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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.07.1884
- Erscheinungsdatum
- 1884-07-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188407149
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18840714
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18840714
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1884
- Monat1884-07
- Tag1884-07-14
- Monat1884-07
- Jahr1884
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.07.1884
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Erscheint täglich früh 6'/,Uhr. Ket«1io» und Lrpr-ition JohanucSgaffe 33. Sprrchkunden -er Ne-artion: Bonnittag« 10—IS Uhr. Nachmittag» 5—8 Uhr. tzs» die n-«l»n»^r m»nulcri««, »»chl ftch dsi ««»««»» »tchl »erdlndlich. Tagcblatt «mmtzW« »er für »t« »tchftfslge»»» Nummer »efttmmte« An kernte « »Utzr NuchmtN«^. lfrützl ' W«chcota,e« »t« uu E«u>- «o» Festtage» ,bt«'/.Vlltzr. 3« de« Filialen für Jus.-AnnalMe: Otts Rle««. Universttötsstraße 21, L«»t« Lssche» Kathariarnstroße 18, P. »ar »ia '/.r Utzr. Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Kandels- «nd Geschäftsverkehr. Auflage 18,60«. AdonnrmrntSPrri» oiertelj. 4'/, Ml. iacl. Bringerlohn 5 Mk.. durch die Post bezogen 6 Mk Jede einzelne Nummer 20 Ps. Belegexemplar 10 Ps. Gebühren für Extrabeilagen (in Tageblatt-Format gesalzt) »tzne PoftbesSrdelung 39 Mk. mit PoftbesSrderung »8 Mk. Inserate 6aespaltene Prtitjeile SO Pf. GrStzere schriste» laut unserem Preis verzeichnis. Labrllarischer ». Ziffernsatz nach höher« Taris.. Lerlmnr» »ater de« Led«lti»»»strich die Spaltzeile 50 Ps. Inserat, find stet« an dt» Ekpeditta« za senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung xraalluwornnäo oder durch Post. Nachnahme. ^IS 19«. Montag den 14. Juli 1884. 78. Jahrgang. Amtlicher Thetl. In Befolgung einer unterm 9. Pyrit o. seiten» der König- llchen Kreishauplmannschast ergangenen Generalverordnung bringen wir andurch wiederholt zur öffentlichen Kenntniß, daß da» Königliche Ministerium de« Innern aus Anregung de» Königlichen Landes-Medicinal-Collegiums au» Rücksicht auf die öffentliche Gesundheitspflege durch Verordnung vom 28. October 1877 bestimmt hat, daß alle Leiche«, an welchen deutliche Zeichen von Fäulniß wahrnehmbar sind, nicht über den 4. Tag (4 mal 24 Stunden) von der Stund« de» ein getretenen Tode» an im Sterbehause belassen werden dürfen, sondern au» dem letzteren spätesten» mit Ablauf der gedachten Zritfrist entfernt werden müssen, um entweder beerdigt oder den Todtenhallen übergeben zu werden. Zuwiderhandlungen sind mit Geldstrafe bi» zu 100 Mark beziehentlich im UnvermvgenSsalle mit entsprechender Haft- strase zu ahnden. Wir werden die gehörige Ausführung der gedachten An ordnung überwachen und in vorkommenden Contravention»- sällen, deren Anzeige wir den Leichenfrauen zur Pflicht gemacht haben, dagegen einschreiten. Hiernächst haben wir auf Anregung de» Herrn Stadt» bezirköarzte» und nach Gehör de» Gesundheits-Ausschusses, sowie auch der Herren Stadtverordneten noch für den hiesigen Stadtbezirk bezüglich der Benutzung der Leichenhallen folgende Anordnungen getroffen: 1) Die an besonder» ansteckenden Krankheiten, namentlich an Pocken. Cholera, Diphtheriti», Scharlach. Fleck typhus, Unterleibstyphus, tvvbu» recurrens (Rücksalls- fieber), Erysipel (Rose), Ruhr und Masern Ver storbenen sind spätestens innerhalb achtzehn Stunden nach dem Eintritte deS Todes auS dem Sterbehause zu entfernen und in die Leichenhallen zu bringen, wo für dieselben, wenn thunlich, ein von den übrigen Leichen geschiedener Raum anzuweisen ist; 2) diejenigen Leichen, für deren Unterbringung ein be sonderer, zu Wohn-, Schlaf», Arbeit»- und WirthsckastS- zwecken nicht benutzter Raum in der betreffenden Familie oder im Sterbehause nicht vorhanden ist. müsse« in allen Fällen, auch wenn der Tod nicht in Folge einer der obigen Krankheiten eingetreten ist, innerhalb achtzehn Stunden nach Eintritt des Tode» w die Leichenhallen untergebracht werden. Indem wir diese Anordnungen zur allgemeinen Nach achtung bekannt machen, bemerken wir, daß Zuwiderhandlungen gegen dieselben, soweit nicht nach dem Strasgesetzbuche im einzelnen Falle härtere Bestrafung einzutreten hat. ebenfalls mit Geldstrafe bis zu 100 Mark, bez. mit entsprechender Haftstrafe geahndet werden werden, wogegen wir den Hin weis daraus, daß die Benutzung der Leichenhallen unentgeltlich ist, nicht unterlassen wollen. Leipzig, den 18. Juni 1884. Der -kath der Stadt Leipzig. vr. Tröndlin. Kretschmer. Bekanntmachung. Wegen Herstellung einer Thonrohrschleuße wird von Mo«tag, de» 14. diese» Monat» ad, die Straße z»ischea der Kreuzung der Liebigstraße «it der eheeuattge» Verbindungsbahn und de« Haupt» etngaug« de» «eue« JohauniSsrtedhos» aus die Dauer der Arbeiten für den ««befugte» Fährverkehr gesperrt. Von der Liebigstraße herkommende Leichenconducte haben während dieser Zeit ihren Weg aus der alten Verbindungs bahn entlang der Beterinärkliuik nach der äußeren Hospital- straße und von da nach dem HaupteiogangSthore de» Fried hof» zu nehmen. Leipzig, am 12. Juli 1884. , Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Henaig. SeuMe-Vermiethung. Eingetretener Umstände halber soll kaS zeither an Herrn Kaufmann Küntzei vermiethct gewesene BuhuenaeiNökbe Rr. 4 «ater de« Rathhaeese (Markisette) sofort oder »ach Befinden vo« 1. October d». I«. an gegen ein« halbjährliche Kündigung DieuStag, den LS. dS. Mo«., DormtttagS II Uhr auf dem Rathhause, I. Etage, Zimmer Nr. 17, an den Meistbietenden anderweit vernriethet werden. Ebendaselbst ans dem großen Saale liegen die Bermie- thungS' »nd VcrsteigerungSbedingungen nebst Inventarium des zu vermiethendcn Gewölbes schon vor dem Tennine zur Einsichtnahme auS. Leipzig, am 7. Juli 1884. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Stöß. Nichtamtlicher Thetl. Die Fortschritte des Mahdi. Die länast gehegte Befürchtung, daß der Mudir von Dongola ein verrätyer sei, ist jetzt zur Thatsacbe geworden. Eine Depesckie de< in Assuan kommandirenden Oberst Taylor meldet, daß der Mnvir von Dongola vom Mahdi sich habe die Emir- wvrd« erthrilen lassen und seine Ernennung bekannt ge macht habe. Wa» diese Neuigkeit zu bedeuten hat, erhellt am besten daraus, daß alle Nachrichten aus dem Sudan während de» letzten Monats fast anssckließlich durch de» Mudir von Dongola nach Egypten übermittelt wurde». Dieser Ränkeschmied rühmte sich bekanntlich, die Aufstän dischen in mehreren blutigen Treffen geschlagen zu baden und nahm überhaupt die Miene an, als ob er der Hort Egypten» in dem Kampfe gegen den Mahdi sei, durch dessen militairische und diplomatische Geschicklichkeit die vom Mahdi drohend« Gefahr allein abgewanct werden könne. Jetzt tritt die wabre Natur des Mndirs zu Tag«. All« leine Depeschen batten nur den Zweck, die Engländer »nd die Egypter in eine falsche Sicherheit zu wiege«, «nd sie dann um so leichter Überfallen und über wältigen zu können. Den Fall Berber» verheimlichte der Mudir so lange, als er sich uur irgend verheimlichen ließ. Die Meldung, welche Osman Digma darüber erhielt, war die richtige, obwohl sie im englischen Parlament von der Regierung demcntirt wurde. Schon am 23. Mai fiel Berber in die Hände der Anhänger de» Mahdi. 1500 Soldaten, die gesammte Besatzung und außerdem 2000 Männer wurden nieoergemetzelt und nur Frauen und Kinder blieben verschont, dann rückte da» Heer de» Mahdi weiter nach Norden in der Richtung auf Dongola. wo es jetzt angclangt zu fein und mit dem Mudir von Dongola gemeinschaftliche Sache gemacht zu haben scheint. Die Zahl der Truppen de» Mahdi wird auf 35.000 angegeben. Die vereinigten Streitkräfte des Mahdi und deS nunmehrigen Emir von Dongola sind im Anmarsch auf Wadi-Halfa begriffen, der letzten Station vor KoroSko, wo Kitschner mit einer Hand (voll Leute dem An sturm Gegenwehr leisten wird, wenn er eS nicht vorzieht, den unhaltbaren Platz zu räumen und sich in Assuan, wo Oberst Taylor mit 1000 Mann und 6 Kanonen steht, mit diesem zu vereinigen. Denn daß ihm die Engländer aus Kairo zu Hilfe kooimen sollte», rst nach den bisherigen Erfahrungen nicht zu erwarten, da sie alle egyptischen Garnisonen von Khartum bi- nach Oberegypten rettungSlo» dem Mahdi preis- gegeben haben. Die englische Regierung schweigt consequent, weil sie keine Lust hat. energische Schritte gegen da» immer näher rückende Verderben in Egypten zu unternehmen, aber sie ist offenbar über den Stand der Ding« im Sudan unterrichtet. Und dieser ist traurig genug. Der „Tempi" veröffentlichte am 8. Juli eine Mittheilung, welche ihm von einem Eorre- spondenten in Suakim zugegangen ist. Danach befindet sich Khartum schon seit längerer Zeit in der Gewalt de« Mahdi und Gordon ist von seinen eigenen Soldaten ermordet worden. Da» sei so gekommen: Gordon ließ zwei Pascha» wegen Ein verständnisses mit dem Feind« erschießen, darauf drangen 200 Anhänger der Hingerichteten in den Palast des Gouver neur» und ermordeten ihn nach heftiger Gegenwehr. Mohamed Achmed ergriff sodann Besitz von Khartum und hielt seinen Einzug in die Stadt. Die englische Regierung hat sich bisher nicht bewogen gefühlt, die Nachricht de» .Temps" zu dementirrn, diese braucht deshalb noch nicht wahr zu sein, aber sie ist bezeichnend sür die Sachlage. Nur die gänzliche Unmöglichkeit, etwas über di« Lag» zu erfahren, in welcher sich Gordon und Khartum befindet, kann solche Gerüchte Hervorrufen, die Niemand zu bestätigen oder al» Erfindung zu erklären vermag. Daß die englische Regierung Nachrichten au» Khartum erhalten hat, wurde vor Kurzem in Londoner Blättern mitgetheilt, aber hinzugefügt, daß die Nachrichten geheim gebalten werden müßten. Wen» sie Gutes enthielten, würde Gladsione mit ihrer Veröffent lichung nicht zögern, da da» aber nicht der Fall ist, schweigt er. Osman Digma unterstützt den Vormarsch de» Mahdi gegen Oberegypten sehr wirksam am Rothen Meere. Zuerst richtete er seine Angriffe auf Suakim und da die dortige Be satzung Stand hielt, so nahm er einstweilen Deblach in Besitz und hat sich, wie gestern gemeldet wurde, auch Pont AsiS' bemächtigt. E» wäre nicht zu verwunden, wenn eine« Tage- auch der Fall von Suakim bekannt würde, denn die dort be findlichen Engländer waren schon einmal entschlossen, den Platz zu verlassen, da sie mit den seigeu Egyptern, die alle ihre BerthcidigungSmaßregeln durchkreuzten, nicht länger zu sammen dienen wollten. Trotzdem ist e» ihrer Energie ge lungen, den Angriffen O»man Digma'» bi-her Stand zu halten. Wie lange da» noch dauern wird, läßt sich nicht vorau«sehen. Zwei Versuche hat die englische Regierung gemacht, um eine Besserung der Lage im Sudan herbeizusühren. aber beide sind als gescheitert zu betrachten. Der eine war die Sendung de« Admiral» Hewett nach Abyssinien, um den König Jo hanne» zu einer Diversion nach Kassala zu bewegen und den Durchmarsch englischer oder türkischer Truppen durch sein Land zu gestatten. König Johanne» hat beide Gesuche ent schieden abgelehnt. Der zweite AuSweg, welchen England auS dem selbstgeschaffeueu Labyrinth zu gewinnen suchte, war «ine türkische Expedition nach dem Rothen Meer und von dort nach dem Sudan. Auch diese» AuSkunstsmittel erwies sich al» verfehlt, weil die englische Regierung die Kosten scheute und dem Sultan nicht den Oberbefehl überlasse» wollte. Jetzt zieht cS Gladsione vor, die Hände in den Schooß zu legen und die Dinge ihren Laus nehmen zu lassen, riu Platz »ach dem andern fällt in die Gewalt der.Aufständischen", wie die Anhänger des Mahdi mit einer Collectivbezeichnung zusam- mengesaßt werden und die bi-herigen Herren de» Sudan» und Egyptens weichen muthig immer weiter zurück. Es kann der englischen Regierung nicht verborgen sein, daß demnächst ein Tag kommen wird, an welchem e» sich entscheiden muß, ob die englische Besatzung in Kairo und Alexandrien bleibt, oder ob die Truppen de» Mahdi ihre Stelle einnehmen. Daß Gladsione Egypten halten will, geht auS dem Endtermin hervor, welchen er für den Rückzug der englischen Truppen au» Egypten gesetzt hat. Aber am l. Januar 1888 ist entweder der Mahdi mit seiner gesamntten Macht vernichtet, oder die englische Occupation Egypten« ge hört längst der Geschichte an. Die Einhaltung de» Rück zugtermin- hängt bei der heutigen Sachlage nicht vo« dem Willen der englischen Regierung, sondern von der Entscheidung durch die Waffen ab. Die 6000 Engländer, welche in Egypten stchen, reichen nicht hin, um dem Mahdi auf die Dauer er folgreich Widerstand leisten zu können und zur Absenkung einer größeren Truppenzahl wird man sich m London nur dann entschließen, wenn der englischen Regierung der Kampf um Egypten so großen Aufwande» Werth erscheint. Die Erpedition de» Generals Graham war der letzte Versuch, dem Vordringen de» Mahdi nach Egypten Widerstand zu leisten, dies« Expedition ist bekanntlich vollständig mißglückt, die englischen Truppen sind nach Hanse zurückgekehrt und ihr Gegner, Osman Digma, behauptet siegreich da» Feld. Z» welchem Zweck unter solchen Umständen eigentlich «ine Conserenz in London tagt, welch« sich bemüht. Ordnung in die egypiischen Finanzen zu bringen, ist nicht verständlich. Denn wenn der Mahdi von Kairo und Alexandrien Besitz ergreift, dann ist die egvptische Finanzcontrole rin überwundener Standpunkt, kann liegt die Sorge für dieselbe Mohamed Achmed ob. Auch Frankreich ist dann der Sorge Uberhoben, mit England zu einem erspießlichen Abkommen z» gelangen. Von Nentrali- sirung Egyptens und teS Suezcanal» kaun dann nicht mehr die Red« sein. Da» sind Erwägungen, welch« sich die Tbeil- nehmrr der Confereuz nicht verschließen können, und deshalb ist e» sehr erklärlich, daß weder die finanziellen Beiräthe» noch die Bevollmächtigten selbst der Ordnung der eghptischen Ver hältnisse ihren Elser zuwenden. Gladsione ist jetzck durch die Wahlrrsorm zu sehr m Anspruch genommen, um Egypten die Aufmerksamkeit zuwenden zu können, welche e< erfordert, aber die Macht der Thatsachen wird bald eine sehr vernehmliche Sprache reden, baß er ihr sein Ohr nicht länger verschließen kann. * Leipzig, 14. Juli 1884. * Mit dem rheinischen Parteitag zu Elberfeld werden die großen provinziellen und landschaftlichen Ver sammlungen der nationalliberalen Partei vcrläufig veendigt sein; ein westfälischer, ein hannoverscher Parteitag werden später Nachfolgen. Wenn wir auf die stattliche Reihe von Kundgebungen im großen Stil aus den letzten Wochen und Monaten zurückblicken, so kann uns dabei nur da» Ge fühl der aufrichtigen Befriedigung und Freude erfüllen. Di« mächtige Anregung, welche durch die Tage von Heidelberg, Neustadt und Berlin gegeben worden, ist überall aus den fruchtbarsten Boden gefallen; ein frische- Leben für unsere Partei ist davon ausgegangen, da» un» für die Zukunft mit den besten Hoffnungen erfüllt. Nirgends hat der ge ringste Mißton die Stimmung gestört, überall ist eine Einmüthigkeit und Eintracht zu Tage getreten, wie sie in keiner anderen Partei zur Zeit herrscht. Zwischen den schroffen Gegensätzen von recht» und links strebt die ge mäßigt liberale Richtung mit Erfolg wiederum nach der ihr gebührenden Machtstellung und zahllose Kundgebungen be weisen, einen wie günstig vorbereiteten Bode« diese Richtung in den weitesten Kreisen de» Volke» findet. Es wird nun mehr, nachdem die leitende Parole auSgegeben ist, im Hin blick auf die bevorstehenden Wahlen eine stillere, aus kleineren Umfang beschränkte Einzelarbeit folgen müssen. Diejenigen, die an den große» Parteiversammlungen theilgenommcn haben und in ihren Kreisen die politische Leitung auSzuübcn berufen sind, müssen sich nunmehr an die äußerlich bescheidenere, aber doch so unendlich wichtige Kleinarbeit machen. ES gilt jetzt die Prüfung und Verbesserung der localen Organisationen, die Befestigung bezw. Gründung der örtlichen Wahlvrreine, die Aufklärung und Anregung der Wähler in engeren Grenzen, endlich die Auswahl geeigneter Caudidaten. Mit diesen localen Vorbereitungen darf nicht mehr gezögert werden; sie müssen von längerer Hand getroffen, rastlos und unermüdlich betrieben werden, wen« sie wirksam sein sollen. Mehr wie drei Monate werden nicht mehr zur Verfügung stehen, möchte diese Frist allen Orter eifrig ve- nutzt werden; dann wird der Erfolg, eine parlamentarische Wieder-Erstarkung de» gemäßigten und nationalen Liberalis mus. nicht auSbleiben. * Unter den Nationalliberalen de» Görlitz-Lau« baner Wahlkreise» batten anläßlich der letzten Landtags- wablen allerlei Meinungsverschiedenheiten, mehr localer und persönlicher al» sachlicher Natur, stattgesunden. Diese Diffe renzen können nunmehr al- völlig ausgeglichen betrachtet werden. In den »Görlitzer Nachrichten und Anzeiger" lese» wir: „Wenn damals bekanntermaßen die Parole eine» Zu- sammcnsteben» aller Liberalen gegen die „Reaction" die Ur sache der Spaltung war, so sind die Verhältnisse inzwischen doch gänzlich andere geworden: der Uebertritt der Secession zum Fortschritt, daS sonderbare Verhalten der Dentschfrei- sinnigen bei der Postdampfer- und Colonialfrage und die mehr und mehr sich vollziehende scharfe Trennung de» gemäßigten Liberali»>nu» von dem fast immer negirenden fortschrittlichen Liberalismus — alle» dies hat die früher innerhalb der national liberalen Partei bestandenen Unterschiede verwischt und dieselbe zugleich in einer Weise gekrästigt, wie dies noch im Lause des ver gangenen Winter» nicht sür möglich gehalten wurde. Jene Vorgänge hätten an sich aber diesen Erfolg noch nicht gehabt, wenn die nationalliberale Partei nicht mit der Heidelberger Erklärung zugleich einen völlig klar vorgezeichnetrn Weg nn- geschlaqen hätte, der unzweideutig zu erkeuneu giebt, daß diese Partei gewillt ist, positiv an den wichtigsten Zeitaus gaben mitzuwirken. * Al» Termin de» erstmaligen Zusammentreten- de» preußischen Staat-rath» hört man jetzt Anfang October nennen. Rach officiösen Andeutungen würde sich der StaatS- rath zunächst mit verschiedenen Fragen der wirthschaftlichen Reichsgesctzgebung, Grscdästssteuer, Zuschlag-Zölle sür direkte Einfuhr, Post- und Dampfersubvention u. dergl. zu be schäftigen haven. * Die von einigen Zeitungen gebrachten Mittheilungen, der BundeSratb werde demnächst zusammentreten, um sich über die gemeinsam zu ergreifenden Maßregeln behuf» Abwehr der Cholera-Epidemie schlüssig zu machen, sind falsch. Die neulich in Berlin versammelt gewesene Choleracommission hat ihre Arbeiten definitiv beendet und feste Beschlüsse gefaßt, behufs deren Durchführung in den Bundesstaaten eben jetzt Schritte geschehen sind. Es ist ja gar nicht zu zweifeln, daß die Einzelregierungen diese Maß regeln auch treffen und so ein« einheitliche Behandlung aller auf die Cholera bezüglichen Vorkehrungen im deutschen Reiche erzielt werden wird. * Wie wir hören, wird an Stelle de» zum Direktor de« Reich-Versicherung«-Amte» ernannten Geh. Rath Bödiker Herr Reg.-Rath Woedtke vom preußischen Handels ministerium al» commiflarischer Hilfsarbeiter in da» Reichs amt des Innern rintreten. * Ministerial-Director Bosse vom ReichSamt de» Innern tritt in den nächsten Tagen einen fünfwöchigen Urlaub nach dem Harz an und wird wäbrend dieser Zeit vom Unter- staatSsccretair Eck vertreten werden. » » » * lieber das Wachsthum de» Irrsinn» in Frank reich wäbrend und nach dem deutsch-französische» Kriege tbeilt neueste»- eine competentc psvchiatrislbe Autorität inter essante Daten mit. Al- wesentlichste Ursachen geistiger Störungen in dem dritten viertel de» laufenden Jahrhundert« werten bezeichnet: die Genußsucht, das Streben, schnell reich zu werden, die Schicksalsschläge, da« Bvrsenspiel, di« Krach» und der AlkoboliSmu»; aus letztere» allein sind 25 Procent der Irrsiniisfälle zurückzusühren. Sonderbarerweise erfuhr im Moment der Kriegserklärung die Zahl der Irren, soweit Pari» in Betracht kommt, eine Herabmindernng; da» dauerte aber nur kurze Zeit; nach der Katastrophe von Sedan, als di« Borortsbevvlkerung massenhaft nach Pari» einströmto, wuch» die Zahl der Geistesgestörten rapid; Falle von Melancholie und dumpfem Hmbrüten waren besonder» häufig. An deren Stelle trat im Verlause der Belagerung die Erfindung-Manie. Eine Menge von Leuten wandten sich mit den verrücktesten Ideen behufs Massenvertilgung der Preußen an General Troch», au» dessen Cabinet sie ge wöhnlich den Irrenanstalten zuwanderten. Mit dem Beginn de» Bombardement» wurden viele vor Schrecken verrückt; daneben dauerte der Erfindung»wahnsinn fort. Unter Ander», schlug man Herrn Thier» vor, er solle den Deutschen die Kriegsentschädigung in vergoldeten Zinkmllnzrn, in falsche» Casscnscheinen auszahlen, oder er solle sie von einerden Jung gesellen über 20 Jahre abzunehmenden Steuer entrichten. Ferner hat man die Beobachtung gemacht, daß die wäbrend de-Krieges concipirten Kinder vielfach Entartungen physischer und geistiger Natur unterworfen sind, auch eine auffallende Neigung zu Erkrankungen und zur Sterblichkeit darthun. Al» eine der beklagenswerthesten Erscheinungen endlich wird constatirt, daß di« Trunksucht unter der weiblichen Bevölke rung von Pari» vor dem Kncgsjahre so gut wie unbekannt war. während sie seitdem ein ,n immer weiterer Progression anschwellende» Laster geworden ist. * Bei dem Nationalfest, da» trotz Cholera Montag in Frankreich und namentlich in Pari- gefeiert werden soll, erscheinen auch nach dem Programm 24 Bataillon« von Knaben, darunter 12 au» Pari» selbst, die übrigen an» der llmgegend, in einem „Effectivstand" von 8000 „Mann". Jede- Bataillon» so wird beruhigend hiuzugrsetzt, hat seinen Arzt und einen mit dem Genfer Kreuz ausgezeichneten Jungen al» Krankenwärter: die genaueste Sorgfalt soll darcwf ver wendet werden, daß keiner der jungen Krieger sich den Magen verdirbt. Diese Art von Soldatenspielerek wurde früher in der Schweiz stark betrieben, ist aber dort unsere» Wissen« wieder als nutzlos erkannt und fallen gelassen worden. Da gegen ist das Exerciren vo» Knaben in Frankreich sehr stark in, Schwünge. Der .Figaro" ist damit wenig zufrieden. Ein militairischer Mitarbeiter schreibt in ihm: Ich kenne nicht« Widerwärtigere« al« ei» Schulbataillon» ha« durch dir Straßen vo» Part« zieht. Der Anblick dieser einrmt- meatirten Jungen mit einem geheuchelte» Tornister und einem Ge wehr au« Weißblech ist indessen noch kläglicher al« widerwärtig. Wird aber die Pariser Bevölkern»- immer dieselbe bleweu? Sollen vir immer uur Soldat spiele», wir, die wir ein richtige« Militoirgrsetz so »Sthia hätte»? Statt solider, reinlicher, schnell- krästiger Regimenter ein« Anne« vo» Kindern im Matrosen-nzm», vor denen die Schildwachen da« Gewehr präseattrent Hab« ich doch vor wenigen Loge» et« Wache in da« Gewehr trete, sehe» vor 800 zwöisjShrige», al« Bleisoldaten verkleidete» Straßen- junge». Nun erst am 14. Inli werden sie Pari« mit ihrem Höruerblase» die Ohren gellen machen, sie werden ans de« Stadt- hau-plat Paradiren zur Bewunderung der Schwachkopfe, die sich einbilden, mit solchen Han«wurste» Elsaß »ad Lothringen wieder erobern zu können. Der Jung«, der Jnnge, der einige Griffe »nd Regeln sich gemerkt hat, vergißt da« Alle« wieder, wen» er av« der Elementarschule in die Lehre kommt, und wird er später al« Rekrut eingezogen, so ist er mit seinem Selbstbewvßtsri» schlimmer al« der erste beste Rekrut. Der Muuizipalralh vo» Pari« verwendet seit zwei Jahren ansehnliche Gummen auf diese Mummerei; vor drei Jahren 300,000 Frc«., um ein Musterbaiaillon auszustelle«, dann wurden die Ausgaben aus 400,000, aus 500,000, aus 700,000 Frc«. gebracht. Uvd eS ist kein Grund vorhanden, warum man nicht weiter geht. Für diese komische Armee werde» große Ansschreibnuarn gemacht, man giebt ihr gute Unteroffieiere aut der Armee al« In- structorrn, ihre Lommandante» sind verabschiedete Osfieirre, welch« an die Wirksamkeit dieser militairischru Kinderstube glaube» und einen Beueraliuspector, den General a. D. Jeauuingre«, eine» Enthusiasten für diese kindlichen Soldaten. Dem Enthusiasmus dieser Herren und der Arbeiter von Bari» steht aber die Nbneignng de» Krieg-minister- und aller verständigen Männer gegenüber. Den Schülern der höheren Llaffen wirkliche Gewehre und wirkliche Instructionen zu geben, da« läßt sich hören — aber hirnverbrannt ist e«, die Uniform zur Tarricalur zu machen. Line Arme« schass» man nicht mit Soldatrnspielen; wir haben schon genug Undisciplin, als daß wir diesen Beitrag zum Frauctireur- thum noch nöthig hätten. So seht sie doch, wie sie durch die Straßen ziehen, diese armen Kleine», und denkt an den Krieg vo» 1870, an Tenlichland so streng und ernst in militairische» Dingen, und ihr werdet mit mir sür die alsbaldige Abschaffung dieser Spottbataillone sein. Der Widerspruch deS .Figaro" wird nicht viel Helsen; übrigen» verfolgt der radikale Pariser Gemeinderath mit der Ausstellung dieser Kinderarmee die Verwirklichung de» Problem» de» stehenden Heere», wa» die Ernsthastigkeit der Sache kaum erhöht. * Ein römischer Correspondent der »Neuen Freien Presse" stellt dem italienischen Parlamentarismus folgende» wenig schmeichelhafte Zeiigniß auS: „Mit dem Parlamentarismus in Italien geht eS abwärts. Do le«« Phrasengebimmel, womit man sich gegenseitig die Ohren kitzelt, die Redereien und Gastereien, mit denen man sich berauscht und da« Gefühl sür die Wirklichkeit tödtet, schaffen kein gesunde- politisches Leben. Da» Volk übt aus die Volksvertretung keinen Einfluß au-, e« ist von dem Werth« derselben überhaupt nicht durch drungen, sondern eS betrachtet den Abgeordneten als ein Medium zur Erlauguug von allerlei ungerechisertigien Begünstigungen. Bei solchen Umständen ist es kein Wunder, wenn die Meisten unter den Abgeordneten an Alle- eher al» au da» ernste Amt denken, da« sie auf sich genommen. Haben sie nur einmal die unbescheidenste» ihrer Wähler besriedlgl, dann suchen sie aus jede möglich« Weise ihr Interesse zu wahrt». Ihre Thättglett bringt als, tm Allgemeinen keinen Segen, sie zeitigt vielmrhr den Eynttmnö". * Dasselbe Blatt entnimmt dem Reisebries« eine« Officier» der Equipage de« griechischen Krira«schiffe« „Miaouli«", da» seit einigen Monaten eine Rundreife macht, die griechisch« Flagg« in den bedeutenderen türkischen Hasenplätzen zu > zeigen, von dem Empfang« de» Schiffe» in Eypern folgende Schilderung: „Ueberall wurde dem Schiffe der glänzendste, enthnstastischste Empfang zu Theil; doch verblaßt all der Glanz vor dem naive» Anädruck der wesühle. wie er sich in Eypern (das jetzt unter eng- lischer Herrichast steht) maniseftine. >l« wir in den Hafen rin- suhren, fanden wir die Laudungstrepp« mit Flagge» und Blumen geziert. Bier sechsspännige Wagen, reich mit Blumen «schmück», erwarteten die Officiere. Unter lauten Mo- (Bioat-) Rusen führte man un« zu den Wagen» nnd begleitet von zwanzig Reiter» an« de» Honoratioren der Stadt hielten wir unsere» Einzug. Es war eine unabsehbare Menge da. die vedölke- rnng der ganzen Insel war herbeigkkommen Zito-Rufe ertön- ten «dermal«; Alle« jubelte, nnd Biele weinten vor Rührnng. »an spannte nn« die Pferd« au«, und die Menge selbst zog n^ere Wagen «ach der Wohnung de« Erzbischof«, wo unser rin Gabel- frühstück wartete Bo» da beaaben wir un» unter unaushörlichem Intel der V Völkern»- durch die mit Triumphbogen, Blumen, Teppiche« »nd Flaggen -elchmückte« Straßen »och dem Eotta-e de«
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