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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.04.1872
- Erscheinungsdatum
- 1872-04-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-187204027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18720402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18720402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1872
- Monat1872-04
- Tag1872-04-02
- Monat1872-04
- Jahr1872
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.04.1872
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Erscheint täglich früh 6»/, Uhr. Retactl«» »»> srptötttc» Johannisgaflr 33. Weraritw. Redactcur Fr. HSttirr. Sprechstunde d. Redattioa >»r»i»taq« ro« N—Udk »achmiNLg« «io 1—4 Uhl. Annahme der für die nächst folgende Nummer besttmmtm Inserate in dm Wochentagen bis 8 Uhr Nachmittags. W 93. Tagclilakl Anzeiger. Amtsblatt de? König!. Bezirksgerichts und des Raths dn Stadt Sechzig. Dienstag den 2. April. «-filze 9650. Idouormeatevrri« Vierteljährlich l Tlür. 7'/, Ngr, incl. Vringerlohn 1 Thlr. 1ü Ngr. Jede einzelne Nummer 2V, Ngr. Gebühren für Extrabeilagen ohne Postbeförderung 9 Lblr. mit Postbeförderung 12 Thlr. Inserate die Spaltzeile 1'/, Ngr. Reklamen »ater d. Letacttonsjtrtch die Spaltzeile 2 Ngr. Filiale: Otto Klemm, llniversttätSstr. 22, Local-Comptoir Hainstraße2t. 1872. Bekanntmachung. Im Hofe der hiesigen Gasanstalt sollen Doemer-tag de» A. April d. I. Nachmittags A Uhr 1) ungefähr 19,250 Kilogr. ----- 385 Ctr. Eisenbleche von ca. 4»/i tk pr. ID Fuß, 2) - 9400 , --- 188 - dergl. von ca. 3'/, <L pr. Lj Fuß, 3) - 12,050 - ---- 241 - Flach- und Winkrltisen, Schrauben rc., 4) - 825 - — 16'/, - Gußeisentheile in den vorstehend angegebenen vier Abtheilungen an den Meistbietenden, jedoch mit Vorbehalt der Auswahl unter den Licttanten, öffentlich versteigert werden. Die LicitationSbedingurgrn sind sowohl bet hiesiger Rathsstube, alS auch im Bureau der Gas anstalt einzusehen, bez. gegen Erlegung der Copialren in Abschrift zu erhalten. Leipzig, den 24 Februar 1872 DeS RathS Deputation zur GaSauslalt. Bekanntmachung. Zur Herstellung der Straßen auf dem Floßplatzr sind 921 LTMeter Steinpflaster von bosstrten Steinen und 4295 » Steinpflaster con Bruchsteinen neu herzustellen. Di« hierzu erforderlichen Steinsetzrrarbeiten sollen im Wege der Submission an den Mindestfordrrnden vergeben werden und rS wollen die hierauf Resiectirenden ihre Offerten bis zum 1l. April d. I. versiegelt bei der städtischen Marstall-Expedition im JohanniShoSpirale nieLerlegen, woselbst auch die nähern Bedingungen rinzusehen sind. Leipzig, den 30. März 1872. DeS RathS der Stadt Leipzig Straheu -Bau Deputation. Universität. Fünfzigjähriges Doetorjubiläum deS derzeitigen DecamS der medteintsche« Fae»ität Geh.-Rath Do. »»Älu«. rv. Leipzig, 1. April. Ein- der ältesten Mit- glieder der Universität überhaupt und der medi- ciniscken Facullät, Geheimer Medictvalrach vr. weck. RadiuS, feiert morgen den 50. Jahrestag seiner medicirischen Promotion. Voriges Jahr, fast um dieselbe Zeit beging der verbterstvolle Gelehrte daS goldene Jubiläum seiner Habili tation, ncch früher, 1870, sein 50jährtgeS Magister jubiläum. DaS heurige Jubiläum wird solenn begangen werden, waS bei dem vom vorigen Jahr vornehmlich wegen deS Krieges unterblieb. DaS Leipziger Tageblatt vom 14. April 1822 berichtet — rme um so schätzbarere Quelle, al- andere Nachrichten fehlen — über die bezügliche Deputation vom 2. April, also erst zwölf Tage »ach dem ActuS, — in folgender Weise: „Am 2. Aprtl vertheidigt« Herr JustuS RadiuS auS Leipzig, Doctor der WeltweiSheit und der schönen Künste Magister, auch duceLlLurous meckiemae und Mitglied der Naturforfchmden Gesellschaft zu Leipzig rc., zur Erlangung der mevicinischeu und chirurgischen Doctorwürde im Hö-.saale der Juristenfacultät sein« Inaugural dissertation: OdservLtioue8 (juaeäam cts pulsu arterisrum vLletnäims siguo, welche hier bei Friedrich Glück auf 42 Seiten in 4. gedruckt und den Herren Doctoren und Professoren Chr. F. Schwägrichen und Carl August Kühl dedicirt worden ist. D^ Opponenten waren die Herren Doctoren der dicin Pohl, Haubold und Steher. — Das Programm deS Herrn P.o- canzlerS vr. und Prof. Carl Gottlob Kühn enthält die zweite Fortsetzung seiner gelehrten Abhandlung: D. Ovrnelü Öelsi eckiUo uova eroptatur." Dt« drei Opponenten waren — wie wir durch Nachsorschrn in derselben Quelle erfahren — da mals junge Doctoren der Medicin, die beiden Letztgenannten 1821, der Erstgenannte 1822 pro- movnt (Leipziger Bürger uud früherer Besitzer d S Haus.S Katharinenstraße i)lr. 18). vr. Pohl- Promotion Halle am 29. März desselben JahreS stattgefuvden uud Geheimerath vr. RadiuS ihm damals alS Doctorand mir oppvnirt. Ein LeipzigerLuchhän-lerjabttSum. tt. Leipzig. 1. April. Gestern feierte unser Mitbürger Otto Spamer daS 25jährige Stiftung-fest seiner in weilen Kreisen ehrenvoll genannten BerlagSbuchhaudlung, dir in verhält- uißmäßig kurzer Zeit zu großer Bedeutung ge langt ist und sich namhafte Verdienste um unsere Volks- und Jugendbtldung erworben hat. Be reit- am vorhergehenden Tage hatten sich nam- hafte BerusSgevoffen zur Beglückwünschung de- JubilarS in ueflen Wohnung eingesunken, und a«S der Fern« hatten di« Freunde durch Brief« uud Telegramme ihre Festgrüßt gesandt. Gestern vormittag begab sich eine Deputation de- Spamer'schen Geschäfts- und Redaction-per- fonalS in die Wohnung ihre- Chef-, um diesen im Namen der Cottegen zu bealückwüuscheu. AlS Festgabe wurde ein vom Maler Kirchhof anS- aeführte- Aquarellb ld überreicht, welche- da- Ar beitszimmer Otto SpamrrS, die Wiege so manche» glücklichen VerlagSgedavken-, charattertstifch und ü» sauber», freundlich ansprechenden Zügen dar- siellt. Ein gemülhvvlleS WidmungSaedicht, ver faßt und vorgeiragen von Heinrich Pfeil, erhöhte die Feierlichkeit diese- Acte». Der Jubilar dankt« in bewegten Worte», erklärte, daß er feine Schwiegersöhne, vr. Mar Lauge und Richard Oberländer, mit dem heutige« Tage auch nomi nell al» Procuraführer in sei» Geschäft auf- genommen habe, und theilt« mit, daß er zum Dank für die eifrigen Dienste, durch die er Jick seinen treuen Mitarbeitern verpflichtet j fühle, sich entschlossen habe, künstighsn da» Ge- fchLstSpersonal am Reingewinn bedeutender nnd grwtonbringender Unternehmungen bi» zu einem »twisten Prcceutsatz (10» theilnehmen zu lasten. In diesem Sinne soll schon jetzt di, Summe von 4000 Thalern (10 L de» zu erhoffenden Rein gewinn» de- in neuer Auflage erscheinenden „BuchS der Erfindungen") zur Verthetluna ge- langen, und zwar an die über 3 Jahre im Geschäft thärigen Milarbeiterund Gehülfen deS Comptoir», deö RedactionSbureauS, der Artistischen Anstalt und der Buchbinderei. Bet der Vcrlhetlung sollen allein maßgebend sein ehrenhafte Führung, lang jährige treue Dienste, Anhänglichkeit an daö Ge schäft, keineswegs höhere Stellung oder höherer Gehalt; doch können auch höhere Sätze solchen College» zuerkannt werden, welchen die allgemeine Liebe und Achtung sich zuwendet. Wenn man bedenkt, daß kaum bei einem andern Geschäft der Gewinn sich schwerer berechnen läßt alS beim Buch handel, wenn man die schwierigen AbrechnungS- verhältniffe erwägt, die gerade dieser Beruf mit sich führt, so verdient der edle Entschluß d«S Ju bilars doppelte Anerkennung. Wir begrüßen den selben freudig alS einen praktischen Beitrag zur Lösung der socialen Frage und wünsche«, daß daS hier gegebene Beispiel recht vielseitige Nachahmung finden inöge. Der Abend vereinigte einen KrriS von Mit arbeitern und Freunden mit ihren Familien zu fröhlicher Geselligkeit im Hause deS Jubilar-. Ein mit vielem Geschick iusceuirteS Festspiel führte in sinnigen allegorischen Gestalte», die in präch tigen Costümrn über die BAH«« schritte«, dir volk-bildenden Leistungen de» Spamer'schen Ver lags vor. Am Schluß wurde dem Jubilar ein stlbrrner Lorbeerkranz überreicht, auf dessen Blättern die Titel der Haupt - Werk« eingravirt waren. Nich minder wirkungsvoll waren die lebenden Bilder, welche da» jüngste Kind deS Verlage-, daS „Jllustrirte Märchenbuch" sinnbildlich feierten. Lin von den Klängen der Musik begleiteter und durch manch kräftige- Wort gewürzter Fest- schmauS folgte, und während die jüngere Welt sich den Freuden deS Tanze- ergab, rückten die alteren Festgenossen dichter zusammen, um zu Ehren de- Tage- dem Bacchu» die gebührenden Spenden darzubringen. Wir wünschen dem Jubilar, daß er die Wieder kehr diese- Tage» noch recht oft mit der ihm eigenen Frische »nd Freudigkeit erleben und daß s,tnr Pflanzung auch fernerhin unter seiner un ermüdlichen Pflege „wachsen und blühen" möge. Vivat, erescat, lloreat! Lharfreitags - Aufführung. * Leipzig, 30. März. Am gestrigen Abend fand in der Thoma-kirche unter Direct,ou de» Herrn Capellmeister Reinecke, unter Mitwirkung de» GewaudhauSorchrsterS, einer großen Zahl kunst- geübter Dilettanten, welche die Chöre besetzten, ferner der Damen Mahlknecht, Schmidt au- Berlin, der Herren Schneider an» Rotter dam, Milde au» Weimar. Ehrk« u»d Pielke, welche die Solovartien tnuehatten, uud de» Herrn Organist Papier, welcher die Orgelbegleilung übernommen hatte, eine Ansführnng von Bach'S MatthäuSpasston statt. Bekanntlich ist diese Auf führung seit Jahren zu einer regelmäßigen ge worden. Zum Vesten de» Mttweufoud» de- GewaudhauSorcheßer- wird alljährlich dasselbe große Werk nnt denselben imposanten Kraft,» zu Gehör gebracht, «nd «eit uud breit beneiden urS die au-wärrigen Kunstfreund« «m diesen feierlichen Aet unsere- musikalischen T»lt«-. Gewiß nicht ohne Recht. Die Matthäu-pasfiou hat sich all- mälig bet uns eingebürgert, den Lufführeuden wie den Zuhörer» ist »ach »nd nach jede Stelle au« dem gewaltigen Anke geläufig geworden, uud zwar kommt dies« Popularität einer Composittou »u gut«, welche dt« Herrlichkeit «nd Macht dr» Bach'schen Gentn» so wirksam «nd auch für den Uneingeweihten leicht verständlich verkündet, wie kaum eiu« andere de- der h-nlige» Dilettanten- »elt ziemlich verschlossenen Meister-. Auf der ankern Seit, hat aber auch die regrlmäßig wiederholte Aufführung eine» »nd desselben Knust- weikr» ihre Schattenseiten, und in der letzten Zeit sind dieselben auch hier so unverkennbar zu Tage getreten, daß dt« Spatzen auf dem Dach« davon pfeifen könnten. Die Pietät Lat in de» meisten Fällen einen unangenehmen Reisebegletttr, der sich, wo die Wacht nicht streng gehalten wiud, uvver- merkt in den Wagen stiehlt und schließlich auf die Fahrgelegenheit einen «»liebst« stinken Anspruch erhebt. Der BolkSmund nennt ihn Schlendrian. Wie weit und ob überhaupt dieser Gast sich bei der gestrigen Aufführung der MalthäuSpasston betheiligt hat, wage ich nicht auszusprechen. Jcd bin mir der Schwäche wohl bewußt, da, wo es sich um Bach handelt, schneller das ruhige Blut zu verlieren, alS sich dies für einen unbefangenen und billigen Berichterstatter ziemt, und Andere mögen da noch Worte der aufrichtigsten Bewun derung haben, wo ick allzuletcht bedenklich ge worden bin. Die Künstler, welchen bei der gestrigen Wiedergabe der MatthäuSpassion die Soli anvertraut waren, führten dieselben sämml- lich in würdiger Weise durch. Namentlich dir edle, einfache Bortrag de- Herrn Schneider auS Rotterdam, wilcher die Partie deS Evange listen durchführte, hat wohl allgemein einen höchst angenehmen, wohlihuerden Eindruckhervorgnufen. Herr Milde auS Weimar sang die Partie deS Christus so trefflich, w'e man eS von ihm wohl erwarten konnte; ob ihm seine Aufgabe eine be sonders sympathische und lang vertraute war. licß sich auS seinem Bortrage nicht herauShörrn; den weichen uud sanften Charakter seine- Bary- torS hat Herr v. Mlde, waS die höhere Stimm lage betrifft, nicht so auSgrbtldet, alS eS die Natur dieser ChristuSpartie wünschen läßt. Durch seine milde Würde ist gewiß der Bortrag d:s Herrn Behr vielen Freunden der MatthäuSpassion in Erinne rung geblieben. Fräul. Mahlknecht von h;er sang ihre Sopran Partien mit so schönem, künst lerisch sinnigem Ausdruck, laß ihr rin warmer Dank gebührt. F:äul. Schmidt auS Berlin, welche schon, bei der vorjährigen Aufführung der MatthäuSpassion durch ihre ansehnlichen Summ- mittel viel Eindruck erzielt hat, führte auch dies mal die besonders gut bedachte Altpartie lobrnS- werth durch und scheint nach der Seile deS Künstlerischen mittlerweile schöne Fortschritte ge macht zu haben. Die Arie „Ach Golgatha" und besonders deren Schluß wurde von ihr sehr stim mung-voll und wirksam vorgetraren. Die kleinen vaßpartirn sang Herr Ehrke von hier ganz tüchtig. Noch sei eine- jungen, mit einem sehr sympathischen Tenor begabten SängerS, Herrn Pielke, gedacht, welcher den einen falschen Zeugen ganz richtig sang, während d»r Partner vom Alrr am Swluß deS SechSzehntelgange» sich »in recht ungehöriges e für da» voraeschriebene es ent schlüpfen ließ Die Orgelbegleilung versah rühm lich und präciS Herr Organist Papier. Damit, daß im Orchester die Holzblasinstrumente hie und da eine kleine Mißstimmung bemerken ließen, be rühren wir eine Klage, die tm Laufe der Saison schon oft hätte angesttmmt werden können. An den Pulten stehen tüchtige Künstler, die Schuld liegt an den Instrumenten: die Abhülfe eines Ucbel- standeS, der die Leistungen unseres weltberühmten GewandhauSorchestcrS zuweilen schädigt, ist somit nicht dem Bereiche der Möglichkeit entrückt. Auch die Leistungen der Chore verdienen da« Lob, daß sie von eigentlichen technischen Inkorrekt heiten frei blieben, eine Tiger schafl, die auch bei dem Jaemandergreifrn und Zusammenwirken der verschiedenen an der Darstellung der MatthäuS- pasfion betheiliateu Faktoren unangreifbar bleibt. Bon einer Aufführung der MatthäuSpassion. die in Leipzig unter der Aegide der ersten mustkalischrn Kräfte vor sich geht, muß man aber mehr ver langen. Wir sind hier vorrüglicher Ehorleistunaen durchaus nicht gan» entwöhnt. Bom Rirdel'schen Vereine will ich schweigen. Auch mit geringeren Kräften ist noch in dieser Saison hier sebr Gute- geletstet worden. Ich erinnere an die Aufführung de» Lachner'schen Requiem durch den GewandhauS- ckor. Nocb am vorigen Sonntag haben die Thomauer allein unter Leitung ihre- Can- tor», de- Herrn Professor Richter, in derselben Thoma-kirHe eine Aufführung etneS ebenfall sehr schwtertgeu Werke-, de» 6moll-Requiem von Cherubtni veranstaltet, die in ihrer künstlerischen Gesanuntwtrkung ganz musterhaft war. ES ist durchaus richtig, daß sich der Eindruck der MatthäuSpassion auch bei der mattesten Darstellung nicht ganz vernichten läßt; wenn nicht schonender, wärt-, so ahnt doch Jeder bei dem kolossalen Doppelchor. „Sind Blitze rc" daß er hier einer der allererhabenste» Kunstschöpfungen gegeuüber- steht. Ater Bach wird jetzt noch viel zu sehr bloS mit dem Mund« culttvirt, als daß nicht bei der Aufführung seiner Werk» Alles daran ge wendet werden müßte, um auch nicht daS Geringste von den m ihnen verborgenen Schönheiten ver loren gehen zu lasten. Wo bleibt aber die sprüch- wörtlich gewordene Dramatik der Passionschöre, wenn sie so schlapp und unschlagfertig intonirt werden, wir beispielsweise nur der eine: „Herr, bin ich's rc." Wie sotten Laten auS ihrem dumpfen Respekte vor dem Meister zu einem wirk lichen sachdienlichen Enthusiasmus b,k.-hrt werden, wenn ganze Chöre so matt und monoton, ohne Schattirung und alle dir Nuancen, welche sich bei einer liebevollen Ausarbeitung von selb i ergeben, hinein gesungen werden, als gälte eS einer Notenprobe. DaS geistige Leben fehlte den Cborvorträgen bet der g'strigenAufführung derMatthäuSpcüsion lMer sehr. Die Hindernisse verschiedenster Art entschuldigen all,rdingS diesen Umstand. Der mi wirkende Chor bleibt daS ganze Jahr Uber ohne die nothwendige Verbindung und tritt nur kurze Zeit vor der Ausführung aä boe zusammen. Dre Räumlich keiten der TbomaSkirchr müssen ferner für die Wirkung großer Chormaffen als ungünstig be- zeichnet werden, so lange nicht durch einen Aus bau dcS mittleren LhetleS vom Chore für eine Gesammtausstrllung der sitzt nach allen R chtungen auseinander gesprcngten Sänger Platz geschaffen ist. Blele behaupten auch, daß die Proben nichr von allen mitwirkenden GesangSkräften genügevv regelmäßig b.sucht werden: kurz eS stehen einer ganz vollendeten, und dem Scheine deS Hand-werkS- mäß gen entkleideten Aufführung der MalthäuS- vassivn, wie sie für Leipzig wünschenSwrrth ist. so zahlreiche Gründe im Wege, daß eS schließlich immer noch das Beste bleibt, allen Denen, welche an der Aufführung der MatthäuSpassion, so wie sie war, mitgewirkt haben, einen herzlichen Dank zu sagen. Ilr. H. Kretz sch mar. Kaufmännischer Verein. Am Donnerstag den 14 März hielt Herr Reinhold Nichter auS Hamburg über: „Bona parte und Napoleon III." einen Vortrag, der sowohl in wissenschaftlicher wie ästhetiscbec und rhetorischer Hinsicht vollkommen die durckau- an erkennenden Uctheile der auSwäitiwn Presse recht fertigte. Original in seinen A.ffchauungen, ideen reich, weiß der Vortragende daS ».»sichtete Material in geschickter Gruppirung zu verwerthen und der Darstellung eine innige Wärme dcS ColoritS zu <eben, sodaß eS ihm stet- gelingen wird, das Interesse der Zuhörer dauernd zu fisteln. Bouapart« erscheint in markigen Cyarakterzügen alS antik« Corfennatur, von einer so tiefen Be achtung deS BolkS und der Völker durchdrungen, daß er die» Menschengeschlecht nur in den Er bärmlichkeiten begreift, daß die Jammerwelt Europa- unter seine Kothurnsohle zu treten ihm ein Zeitproblem, eine Culturnothwendigkcit dünkt. Wie ein SchicksalLgott tritt die Marmorfigur in daS sociale ChaoS, in die europäische Wrlirem»- lution ; er ist der antike HnoS, der an die Macht de- Schicksals glaubt, aber zugleich die Frevler person, die sich selbst das geborene Sckick al zu sein dünkt und den Muth besitzt, eine Welt zu be kämpfen. Europa soll eine Welrprovinz werden von innig verbundenen Continentalprovinzen und diel» gesammre Welt, eine neue Culturwtlt. soll sich auf den Scckcln der romanischen erheb-n. Das Genie soll in ihr herrschen, Frankreich soll herrschen, die französische Na'ionalität wird der bcnapartisti'chen Welt-Idee also mit logischer Nothwenkigkeit zur angeborenen Naturgenialität. Den Folgen de- von Herrn Thier- geschaffenen Napoleou-CultuS war e» Vorbehalten, im französischen Volk die Verblendung zu gebären, die dem Ideale Bona- parteS entsprang. In charakteristischen Grundzügen gab der Redner di« Kette der historischen Momente, die der Ent wickelung, der Populariflrung de- BouapartiS- muS gedient, er zeichnete da» Regime der Bour bon-, der Orleans, der Socialrepublik, de» zweiten Empire. In Letz erem folgte der Schlachtentragödie de» großen Ohm ein« MaSkeradenkomödte de» kleinen Neffen. Der Thron de» dritten Napoleon, umgeben von Abenteurern, gestützt auf den Jesuiten- klernS, konnte nur eineDauerexistevz werden, wenn er sich von diesen Elementen zu befreien vermochte.
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