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General-Anzeiger für Chemnitz und Umgegend : 07.05.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-05-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384843-189905073
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384843-18990507
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384843-18990507
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungGeneral-Anzeiger für Chemnitz und Umgegend
- Jahr1899
- Monat1899-05
- Tag1899-05-07
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MW E" «WWWWWWWm M !M, I — Nr. Ivd. - 189V. — Die?« verbreitetste »»parteiische Leitung erscheint Wochentags Abends (mit Datum des nächsten Lage-) und lastet mit den siins wöchentlichen B eidlatlet»: Meine Botschaft, Sächsischer Erzähler, Gerichts-Zeitung, Sächsisches Allerlei, Jllnstrirtes Unter- haltnngsblatt, Hei den Postanstaltcn n»d bei den Ausgabestelle» «nonallich 4V Psennige, Postliste: l.Nachtrag Nr 2877. Telegramm - Adresse; weneralanzeiger, stenispi echsielle!I!r. ISO. General Sonntag, den 7. Mai. Anzeigenpreis: Sgespalten« Torp,iSzei'le(ca.SSilba»fassend) oder deren Raum 20PfP (PrelS- verzeichnisse ä Zeile 25 Pfg.) — Bevorzugte Stelle (6 gespalten« Petit-Zeile circa 11 Silben fassend) 40 Pfg. — Anzeige» können nur bis Bormittag l0 Uhr angenontine» iverden, da Drink und Verbreitung der grobe» Auslage längere Zeit erfordern. für Chemnitz und Umgegend Verlag und (Sächsischer LandeS»An,eig«r). - Gegründet 187» »»„Anzeiger«« ««. totationSmaschiue«»Druck vou Alexander Wied« in Lhemuitz, Lheaterstraß« Nr» 8» Seschästliche Anzeiger-Inserat«! finden für billigsten Prei« zugleich Verbreitung durch di» täglich erscheinende Chemnitz«« Eisenbahn-Zeitung. Deutscher Reichstag. 77. Sitzung vom 5. Mai 189S, 2 Uhr. Am Tische des VundesratheS: Graf Posadowsky und Kom missare. Auf der Tagesordnung steht k'e erste Berathung des Gesetz» eutwurss, betreffend die Gebühren für die BenntzUttg des Kaiser Wilhelm-Kanals. Staatssekretär Graf Posadolvskh: Die Perkehrsverhältnisse auf dem Kanal sind »och nicht zu einem Bcharriingszustand gediehe». Wir wollen versuchen, durch eine neue Tarifirung diesen Zustand zu erreiche», wir habe» die Frist nu^auf 5 Jahre bemessen, damit die Interessenten ihre Erfahrungen fwv Verbesserungen uns. zur Ver fügung stellen. Ich bitte Sie, dem Entwurf in der vorliegenden Form Ihre Genehinigung zu ertheile». Abg. vi. Brömel > frei,'. Ver.): Die Erfahrung hat gelehrt, daß die Festsetzung der Gebühren durch den Bundesrath sich als ge eignet erwiesen hat. Die Regelung der Gebühren durch den Ent wurf scheint mir glücklich. Der Verkehr hat sich schon gehoben und wird sich hoffentlich noch weiter heben, wenn durch eine richtig be messene Gebührenordnung auch größere Schiffe sich zur Benutzung des Kanals entschließen. Seine volle Bedeutung wird der Nordost- seekanal erst dann erweisen, wenn durch den Mittellandkanal ihm das Hinterland erschlossen wird. Der Bortheil kommt freilich jetzt nur der Nordsee zu; die Ostsee würde mehr Vortheil haben, wenn der Kanal mehr nördlich gelegt wäre. Der Redner bespricht sodann eingehend die Bedeutung de- Kanals für Stettin. Die Vorlage sei so klar, daß die zweite Berathung gleich im Plenum stattfinden könne, wenn er auch gegen eine Kommissionsberathung nichts ein- wcnden wolle, falls sie beantragt werden sollet. Jedenfalls müsse aber die zweite Berathung bald stattsinden. (Beifall links.) Abg. vr. .Hohl« (Bund d. Landw.) äußert seine Genugthuung darüber, daß die kleineren Schiffe den Kanal so ausgedehnt benützen. Kleinere Schisse dürfte» aber bei einer künftigen Revision des Tarifes unter keinen Umständen ungünstiger gestellt werde», als bisher. Ferner müsse er davor warnen, die Schleppkähne zu erhöhen» wie das laut einer Stelle in de» Motiven die Absicht der Kanal-Ver waltung zu sein scheine. Wenn vielleicht auch wirklich die Kanal Verwaltung bei den Schlepplöhnen nicht ganz auf ihre Kosten komm«, so sei das doch nicht die Schuld der Schleppschiffe. Diese könnten sehr wohl in 12 Stunde» durch den Kanal komme», brauchten aber dazu allerdings oft ein bis zwei Tage, was natürlich die Unkosten der Kanalverwaltung erhöhe, aber doch nur deshalb, weil die kleinen, ans den Schleppverkehr angewiesenen Schiffe den großen Dampfern nachgehen müßten. Geheimrath vr. v. Joneqniöres: Zur Frage der Differenzirung der Gebühren für die einzelnen Häfen haben die verbündelen Regier ungen noch keine Stellung genommen. Die niedrigen Schlepplöhne kommen nicht sowohl de» kleinen Schissen, als vielmehr de» Ver frachtern zu Gute. Eine Erhöhung der Gebühren kommt nur den Verfrachtern in Rechnung. Unter die Selbstkosten darf die Gebühr für den Schleppdienst nicht herabgehen. Abg. Möller (nat. lib.) erklärt, daß seine Freunde die Vor lage annehmen würbe». Es sei überhaupt fraglich, ob sich jcmals eine gefitzliche Festlegung des Tarifs empfehle. Der Kleinschifffahrt wollten seine Freunde alle bestehenden Vergünstigungen bewahre», und ihr keinesfalls die Benutzung dos Kanals erschwert wissen. Abg. v. Maltzahn, Freiherr zu Wartcnberg und Pcnzlin (Hosp. d. Kons.): An sich habe ich gegen die Verlängerung der Voll macht des Bundesrathes auf ü Jahre nichts, aber der Reichstag muß seine Wünsche äußern. Der Herabsetzung der Tarife kann ich nicht beistimme». Es ist zu bedenken, ob nicht dem Kohlentransport von England her Vergünstigungen zu gewähren sind. Im Allgemeinen erfüllt der Kanal leider nicht die aus ihn gesetzten Hoffnungen. Nach weiteren Bemerkungen der Abgg. Or. Hayn (Bund d. Landw.h, Brömel (freis. Ver ), Möller (nat.-lib.) und v. Standy (kons.) schließt die erste Lesung. Es folgt die zweite Berathung des Gesetzentwurfs, betr. das Flagaenrecht der Kanffahrletschiffe. Abg. Frese (sreis. Ver.) berichtet über die Kommissions-Ver handlungen, insbesondere über die Abänderungen bei Z 6 bezüglich der Wahl des Registers. Untcrstaatssckretär Roth« erklärt, daß die Regierungen wahr scheinlich gegen die Abänderungen der Kommission nichts einzuwendcn habe». Hierauf wird der Entwurf ohne weitere Debatte in der Kom missionsfassnng angenommen und die, dazu gehörigen Petitionen er ledigt. Es folgen die Berichte der Wahlprsisungskommisflon. Die Mandate der Abgg. Kropatscheck (kons.) und Jacobskötter (kons.) werden für giltig erklärt, die der Abgg. Finzlaff (kons.)» Börner (nat.-lib.) und Ernst (freis. Ver.) beanstandet. Zum Schluß stehen „Petitionen" auf der Tagesordnung, deren Erledigung ohne Debatte gemäß den Vorschlägen der Kommission erfolgt. Das Haus vertagt sich hierauf. Nächste Sitzung Dienstag den 9. Mai. Tagesordnung: Zweite Lesung des Antrages Liebermann v. Sonncnberg (Antis), betr. da» Schächtverbot; weitere Initiativanträge; Neichsberggesetz re. Schluß der Sitzung 5^/« Uhr. Das amerikanische Jinaothnm. Vv» Redakteur Schaffmayr (New-Aork). (Nachdruck verboten.) Vor dem spanisch-amerikanischen Kriege stand alle Welt unter dem Eindruck, daß die Amerikaner ein glückliches Volk seien, zu frieden mit dem ungeheuren Besitz, de» das Schicksal ihnen gewährt hat, ohne Gelüste nach fremden Schätzen, beneidenswerth, weil keine Feinte an ihren Grenzen lauerten und ihre Ruhe bedrohten. Wenn Europa in Waffe» starrte, wenn im europäischen Konzert fortwährend Diskordc erklangen und die großen Künstler der Diplomatie ihre ganze Geschicklichkeit ausbieten mußten» um den ewig bedrohten Frieden, das Schmerzenskind der alten Welt, am Leben zu erhaltcn, so hatte man von Onkel Sam die Vorstellung eines ManncS, der in der Lage ist, sich seelenvergnügt die Hände zu reiben und sich glücklich zu preisen, daß er im Konzert der Nationen nicht mitzu spielen braucht, der seine ganze Energie und Schaffenskraft der Ent wickelung seines Landes widme» darf, iinbeneidet und ungehemmt. Und eines Morgens erwachte dieses selbe Volk und siehe da, das Evangelium war wie fortgeblase»; ein neuer Pharao war ge kommen, dcr^ wußte nichts vom alten Pharao. Nachdem der Pnlver- dampf dcr Seeschlacht von Manila verraucht war, stand das Jingo thum Plötzlich in voller Blüthe vor Aller Auge». Im Namen der Humanität hatte man den Krieg mit Spanien zur Befreiung der Cnbaner vom Zaun gebrochen: nachdem Admiral Dewey das Stcrnen» baimer über die Philippinen aufgepflaiizt, gerieth die Humanität in Vergessenheit, man berauschte sich an dem neuen Gefühl — Expansion, und cin ganz neues Wort für eine hundertjährige Republik wurde geprägt und gewann eine gewaltige Popularität: Imperialismus. Ein politischer Blaustrumpf machle damals die Bemerkung, man müsse die Insel behalten, die man in Wirklichkeit noch nicht erobert halte, um de» Filipinos die Segnungen amerikanischer Zipilisation leizubringe». Und Oberst Roosevelt, dcr „Rauhe Reiter", den die Kriegslvrbeeren seitdem auf den Gouverneursposten des Staates New-Aork gehoben, hat erklärt: Da» Volk bedarf »euer Gebiete für seine Thatkraft, i»» nicht in Stagnation zu versinken. Auch eine seltsame Ansicht, wenn inan bedenkt, daß die Vereinigten Staaten noch Raum für ungezählte Millionen bieten und das Volk auch für die größte Thatkrast nuermeßliche Gebiete innerhalb seiner eigenen Grenzen findet. Es trat nun freilich bald, vv» besonnenen und hervor»agendcn Männern geleitet, eine energische Agitation gegen den Imperialismus ins Lebe», die auch nicht ohne große Erfolge geblieben ist, allein die Stimmung der Masse, der „verfluchten, kompakten Majorität", wie Ibsen sagt, bleibt doch auch heule noch entschieden zu Gunsten der Expansion. Es ist dies eine Neuentwicklung im amerikanischen Volks- charaktcr, mit dcr inan aller Voraussicht nach auch in der Zukunft wird rechne» müssen. Ein alexandrinischer Zug, neue Welten zu er ober», im Rath der große» Nationen mitznredcn, hat sich im Vol! erzeug», und wer die Abcntenrernatur der Amerikaner kennt, wird dies Symplvm nicht unterschätze». Diese Lust am blutigen Krieg mit ihrem Gefolge von Er »bernngsgelüste» und die hysterische Aufregung, in die der Kamp^ mit einem durchaus uncbenbürtigen Gegner das ganze Land gestürzt ,hacke, waren in der That Erscheinungen, auf die mau jetzt, wo die tvildbewegteii Wogen sich beruhigt haben, nicht ohne tieses Erstaunen zurückblickcn kann. Der Aufwand patriotischer Ekstase, der an eine alle Fesseln brechende Stnrmflnlh gemahnte, stand außer jedem Ver hällniß zu dc» dem Lande drohenden Gefahren und zu der Be- d.utung des Krieges; nie hat der Hang der Amerikaner zur lleber- treibung sich in markanterer Weise kuiidgegebc». I» manche» großen und in hundert kleine» Zügen trat diese maßlose patriotische Aufwallung hervor, die freilich auch ebenso rasch in ihre Ufer wieder zurückgetreten ist. Ganz besonders in der Presse. In seinem notorischen „gelben Journalismus" besitzt der Amerikaner heute eine Presse, die systematisch alle Volk-veriiunft in Sensation ersäuft. Durch sie erklärt sich Manches, was sonst bei einem ruhig denkenden und nicht durch un gewöhnliche Heißblütigkeit ausgezeichneten Volk- ganz unerklärlich wäre. Diese Presse, deren Lebensodem die Sensation ist, der nichts heilig gilt und die vor nichts zurückschreckt, üble über die Masse, trotz des Achselzuckens der besseren Elemente, eine Macht aus, die gcwallig und unberechenbar ist. Sie war es, die mit wilder Gier das Feuer schürte, die Leidenschaften dcr Menge entfesselte, den Krieg orderte — um des Krieges willen, da sie, hungrig nach Sensationen, hier die große Gelegenheit sah, sich selbst zu entfallen. Und wahre Orgien hat sie gefeiert, so lange die beiden Mächte einander feindlich gcgenüberstanden. Eigene Expeditione» nach cubanischcn Gewässern wurden von einigen dieser Blätter ausgerüstet, und von den Kor respondenten ward nun geschrieben, dcpeschirt, Kritik geübt, Geheimnisse preisgegcbeu, wie es wohl nie zuvor geschehen ist, bis diese Bericht erstattung endlich so alles Maß überschritt, daß die Militärbehörden sich gezwungen sahen, die Zensur einznfnhreu. Hatten die New- Korker Scnsationsblätter bis dahin drei und vier Ausgabe» täglich ausgegebe», so wuchs die Zahl jetzt zu einem Dutzend, ofünals er schienen die Blätter in de» rolh-weiß-blauen Farbe» des Landes oder ei» großes kolrrirtes Sternenbanner glänzte auf der ersten Seite. Es kam diesen Zeitungen nicht darauf a», heute eine schreiende Illustration eines Seegefechts, eines Uebersalls oder einer anderen Begebenheit zu bringen, die am Tage zuvor tausend Meilen entfernt ich ereignet hatte. Die Ucberschriften der SensatioiBartikel, die schon in Friedcuszeiten eine ansehnliche Größe erreichen, erschienen jetzt nur noch in Plakatgrvßc. Ein einziges Wort erstreckte sich über die ganze Scite. Wenn die New-Kvrker Morgenzeitungen gegen drei bis vier Uhr in der Frühe die Pressen verlass.« hatten, so begannen die Abendblätter ihre Thätigkeit; oft hatte man schon »in neun oder zehn Uhr deren erste Ausgabe und manchmal um Mitternacht »och wurden die Ausgaben von den Zeitungsjungen auf den Straßen ausgerufen. Und Tag für Tag, Monate hindurch das gleiche Schau spiel, und Huuderttausendc von Exemplaren täglich verkauft und ver schlungen -- darf man sich da wunder», wem) das Vvlk in hysterische Aufregung verfällt und wie im Rausche lebt? Ein großer Rausch schien alle Gemüther gefangen zu halten und trieb gar wunderliche Blüthe». Beim Ansbruch des Krieges sah man New-Uvrk und andere Großstä.te, wie von Zauberhand hervorgerufen, plötzlich in einem Flaggeuschmuck erglänzen, wie man ihn sonst kaum an den größten Gedenktagen crlebt hatte, und dieses wogend« Fahnenmeer verschwand erst wieder, als die Fliedensverhandstnige» zum Abschluß gediehen waren. Bei Sturm und Rege», bei Gewitter und Sonnen- gluth bliebe» diese Fahne» auf allen öffentlichen und Geschäfts- gebäudcn, Tag und Nacht, Wochen und Monate, hier und dort wohl auch mit den Farbe» von Cuba libre vermischt, di« aber seltener wurde», wie die Expansionsgelüste mächtiger hervorlraten. Politische Rundschau. Chemnitz, 6. Mai 19SS. Deutsches Reich. — Der Kaiser nahm gestern Vormittag ausdem Polygon eine Parade über die Straßburger Garnison ab. Um Uhr kehrte der Kaiser in da- Statthalterpalais zurück und nahm dort das Frühstück ein. Die Abfahrt des Kaiserpaares nach Cvnrcclles erfolgte um 3^/« Uhr. — Ans die Huldign» gSdepesche, welche anläßlich der ersten Andachtsfeier auf der Dornütion in Jerusalem von deutsche» Pilgern an den Kaiser gesandt wurde, ist riesen folgendes an den Präsidenten des Pilgerzuges gerichtete Danktelegramm zugegangen: „Seine Majestät der Kaiser und König lasse» den unter Euer Hoch« wvhlgebvreu Führung iu Jerusalem anwesenden deutschen Pilgern sür den Ausdruck ihrer patriotischen Gesinnung allerhöchstseincn besten Dank sagen und sreuen sich, daß aus dem Boden der Dormition deutsche Unterthanen ihre« Kaisers in treuer Liebe gedachten. Ans allerhöchste» Besehl: v. Pritzelwitz, Flügeladjutant vom Dienst." — Ais Nachfolger der deutschen Generalkonsuls i» Jerusalem v. Tischendorss, der bekanntlich aus Gesundheilsrücksichten seinen Posten verläßt, wird der bisherige Konsul in Teheran 1)r. Rosen, genannt. — Der Reichstag wird am 10. Mai iu die Pfingstferie» gehen, welche bis zum 6. Juni dauern iverden. — In der Postkvmmission des Reichstages stand gestellt di« Novelle zum Postgefetz zur zweiten Lesung. Artikel l. wurde »ach längerer Debatte bezüglich des Portotarifs für Briefe Und wie jedes Gebäude sein patriotisches Gewand anlegte, so fühlte sich auch der Einzelne, ob Männlein oder Wciblei'n, bewogen, seiner Gcsiniiungstüchligkci't öffentlich Ausdruck zu geben. Die Herrenwelt begann ihre Nocke mit kleinen Boutons zu schmücken, auf denen irgend ein Kriegsheld, Dewey, Hobson, Schlcy oder Sam, son, in selteneren Füllen auch Präsident Me. Kinley ininitten der Sterne und Streifen abkonterfeit war; die Damen trugen rvlh-weiß-blaue Schleife», Bänder und Schärpen als Dokumente ihres Patriotismus. Nachdem das „Rauhe Reiter"-Rcgiiiieiit mit seiner Cowboy-Tracht gebildet war, das viele Sühne der reichste» Familien in seine Reihen lockte, wurde diese Tracht, soweit es angiiig, iiachgcahmt, besonders die breitrandigen grauen Filzhüte mit breitem gelbem Lederricnicn als cinzigem Schmuck wurdet, von der Damenlvclt stark bevorzugt. Man sah sie überall, wie mail noch jetzt die gewöhnlichen Soldaten- hüte aus grünem Filz »nt schmalem Lederband und vorn mit zwei gekreuzten Miniaturgewehren als Zierrath vielfach gewahrt. Die Kinder wurden in die Uniformen dcr Marine oder der Landarmee gesteckt, und jeder Junge mußte seine Marinekappe haben mit dein Namen irgend eines Schlachtschiffes oder eines Admiral- oder sonstigen Kriegshclden. Es entstände» Dewey-Hotels über Nacht, Hobson-Nestaurants und Schley-Kncipe»; dem Sieger von Manila zu Ehren wurde eine neue Whiskey-Marke Dewey Whiskey getauft und hat vermuthlich manchen Rausch erzeugen helfen. In den großen Schaufenstern der Niesenbazare New-Kvrks gab es patriotische Farbeusymphonien und in den Spielwaarenläden tauchten die unheimlichen Formen der Kriegsschiffe als Kinderspiclzeug auf. 'Auch in den Soinmertheatcrn und Tingeltangeln schäumte der Patriotismus über und schlug seine Welle». Allabendlich wurde das Nalivuallied ,/1'Iiu «tnr bpanAlvck Uanner" vom Orchester gespielt und bei de» ersten Töne» erhob sich in der ranchgeschwängerten Atmosphäre das ganze Publikum und Hörle stehend die ganze Melodie mit an. Eine Zeit lang übte auch das „(lock savo bkss (Ztean- der Engländer dieselbe Wirkung aus; man war den alten Feinden plötzlich Herzensfreund geworden. Findige Fabrikanten brachten Briefkouverts in den Handel, deren Vorderseite eine genaue Nachbildung des Sternenbanners war; sie fanden reichen Absatz für ihre Waare, die noch jetzt nicht ans dem Markt verschwunden ist. Die Pferde der Lastwagen, die Schiffe auf den Flüssen und Strömen waren mit den Landessarbea geschmückt, und kaum ein Bicycl' war ohne sein rothweißblaues Fähnchen oder Bändchen. Und dieses Uebermaß patriotischen Stolzes »nd Selbstbewußtst!» bei einem Krieg, den man aus Humanitätsrücksichten begonnen hatte und dessen siegreiches Ende Jeder vorauSsehen mußte, der mit klarer Ueberlegung die Dinge maß. Ein reiches Volk von siebzig Millionen Einwohnern ii» Kampfe mit einer Nution, die mit dem kleinen Cuba nicht hatte fertig werden können. Seltsame Erscheinung i« der Psychologie des Amerikanerthums I Man wird hinfort nicht mehr dem Glauben huldigen dürfen» daß Onkel Sam s Herzen die Freud« am Krieg und Kriegsgeschrei fern liegt und daß Eroberungsgelüste ihm nicht im Blute steckcm Die Legende ist zerstört. Man weiß jetzt, was man bisher nicht vermuthet hatte, daß auch er ein Eroberer ist und daß auch er, wen» der Taumel ihu packt, wie ei» Spieler bereit ist, Alles prei'sziigebe», Der Amerikaner nach dem Kriege ist ei» Anderer, al» der er vor dem Kriege war. Sein Wortschatz hat eine ungeahnte Bereicherung erfahren durch ein Wort, das der Krieg erzeugt hat: Imperialismus. ,?
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