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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.03.1878
- Erscheinungsdatum
- 1878-03-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-187803218
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18780321
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18780321
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1878
- Monat1878-03
- Tag1878-03-21
- Monat1878-03
- Jahr1878
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.03.1878
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Erjchrinl täglich früh 6'/, Uhr. R«t«rtio> «t trpröttloa JvhauniSgasse »8. Lvrrchstotkll trr LrtaNtov: «ormittags 10-12 Ubr. Nachmittags 4—8 Uhr. »r der für die nächst- ie Nummer bestimmten .utr an Wochentagen dis ^ Nachmittags, an Soun- und Festtagen früh bis '/.S Uhr. In »e> Filiale« fSr I,s Aaichou: Otto Klemm, Univrrfitätsstr. 22, LontS Lösche, Katharmmstr. 18,p. nur dis V,3 Uhr. WpMtr. TaMM Anzeiger. OWN für Politik, Localgcschichte, Handels- md Geschäftsverkehr. Auflage 15,3«V. Aüeiiinneit^rri» viertelt-4^/,Mk^ incl. Bringerlohu b Mi., durch die Post bezogen 6 Jede einzelne Nuomeer 25 Pf. Belegexemplar 1» Pf. Gebühren für Extrabeilagen ohne Postbekvrbernng 30 Ml. mit Postbeförveruag 4L Ml. Znfnale Sgesp. Petrtzeile 20 Pf. Größere Schriften laut unserem Preidverzeichniß. —Tabellarischer Satz nach höherem Tarif- Uecla«ra ««irr dem Urtalktoaochich dir Spaltzeile 4-1 Pf. Inserate sind stets au d. Erpedtt!»« zu senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung pr»,>nai»«riu:llo oder durch Postvorschuß. Donnevstag den 21. März 1878. 72. Jahrgang. Bekanntmachung. 1. Der »fficiele Anfang der diesjährigen Ostermeste fällt auf den «. Mat und es endigt dieselbe mit dem 25. Mai. 2. Während dieser drei Wochen können alle in- und ausländische« Handelsleute, Fabrikanten und Gewerbetreibende ihre Maaren hier öffentlich feil bieten. Doch kann der Großhandel in der bisher üblichen Weise bereits in der zum Auspacken bestimmten Vorwoche, vom 39. April an betrieben werden. 3. Das Auspacken der Maaren ist den Inhabern der Meßlocalien in den Häusern ebenso wie den in Buden und auf Ständen feilhaltenden Verkäufern in der Woche vor der Böttcherwoche gestattet. Zum Eishacken ist das Offenhalten der Meßlocale in den Häusern auch in der Woche nach der Zahlwoche gestattet. 4. Jede frühere Eröffnung, sowie jedes längere Offenhaltcn eines solchen Verkaufslocales wird, außer der sofortigen Schließung desselben, jedesmal, selbst bei der ersten Zuwiderhandlung, mit einer Geldstrafe bis zu 75 geahndet werden. 5. Personen, welche mit dem in 8 55 der deutschen Gewerbeordnung vorgeschriebenen Legitimattons- scheine nicht versehen sind, dürfen bei Vermeidung einer Geldstrafe bis zu 150 ^ oder entsprechender Haftstrafe den Hausirhandel während der Messe nur nach eingeholter Erlaubniß des Polizeiamtes und auch mit dieser nur in den eigentlichen drei Meßwochen betreiben. 6. Auswärtigen Spediteuren ist von der hauptzollamtlichen Lösung des Waarenverschluffes an bis mit Ende der Woche nach der Zahlwoche das Speditionsgeschäft hier gestattet. Leipzig, den 1». Februar 1873. Der Nath der Stndl Leipzig. vr. Tröudlin. Bekanntmachung. Im Monat Februar d. I. gingen bei hiesiger Armenanstalt ein a. an Vermächtnissen: 1500 ^ von dem am 19. November v. I. verstorbenen Herrn Johann Georg Wappler; i». an Geschenken: 14 - 85 , als Erlös eines versteigerten Tannenbaumes, durch Herrn Tanzlehrer Schirmer, 8 - 55 - „als Beitrag eines bei Hennersdorf abgehaltenen Kränzchens", durch Frau Wilhelmine Seydel, 33 . — - „für billiges Schlittschuhlaufen am Frankfurter Thor", durch den Wiesenpächter Herrn F. T. Krug, von einem Ungenannten; e. an der «rmencaste gesetzlich zusallenden Geldern: für ertheilte Mufikerlaubniß und Gestattung von Schaustellungen, durch den Rath, diverse Strafen, Sonntagsentheiligung betreffend, durch Denselben, - von der Kürschnerinnung auf Grund 8- 13, 5 der Armenordnung. 1911 30 Für das obige Vermächtniß und die verzeichnten Geschenke sprechen wir hierdurch unfern aufrichtigsten Dank aus. . Leipzig, den 8. Mär, 1878. Das Armen-Directorium. Schleißner. Lange. 8tä6ti8<;k6 k'ortdiläunxsslrliule für Lnabes-i Lu 6er freitsx rlen 33. »irr 4d«nÜ8 8 vkr im 8aste äer Dritte« kürgersctnil« ststttimtenöeo kvlvr Sv« 0vdurt«t»so8 8r. A»^v«1ät äs« Svut-ivbvn st»l8vi-8 keebrt 8ieb im >'»men üe» 1,ekrer-6oIIegium8 erg«'b«ki8t einrulscien Or. lirnvntliram. 108 - — 342 - 10 17 - — - 1 . Holz-Anction. Montag de« 25. März 1878 sollen von Nachmittags 3 Uhr an im Forstreviere Lonnetvttz auf dem verlängerten Kluthrinnentracte ca. 50 eichene, 2 buchene und 2 aspene NutzNätzc, 3 SchirrdSlzer, 16 Raummeter eichene Vrcnnschette, 19 Haufen «brnuin. 8 Hauken Schlagrettztg und 450 Haufen klar gemachtes Stmkholz unter den an Ort und Stelle öffentlich ausgehangenen Bedingungen und der üblichen Anzahlung an den Meist bietenden verkauft werden. Znsainmenkunst: auf dem Holzschlage am Rödelwehr, unweit des Schleußiaer Weges. Leipzig, am 13. März 1878. DeS NathS Asrft-Deputatton. 0/ /v 0/ /o «/ /» »/ --- 18 >« — 4 -- 18 - — . --- 1,50-3 --- — »l 75 ^ — 4 - — - — 3 - — - -----40 - — - A - — - Holzpflanzen - Verkauf. Von dem Leipziger Forstreviere Connewitz können in diesem Frühjahre durch den Revierverwalter Herrn Förster Schönherr in Lonnewitz (Postamt Connewitz-Leipzig) nachbenannte Holzpflanzen gegen Äaarzahlung oder Nachnahme bezogen werden, als: 15 Hundert eingeschulte Nothbuchrn, 1 M. hoch i> 5 - - vergahorn, 1'/,—2 M. hoch . . . 300 - zweijähr. Eichensaat 100 . einjähr. Eschensaat 10 - 6jähr. gut bewurzelte Etchen-AttSschust-Pflanzen 8 - 4jähr. dergl. Esche» AuSschutz-Pflan;en . . . 30 . Fichten mit vadcn 1—1'/, M. hoch ä Stück 50 - 8 - dreijähr. weitztannene Laatpflanzen - Verpackung und Transport zur Bahn wird nur nach den Selbstkosten berechnet. Leipzig, am 12. Februar 1878. Des Nattzs Forst-Deputation. Königliche Kunstakademie und Knnstgewerbeschulc zu Leipzig. Frequenz des letzten Semesters 182 Schüler. Die Studien im Sommerhalbjahr 1878 beginnen Dienstag, Pen 30. April «. die Tageskurse früh 7 Uhr, die Abendcurse um 5 Uhr. Der Lehrplan umfaßt alle Unterrichtsgebiete des Kunstgewerbes. Ein Hobes königliches Ministerium des Innern hat unter geneigter Berücksichtigung des aus den hiesigen Verhältnissen sich ergebenden Lehrbedürfniffes die Einrichtung von Lehrwerkstätten für die graphischen Künste (Kupfer- und Stahlstecherei, Lithographie und Xylographie) genehmigt, sowie durch Herstellung größerrr Lebrsäle für Modelltren, DeeorationSmalen, Glas- unp Porzelanmalen den Bewerbungen um Teil nahme an diesen Unterrichtsgegcnständen des Kunstgewerbes zu entsprechen gesucht. Anmeldungen zur Aufnahme sind bis spätestens de» Ast. dieses Monats beim Unterpnchneten in der Erpedttion der Kömgkichen Akademie und Kunstgewerbeschule, westlicher Flügel der Pleißenburg 8. Etage, Nachmittags zwischen 4 und 5 Uhr zu bewirken. Leipzig, am 18. März 1878. Der Direktor der Königlichen Akademie der dtldenden Künste und »«nftgewerdeschnle. Prof. L. Nie per. Die innere La-e des Reiches. i. Die Krisis im Reiche ist jetzt zu einem, wenn auch nur vorläufigen und überleitenden Abschlüsse gediehen. Das Urania ist an einem Actschluffe angekommen, und die nun eintretende Pause ladet unS zu einem zusammensaffenden Rückblicke auf den bisherigen Verlauf der Handlung ein. Solch einen Rückblick sucht ein Bortrag zu geben, der am 19. März in der Versammlung des Städtischen Vereins zu Leipzig von vr. Bodek gehalten wurde und der daher hier seinem vollen Inhalte nach folgen möge: Meine Herren! Es ist jetzt über ein Jahr her, daß ich die Ehre hatte, mich über Reichsangelegen heiten mit Ihnen zu unterhalten. Es war damals nach jener denkwürdigen Wahlschlacht des 10. Jan., suS welcher die socialistische Umsturzpartei, die unversöhnliche Feindin des neuen Reiches, zwar nicht als Siegerin, aber doch überraschend er- niuthigt und gestärkt hervorging — gestärkt nicht so sehr durch die Zahl der Reichstagssitze, die sie damals eroberte, als durch die imponirenden Stimmenzahlen, mit denen sie fast überall > ins Feld rückte, sowohl dort, wo sie siegte, als dort, wo sie unterlag. Ihre überwältigenden Majori täten nicht nur, sondern auch ihre häufig an die Mehrheit streifenden Minderheiten bekundeten den breiten Resonanzboden, den diese junge Partei bereits im Volke gewonnen hatte. Das allgemeine Wahlrecht hatte sich als ein lehrreicher und warnender Stimmungdmeffer erwiesen: es hatte mit Einem Ruck vor unseren erstaunten Augen die Decke weggeriffen von der Gefahr, an der das deutsche Bürgerthum bisher ziem- lich sorglos vorübergewandelt war. Man suchte nach Mitteln, um die Gefahr zu beschwören, und da es das allgemeine Wahlrecht gewesen war, welches das Wach-thum der Socialdemokratie offen bart hatte, so schlug man nun von verschiedenen Seiten erzürnt auf dieses Wahlrecht ein, meinte in ihm den Grund gefunden zu haben für die socialistischen Erfolge und verlangte seine Ab schaffung, Einschränkung oder Berclausulirung. Man verwechselte da einfach Ursache und Wirkung. Man glaubte die Fluth in ihrem Laufe aushalten und unterdrücken zu können, anstatt auf die tiefer liegenden Quellen zurückzugehcn und deren all- wälige Trockenlegung zu versuchen. Nun. meine Herren, jene reaktionären Stimmen zogen sich sehr bald zurück; denn die große Mehrheit der Nation wollte Nichts von der Zurücknahme der einmal gewonnenen Freiheit wissen trotz deS Mißbrauches, der vorüber gebend mit ihr getrieben wird, und auch die in diesem Vereine vertretene Bürgerschaft Leipzigs sprach sich damals, kurz nach den Wahlen, ohne Rückhalt und Einschränkung im Sinne der Freiheit auS. Und eS gereicht uns zur Genugthuung, daß die Erfahrungen, die wir seitdem aus diesem ,stütze gesammelt haben, uns Recht gegeben haben, wenn wir damals meinten, daß eine Reaction auf dem Gebiete des Wahlrechts nicht nur unfrei und un gerecht, sondern auch unklug und wirkungslos sein, daß sie keine Mauer bilden würde gegen das An dringen der socialistischen Bewegung. Was ist in diesem Jahre geschehen? Socialistische Abgeord nete sind in Einzellandtage — u. A. auch in unfern sächsischen — gewählt worden trotz des beschränkten Wahlrechts, trotz deS Cens«s. Wür den wir also — so dürfen wir schließen — das Wahlrecht im Reiche einschränken, so würden wir die Bewegung im Volke nicht cinschränken, aber auch den Reichstag nicht sreihalten von socia- listischen Elementen. Wir würden nur verwunden, ohne zu heilen, nur erbittern, ohne uns Erleichte rung zu schaffen, nur Wasser häufen auf die Mühle der Sociallsten. Wir bleiben daher bei der Ueber- zeugung, in der wir uns damals begegneten, daß wir die Socialdemokratie nicht bekämpfen dürfen im Wege der Beschränkung, der Repression, der Reaction, daß wir sie vielmehr aus dem Felde zu schlagen suchen müssen — ich möchte sagen, im Wege der Concurrenz, deS Wettbewerbes, d. h. durch ehrliche und gründliche Beschäftigung mit den socialen Nebeln, durch das Bemühen, sie zu heben, durch wirlhschastliche Reformen, durch Bil dung und vor Allein durch die Gegenüberstellung einer bürgerlichen Organisation und Agitation gegen die musterhafte Dlsciplin, der die Socralisten zum großen Theil ihre Erfolge verdankten. Wären die Unseren nicht so schwach, so wären die Social demokraten nicht so stark — daS war die Lehre, die wir damals aus den Wahlen zogen. Wir er kannten als ein schlimmes Nebel im Reiche die mangelhafte Zusammenfassung und Organisation der reichStreuen, der ordnungssreundlichen Elemente. Leider können wir nicht sagen, daß im verflosse nen Jahre viel geschehen wäre, um diesen Fehler zu curircn; cS lag DaS nicht bloS an dem altge wohnten Phlegma, an der Trägheit und Sorg losigkeit unseres Bürgerthums, sondern auch mit daran, daß Kalo nachher em anderer, viel größerer und viel böserer Organisationsfehler im Reiche zu Tage trat, der alle übrigen nationalen Interessen in sich schloß und die Aufmerksamkeit aller Reichs freunde aus sich zog und noch biS heule festhält. Nicbl blos die Parteien im Reiche waren mangel haft orgamsirt, sondern auch das Reich selbst, seine Verfassung, seine Leitung und Regierung litt an einen« Organisatlvnöschler, und die Desorgani sation unten am dürren Holze schien erklärlich und fast entschuldbar, als eine Reihe von ernsten Vorgängen uns daran erinnerte, daß auch oben am grünen Holze Desorganisation vorhanden war. Ich meine die Kanzlerkrisis, die vor Jahresfrist, um die Osterzeit, in aller Schärfe zum Ausbruch kan«. In Ihnen Allen, meine Herren, klingt wohl noch heute die tiefernste, ja schmerzliche Stimmung nach, die in den ersten Apriltagen des vorigen JahreS durch das Reich ging, alS die Kunde kam, daß Fürst Bismarck den Kaiser um seine Entlas sung gebeten habe. Sie Alle erinnern sich noch der Spannung, mit der wir damals den PulS- schlägen jener Krisis lauschten, wie wir froh auf- athmetcn, als der Kaiser daS geflügelte „Niemals!" an den Rand des BiSmarck'schen EntlaffungSgesu- ches schrieb, wie die Unsicherheit und Beklommen heit dann wiederkehrte, als Bismarck zwar sein Gesuch nicht wiederholte, aber doch seine Koffer packte und auf unbestimmte Zeit im Schatten sei nes Landsitzes verschwand. Woher kam denn aber jene ernste und ängstliche Stimmung in der Na tion? War es wirklich, wie die Gegner spotteten, unwürdiger Personencultus, schlappschwächlicher Byzantinismus, unfähiger Kleinmuth, der »ns drängte, unS so fest au den zum Scheiden ge wandten Staatsmann anzuklammern? Nein, jene Stimmungen galten nicht nur der Per son, sie galten den Einrichtungen im Reiche. Unersetzlich ist schließlich kein Mensch, und wäre BiSmarck nur ein primus Inter pnres gewesen, hätte unser leitender Staatsmann, wie dies in anderen älteren Staaten der Fall ist, nur als Erster einer geordneten, geschloffenen Regie rung vorgestanden, so hätten wir uns bei aller dankbaren Verehrung für den großen Mann, bei allem Schmerze über den Verlust einer so einzig dastehenden Erscheinung doch mit der Hoffnung trösten können, irgend einen Ersatz für ihn zu finden aus den vielen Millionen unserer Nation, irgend einen Nachfolger, der, wenn auch nicht mit sei nem Geiste, doch in seinem Sinne den Staats- wagen in den gelegten Geleisen ruhig weiter- fübren würde. Aber der Entschluß Bismarck'-, sicy zurückzuziehen, führte «nS deutlich zu Gemüthe, daß es uns im Reiche an einer eigentlichen Re gierung fehle. Die ganze Leitung der Reichsge schäfte war in den Händen deS Reichskanzler- ver einigt. Fürst BiSmarck war im Stande gewesen, diese Last zu tragen, weil in ihm sich eine Summe von Macht, eine Summe von Vertrauen sammelte, die alS höchst persönliches Recht auf ihm allein ruhte, als auf dem Gründer und wahren pater patriae deS neuen Deutschland. Für diese unver gleichliche Summe von Macht und Vertrauen war der Kanzlerposten nur ein Name, der sofort seinen Inhalt verlor, wenn der Träger des Postens wechselte. Der Rock war aus die gewaltige Persönlichkeit diese- Einen zugeschnitten, und Niemand bürgte uns dafür, daß irgend ein Anderer ihn mit ähnlicher Würde und Leichtigkeit, mit ähnlichem Glücke würde tragen können. Die Gefahr erschien noch größer, wenn man die Jugend des Reiches bedachte, seine Zusammengesetztheit, die Eifersucht, mit der die 25 einrelstäatlichen Souverainetäten ihre Selbst- Herrlichkeit der des Reiches an die Seite stellen, ferner die hochgesteigerte wirthschaftliche Krisis und deren Ausbeutung einerseits durch die dynastischen, feudal - particularistischen Elemente, andererseits durch die revolutionären, die ultramontanen und socialistischen Elemente. DaS also war die Frage an das Schicksal, welche die KanzlerkrisiS an dw Wand malte und die damals alle deutsch gesinn ten Gemüther beunruhigte. Die Frage verlor für den Augenblick an Schärfe, als bald darauf der orientalische Krieg in Hellen Flammen aufloderte und wir die Gewißheit erhiel ten, daß Fürst Bismarck trotz seines erschütterter« Gesundheitszustandes die Fäden in der Hand be hielt und von seinem UrlaubSwinkel aus die deut schen Angelegenheiten kräftig und in friedenfördern dem Sinne durch die Weltwirren hindurchführte. Kaum aber war eine Pause in diesen Wirren ein getreten, als die Kanzlerkrisis von Neuem hervor brach. Es war wohl im Herbste vorigen Jahres, alS der Kanzler den Führer der Nationalliberalen, Herrn v. Bennigsen, nach Varzin berief, urw als dieser bei einem Feste in Hannover das Woi t sprach, daß es für die Nationalliberalen an der Zeit sei, eine gouvernementale Initiative zu er greifen. d. h. sich unmittelbar leitend »n den öffent lichen Geschäften ru betheiligen. Man hörte, daß Fürst BiSmarck entschlossen sei, der Stockung im Reicbe zu steuern, noch bei seinen Lebzeiten seine Erbschaft sicher zu stellen, geordnete und dauernde Regierungs Verhältnisse aufzurichten. Man wußte wohl, daß es ihm in erster Linie darauf ankam, da- Reick finanziell zu stärken, eS unabhängig zu machen von de« Matncularbeiträgen, von den Zuschüssen der Einzelstaaten, es finanziell aus eigene Füße z» stellen. Die nationalliberale Partei war selb» verständlich, ihrem nationalen Charakter ent sprechend, sofort bereit, dem Reichskanzler hierin zn helfen. Aber sie konnte damit ihre Aufgabe nicht erschöpft sehen. Sie verlangte, ihrem libe ralen Charakter entsprechend, daß die neu zu be willigenden Steuern keine nackte Steuererhöhung darstellen, sondern ein Glied bilden sollten in der Kette einer von Grund au- und planmäßig anzu- greifenden Steuerreform. Sie verlangte daher konstitutionelle Garantien, gesetzmäßige BUrp schasten für die richtige Verwendung und ver- theilung etwaiger Neberschüffe, die sich jetzt «der später aus der Einrichtung eigener Steuern ftir das Reich, aus der Beseitigung oder Herabminde- runa der Matricularbeiträge für die Einzelstaaten ergeben würden. Sie verlangte aus vemselben Grunde die Einsetzung einer geordneten Reicht- regierung, eines gegliederten ReichoministerinmS unter welchem Namen immer, welches aus der zu bildenden geschloffenen Parlamentsmehrheit hervor- gehen, mit ihr in Fühlung bleiben, zugleich abcr der Wiederkehr von Kauzlerkrisen Vorbeugen sollte. Fürst Bismarck wies diese Forderungen nicht ab, berief vielmehr Herrn v. Bennigsen um die Weih. K »>»
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