Typographische Mitteilungen

LEIPZIG, DEZEMBER 1923 TYPOGRAPHISCHE MITTEILUNGEN ZEITSCHRIFT DES B I LD UN G S VE RB AN D E S DER DEUTSCHEN BUCHDRUCKER, SITZ LEIPZIG HEFT ZWÖLF XX. JAHRGANG Der Wille zur Tat! 1923 — ein trügerisches Jahr — eine Zeitspanne des Verzweifelns geht zu Ende! Ein neues Jahr meldet den Beginn. Ob es auch so reich an verfehlten Hoffnungen und Entbehrungen sein wird? Ob es uns noch mehr dem Verfall — vielleicht dem völligen — zuführt oder aber einen Wieder aufstieg im Wirtschaftsleben und somit eine Gesundung des kranken Volkskörpers bringt? Wer vermag das zu sagen! Die gegenwärtige Zeit ist gerade nicht dazu angetan, Prophe zeiungen und Vermutungen aufzustellen, da der Kampf ums Dasein, ums nackte Leben, jeden freien erhabenen Gedanken unterdrückt. Die alltäglichen Sorgen sind unermesslich. Freude am Leben ist nirgends mehr zu finden. So stehen wir denn, bedrückt und mutlos, am Jahresende und lassen dem Schicksal freien Lauf. Wir denken, vielleicht das Richtige damit getroffen zu haben, wenn wir, abgestumpft für alles Gute und Schöne, interesselos für alles Ideelle und Erhabene, das Leben der Zukunft so hinnehmen, wie es durch Zeitereignisse jedem einzelnen beschert wird. Mag sein, dass es für viele die beste Lösung bedeutet, aus denWirrnissen dieser Tage hinauszukommen. Ob es aber der rechte Weg ist, der damit eingeschlagen wird, möge dahingestellt bleiben. Zum Segen wird er sicherlich nicht gereichen. So fragen wir denn: Dürfen wir das? Dürfen wir verzagen und den Glauben an eine bessere Zukunft aufgeben? Dürfen wir tatlos beiseite stehen und verzweifeln? Kollegen! Nein, wir dürfen nicht! Wir müssen die Energie, die in jedem noch schlummert, zur Tat werden lassen. Wir müssen kämpfen für die Fort- und Weiterbildung im graphischen Ge werbe! Unser nachfolgendes Geschlecht hat ein Recht zu verlangen, dass das mühsam Errichtete auch erhalten bleibt, dass der Bildungsverband der Deutschen Buchdrucker nicht nur eine Zeit erscheinung ist, sondern auch dauernd Bestand hat. Handeln wir aber in jenem Sinne, indem wir den Dingen freien Lauf geben, so ist das Weiterbestehen unsrer Bildungsorganisation gefährdet. Bekennen wir es doch frei und offen, dass in diesem Jahre in manchen Ortsgruppen die grösste Ruhe herrschte, dass der Name nur noch auf dem Papiere stand. Wie viele befähigte, führende Kollegen warfen die Flinte ins Korn und dachten, in aller Zurückgezogenheit ihren persön lichen Interessen dienlicher zu sein? Und wieviel erhabener Idealismus wurde egoistisch an die Wand gedrückt? Ist es da ein Wunder, wenn das zartfeine Getriebe unsrer Bildungs gemeinschaft Störungen erleidet, die teilweise grossen und grössten Schaden hervorrufen können? Ist es nicht unsre Pflicht zu sagen, dass das Kulturelle erhalten bleiben muss und fernerhin unsre Aufgabe, den Willen zur Tat hierfür auch aufzubringen! Ja, wir können und müssen es, wenn wir die Überschrift dieses Mahnrufes als Leitgedanken für das Jahr 1924 wählen. Dann wollen wir, getreu unserm Wahlspruch: „Lerne, Lehre, Bilde, Wirke!“ ohne Sorgen im neuen Jahre unsre Arbeit beginnen. Sie wird von Erfolg gekrönt sein, wenn jede Ortsgruppe das Zugehörigkeitsgefühl zum Bildungsverband nicht verliert, sich in ihrem Wesen erhält und ihre zum Wohle der Allgemeinheit zu verrichtende Arbeit gern ausübt. Und wenn wir eines Sinnes sind, nur ein Ziel erstreben und uns nur von dem einen Gedanken leiten lassen, Erspriessliches zu leisten, dann werden wir am Ende des nächsten Jahres nicht so mutlos dastehen wie heute, trotz der Schwere der Zeit und trotz alledem! Wir werden dann erfahren, dass, je enger der Zusammenschluss, um so höher auch der hieraus entstehende Nutzen zu bewerten ist. Wir werden die uns allen fehlende innerliche Befriedigung finden und somit zur Gesundung des Volksganzen beitragen. Karl Riemensdineider (Hamburg).