234 dem gesammten Europa schuldete. „Jedes Stre ben nach Selbstständtgkeit fand in Luthers Lehre einen Stützpunkt." Man faßt Luther nur halb auf, «nenn man ihn blos als Widersacher des römischen Dogma begreift; er ist mehr; eS ist das lange gefesselte deutsche Nationalge fühl, das gegen das Fremde hin in ihm zum Durchbruch kommt. Sammelnd aus allen Rich tungen her giebt er den Deutschen die Sprache, die sie noch heute sprechen; aufnehmend in sich alle deutschen Interessen, die bisher so zerstückelt waren, erzeugt er den deutschen Nationalgeist und giebt ihm Ausdruck. So ist er der Schöpfer des geistigen Wesens der Deutschen, nicht blos Reformator ihrer Kirche. Die eigentliche Blüthe deutscher Nationalität da- tirt von ihm; um seine Opposition gegen Rom schaart sich eine Consequenz „hoch wie ein Ge- birg, unergründlich wie rin Meer," und in die ser hat das deutsche Wesen seine Geburtösta'tte. Noch heute ist dieser Consequenzen kein Meister und kein Dogma Herr geworden; es ist die gei stige Unabhängigkeit selbst. Die Elemente lagen gefesselt, mit einem kühnen Ruck an dieser Fessel hat er sie frei gemacht und mit 50 Banden sei ner Schriften hat er die deutsche Freiheit ver brieft. Die unbegreifliche Thatigkeit der jungen Presse, welche einzelne Schriften Luthers bis 13 Mal im Jahre auflegte, war Luthers Hauptwaffe. Durch ihn ward die Presse das Hauptrüstzeug deS deutschen Geistes. Mit und nach Luther er gießt sich wie ein aufgestauter Strom die deutsche Rede; der Humanismus verdrcingt die Poesie, so daß nur das Volkslied und das geistliche Lied, letzteres wieder durch Luther, sich behaupten und erheben. Luther war der Held der Nationalität Deutschlands, der Träger des deutschen Wesens, der Atlas unsrer Prosa und Literatur. — In einem Briefe vom 10. Juli 1520 an Spalatin schrieb Luther: „Mir ist der Würfel geworfen; ich habe verachtet die römische Wuth oder Gunst; ich will mit ihnen nicht aus gesöhnt werden, noch Gemeinschaft ha ben in Ewigkeit, sie mögen meine Schriften verdammen oder verbrennen. Ich werde, wenn ich nur Feuer be kommen kann, verdammen und öffent lich verbrennen das ganze päpstliche Recht, jene Pfütze von Ketzerei, und ein Ende soll haben die Beobachtung der Demuth, die sich bisher gezeigt, und die bisher sich fruchtlos bewiesen. Die Feinds des Evangeliums sollen sich nicht mehr dadurch aufblähen." Immer kühner ward seine Oppo sition, und di« Aussicht auf Verstärkung derselben durch Theilnahme immer größer durch die Nach richten von der Verbreitung und begierigen Auf nahme seiner Schriften, selbst außer Deutschland in der Schweiz, Frankreich, England u. s. w., wie durch die Zuschriften Sickingenö und Sylvesters von Schaumbuig. die ihm Schutz von 100 Reichsrittern, „die wie Sickingen denken würden," zusicherten. „Weil mich jetzt Schanmbnrg und Sickingen sicher gestellt — schreibt er unterm 17. Juli an Spalatin — so muß ich jetzt der Wuth der Teu fel folgen. Die letzte wird sein, wenn ich mich selbst zur Last sein werde. Sv ist es der Wille Gottes." Hl. Vermischtes. O*ts-Chro«ik. A. F. Roscher in Schlößchen Porschen- dorf, ein beklagenswert!) es Opfer mensch licher Leidenschaften. Länger als 20 Jahre wohl ist Zschopau und seine Parochie so glücklich gewesen, tödtl. Folgen leidenschaftlicher Aufregungen und Aus brüche in dem Maaße nicht beklagen zu dürfen, als es leider der Fall ist vom Sonntag, dep 28sten Juni dieses Jahres. Erwähnter Anton Ferd. Roscher, ein Jüngling von 19 Jahren, ist leider ein solches Opfer geworden. Es waren an diesem Tage die jährlichen Festlichkeiten der Schuljugend von Schlößchen Porschendorf auf dem hiesigen rochen Vorwerke (da Schlößchen einen öffentlichen Schankort noch entbehrt), bereits 8 Uhr beendiget und dieselbe in Begleitung ihres Lehrers in ihre Heimath gezogen und vor der Ortsschüle feierlich entlas sen worden, als eine.anderweite anständige Ge sellschaft des genannten Ortes auf diesem Vor werks-Schanklocale versammelt blieb, oder sich versammelte, um die anwesende Tanzmusik zu benutzen. Man vergnügte sich ohne alle Stö rung bis gegen 12 Uhr. Nach dieser Zeit aber waren einige Dienstboten vom Ritterguthe Schlößchen und dem Vorwerke eingedrungen, die man, als nicht dazu gehörend, entfernt hatte. Die Ruhe war dadurch wieder hergestellt und