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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.08.1886
- Erscheinungsdatum
- 1886-08-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188608281
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18860828
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18860828
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1886
- Monat1886-08
- Tag1886-08-28
- Monat1886-08
- Jahr1886
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.08.1886
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1 4846 * Heber den Verlauf der Revolution veröffentlicht der „Pester Lloyd" nach Aussagen eines Augenzeugen eine Darstellung, die wir aber nur der Vollständigkeit wegen hier wievergeben, da unS Manche» darin zweifelhaft erscheint. Da» Blatt steht indessen für den Bericht gut. Der Gewährs mann erzählt: Ich befand mich in der Nacht auf Sonnabend ln Gesellschaft. Es war 2 Uhr, als wir den Heimweg antraten, der am Palais de» Fürsten vorbeisührte. AIS wir un» dem Palais näherten, hörten wir plötzlich den gleichmäßigen Schritt einer anmarschirende» Truppe. Bald daraus entstand ein dumpfe» Gepolter aus der Schloßwache: ein schrecklicher, markerschütternder Angst, und Hilferuf durchzitterte die Stille de» hrrausdämmernden Morgen», dann war Alle» wieder still, todtenstill. Einige Wachsoldaten, die Widerstand leisten wollten, waren »iedergemacht worden, die Uebrigen fügten sich lautlos. Es waren ein Bataillon von Küstenbil und zwei Compagnien, bestehend an« Zöglingen der Junkerschule, welche ausniarschirte» und olle Zugänge zum Schlosse besetzten. Da» war z» dieser Zeit überhaupt die ganze Besatzung von Sofia, denn alle übrigen Truppen waren in den letzten Tagen nach Slwnitza verlegt worden, theils zu den Uebungen, theils vorsichtshalber und der „serbischen Rüstungen" wegen. Wie eS sich nämlich jetzt herauSstellt, find schon seit Wochen systematisch falsche vertrauliche Berichte der bulgarischen Regierung zugemittelt worden, des Inhalt», Serbien rüste im Geheimen und beabsichtige einen plötzlichen Ueberfall. Diese fortwährenden Verdächtigungen Serbiens führten zum ersehnten Ziele der Zankowisteu. Die bul garische Hauptstadt war von Truppen entblößt, und nur ein Ba taillon. dessen Lommandant Gruew, eia junger ehrsüchtiger Streber, mit Zankow und dem Metropoliten Element im Einverständnisse war, blieb in Sofia zurück. Während alle Eingänge des Schlosse» besetzt wurden, erwachte auf da- Geräusch eia Hosbeamtcr. der iw Parterre schlief. Dieser hatte kaum einen Blick in den Hosraum geworfen, al» ihm die Situation vollkommen klar war. L» muß dabei bemerkt werden, daß der Fürst Freitag Vormittag» einen anonymen Brief erhalten hatte, der das ganze Complot mittheilte. Der Fürst lachte jedoch über die Drohung, la» sie seinem Vertranten vor und warf dann da» Schreiben in den Brieskorb. Der obenerwähnte Hosbeamte stürzte sofort in da» Zimmer de» Prinzen Franz Joseph: dieser trat in den Hof hinan», den Ber- schworenen entgegen. ES entspann sich eia heftiger Wortwechsel, der so laut geführt wurde, daß Fürst Alexander durch denselben auf geweckt wurde. Wenige Minuten später erschien er bereit» nur halb angekleidet im Hose an der Seite seine» Bruder- und rief: „Was geht hier vor?" Die gebieterische Gestalt de» Fürsten und seine Kaltblütigkeit machten einen imponirenden Eindruck auf die Verschwörer, die sich unwillkürlich beim Erscheinen de» Fürsten ver- neigten und verstummten. Gruew, der mit zwei Osficieren in der vordersten Reihe stand, nahm nun das Wort und setzte in ruhigem, gemessenem Tone dem Fürsten auseinander, daß das Wohl Bulga rien» seine Abdankung erheische. Der Fürst wie» diese Zumuthung kurz zurück, ohne sich übrigens io einen Austausch von Meinungen mit den Verschwörern einzulassen. Gruew wurde daraus dringender, zeigte beim Fenster aus die vor dem Schlosse ousmarschirteTruppe hin und sagte, die ganze Armee verlange stürmisch die Abdankung de- Fürsten und den Schutz de» Zar» aller Rüsten, den der Fürst so schwer beleidigt habe. Der Hinweis auf die unten ausgestellte Truppe, der Anblick der hoffnung-volle» militairischen Jugend Bulgarien», die ihren ersten Schritt in» junge Leben mit einem Vcrrathe ihre» Kriegs herrn begann, der persönlich die Bildnng-anstalt geschaffen und ein gerichtet hatte, übte auf den Fürste» eine erschütternde Wirkung au». Die Stirn an die Glasscheibe gelehnt, blickte der Fürst einen Moment sinnend durch das Fenster aus die Truppe hinan», dann wendete er sieb «m und sagte nicht ohne Weichheit in der Stimme: „Wohlan, verfassen Sie die AbdonknngS-Urkunde, ich werde sie unter- schreibe». Wenn mich meine Truppen verkästen, meine Officiere und Soldaten, die ich zum Siege geführt, im Stiche lassen, dann habe ich in diesem Laude nichts weiter zu suchen. Schreibe» Sie, wa» Sie wollen, aber schnell l" Dana verlieb der Fürst da» Vestibül de- Parterre«, in welchem diese Scene stattgefundea hatte, stieg die Treppe in den ersten Stock hinauf, wo sich da» Schlafzimmer befand, um sich völlig anzukleiden. -Die Verschwörer hatten die Urkunde schon sertig in der Tasche, folgten daher dem Fürsten aus dem Fuße, ließen ihn nicht mehr au» den Lagen und legten ihm oben im Zimmer da» Aktenstück zur Luterschrift vor. Der Fürst nahm schweigend die Urkunde, schrieb init sicherer Hand darunter: „Alerander. Gott schütze Bulgarien!" Darauf ward« dem Fürsten in sehr dringlicher Weise aahegelegt, sofort ab»areisea. Er zeigte sich hierzu bereit, verlangte aber, in Gesellschaft seine» Bruder» die Fahrt anzntrcten. Da» wurde zwar bewilligt, ihm jedoch zugleich bedeutet, daß der Prinz nnr in einen« »wetten Wage» ihm folge, ferner auch, daß Niemand von der fürsl- lieben Umgebung sich anschließeu dürfe. Im Ganzen wurde dem dürften höflich begegnet, nur titulirten ihn die Verschwörer nicht mehr „Hoheit", sondern „Loa," (Fürst). Er beendete keine Toilette und begab sich, geleitet von einem Spalier Soldaten, ferner von Gruew und zwei Osficieren, in da» etwa 150 Schritte seitwärts des Palais liegende Krieg-Ministerium, wohin auch später Prinz Franz Joseph gebracht wurde. Inzwischen fuhren zwei Wagen vor, in welchen Alexander »nd der Prinz mit je zwei Osficieren und einem bewaffneten Soldaten Platz nahmen. Einige Eavalleristeu eröffneien »nd schlossen den Zug. Es war 3'/, Uhr Morgens, als die beiden Kaleschen sich ans der Straße gegen Berkovicza und den Ginci- Paß in Bewegung setzten. Vor der Abfahrt sagte der Fürst zu Gruew: „Ich habe gar kein Geld bei mir, lassen Sie doch Herr» Menge» kommen." Letzterer, ein Deutscher und erprobter Ver trauensmann de» Fürsten, verwaltete nämlich die Privat-Schatulle. Den Verschwörern war vor Allem darum zu thun, den Fürsten schleunigst au» der Stadt zu bringen; infolgedessen wollten sie in keinem Falle eine Begegnung desselben mit irgend einer Person feines Gefolge» gestatten. Daher sagte Gruew, er werde selber dafür Sorge tragen, daß Menge» dem Fürsten Geld nach Lom- Palaaka nachsende, wa» thatsächlich am selben Tage noch geschehen ist. Nach der Abreise de» Fürsten gingen die Verschwörer znm Metropoliten Element, der mit Zankow als die Seele der Bewegung »a betrachten ist. Inzwischen war das ganze Bataillon in kleinere Wachabtheilangen aufgelöst, welche die öffentlichen Gebäude und jene Häuser besetzten, in denen die Minister, distinguirte Fremde «nd die bekannteren Anhänger Karawelow'S wohnten. Au» diesen Hänsern wurde Niemand herauSgelaffen, nicht einmal die Dienst boten, di: des Morgen» Wasser holen wollten. Niemand wurde in dieselben hineingelassen. Gleichzeitig durchzogen Patrouillen die Straßen und trieben alle- Volk, das keine Ahnung von dem Bor gefalleneu hatte, in die Kirche; jedem in die Kirche Eintretenden wurden von eigen» dazu ausgestellten Leuten ein bis zwei Rubel io die Hand gedrückt. Einen besonders guten Eindruck mochte dieser Vorgang bei jenen Leuten, die mit ihren Pro- ducten aus den Marks,, gefahren kamen und sehr angenehm über- rascht waren, Geld zu erhalten, ohne die Maaren absetzea zu müssen. Vor 5 Uhr hielt der Metropolit einen Gottesdienst, wobei er den Gläubigen verkündete, Gott habe das bulgarische Volk von dem Prinzen Battenberg erlöst und «S wieder dem Schutz- de» mächtigen Zar» aller Russen gnädigst zugeführt. Nach dem Gottesdienste gab die kleine Trupp« vor der Kirche drei Salven ob, um das „freudige Ereigniß" zn feiern. Diese Salven weckten erst die den besseren Llassen ongehörige Bevölkerung, die erstaunt aus die Straße eilte «ud sich nicht zu fasten vermochte, als sie ersuhr, der Fürst habe abgedankt, sei bereit» abgcreist und die neue Regierung gebildet. Die Volksmenge wurde inzwischen zum russischen Lonsulat getrieben. Diese» ist ein einstöckiges Haus mit einem Balcon. Aus dem Balcon standen Bogdanow. der russisch? Lonsular-Berweser, zu seiner Rechten der Metropolit Clement «ud zur Linken Zankow. im Hintergründe Gruew. Der Metropolit erhob beide Arme und sagte, er wolle das Volk segnen, und dieses kniete nieder, um den geistlichen Segen zu empfangen. Die Agit» toren riesen inzwischen Urah! und siebten Bogdanow um Hilf- an, welche dieser im Namen des ZorS auch zusagte. So Verliesen die Dinge, und nur wenige Leute halten eine Ahnung von der Wobr heit, daß nämlich nur eine Handvoll Leuic da» Ganze arrangirt hotten. Erft viel später, im Lause de» TageS, al» allmälig die Wahrheit offenbar wurde, kam da» Publicum zur Besinnung und versluchle osten dir Missetbäter, die den Fürsten verjagt hatten. Wa» für Mittel die Berichworenen angewendet, ist au» Folgendem »u ersehen. E» durste Niemand die besetzten Häuser verlassen; ohne Unterschied wurde Jedem mit Erschießen gedroht. Der Sofianer Vertreter de» Baron Hirsch durchbrach diese Ordre, woraus ihm zwei Kugeln um dir Ohren pfiffen und er cS verzog, umznkehren und ruhig >n feiner Wohnung zu verbleiben. Sonnabend and noch Sonntag wurden alle Depeschen und Befehle mit den Namen Karawelow'« und de» Krieg-minister» Nikisorow »aterzeichnet. Beide protestirten und drobie»; besonder» Nikiforow gebrrdete sich wie wüthend. Trotzdem dauerte die Fälschung fori, vad nur dieser Fälschung ist der geringe Erfolg zu danken, der ursprünglich erzielt worden war. Inzwischen wurde unier da» ge- meine Volk reichlich Geld anSoeiheil«: aber die gebildeten Leute murrte» laut trotz de» terroristischen Regiment». Bor Allem wurde verordnet, daß keinerlei Depeschen abgeschickt werden dürfen, nicht einmal feiten« der Diplomaten und Vertreter. Darauf verständigten sich der dentfche and der »sterreichiich - ungarisch« Vertreter und fendeten ihre Berichte mit einem vertrauten ab, der sie in Pirvi 1 nach Wien vad Berlin ausgeben sollte. An der Grenze wurde jedoch der Bote ausgehalten. Er wollte nach Sofia telegraphiren, um dem deutschen Vertreter das Geschehene zu melden, die Tepeiche wurd« jedoch nicht angenommen. Da kam er selbst zurück. Der deutsche Vertreter begab sich hieraus zu Zankow und sprach mit diesem in einem Tone, welcher der richtige gewesen zu sein scheint, denn alsbald gab Zankow augenblicklich den Befehl, de» Bolen passiren zu lassen. Dieser ging ab und kam glücklich nach P:,oi. Solche Intermezzo» kamen einige vor, aber nur der deutsche Bei- treter hatte mit seiner Reklamation etwa» erreicht, lieber de» Fürsten und seinen Verbleib wußte man in der Stadt bi» zu meiner Abreise gar nicht». Mit jeder Minute jedoch wuchs dir ihm günstige Partei und geivaun an Muth. Die grüßte Entrüstung bemächtigte sich des Publicum», al» nian erfuhr, daß etliche Schurken nicht nur dem Fürsten Gewalt angethan, sondern ihn auch durch Lüge und Betrug cnlsernl liatte». Am Sonntag sah man nur noch bezahlte Leute, die gegen den Fürsten sprachen. Der Belagerungszustand war proclamirt, und damit trat auch sür die Gegenpartei Schweigen ei». * Wir verzeichnen nachstehend die vorliegenden tele graphischen Meldungen, die indessen zum Theil ziemlich wiederspruch-voll lauten: * Petersburg, 25. August. (N. Fr. Pr.) Ja den hiesigen leitenden Kreisen wird versichert, die bulgarische Umwälzung sei der russischen Negierung im höchsten Grade überraschend gekommen, obgleich die Katastrophe früher oder später erwartet wurde, doch habe man «icht vermuthet, daß sie schon jo nah« sei. Die Nachricht von der Absetzung des Fürsten Alexander ging dem Zar währeuS der Manöver in Krasnoje-Selo am Sonnabend durch ein Telegramm der provisorischen bulgarischen Regierung zu, welche den Zar an- siebte, sei» Wohlwollen Bulgarien wieder zuzuwenden und die Leitung der Geschicke Bulgariens unter russischem Protcciorate ihr anzuverirauen. Aus das letztere Ansuchen gab der Zar, wie an genommen wird, keine bestimmte Antwort, sondern venvieS aus die zu erwartende Entscheidung der an der Orientsrage interessirten Mächte. Die hier herrschende Stimmung berechtigt zu der An nahme, daß Rußland seine Interessen in Bulgarien sorgfältig wahren, aber keinesfalls Schritte Ibun werde, die Eonslicte mit den Nachbarmächten Hervorrufen könnten. . * St. Petersburg, 27. August. Da- „Journal de St. Pötersbourg" wirst die Frage aus, ob die Regentschaft i» Bnl- garten von einiger Dauer sein und ob sie es verstehen werde, die Ordnung ausrecht zu erhalten und ihren Entschließungen Achiung durch die Armee zu verschaffen. ES sei dies zu hoffen im Jntercss- des von der Anarchie bedrohten und allen Aengsten der Ungewiß heit preisgegebenen Lande». Die Fürsorge der Mächte, an welche das Ministerium in Sofia appellire, werde Bulgarien sichert et, nicht fehlen. Das Land werbe aber gut thun, sich dieser Fürsorge würdig zu erweisen, indem er wenigsten» bi» zur Festfctzung seiner Geschicke die materielle Ordnung ausrecht erhalte. Das Journal weist ferner darauf hin, daß die auswärtige Presse nichrsach geltend gemacht habe, daß die Eniihronung des Fürsten Alexander gestatte, die orientalischen Angelegenheiten mit mehr Ruhe ins Auge zu fassen. Diese Ansicht sei von der lieber- zeugung dictirt, daß die drei Kaiserreiche mehr als je darin einig seien, den Frieden zu erhalten und den Ereignissen in den Donau- ländern «inen localen Eharakter zu wahren. Die Begegnung in Franzensbad werde eine solche Zuversicht nur stärken können; sie werde ein weiteres Zeugniß dafür oblegen, daß die kaiserlichen Regierungen entschlossen sind, ihre Action in Einklang zu bringen und sie durch die Ereignisse im Jntercste des allgemeinen Friedens zu beherrschen. * Darmstadt, 26. August. (F. Z.) Die ich ans vollkommen zuverlässiger Quelle erfahre, ist eS noch keineswegs avSgeaiacht, daß Fürst Alexander von Bulgarien hierherkommt, wie es andererseits nicht seststeht, daß er nach Sofia zurückkehrt. Der Fürst hat eine Depesche hierher gelangen lassen, laut welcher er zunächst nach Breslau geht, von wo er weitere Nachricht senden wird. W>e aus dieser Mittheilung und sonstigen mir gewordenen Informationen zu entnehmen ist, hat Fürst Alexander noch keinerlei Entscheidung darüber getroffen, wie er sich zu den jüngsten Ereignissen in Bulgarien stellen werde. (Nach dieser von competemer Seite der „Frankfurter Zeitung" zugehenden Mittheilung wären alle anders lautenden Nachrichten richtig zu stellen.) * Frankfurt a. M.. 26. August. (F Z.) Wie gerüchtweise ver- lautet, kommt Fürst Alexander von Bulgarien heute Abend um 8'/, Uhr (mit der Bebraer Bahn) durch Franksnrt o. M. * Darmstadt, 26. August. Prinz Ludwig von Battenberg, älterer Bruder des Fürsten Alexander, ist bereits gestern von hier abgereift: wie es heißt, hätte sich derselbe nach Breslau begeben. * Wien, 26. August. (Vossiiche Zeitung.) lieber die Escor, tirnng des Fürsten Alexander au» Kalsat wird gemeldet: Derselbe sei Montag mit seinem Bruder Franz Joseph nachRahova gebracht »nd aus einer Nacht eingeschifft worden. Der Fürst wünschte stromaufwärts zu fahren, was zugcstanden wurde. Am Lande sah man den Fürsten Brod und Trauben essen. Handtasche und Ucberzieher trug er selbst. Als er aber die Kajüte betreten hatte, besetzten Wachen die AuSgänqe, das Schiff wendete und fuhr ström- abwärts nach Reni. An Bord sollen dem Fürsten 3000 Napo leons angeboten worden sein, gleichsam als Abfindung, waS der Prinz zurückwieS. Gras Saun-Wittgenstein in Graz erhielt gestern aus Jugenheim vom Prinzen Alexander folgendes Telegramm: „Danke für Theilnahme, mein armer Sohn wurde heute endlich in Reni sreigelossen; er reiste hierher ab, während das bulgarifche Volk ih» sehnsiichtig zurückruft." AuS Belgrad wird die Nachricht von einer theilweiscn Mobilisirung der serbischen Armee widerrufen. * Wien, 26. August, 1 Uhr 20 Min. Der erste Briesbericht der „Neuen Freien Presse" aus Sofia meldet: Bei der Ueber- rumpelung der Schloßwache durch die Cadeiten wurden vier leicht, einer schwer verwundet. Aus der Straße wurde einem Apotheker in den Fuß geschossen. Als die Cadeiten den Fürsten zwingen wollten, seine Abdankung zu unterschreiben, erklärte Alexander, nur vor de» Osficieren unterzeichnen zu wollen. Hieraus wuroe er ins KriegSminlsterinm escorftrt und Unterzeichnete der Fürst in Gegenwart Grucw's die Abdankung. * Pest, 26. August. Der „Pester Lloyd" meldet aus Braila: Der Fürst trifft morgen im festlich beflaggten Rustscknk ein. Die Armee rückt a», um ihn im Triuinpb nach Sofia zu bringen. (Von keiner Seite bestätigt. D. Red.) * Bukarest, 26. Aue«-!. Der „Epoca" zufolge ist der Ab- geordnete für Tirnowa, Gradiarofi, mit einem Schreiben Siam» bulow'S au den Fürsten Alexander eingetroffen und wird hier Nachrichten vom Hosvrediger Koch und dem Baron Riedesel ab- warten, welche dem Fürsten nachgcreist sind. — Der König kehrt heute nach Siaaia zurück. Bratiano hat sich nach Florica begeben. * Lemberg, 27.August. Der hiesige» EisenbahnbelriebSdirectivn wird soeben gemeldet, daß der Fürst Alexander PodwoloczySka mit dem 9 Uhr 40 Min. Vormittags abgegangenen Eouricrzuge ver- lassen habe. * Berlin, 27. August (Privattelegramm). Ja hiesigen diplomatischen Kreisen glaubt man. daß Fürst Alexander Nach- richte» aus FranzenSbad abwarte, um danach seine Entschließung zu fassen. * Berlin, 27. August. Bon dem durch dos „Neue Wiener Tageblatt" veröffentlichten angeblichen russischen Schreiben in der bulgarischen Frage ist an Berliner amtlicher Stelle absolut nickt» bekannt. (Siehe die folgende Depeiche. Die Redaction.) * Wien, 27. August. (W. T.-B.) Da« „Neue Wiener Tag- blatt" veröffentlicht ein Rundichr eiben des Minister» v. Gier» <i. <1. FranzenSbad, den 26. d. an die Vertreter Rußlands im NuSlande*)- Der Minister legt in demselben den Standpunct seiner Regierung gegenüber den Ereignissen in Bulgarien dar und bebt hcrvor, die Abdankung de» Fürsten Alexander habe sich unter Umständen und Formen vollzogen, welche niemals die Billigung der ruisiichen Politik hätten finden können. Ohne Zweifel babc das bulgarische Volk, als es die Absetzung des Fürsten auSivrack. einem natürlichen Gefühle gehorcht, indem eS ein Hinderniß rnlsernte, welche- die innige Verbindung des mit schwere» »ud uneigennützigen Opfern befreiten bulgarischen Volk- mit der stammverwandten russischen Nation aus einige Zeit zn stören vermochte. In dem Augenblicke aber, wo wir zu unserer aufrichtigen Ueberraschung erkannten, zu welchen Mißverständnissen da- Ereigniß vom 21. August Anlaß gab, beeilte ich mich, unsere Agenten in Bulgarien anzuweisen, durch ihren Einfluß da« Geichebene rückgängig zu machen, um auch nicht den Schimmer eine» Verdachte» aus der Handlungsweise de» russischen Labinets zu belassen. Das bulgarische Volk that durch seine Haltung am 21. August die Größe seiner Sympathien und seine Anhänglichkeit für feine Befreier dar, aber, indem e» unserem Willen folgte, die provifortsche Regierung entfernte und den Fürsten Alexander znrückberies, manifestirte e» seine tiefe Ergebenheit sür Rußland, machte e» da» rusfisch-bulgariiche Baud unzerreißbar, erstieg e« den höchsten Gipfel der Loyalität and zeigte r» die höchste Achtung vor den mooorchiicheu Prinzipien der Ordnung and Stabilität» deren beständiger *) Hier iu Berlin ist an amtlicher Stelle von einem solchen Nnndfchreibr» der russischen Regierung durchaus nicht» bekannt. Anmerkung von Wolfs'» Telegraphischem Bureau. »nd entschlossener Repräsentant Rußland ist und sein wird. Die» ist der Schlüssel zu den anscheinend nuderspruchrvollea Ereignissen in Bulgarien. Er, der Minister, werde bet der Zusammerkunst mit d m Fürsten B Smarck diesem in gleicher Weise den Verlaus der Ereignisse oilSeinanderiepr,, und erwarle von der hohen Einsicht de» befreundeten Staatsmannes, daß derselbe das neuerliche Opfer, welch,S Rußland im Interesse de» Frieden», unter Auirechlhaltung der monar chischen Principien ui Bulgarien gebracht, vollständig würdigen und ihm seinen crleuchtclen Rath, sowie seine mächtige Unterstützung bei der definitiven Ordnung der bulgarischen Verhältnisse zu Theil lassen werde, womit die friedliche Ordnung der Verhältnisse im Orient so innig zusaminciihänge. Was die bulgarische Nation in» momentane» Taumel vollbrachte und durch unseren Einfluß wieder gut gemacht wurde, — soll es nicht in legaler und loyaler Foriü definitiv festgesetzt werden? Ich darf sogar die Hoffnung hegen, daß der Fürst Alexander, dessen hohe Eigkiischgslea ich gerne anerkenne und der unglücklicher Weise der Spielball von Einflüssen geworden ist, denen er nicht genug Widerstand zu leisten vermochte, in seiner Erkeautniß der Thalsachc» und in ruhiger Würdigung der Verhältnisse au» eigenen Stücke», ohne jeden Zwang den Act der Entsagung wieder holen wird, der ihm unter Umständen abgerungen wurde, die zu bedauern, wir die ersten, und sie wieder rückgängig zu machen, die einzigen waren. Wir werden dann im Einvernehmen mit den be freundeten Mächten in billiger und gerechter Weise da» Gleichgewicht der widerstreitenden Jniereffen im Orient herzustellen vermögen, indem wir unsere legitimen Rechte in Bulgarien vor allen wettere» Zwiichensallen sicher». Da» wird auch dem Frieden Europa» neue, feste Grundlagen verleihen und unsere Freundschaft mit den Nach- vnrinächtrn. wie mit den europäischen Mächten überhaupt, mit weiteren starken Garantien umgeben. * Konstantin» pel, 26. August. Gutem Bernebmea nach er widerten die Mächte aus da» Rundschreiben der Pforte vom 23. Anglist, daß sie weitere präcise Nachrichten über die Ereignisse in Bulgarien abwarte» müßten, bevor sie da» Rundschreiben be antworte» könnten. * London, 27. August. Fest die gelammte TageSpreffe be fürwortet die sofortige Rückkehr des Fürsten Alexander nach Sofia Die „Time»" glaubt, die Mächte, welche gegen die Rückkehr de» Fürsten seien, dürsten waliricheiulich eine vollendete Thatsache anerkenne», die durch die spontane und einstimmige Bewegung dc» bulgarischcn Volkes unterstützt sei. Nachtrag zum politischen Tagesbericht. * Der Plan einer Auslösung der Provinz Posen durch Verbindung des Regierungsbezirks Bromberg mit West- prenß-n und des Negiernngsbezirks Posen mit Schlesien ist, wie inan der »National-Zeitung- schreibt, nicht bloS der Vorschlag einer Zeitung, sonder» eine Frage, welche in ent scheidenden Kreisen allerdings zur Anregung gekommen ist. Augenblicklich scheinen jedoch darüber noch sehr tiesgchenve Meinungsverschiedenheiten vorhanden zu sein. In der Presse der Provinz Schlesien zeigt sich nicht viel Geneigtheit sür die Anglicverung. * AuS FranzenSbad, 26. August, wird un» geschrieben: WaS man bestimmt erwartet hatte, ist eingetroffen: Fürst Bismarck und Herr von Gierü gaben sich hier ein Rendezvous. Der Elftere kam mit dem 1 Ubr 50 Min. in Eger eintreffcnden Schnellzuge an, nahm aus dem Bahnhöfe Eger einen kleinen Imbiß zn sich und »ras am heutigen Nachmittag 2 Uhr 23 Min. hier ein. Sein Salon- und ein dazugehöriger Gepäckwagen wurden aus dem hiesigen Bahahose abseits gestellt, und Fürst BiSmarck nebst seiner Ge mahlin führe» in einer offenen Droschke nach Hotel Hübner, wo selbst sie Wohnung nahmen. Während der deutsche Reichskanzler ehr srisch und munter auSsah, ichien seine Gemahlin leidend zu sein; denn sie war in warme Kleider gehüllt, wogegen der eiserne Kanzler nur im einfachen Civilanzugc und schwarzen Lylinder ging. N ichdem die hohen Gäste eine kurze Rast im Hotel gemacht Hallen, erschien eine Droschke, um sie abzuholen. Eine große Menschenmenge hatte sich vor dem Holet Hübner ausgestellt, um den Kanzler zu sehen. Bevor er aber erschien, wurde die Droschke geschlossen, waS natürlich dem Publikumsehr unangenehm war. Als der Fürst nebst Gemahlin gegen 5 Uhr die Droschke bestiege» hatten, wurde dieselbe wieder geöffnet, und die hohen Herrschaften zeigten sich dem Publicum, da» nunmehr in begeisterte Hochrufe ausbrach. Der Kanzler nahm seinen Hut ab, grüßte nach allen Seiten freundlich und fuhr langsam durch die Spalier bildende Menge. Er fuhr durch die Kaiser- und Parkstraße und befahl dem Kutscher, nach der Königs»,!!« zu fahren, wo Herr v. GierS Wohnung genommen hat. Der Letztere schien den hohen Gast schon erwartet zn haben; denn der Balcon war mit Blumengewinden geschmückt. Bor der König-Villa hatte die Badccapelle Ausstellung genommen und spielte mehrere Stücke, während die beiden Divlo- matcn da drinnen vielleicht über Krieg und Frieden verhandelten. Leider vermochte Ihr Correspondent nicht zu ermitteln, waS sich innerhalb der vier Wände begab; aber daß die bulgarische Frage das Hauptthema bildete, kann man wohl annehmen. Vielleicht war in demselben Augenblicke Fürst Alexander schon wieder aus dem Wege nach Sofia. Morgen wird Herr von GierS dem Herrn Reichs kanzler seinen Gegenbesuch mache». Hotel Hübner zeigt die Flaggen in österreichischen und deutschen Farben." * Prinz Victor Bon aparte hat nach einer Meldung au» Pari» an den Abg. JoliboiS folgende» Dankschreiben gerichtet: „Brüssel, 17. August 1836. Mein lieber Herr JoliboiSI E» drängt mich, Ihnen sür Ihre beredte Rede (vom 15. August) zu danken. Sie haben laut die Lehren bekannt, welche die Stärke der Napoleons auSmachten und ihnen die Sympathie des Volke» gewannen. Ich wuusche Ihnen dazu Glück. Es ist von höchster Wichtigkeit, Frankreich kund zu thun, daß die Partei des Kaiser- reichs nichts von seiner Kraft und Energie eiugebüßt hat. Um die großen socialen Principien zu vertheidigen, die unter dem Schütze der kaiserlichen Institutionen niemals Schaden erlitten haben, nehmen wir jede Mitwirkung an. Unsere Reihen sind Allen geöffnet. Um unseren Zwistigkeiten ein Ziel zu setzen, giebt es einen obersten Schiedsrichter: das direct zu Rathe gezogene Volk. Die allein, welche sein Recht verkennen, sind unsere Gegner. Danken Sie in meinem Namen den Pariser ComitLS, deren Hin gebung sich seit fünfzehn Jahren nicht verleugnet hat und welche, indem sie sich um Sie drängten, von Neuem ihre Treue sür die Sache der nationalen Sonveränetät und die Principien de- Kaiser reich- bctheuern wollten. Seien Sie, mein lieber Herr JoliboiS, meiner besten Gesinnungen versichert. Victor Napolöou." * Die Arbeiterversammlung, weiche in Bierzon stattsand, siel trotz der Anwesenheit der Bürger Vaillant und Baudin so kläglich au«, daß die Parleiblätter sich darüber nur in allgemeinen Phrasen ergehe». ES wird sich nun zeigen, ob die GlaS- und Porzellanarbeiter mit der beabsich tigten großen Kundgebung wirklich Ernst macken, oder ob sie sich eines Besseren besonnen haben. * Die „Politische Corrcsponbenz" meldet auS vatikani schen Kreisen. datirt Rom, 23. August: „An die Begegnung in Kissinge» und Gastein wurden zahlreiche Combinationen und Nachrichten geknüpft, welche sich theils als gewagte An nahme», theils als vollständige Erfindungen erwiesen haben. So tauchte auch in den europäischen Blättern die Behauptung aus, der Papst hätte daraus hingearbeitet, daß anläßlich der Entrcvue m Gastein auch die Interessen der Curie zur Sprache kommen, und sich zu diesem Zwecke an den Kaiser Franz Joses gewendet. Es kann nun versichert werden, daß auch diese Meldung nach allen Richtungen vollständig jeder Begründung entbehrt. — Der Papst hat anläßlich seines Namenstages die Glückwünsche der Würdenträger, der Curie und vieler anderer Persönlichkeiten entgeqengenommen und bei dieser Gelegcnbcil durch sein äußeres Erscheinen die Gerüchte über sein angebliches Unwohlsein widerlegt. Der Papst hat auS diesem Anlasse 8000 Lire sür die Armen Roms gespendet." LocialpolMches. * München, 24. August. Zur Revision de» ReichS- gesetze» über dir Krankenversicherung hat da» Staats- Ministerium de- Innern die SreiSregierungeu beauftragt, von den Gemeinde» de« Königreich» Berichte über die Erfahrungen beim bi»- bcrigeu Vollzug de» Gei-tzeS und über dir daran» sich ergebenden Wünich« zu erholen. De, Ltadtmagiftrat München hat diesen Be richt io seiner hrattgen Sitzung sestgeftcllt und im Eingang drffelbe» auSgesvrochrn, eS lasse sich nicht leugnen, daß da- Reith«kranken- VkificherungSgeietz, da» berufen ist. deu Grundstein der neuen Socialresorm zu bilden, selbst in Bayern, welche» schon vordem eine Art von Krankenversicherung, wenn auch in der denkbar eia- sachsten Form, besaß, im Allgemeine» eine segensreiche Wirksamkeit entsaftet und zur Verbesserung der Loge de» Arbetterstonde» bei getrage» hat. Der Bericht bezeichnet eine Reihe voa Gesetzes bestimmungen al» verbesserung-fähig und verbefferung-bedürslig. Jn«besondcre wird zu gff. 5 und 6 eine Erhöhung de» Kranken gelde» um die Hälfte sür auswärts erkrankte Mitglieder an Stelle der Leistungen nach 8 6, Ziffer I de- GejetzeS, eine gerechtere Be stimmung über den Ort. der als Beschäftigungsart anzusehe» ist. ferner die Regelung der Frage, wer sür die event. entstehende» Krankenira»»- vorlkosten aufzukoinmen hat und wie e» mit den Versicherten zu halten sei, welche nach eingetretener Erkrankung den bisherigen Aufenthalts ort mit einem anderen außerhalb de» Laffenbezirk» gelegenen ver tauschen, gewünscht, sowie weiter u. a. eine gesetzliche Ermächtigung zu Strasinitteln bekinls Krankencontrole und die Feststellung, ob unter dem durchschnittlichen Tagelohn (ß. 26 Abs. 3) der inkividuclle durchschnittliche Tagelodn zu verstehen sei. tan» die Nachholung einer gesetzliche» und einheitliche» Vorschrift darüber, ob sür die Zeit der durch Krankheit herbeigesührteu Erwerbsunkähigkeit Kranken. Versicherungsbeiträge zu bezahlen sind. Die dreitägige Larrenzzeit de» ß. 6, Abs. 2. soll nach dem Berichte de» hiesigen StadtmagistrulS al- unentbehrlich beibehalten werden. Neuer Allgemeiner deutscher Luchdrucker-Tarif. * Leipzig, 27. August. Der neue allgemeine deutsche Buchdrucker-Tarif, wie er, nach den CoinmissionS-Beschlüssen zusammengestellt, soeben erschienen ist und am 1. Ocloöer d. I. in Kraft treten soll, gewährt nunmehr «in abschließende» Bild über die Ergebnisse der unter den Buchdruckern seit Jahresfrist herrschenden Bewegung. Und fürwahr, man wird gestehen müssen, daß diese Ergebnisse hocherfreuliche sind. Eine Lohnbewegung, die auSgebrochen ist unter einem in ganz Deutschland sehr zahlreich verbreitete» Stande und während deren Verlause manche hitzige Debatten geführt worden sind, ist — voraussichtlich — auf vollständig gütlichem Wege beigclegt worden. Dank der Organisation, welche Arbeitgeber und Arbeitnehmer nach freier Ver einbarung sich gemeinsam gegeben haben. Muß hierin nicht ein Wink liegen sür alle anderen Gewerbe, dieses Beispiel nachzuahmcn und den Weg veS Streikes, der Arbeitseinstellungen zu verlassen, der in manchen Fällen für die streitenden Parteien höchstens einen zweiselbaften Nutzen, in allen Fällen doch aber eine schwer versiegende Bitterkeit in die kämpfenden Parteien hineinträgt? Jeder aufrichtige Freund der Arbeiter muß das entschieden wünschen; denn nicht nur da» Gewerbe selbst, sondern die wirtbschastliche Con- stellation im Ganzen wird geschädigt, wenn sich Arbeit geber und Arbeitnehmer nickt als gemeinsam arbeitende, sondern nur noch al» gegenseitig bekämpfende Personen im täglichen Leben erkennen lernen wollen. Wenn wir nun hier eine Wiedergabe der hauptsächlichsten Veränderungen, weiche der neue allgemeine deutsche Buck- drucker-Tarif gegenüber dem alten bringt, folgen lassen, so sei im Voraus bemerkt, daß bekanntermaßen zwar nicht alle Forderungen der Gehilfen erfüllt worden sind, daß aber die Letzteren seitens der Principale ein so weitgehendes Ent gegenkommen gesunden habe», daß die Gehilfen vollauf be friedigt fein können, wenn eS nur gelingt, dem neuen Tarif allgemeine Giltigkeit zu verschaffen. Wir zweifeln auch nicht, daß diese Erkenntniß in Len weitesten Kreisen der Gehilfen sich Balm brechen und wahrscheinlich aus längere Zeit beiderseits Befriedigung herrschen wird. Zunächst ist zu erwähne», daß im Satzpreife (vro 1000 Buchstaben) folgende Veränderungen eintrcten sollen: Kegel: Perl z . Nonpareille Colonel . Petit, Bourgeois und CorpuS Cicero Mittel^ . .'ec- re. . Fractur: alter Tarif neuer Tarif . 45 ^ 48 ^ , 36 » 38 - . 34 - 35 . . 30 - 32 » . 32 - 34 - . 34 - 36 - Die DurchschnittSerböbnng beträgt also allgemein 6'/, Proc. im Satzvreise. Die Grundpreise in Russisch und Englisch sind die alten geblieben, hingegen ist die sog. SPrachent- schädigung m Lateinisch, Englisch, Alt- und Plattdeutsch von 15 auf 16'/, Proc., in Slawisch und Ungarisch von 20 aus 25 Proc., in Russisch und Griechisch von 33'/, und 35 auf 50 Proc. erhöbt worden. Hebräischer und orientalischer Satz, sowie Musiknotensatz bleiben vor wie nach besonderer Uebereinkunst überlassen. Diese» Hauplveränderunqen im Satzpreife gegenüber sind die anderen Veränderungen im Satze und den damit im Zu sammenhang stehenden technischen Arbeiten unwesentlich. Doch mag hier bemerkt sein, daß überall, wo Veränderungen vorgenonimen worden sind, diese zu Gunsten der Gehilfen erfolgt und darauf Bedacht genommen worden ist. etwa bestandene Unklarheiten möglichst präciS znm AuStrag zu bringen. WaS di« allgemeinen Bestimmungen sür Satz und Druck betrifft, so ist hcrvorziiheben. daß, bei erhalte» gebliebener zehn- (bezw. 9'/,-) stünbiger Arbeitszeit, daS Minimum de» gewissen Geldes wöchentlich von 19 50 -s aus 20 50 erhöht worden ist. DaS bisher gestattete Herabsetzcn deS Minimums in Städten unter 10,000 Einwohnern (aus 18 -4l) ist gestrichen, wohl in Erkenntniß dessen, daß diese kleinen Städte sonst zu sehr aus den höheren DruckpreiS in den größeren Städten drücken. Dagegen ist für Diejenigen, welche weniger als 5 Jahre gelernt haben, ebenfalls da» gewisse Geld festgesetzt worden, und zwar steht eS dem Lehrprincipal frei, einem solchen G-bilscn weiiiger als 2050 ^s, doch nicht unter 15 .E wöchentlich zu zahlen. Die Entschädigung für Extrastunden, wenn solche vom Geschäft verlangt werden, soll für im gewissen Gelde stehende Gehilfen außer dem nach ihrem Gehalle sich ergeben den Stundenverdirnstc und sür berechnende Gehilfen außer ihren, tarifmäßigen Verdienste betragen: innerhalb der Zeit von 6 Uhr Morgen» bi« 9 Uhr AbendS 10 ^s, von 9—11 Uhr AbendS 20 ^s. von 11—12 Uhr 30 nach 12 Uhr Nachts 35 Pro Stunde, Für Sonn- und Fciertagsarbeiten sollen 20 für regelmäßige SonntagSarbeit. d. i. bei Zei tungen und periodischen Arbeiten 40 sür Arbeiten am ersten Oster-, Psingst- und Weihnachtsfeiertage 80 pro Stunde Extraentschädigung gezahlt werde». Endlich ist noch über das Halten von Lehrlingen im neuen Tarif bestimmt, daß da dürfen gehalten werden: a) Setzcrlchrllnqe: d) Druckerlehrlinge: bis zu 3 Gehilfe» 1 Lehrling bis zu 2 Gehilfen 1 Lehrling aus 4— 7 - 2 Lehrlinge aus 3— 5-2 Lehrlinge - 8—12 - 3 - - 6— 9*3- - 13—18 . 4 - - 10—14 . 4 - - 19—24 . b - - 15—20 . 5 - - 25—30 . 6 « und aus je weitere 6 Gehilfe» und aus je weitere 8 Gehilfin 1 Lehrling mehr. 1 Lehrling mehr. Die vorstehende Scala soll innerhalb dreier Jahre so zur Ausführung gebracht werden, daß eine eventuelle vorhandene höhere LehrlingSzahl in dieser Zeit ausgeglichen werden kann. Wa« die sogenanntcn Localzuschläge anbelangr, so ist theilweise eine Erhöhung derselben von 2'/,— 5 Proc. ein getreten. E» würde zu weit führen, wenn wir hier die einzelnen Orte alle nennen wollten, deren Localzuschlag eine Erhöhung erfahren hat; nur sei bemerkt, daß verselbe für Leipzig 2'/, Proc. und sür den nächstgelegenen Co, currenzort Alten dur g gleichfalls 2'/, Proc. beträgt. Die Bestimmung deS alten Tarif», daß in Orten unter 10,000 Einwohnern ein Localzuschlag bi» zu 5 Proc. stattfinden kann, ist ganz gestrichen. Schließlich sei noch dessen Erwähnung getban, daß «ne Abänderung de» Tarif» nur dann stattfinven kann, wenn die Principal- oder Gehilfen»Mitglieder der Tarif-Tommission von mindesten» sechs Kreisen im Aufträge ihrer Kreise aus eine solche bei der Tarif-Commission antragen. Ein solcher Antrag muß mindesten» sechs Monate vor JahreS- schluß gestellt werden. Bisher konnte ein solcher Antrag von
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