingen wird, der Korruption wirksam z» Leibe zu gehen, steht auf einem anderen Blatte. Auch Mr. Elcvelaud, der letzte demokra tische Präsident seit 1808, vermochte in dieser -Hinsicht trotz der ehrlichsten Anstrengungen nur sehr geringen Erfolg z» erzielen. Für das Ausland vereinigt sich das Hauptinter esse auf die Frage, inwieweit unter dein neuen demokra tischen Regime die Forderung der Tarisrcvision verwirk licht werden wird. Am einzelnen liegen über das Wahlergebnis bis jetzt folgende Meldungen vor: New york. 5. November, » Uhr abends. Der Demokrat Wilson wurde zum Präsiden ten der Bereinigten Staaten gewählt. Nach den bisherigen Berechnungen hat Wilson von den 3 8 1 Stiin inen des W a h I in ä n n e r k o l l c g i u m ö 80-8 erhalten. Die zur Wahl nötige Zahl betrug -Mi. An Maine und A n d ia n a hat Wilson mit großer Mehrheit gesiegt. Alles deutet daraus hin, daß die RooscvelIsche Partei die republikanischen Stimmen hal bier t hat. Ans den bis ö Uhr abends vorliegenden Re sultaten ist zn entnehmen, daß die Anzahl der demo kratischen Stimmen für den Kandidaten Wilson lawinenartig zugc nominell hat, wäh rend die R o o s e v e l t - P a r t e i eine Zersplitterung der republikanischen Stimmen hcrbciführtc. In allen Teilen des Landes zeigte sich eine ungewöhnlich große Stimmabgabe. An Newyork. Massa- chnssctts und in den weiteren wichtigsten zweifelhaften Staaten ist Wilson teilweise mttgroßcr Mehrheit gewählt morden. Dagegen scheint es, als ob in Chicago Novscvclt mit einer Mehrheit von 15, MO Stimmen g c - siegt hat. Zu dem Ansfall der Wahl wird weiter gemeldet: Die große Mehrheit, die Wilson gestern erzielte, war eine grobe N c b e r r a i ch u n a. Am qanzen waren 581 Wahl- männcr zu wählen. Nach den bisher vorliegenden Be richten entfallen von diesen 581 Elektorenstimmen nicht weniger als 807 aus Wilson. Da die zur Wahl notige Stimmcnzahl Mi beträgt, so hätte Wilson demnach mit einer Mehrheit von säst 131 Elektorenstimmen gesiegt. Dieses Ergebnis ist dadurch herbeigcsiihrt worden, daß alte republi kanische Hochburgen, wie die Staaten Newyork, Massa chusetts, Pennsylvania, Maine, sür die Demokraten ge stimmt haben. Außer diesen bisherigen republikanischen Staaten hat der demokratische Süden beinahe geschlossen für Wilson gestbmnrt. Die zwctfelhasten Titnttr«>scheinen gleich falls überwiegend sür Wilson gestimmt zu haben. Roose- vclt hat in den Staaten Illinois, Kalisornia, Michigan, Vermont. Kansas und Rorddakota zusammen 07 elcktvralc Stimmen erhalten, steht also an zweiter Stelle. Für Taft sind größere Mehrheiten nur in ganz wenigen Staaten er zielt worben. Die alte republikanische Partei scheidet da durch wenigstens in der nächsten Zeit nahezu vollständig als Faktor im politischen Leben der Bereinigten Staaten aus. Die Gonvrrneurswahl hat bisher 18 demokratische und 10 republikanische Wahlsiege ergeben. An drei Staaten ist das Wahlergebnis noch unbekannt. Die Wahlen in den Kongreß ergeben folgendes Resultat: Am Unterhaus lNe- prüsentantenhruSs werden die Demokraten die große Mehr heit von 171 Sitzen haben. Es sind 205 Demokraten und 124 Republikaner gewühlt. Die Fortschrittspartei hat nur 15 Mandate erzielt. Der Sozialist Viktor Berger iMil- wankccs ist wiedergcwählt. Bon entscheidender Bedeutung ist das Ergebnis der ScnatSwahlen, das der demokratischen Partei eine Mehrheit von 8 Sitzen eingebracht bat. Damit hat die demokratische Partei die uneingeschränkte Herrschaft in der Bundesregierung erobert. Die Wahlen im Staate Kalisornia standen im Zeichen des Frauenstimmrechtes. An der Stadt San Francisco waren die meisten Wahl lokale von Frauen geleitet und überall waren Frauen als Kontrolleure ausgestellt. An Los RngeloS und San Fran cisco gaben die Frauen 80 Prozent der gesamten Stimmen ab, und zwar fast geschlossen für Roosevclt. Am Staate Wisconsin fand gestern eine Volksabstimmung über die Frage statt, ob das Stimmrecht den Frauen verliehen werden solle. Die Abstimmung hat sich gegen das Frauen stimmrecht ausgesprochen. Ser Krieg auf dem Balkau. Die durch die Balkantrisc geschaffene Lage wird nach den verschiedensten Richtungen vom Standpunkte des BalkanvicrbiindcS ans beleuchtet durch interessante Aus lassungen des bulgarischen Sobranje-Präsideuten, der dem Berichterstatter des „Matin" in Sofia nach der Rück kehr aus dem Haupigiiarticr u. n. erklärte: Wir sind keine Fanatiker des Krieges und schlagen uns nicht nur um das Vergnügen, uns zu schlagen. Wir verfolgten mit dem Kriege ein Ziel. Sobald dieses erreicht sein wird, wird der Krieg von s c l b st a » s h ö r c n. Die Frage eines W a s s c n st i l l st a n d e s muß vor allem vom mili tärischen Gesichtspunkte ans geprüft werden. Denn die Türkei verfügt in Asien über Reserven, die sie nach Europa werfen konnte. Die erste Bedingung wäre demnach, daß die Türkei den Waffenstillstand nicht dazu benützt, um neue Strcitlräste zu sammeln, die sie im gegebenen Augenblick uns entgegeuwirst. Die zweite Bedingung wäre, daß wir Adrianopci und gewisse Stellungen aus dem Kriegs schauplätze im Westen besetzen. Was die Frage anlangt, ob wir Wert daraus legen, in K v » st a n t i n o p e l cin- zuziehen, so muß ich sagen, daß die türkische Hauptstadt bisher nicht das Ziel unserer Bestrebungen war. Ans die Frage, welche Haltung die verbündeten Balkanstaaten im Hinblick aus eine europäische Antcrventton ciiinchmcn würden, antwortete Dancw: Wir hoffen — zum mindesten ist dies meine persönliche Meinung —, daß Europa unsere Errungenschaften bestätigen wird. Was Oesterreich-Ungarn anlangt, so hat cs die Wahl zwischen territorialer Vergrößerung und einer Politik der wirtschaftlichen Durchdringung. Es könnte durch einen schmalen Gang im Sand schak vorwärts dringen. Aber aus geographischen und strategischen Gründen dürfte diese Politik nicht lange aufrcchterhaltcn werden können. Die Doppelmvnarchie könnte sich auch bemühen, sich die wirtschaftliche Durchdringung des Balkans zu sichern. Niemand würde daran denken, ihr diesen Weg streitig zu machen. Falls sic diese Politik will, dann er-, laubc ich mir, ihr eine große Zukunst vorauszusagen Außerdem würde eine solche Politik gute Beziehun gen zwischen Oesterreich-Ungarn und den B a l k a n st a a t e n sichern. Vom bulgarisch-türkischen Kriegsschauplatz. Der Kriegsberichterstatter der Wiener „Ncichspost" meldet aus dem Hanptguarticr der bulgarischen Ostarmcc: ES ist eine T eil ungdeSgroßen Hauptquartiers vvrgcnoinmcn worden dergestalt, daß das königliche Hauvt- gnartier in Stara Zagora verbleibt, von wo auch die Operationen gegen Adrianopci geleitet werden, während das eigentliche Hanptguarticr der Feld armee auf Kirkkilissc vorgeschoben worden ist. Nach dem Falle von Adrianopci soll dann auch die Ver legung des königlichen Haupiguarticrs erfolgen. Die Vcrsolgungsoperationen gegen die türkische Armee werden fortgesetzt. Tie Offensive dazu erfolgt in zwei Hauptgrnppcn. Eine südliche Gruppe drängt in Kunst uud Wissenschaft. -s* Emil Sauers gestriger Klavierabend im Palmen- gartensaale zeigte den Künstler vor seinen zahlreichen be geisterten Verehrern in der an ihm gerühmten virtuosen Meisterschaft. Bach, Schumann, Chopin, Dcbussy, Liszt und Sauer standen auf dem Programm. Man muß aber nicht immer von allem haben wollen: wir hatten uns diesmal als kritischer Zuhörer auf das interessante Mittclstück Chopin, Dcbussy und Sauer beschränkt. Das mar ein Ohrenschmaus von unvergleichlichem Reize, und es hieße wahrlich Eulen nach Athen tragen, wollte man über die in klanglicher Hinsicht unübertreffliche Kunst Sauers Neues sagen. Die drei Stücke Dcbussys il-a l>Oc -i»x ciicvcnx ckc Im, l.a Cariu'-cki-ale englsntic, dlin.<UrdZ sind nicht alle gleich wertig, das mittlere ist zu weitschweifig und das Moment- btw der Bolkssänger doch wohl zu grotesk. Aber in dem ersten ist in kurzen Zügen eine kleine Ballade mit roman tischer Grundstimmung hingcworfen. Das Anipressionisti- sche im Debussyschcn Schassen befremdet heutzutage noch den Laien —, sollte aber doch ein „Zeitalter Arnold Schön bergs" hcraussteigen, so wäre der geniale Franzose wohl sofort der Liebling aller derer, die auf der FortschriitSbahu nur ein lcmpn inockerato einhalten. Die Saucrschen Kompo sitionen, in der Form äußerst glatt, hören sich samos an: die Oavoite et dliiscltc ist «in echter Sauer, also ein süßer Leckerbissen. O.K. -s-* Der Dresdner Tannhäuser veranstaltete einen Liederabend mit fremdländischen Gaben. Dem kürz lich zum Ehrenmttgliede des Vereins ernannten Ton künstler Professor Hugo Aüngst, der die Männerchor literatur wesentlich bereicherte durch Eigenschöpfungcn und wirksame Bearbeitungen, sollte mit diesem Abende eine besondere Aufmerksamkeit erwiesen werden. Der unter MaxStranßky zu beachtlicher Höhe emporgcstiegcne Verein, der bald auf siebzig Aehre seines Bestehens zurück blicken kann, brachte eine Reihe von gern gehörten Lied weisen ans aller Herren Länder zum Bortrag, sür die Aüngst als Bearbeiter zeichnete. Dabei war so mancher Schlager, der als solcher von der ganzen Chorsängcrwelt geschätzt wird und der seine Reize von sich strahlt in der Art der Ausführung. Der strebsame Dirigent hat mit seinen Leuten tüchtig weitergearbcitct. Der bhorklaug ist ein edler geworden durch stimmerziehlichcs Wirken, das Voraussetzung ist zu absolut reiner Intonation und nuancenreicher Dynamik. Nach beiden Seiten hin sind aber Ausgaben noch immer zu lösen. Die treffliche Diszi plin kann alS vorbildlich bezeichnet werden. Sämtliche Chöre fanden gute Aufnahme. Als Effcktsächclchcn hemm ten sie sich bei solcher Häufung gegenseitig etwas in der Wirkung. Jüngst als erfahrener Praktiker weiß, was die Mehrheit gern singt und noch lieber hört. Das beurkundet auch der neue Zyklus — Südslawische Dorfbildcr, die Richard Stecher als Tannhäuscr-Poet durch verbindende Dichtung zu einer recht annehmbaren Einheit znsammen- gcfaßt hat. Das der Volkstümlichkeit weitgehende Kon zessionen wahrende Werk, ein Scitcnstück zu den „Ungari schen Steppcnliedern", besticht weniger durch Exotik und charakteristische Untermalung der einzelnen Szenen, als vielmehr durch sinnenfälligc Melodik, klangschönen Sav und leichte Ausführbarkeit. Als Sprecher machte sich Hof- schauspieler Gustav Starckc verdient, der sich schon vor her als VortragSmetstcr aufs neue bewiesen hatte mit Dar bietung fremdländischer Dichtungen. Seine ungarisch- steirischen Kostproben weckten das Verlangen nach noch mehr. Als Solistin entzückte durch Lieder am Klavier und zur Laute Helga Petri. Ähre reiche Intelligenz weiß ganz reizend zu gestalten, und hierzu kommt die kristall klare Frische der gut geschulten Mittel. Die Wärmeskala wird sich vermutlich von selbst mit den Jahren noch um einige Grade steigern. Helga Petri mußte eine Zugabe ge währen. Als geschickte Begleiterin auf dem Vercinöcigcn- tnm betätigte sich Hanna Sekulla. DaS VereinShauS war vollbesetzt. Die Lichtspielvrrsuche am Podium beein trächtigten den Genuß des Herbst-Konzertes. k. L. 's* Einen Rezitationsabcnd veranstaltete gestern im Künstlcrhanssäalc Frau Martha Wundtke, die Witwe des bekannten Dresdner Schriftstellers. Das wirre Durch einander aller möglichen Stilarten und Adccngänge, wie man cS des öfteren bei ähnlichen Veranstaltungen zu be klagen hat, war bei der Wahl der Dichtungen glücklich ver mieden worden durch die Unterordnung aller Vorträge unter die — überdies recht hübsch klingende — Einhcitsidcc: „Der Menschheit Liebeszauber". Von der Liebe des Kindes zu Puppe uud Kätzchen, über erbarmende Näch stenliebe und Mutterliebe hinweg bis zur süßen Minne und zur zehrenden und sengenden Licbesleidcnschast wurden von der Sprecherin in Gedichten von Goethe, Schiller, Heb bel, Dahn, Wildcnbruch, C. F. Meyer, Lilicncron, Max Wundtke u. a. so ziemlich alle Phase» und Stadien mensch lichen Liebeslebcns dnrchlausen. Heißes Bemühen und eine gewisse Korrektheit im Sprachtcchnischen wie im verstandcs- mäßigcn Gestalten bildeten die Hauptvorziige der Rczita- torin. Zn tieferen oder gar bis ans Herz greifenden Wir kungen wollte cS aber fast niemals kommen: dazu fehlt eS dem an sich wohlklingenden Organ der Sprecherin an Mo- dulationsfähigkeit und ihrer Seele an scncm instinktiven Fcincmpfindcn, das mit des Dichters Seele konform fühlt und seine innersten Absichten erfaßt, um sie nachschassend und scheinbar srciqncllcnd nach außen zu projizieren. Die völlige Unabhängigkeit der Rczitatorin von Buch und Manuskript — übrigens eine rühmenswerte Gcdächtnis- leistung — schien ihr eher eine Fessel als ein Hilfsmittel sür ungezwungenes Gestalten von innen heraus zu sein. Ganz vergriffen im Ton war die Wiedergabe der gefälligen schlichten Prosadichtnng von Barbara Ring, recht fehl am Ort auch der hin und wieder unternommene schüchterne Ver such zu einer illustrierenden Gestikulation. Ganz unver ständlich war ferner die Neuerung, einen ernsthaften Rczi- lationüabcnd „mit Restaurationsbetrieb" einzurtchtcn. Der Menschheit Liebeszauber mit Gläserklirrcn, Taffen klappern und Kcllncrgctrippel, — mußte daS sein? Vor Nach, ahinnng wird dringend gewarnt. —ät. 1
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