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Wochenblatt für Zschopau und Umgegend : 26.04.1856
- Erscheinungsdatum
- 1856-04-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtarchiv Zschopau
- Digitalisat
- Stadtarchiv Zschopau
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512512809-185604266
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- http://digital.slub-dresden.de/id512512809-18560426
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- oai:de:slub-dresden:db:id-512512809-18560426
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- ZeitungWochenblatt für Zschopau und Umgegend
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ei» Morgen nach dem anderen und weckte einen trü gerischen Hoffnungsschimmer, welcher mit einbrechen der Finsterniß einer dumpfen Verzweiflung Platz machte. Am dritten Tage erlag einer der Dulder, dessen dünne Bekleidung ihm keinen hinreichenden Schutz gegen die rauhe Witterung gewährte, den ver einigten Wirkungen der Kälte und des Hungers. Seine Leiche ward von den Ueberlebenden den Fluthen übergeben. Ihm folgte bald darauf eine Frau, die in den Armen ihres Gemahls und ihres TöchterchcnS starb. Der vierte Tag kam heran, und mit ihm dieselbe wilde See, derselbe bleifarbene Himmel; kein Hoff- nnngS'Strahl ringsum zu erspähen! Die Kälte war grimmig, kein Tropfen Wassers war vorhanden, und von Brod blieb nur noch ein geringer Nest übrig. Die menschliche Natur schien der Wuth der Elemente und dem Mangel kaum länger Trotz bieten zu kön nen. Da leuchtete plötzlich mitten i» die Nacht der Verzweiflung das weiße Segel einer Brigg herein. Sie war nicht sehr weit entfernt; mit allen Kräften ruderte man auf sic los und suchte sich, so gut es ging, durch Signale bemerklich zu machen. Eine Zeit lang glaubte man auch wirklich, daß es gelingen werde, sie zu erreichen; allein sie bemerkte das Boot nicht, und da sich plötzlich ein frischer Wind erhob, so ent schwand das rettende Segel bald den Blicken der Leidenden. — Nun war alle Hoffnung dahin! Ein brennender Durst befiel Alle, und die Warnung des jungen Nhe nicht beachtend, begannen sic, Seewasser zu trinken. Dies erhöhete nur ihren Durst, und gierig schlürfte» sic ein Mal über das andere die tödtliche Flüssigkeit. Die gewöhnlichen Folgen traten ein: Raserei und Tod. Bald bat der vom Delirium Befallene seine Leidensgeizossen, ihn zu tödtcn; dann wieder schien cs, als träume ihm, er sitze an reich besetzter Tafel; er sprach von den köstlichste» Speisen, nach denen er doch vergebens laugte, von den herr lichsten Getränken, mit denen er doch seinen ausge dörrten Gaumen nicht labe» konnte. Zuletzt brach der Körper unter der Wucht der physischen und gei stigen Leiden zusammen; der Irrsinn äußerte sich in stillerer Weise: immer unbeweglicher und starrer wur de» die eingefallenen Züge, der verstörte Blick ward gläsern, die welke Gestalt schrumpfte mehr und mehr zusammen, verlor mehr und mehr jeden Halt, und plötzlich, wenn das Boot sich durch eine starke Welle hob, sah man eine Leiche zu Boden sinken. Das war das traurige Schauspiel, welches sich dem jungen Nye Tag für Tag darbot. So lange es seine Kräfte erlaubten, warf er die Tobten in'S Wasser; zuletzt konnte er es nicht mehr. Die Oualen des Durstes, welche er erlitt, waren seiner Aussage nach furcht bar; doch rieth er seinen Gefährten nicht nur ab, Salzwasser zu trinken, sondern zeigte ihnen auch, wie sich der Durst einigermaßen durch bloßes AuSspülen des Mundes mit Seewaffcr stillen lasse. Außerdem erlabte er sich ein paar Mal an den kleinen Stück chen Eis, die sich an dem Rande des Boots ansetzten. Den Bootsmann überkam nach dem Genuß des See- Wassers eine wahre Tobsucht; er versuchte, die Ruder über Bord zu werfen, und warf die zum Ausschöpsen des Wassers bestimmte Mulde wirklich in's Meer. Nye bemühte sich nach Kräften, ihn zu beruhigen und ihn vom Trinken abzuhalten; doch vergebens. Er erhielt von dem Wüthenden einen heftigen Schlag auf's Kinn, der ihm eine nicht unerhebliche Wunde beibrachte. Als die vier letzten Leichen im Boote lagen, ward er von einer furchtbaren Müdigkeit er griffen, behielt jedoch noch Besinnung und Selbst überwindung genug, um ein wollenes Hemd und ein rothcs Taschentuch an einem aufgerichteten Ruder als Signal zu befestigen; dann kauerte er ruhig in einer Ecke des Bootes nieder und ließ so die Stunden, eine nach der anderen, in halb bewußtlosem Zustande.au sich vorüber gleiten. Von Zeit zu Zeit rüttelte er sich mit Gewalt auf, schöpfte das Wasser aus dem Boote und legte sich dann wieder hin. Er schlief nicht eigentlich, sondern befand sich in einer Art von Wachender Verzückung. Manchmal kam es ihm vor, als befinde er sich zu Hause in New-Bedford bes den Scinige». Da er fürchtete, daß auch ihn zuletzt der Wahnsinn bewältigen werde, so kämpfte er mit alle» Kräften gegen die auf ihn eindringendcn düsteren Gedanken an. Anfangs versetzte ihn der Anblick seiner schaurigen Gefährten — der neben ihm liegenden Leichen — in eine niedergeschlagene Stimmung. Doch suchte er sich der trüben Gefühle zu erwehren, und hielt bis zuletzt an der Hoffnung fest, da er entschlossen war, wenn ihm der Tod be- schicden sein sollte, mit vollem Bewußtsein und nicht im Zustande der Raserei in das Jenseits hinüberzu gehen. Auch hielt er tapfer bis zu Ende aus. Am 28. Februar ward ein Schiff des Bootes ansichtig, in welchem sich der arme Junge befand. Es war das auf der Fahrt von Havre nach New-Uork be griffene Packetschiff Germania. Nye war gerettet; allein seine Rettung verdankte er nur der äußerst liebevollen und zärtlichen Pflege, die ihm an Bord der Germania von Seiten des Eapitains Wood und dessen Gattin z» Theil wurde. Sonst hätte ihn wohl doch noch der Tod ereilt, so furchtbar hatten ihn Kälte, Hunger und Durst zugerichtet. Auch die geistige Auf regung hatte ihm stark zugesetzt, und noch lange nachher war er manchesmal wie halb wirr, wenn die Erinnerung an jene Schrecknisse recht lebhaft in sei ner Seele auftauchte. Was aus den übrigen vier Booten des John Rutledge geworden ist, weiß man nicht. Wahrscheinlich sind sic aber nicht besser ge fahren. als das, welches den jungen Nye trug, der villcicht allein unter allen an Bord des verunglückten Schiffes befindlichen Mensche» mit dem Leben davon gekommen ist. — Der John Rutledge war ein Schiff von 1008 Tonnen Tragfähigkeit und für 64,000 Dollars versichert. Der Werth seiner zum großen Theil in New-Uork versicherten Ladung wird auf 75,000-100,000 Dollars geschätzt.
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