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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.07.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-07-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188807196
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18880719
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18880719
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1888
- Monat1888-07
- Tag1888-07-19
- Monat1888-07
- Jahr1888
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.07.1888
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Erste Beilage Mii Leipziger Tageblatt und Anzeiger. A« 2vl. Donner vtaez den 19. Juli 1888. 82. Jahrgang Der Graf von Warteck. Novelle von A, Osterloh. Nachdrult Verbote». (Schluß.) Wieder einmal war der Frühling herangekoinnien. ES Halle i» der letzte» Zeit viel geschneit; der Pachter Halle dem Grasen Victor geschrieben, daß der Schnee mehrere Fnß hoch vn den Hänscrn liege, man müsse sich jeden Schritt ins Freie erst Halmen, die Stalle sei furchtbar und anhaltend gewesen und die Leute jam>ncrten um Holz. »Gräßliche Gegend!" halte der jnnge Ossicier gedacht, dann nahm er seine Schlittschuhe und freute sich im Stillen, daß der Harle Winter andererseits das Gute habe, daß die Eisbahn recht lange anhalte. Ein Paar Tage daraus schlug daS Wetter um. Mit voller Macht war der Frühling ins Land gekommen. Die Sonne schien hell und warm, der schmutzig graue Schnee schmolz und aus den Flusse» trieben wild die großen Eisschollen herum, von den entfesselten Flnthcn heruniergejagt; mächtig fließen sie an die Brückenpfeiler und zerschellten tosend an dem steinernen Hindernisse und ihnen »ach kamen wieder andere und größere, eS war der wilde Kamps deS scheidenden WinterS mit dem jungen, kräftigen Lenze. „Ln, schönes Schauspiel!" hatte Victor gedacht, als er aus der Brücke stehend dem Eisgänge zuschaute; und dann war er heimgegange» in seine Wohnung, wo ihn eben ein paar Freunde erwartete», die mit ihm frühstücke» wollten, kenn der Lieutenant von Warteck hatte einen anerkannt vorzüglichen Frubflückewci», Zn Hause fand er eine Tepcsche, die für ihn cingegangen war. Mil kurze» Worten meldete man ihm, daß sein ganzes Gut unter Wasser stehe, mehrere der schlechtesten Hütten drohten cinzustürzen. ebenso einige der Wirthschaftsgebäude, von denen er ia wisse, daß sie in schlechtem Stande seien. „Verflucht!" sagte Victor, als er daS Blatt mit der UnglnckSbotschast weglegte, „ich muß nach Warteck." Tie Freunde halte» untertcß auch gelesen. „Unsinn!" meinte der Eine. „waS willst Du dort? Schicke Geld und sage, der Pächter solle die Sacke besorgen." „Es geht nicht." Victor war wirklich sehr ärgerlich, weniger noch über daS Unglück selbst, als über die Gene, die eS ihm aufcrlegte. „Du kannst jetzt nicht fort," sagte der Andere, indem er sich am FrübslückSlisch »iederlicß, „heute Benefiz der reizenden Nosa, bedenke, sie wäre nnglücklich! morgen Ball beim Kriegö- ministrr; warte wenigstens bis übermorgen. ES wird auch so schlimm nicht sein, die Leute übertreiben immer." Erst widersprach er; dann meinte er, daß cö wirklich nicht gut ginge, so plötzlich zu verreisen, wer weiß auch, ob er gleich Urlaub bekommen wurde! Und eigentlich, WaS würde seine Gegenwart in Wartcck nützen, er könnte doch den Leuten nickt Helsen. Schließlich befolgte er d n Rath seiner Freunde, und als zu seiner großen Freude Tags daraus der Bahn« Verkehr unterbrochen werde» mußte, verschob er die Abreise iimncr und immer wieder und trotz aller an ihn abgesandtcn Nachrichten vergingen acht Tage, che er sich endlich aus den Weg machte. Al» er am Orte deS Unglück» angclangt war, glaubte er ansangs wirklich, daß seine Freunde Recht gehabt hätten und daß die Sache nicht so schlimm sei, wie sie ihm geschildert worden wäre. Die Seite, von der er herkam, mochte wohl auch die am wenigsten betroffene sein; den vereinzelt sichenden Hütten sah ma» nichts an; ein Stück Weg war weggerissen, aber die Leute arbeiteten daran und eS war schon bald wieder hergestellt. Wie er in die Nähe des Schlosses kam, sah er aus dem Hose den Pächter und seine Frau stehen und vor diesen, dem Kommenden den Rücken zuwendend, einen großen, hageren Mann mit einem breiten, verbogene» Filzhut, hohen Stieseln, die über und über mit Schlamm bedeckt waren: der ganze Anzug war ebensallS mit Kolh bespritzt. Er schien sehr heftig mit den beiden Andern zu sprechen, denn die schlugen die Angen nieder und der Pächter kratzte sich verlegen hinter dcni Ohre. Victor überlegte sich, ob er zu den Leuten gehen sollte oder direct ins Schloß: dann machte er, um die feinen Stiesel nicht zu beschmutze», einen großen Schritt über eine Pfütze am Eingänge des HoscS und trat näher Der Unbe kannte drehte sich ui». Victor war starr vor Schreck: es war sein Bruder Knno. Er hatte seine Drohung wahr ge macht; er war gekommen. Woher mochte er wohl die Nachricht von der Ueberschwem- mung und der Notb, die in Wartcck herrschte, erhalten haben? denn daß er darum gewußt hatte und deswegen gerade so schleunig hcrbeigeeilt war, wurde Victor bald klar. Kein Mensch in Wartcck hatte doch Kunos Aufenthalt gekannt; vergeben- sann er hin und her. Er ahnte freilich nicht, daß einer der Tagelöhner, denen Nma zur Zeit ihres Aufenthalts in Wartcck i» KnnoS Austrage viele Wohlthaten erwiesen hatte, sich an daS junge Mädchen gewendet und ihr die jetzt herrschende Unordnung, das bereingebrochene Elend wahrheitsgetreu geschildert batte. Anfangs widerstrebend, hatte sich Nina doch endlich entschlossen, dem Grasen zu schreiben, wörtlich beinahe. waS ihr der Bauer gesagt hatte, sich selbst ganz an» dem Spiel lastend, als sei es ein Zeitungörcferat. Der Brief hatte ihn durch Verniiltclung der Buchhandlunc erreicht, und er war aus der Stelle abgereist. In Warted aiigekommen, sah er, daß man ihm nur die reinste Wahrheit berichtet halte, sah, daß Alles, waS einst sei» Stolz gewesen, verfallen und verdorben war. Die wirtbschastlicken Anlagen, die Felder, deren Ertragöfähigkeit er so unendlich gehoben hatte, waren heruntergekommen. Alles war abgewirkhsckastet, der Wald aus eine unverantwortliche Weise anSgcschlachlel, die Gebäude, die er in musterhastein Zustande znrückgclasten hatte, waren baufällig, da» Vieh verwahrlost; alle die wobl- thätigen Einrichtungen, die er getroffen Halle, um da» leib liche und geistige Wohl seiner Untergebene» zu hebe», ver nachlässigt, cingegangeii. Wahrlich, cs hätte der WasterSnoth nicht bedurft, um ihm die Lage der Dinge grauenerregend er scheinen zu lasten; und nun, so wie es war, mußte cs doch vor der Hand die erste, rinzige Sorge sei», die Folgen dieser zu beseitigen. Wie schlecht, wie unpraktisch halte man bis jetzt Alles angegriffen! Tagelang stand Kuno fehl »» feuchten Schlamm, uni die Arbeiter, die die weggeristene Straße wieder ausbauten oder in den verwüsteten Felder» arbeitete», zu beaufsichtigen, gab selbst an, wie die unterwühltcn Häuser wieder ausgcbaut, wo eine gar zu baufällige Hülle abgebrochen werden sollte. Er scheute sich nickt mehr »ntcr Menschen zu gehe», wie ehemals, und die Leute schreckten nicht zurück, wenn sie die lange, hagere Gestalt mit dem entstellten Gesicht eintreten sahen; er war ja der rettende Enget, an de» sie sich in ihren Nöthen wenden konnten, der sich nicht kalt lächelnd abwendcte, »weil er von diesen Dingen doch nicht» verstände." Armer Kuno! er Halle e» recht gut zu machen gedackt, al» er der Heimath und seiner untreuen Braut den Rücken wendete, um in der Ferne ei» cinsameS Leben zu führen; wie so ganz anders war eS gekommen! Er hatte >>ch opfern wollen, weil er gedacht, einem liebenden Paare den Weg zu ebnen; aber sie hatten sich nicht geliebt und das junge Mädchen grämte und härmte sich um den Entfernten und hatte kein Glück gefunden. Und sein Binder, dem er hochherzig Liebe, Vermögen und Alles hingegeben hatte, hatte das Opfer nicht verstanden. eS hatte ihn nickt gebessert. Irrthum. nichts als Irrthum! Die treueste Freundin seines Lebens, die einzige treue. seine Mutter, war gestorben, und war eS nicht die Kunde von seinem Unglück, der Schmerz der Trennung von ihm, der sic gelobtet? Und sei» Besitzt!»»», daS er unter vieler Arbeit und Mühe zu hoher Blüthe gebracht hatte, war verfalle», denn diejenige, die es i» seinem Sinne weitergesiihrt haben würde, weilte ser»; die Leute, für die er gedacht und gesorgt, darbten und verkamen. Es war ei» schlechter Entschluß, eine verfehlte That gewesen, Irrthum, nichts als Irrthum! Und nun suchte er sich cinzurcden, daß eS doch am Ende nur Egoismus und Bequemlichkeit gewesen war. waS ihn svrlgetricbeii hatte, weil eS ihm zu schwer geworden wäre, an der Stätte seines einstige» Glückes fortzulebe», weil er gedacht hatte, daß fern von dem Ort. wo Alle» die Erinnerung ewig wach hielte, daS Lebe» vielleicht leichter sei. Von jeher hatte er in seiner pessimistischen Art den innersten Beweg gründen aller Handlungen nachgegrnbelt, leicht geneigt, Ander», wie sich selbst, immer die schlechtesten Motive unter- zuschieben- daS Wort „Unsere Tugenden sind meist nur ver kappte Laster" war auch sein Wahlsprnch; und so machte er ich jetzt die bitterste» Vorwürfe über eine That, die nur der Ausdruck selbstloseste» OpfcrmutheS gewesen war. Mit Auf bietung aller seiner Kräfte wollte er gntmachen, waS er gefehlt hatte, und bald gelang eS seiner praktische», that- kcästigen Leitung, etwa» Ordnung i» daS Chaos zu bringen, seinen große» Geldopsern. der äußersten Roth, wenigstcus vorläufig zu steuern; freilich, um Alle» auf den ehemaligen Stand zu bringen, brauchte er noch lange Jahre voll tüch tigster Arbeit Wer weiß, ob er daS erleben wurde! Er begann daran zn zweifeln Seine sonst so feste Gesundheit schwankte bedenklich Erst hatte sie Kummer und Gram nntergrabcn, dann wurde er ans dem sonnige» Italien, wo unter dem blauen, lachende» Himmel schon Veilchen und Rosen sproßten, plötzlich »ach dem Norden aernsen, wo daS EiS soeben erst geschmolzen war und wo Regen und Sturm um die Herr schaft stritten. Dazu kam noch, daß Kuno, der die letzten Jahre seines Lebens zuin größten The.l im Zimmer verbracht hatte, voi. früh bis Abends die Arbeiter überwachend, in der naßkalten Lust draußen stand, ganz durchnäßt, und wen» er dann nach getbancr Arbeit hcinikehrte. fand er kein traulich durchwärmtes Zimmer, sondern die modrige» inibcwohnten Säle und mehr noch als die äußere Kälte durchfröstellc ihn daS Gefühl seiner Verlassenheit. Es ging auch nicht lange so fort und so sehr er dagegen ankämpfte. eines TagS warf ihn doch die Krankheit, die sich allmälig ausgebildct hatte, aufs Lager. Trotz aller Be mühungen de» Arzte» wurde e» nicht bester, im Gcgenlheil, von Tag zu Tag ging cö schlechter und bald war eS ganz klar, der Kranke ging mit schnellen Schritten dem Tode ent gegen. Er fühlte das auch selbst, und wenn ihm der Arzt wöhlmeineud zunicktc und meinte, daS Wetter sei jetzt so schon und daS werde sicherlich einen günstigen Eindruck aus daö Befinden deS Kranken habe», so schüttelte dieser ungläubig das Haupt und sagte, eS bedürfe der Verheimlichung nicht. eS falle ihm gar nicht schwer, vom Leben Abschied zu nehmen, daS ihm stets nur eine Last und Niemandem ein Nutzen ge wesen sei; jetzt freilich habe er gerade Arbeit aus Jahre hinaus, die würde er gern vollendet habe»; wenn daS nun aber nicht ginge, so sei eö nicht seine Schuld. Und dabei sank er müde in die Kisten zurück. Einmal noch fragte er de» Arzt, ob keine Besterung mvg- sei, er möge cö ihn. offen und wahrheitsgetreu sagen. „Ich habe keine Hoffnung mehr!" sagte dieser und nun bat ihn Kuno, einige Zeilen für ihn zu schreiben und an Fräulein Nina von Zchnicn zu sende». Zwei Tage darauf kam Nina in Begleitung ihres ValerS aus Schloß Wartcck an. Es ging dem Grase» gerade sehr schlecht und inan wollte sie erst nicht zu ihm laste», der Auf regung wegen, von der man da» Schlimmste befürchtete; er hatte aber von ihrer Ankunft gehört und bestand darauf, sie zu sehen. Und merkwürdig! war eS Zufall ober nicht, von jenem Tage an schien sich daS Befinden bedeutend zu bessern. daS Fieber ließ »ach, der Puls wurde ruhiger, und staunend meinte der Arzt, eine so plötzliche Besserung in einem so schweren Falle sei ihm noch nie vorgekommen; eS scheine säst, als solle ein Wunder geschehen und der Gras genesen. Wie gerne, wie fest glaubte Nina diesen Worte». Aber da» Wunder geschah nicht. Es war nur daS letzte Aufflackern deS Lebenslichts vor seinem Verlöschen gewesen. Noch wenige Tage und die Leiche deS Grasen Kuno wurde neben der seiner Mutter zur Ruhe bestattet und auf seinem Grabe grünte, dunkel und schattcnvoll, wie sein Leben gewesen war, eine Cypreste. Graf Victor war nun MajoratSerbe von Warteck An fang» noch unter dem Eindrücke der plötzlichen Rückkehr und des TodeS seines Bruders bemühte er sich, seine Ausgabe im Sinne seines Bruders zu erfüllen. Er nahm seinen Abschied und schlug seine Wohnung in dem einsamen Schlosse aus; aber sein Eifer erlahmte bald, immer mächtiger zog eS ihn in daS alte, lustige Leben zurück und eines TageS erschien er plötzlich in der Äesidcnz unter seine» staunenden Kameraden wieder, mit der bestimmt abgegebenen Erklärung, daß ihn kein Mensch mehr in daS verwünschte Nest, dessen Besitzer er un glücklicher Weise geworden sei, zurückbringe. In Warteck ließ er die Dinge gehen, wie sie wollten; eS hatte ihm ja auch Niemand mehr dreinzureden. Und da geht cs nun immer bcrgunler und daS große prächtige Majorat, ehemals der Stolz eines altadcligen Geschlechts, geht schnell und sicher seinem gänzlichen Verfall entgegen. Nina aber war seit Kuno's Tode wie verwandelt, sie hatte daS Gleichgewicht wicdergefunden, daS ihrem Charakter ver loren gegangen war, eS war, al» hätte der Tod die schwere Last, die aus ihrem Gewissen ruhte, hinweggewälzt. Er war versöhnt gestorben, sie hatte die letzten Stunden bei ihm verbracht, die ruhelosen Gedanken brauchten nun nicht mehr unsläl in der Welt herum zu irren. Der Tod hatte Alles ausgeglichen, die Schuld war gesühnt. Und nun entsann sie sich, spät zwar, aber doch nicht zu spät, daß sie noch andcre Pflichten auf der Welt habe, als ihrem verlorenen Glück »achzutrauer». Wie schlecht hatte sie sich im Glück, wie viel schlechter noch im Unglück bewährt und wie gut. wie mild, wie versöhnend hatten sich die Ihrigen, denen sie nie zuerst mit großer Liebe entgegcngekommen war, ihr gegenüber bewiese»; selbst ihr Vater, der bisher für sic nie, sür de» sie nie ein besondere» Interesse gehabt hatte, wie aus- opsernd hatte er die Kosten und Lasten ihrer langen Krankheit ans sich genommen, wie bereitwillig hatte er stets jedem ihrer Wünsche, jeder Laune selbst nachgrgcben. Und war diese Rücksicht vielleicht nur Bequemlichkeit gewesen, sie sagte sich dennoch, daß sie sie nicht verdient hatte. Noch war eS Zeit, ihm daS liebend zu vergelten. Der Oberst alterte jetzt recht bedenklich und daS Leben außer dem Hause, das ihm zur Gewohnheit geworden war. wollte ihm jetz^ nicht mehr recht Zusage». Nina bemühte sich nun mit all ihren Kräfte», ihm daS HauS recht angenehm zu machen, und als nach cinigen Jahren Finchcn auS dem Neste flog, um eine zwar sehr bescheidene, aber glückliche Ehe einzugeycn, war sie eS. die — weil Gretchen's ganze Kräfte von der kleinen Wirthschast, die sie nun ohne jedwede Hilfe führte, in An spruch genommen waren — de» Vater mit aufopfernder Hin gebung pflegte, als er alt und körperlich und geistig schwach geworden war. Sie sah. daß man, auf eigene» Glück Ver zichtend, noch zufrieden und glücklich werden kann, allein in der Erfüllung seiner Pflichte». Ter Oberst ist jetzt sehr alt. Wenn er einmal sterben sollte, wa» gewiß nicht mehr ferne ist, so wird Nina schon einen anderen Wirkungskreis finden; es giebt deren ja so viele sür solche, die selbstlos Helsen und nützen wollen. I» einsamen Stunden schweife» ihre Gedanken oft in die Vergangenheit zurück. Erinnerungen an frühere Zeilen tauchen in ihr auf und kann blättert sie in de» Papieren und Manuscriplen, die Knno unveröfsenllichl zurückgelasten hat. Da fand sie auch einmal eine kleine Erzählung, in der letzten Zeit seines LcbenS geschrieben. ES war die einfache Geschichte eine» Manne», der in einem Feldzuge verwundet worden war; cS war den Aerzten nicht gelungen, die Kugel herauSzunehme», aber Dank ihrer sorgfältigen Hilfe war der Verwundete genese», scheinbar wenigstens. Aber wenn das Wetter wechselte oder bei irgend einer traurigen oder freudigen Erregung oder auch ohne offenbaren Grund, mitten im fröhlichen Lebe», wenn er am wenigsten daran dachte, begann eS zu wühlen und die Schmerze», gegen die alle Mittel ver geblich waren, mahnten ihn daran, daß er nicht gesund, nur scheinbar geheilt sei und »och immer die Kugel mit sich herumtrage. Und da giebt es so Manchen, der, ohne daß seine Umgebung eS ahnt, eine solche Kugel mit sich heruuiträgt; eine trübe, bittere Eisahrung, eine herbe Enttäuschung. Wenn die Zeit darüber hingcgangen ist, meint er. cS sei vergessen und ver wunden. aber in stillen Stunden oder im Insligen Kreise ein unbedachtes Wort, eine nnbewnßte Mahnung an Vergangenes und da wühlt es im Innern und zerrt und schüttelt und zeigt, daß die Kugel versteckt und unsichlbar, aber nicht ver- chwunden ist. Ei» Anderer hat die Erinnerung an getäuschte Liebe, gebrochene Treue tief im Herze» vergraben, vielleicht hat er's vergeben, vielleicht sich ausgesöhnt, vielleicht meint er gar, daS alte, glückliche Vcrhältniß von vordem sei wieder hergestellt, — aber das Vertrauen, daS felsenfeste, sichere ist hi», ein freundlicher Blick einem Andern, ein mißverstandenes Wort und das Mißtrauen, das geschlummert, ist geweckt, und da stichlS und schmcrztS, und er weiß, die Kugel ist doch noch da! Oeffentl. Verhandlungen der Stadtverordneten am SO. Juni 1888. (Aus Grund deS Protokolls bearbeitet und mitgetheilt.) (schluß.) ES erstattet derselbe Herr Referent Bericht sür den Bau ausschuß über Neulegung von Wasscrleitungsrohren, bez. Ver- ändern»gen an solchen in der Straße ZV, in der Schenkendorsstraße und der Lösniger Straße mit 2646 Aufwand. Der Alisschlißanlrag bierz»: die Bvriage des Raches zu genehmige», wird einstimmig angenommen. Derselbe Herr Referent reserirt sür de» Bauausschuß über Einführung der Wal serleit nngsanl agen in die Straße »tracte des Bre ms'scheu Grundstücks an der Zeitzer und Sophienstraße mit einem Kosten aufwand von 2012 .6 a couto Stammaulage. Der aus Genehmigung der Vorlage gerichtete Ausschußantrag wird einstimmig angenommen. Herr Wilhclmy berichtet weiter sür dcu Bauausschuß über Herstellung einer Verbindung vom Hochrescrvoir der Wasserkunst bei Probstheida nach den« Stadt hause und der Stainnianlage bei Connewitz mit» telst Schreib- und Sprechapparats unter Ent- »ahme der erforderlichen Koste» von 2550 aus dem sür Herstellung einer unterirdischen Telc- graphenleitung im Jahre 1882 verwilligten und noch nicht verausgabte» Betrage von 5372 Vom Ausschuß wird beantragt: der Vorlage bcizutrcten. Nach Erläuterung der Vorlage bemerkt der Herr Referent, daß der Ausschuß sich mit derselben nur einverstanden erkläre» konnte und auch der Herr Vorsitzende des Löjchausschusses aus Besragen sich dafür ausgesprochen habe. Ter Ausschußantrag wird einstimmig angenommen. Ferner reserirt derselbe Herr Referent sür den Bauausschnß über die anderwcitc Vorlage des RatheS, betreffend Errichtung eines Nebengebäudes sür die Naun- hoser Wasserwerke mit einem Aufwand« von 16800 » conto Erweiterung der Wasser leitung. Herr Referent verliest hierzu da- Rathsschreiben, sowie das demselben beigesügte Gutachten des Herrn Ingenieur Thiem und bemerkt Folgendes: Die Ausschüsse fanden daS Gebäude nicht zu groß, aber zu luxuriös projectnt. Ueber dem Oelkeller liege z. B. ein unbenutzter Raum von 33 gm, statt Cementbcton deS Fußbodens genüge Ziegel- Pflasterung, ferner sei cs unzweckmäßig, daß das Gebäude nicht mit der Längsaxe des Schienengleises consorm sei, wodurch sich ein Abträge» der Kohlen nölhig mache; stünde das Gebäude in der Längsaxe des Schienengleises, so ließe sich auch das Eingangsthor einfacher construiren. Man glaubte, daß man bei billigerer Con- struirung des Gebäudes mit einem Kostenanswande von 30 pro Quadratmeter --- ca. 7000 ^l (früher war allerdings gesagt: 4000—5000 ^6) ausreichen würde. Herr Obcrbürgcrmcistervr.Gcocgi erwidert, auf die einzelnen technischen Einwändc sei er nicht vorbereitet, er könne aber nur er klären, daß die baldige Herstellung des Gebäudes eine dringende Notliwendigkeit sei, er würde cS sehr bedauern, wenn diese Her stellung wieder verzögert werden sollte. Wenn das Gebäude mit der Längsaxe des Schienengleises consorm gestellt iverden sollte, so würde eine bedeutende Vergrößerung des Gebäudes und dadurch Vertheuerung des Projektes verursacht werden. Herr Ingenieur Thiem habe die große Anlage deS Wasserwerks mit thuntichstcr Sparsamkeit ausgcsührt und gewiß auch hier nur das Nothwendigste verlangt. Er bitte dringend, der Vorlage doch nun zuzustimmen. Herr Scyfarth bittet um Annahme des AuSschnßantrageS, be- zweifelt, ob die projcctirte Ausstattung des Gebäudes nölhig sei, verweist aus die primitive Ausführung ähnlicher Gebäude aus Bahn- bösen und hält eS sür genügend, eine» Kohleuschuppcn mit circa 5000 .6 Auswand zu bauen, nicht aber ein so großes Gebäude, zumal der Platz anderweit gebraucht werden könnte. Herr Oberbürgermeister vr. Georgi thcilt letztere Befürchtung nicht, bemerkt, daß außer sür Kohlen auch noch Lagerraum sür andere Gegenstände durch Errichtung deS Gebäudes bcichafft werde und beschafft werden müsse. ES lasse sich ja vielleicht da- Gebäude noch primitiver Herstellen; eS sei aber doch sehr zu wünschen, daß dasselbe solid und dauerhaft ausgesührt werde. Herr Referent theilt nachträglich aus der Vorlage noch An gaben über die Raumverhältnisse der Wasserwcrk-anlage in Dresden und Leipzig näher mit und bemerkt wiederholt, daß nicht wegen der Größe, sondern wegen der opulenten Ausstattung des Gebäudes der Ausschuß gegen die Vorlage sei. Im klebrigen glaubte der Aus schuß, daß wen» das Gebäude etwa wie in« »rankenhause auSgcsührt werde, man doch billiger wegkommen würde. Um die Sacke zur Erledigung zu bringen und dem Rathe die als dringend wünschenswerth vom Herrn Oberbürgermeister be- zeichnete alsbaldige Ausführung der Sache zu ermöglichen, stellt Herr Bicevorsteher Herrmann den Bermitteluiigsanlrag: dem Rathe die Summe von 12 000 zur Verfügung zu stellen zur Ausführung eines Gebäudes zu den in der Vor lage näher bezeichneten Zwecken. Der Antrag wird unterstützt. Herr Referent tritt zu Gunsten dieses Antrages von seinem Votum Im Ausschuß zurück. Herr Vorsitzender nimmt an, daß bei Annahme des Herr- mann'fchen Anträge» dem Rathe bez. der Ausführung des Ge bäude» freie Hand gelaflen werden solle, was der Herr Antrag steller bejaht. Der Ausschußantrag aus Ablehnung der Vorlage w rd mit 37 gegen 10 Stimmen abgelchnt und der Herrmann'sche Antrag ein stimmig angenommen. Hieraus berichtet Herr Wilhelm y noch sür den BauauSschuß über Rückäußerung des Rathes in Betreff der Uebcr- wülbung deS Sommerbufsets im neuen Theater mit einem Aufwand von 800 nach Pos. n de« Specialanschlages zu Conto 32 81. Pos. 7 außer ordentlich deS diesjährigen Haushaltplanes. Den neuere» Giünde» des Rathes hat der Ausschuß — wie der Herr Referent bemerkt — beizupflichten gehabt und wird daher Zustimmung zur Vorlage beantragt. Herr Ehmig berichtet für den Stistunqs-, Bau- und Oekouomie- ausschuß über die Vorlage, bctr. ein Abkommen mit den Herren Franke und Gen. in Thonberg wegen käuflicher Ueberlassung eines Areal- streisens von ca. 140 gm Flächengehalt von der dem Johannishospitale gehörigen Parcelle 73 deS alten , -"r-'128 desHüen Flurbuchs für T honberg zum Preise von 10 .eil pro Quadratmeter und 8. Frau verw. Brauereibesitzer Osfenhaucr in Thonberg wegen käuflicher Erwerbung eine« Arealdreiecks von der unter X bezeichneten Par celle von ca. 332,5 gm Flächengehalt und von 94,3 gm Areal derselben Parcelle sür 30 .6 bez. 18 .6 pro Quadratmeter. Die vereinigte» Ausschüsse beantragen Genehmigung der Vorlage in beiden Punclen, und wird dieser Antrag einstimmig angenommen. Es folgt Bericht desselben Herrn Referenten sür de« Oekonomieausschiiß über die Vorlage, betreffend das vom Rathe aus Antrag des Collegiums zu Conto 38 Ausgaben Pos. 13 „Trottoirübergünge 15 000 .6 ordentlich" des diesjährigen Ha ns halt- planes in itget heilte Verzeichn iß über die her zu st eilen den Trottoirübergünge. Von dem Ausschüsse wird hierzu empsohlen: 1) zu der Position „Uebergang über den östlichen Tbeil deS Johanniöplotzes" zu beantragen, daß der projeclirte Weg b,S z» dem vorhandenen Schlackeusteinübergange über die Ho-'pital- straße w ilcrgesiihrt werde; 2) das Projcct „Fußwegnbergang in Linie des westlichen Fuß weges der Dusourstraße »her die Braustraße" abznlehne»; 3) im klebrigen die Vorlage zu genehmigen. Antrag 1 wird gestellt, weil der Aueschuß wünscht, daß der betreffende Fußweg b>S zu dem vorhandenen Schlackeusteinübergange über die Hocpitalstraße wciterg,-führt werde. Tie Ablehnung »ach Antrag 2 empfiehlt der Ausschuß deshalb, weil der betreffende Fußw g nach Ansicht des betreffende» Herr» Snbreserente» »och in ganz gutem Zustande sei. Herr Referent hebt noch hervor, der Rath wolle die säniml- lichen, auf zusammen 16 500-6 veranschlagten Proje.te sür 15 000.6 Herstellen lassen. Reiche diese Summe nicht, so würden ohne Weiteres noch entsprechende weitere der Projekte von der Ausführung aus geschlossen bleiben müssen. Die Ausschiißa»t>äie 1. 2, 3 werden einstimmig angenonimen. Herr Ehmig reserirt sür den Oekonomieausschiiß über d e Vor lage des Rathes, bctr. die zur Beschlußfassung ausgcsetztc» Pos. 23 „Erneuerung der Fußwege an der Nordseitc des Marktes 3535,59 .6 außerordentlich" und 41 ,. AS- phaltirung der Nordseitc dcSMarktes 14510,70.6 außerordentlich" des diesjährigen Haushalt- planes. Der Ausschuß beantragt Annahme der Vorlage. Herr Referent bemerkt, daß die iu der jetzigen Vorlage nicht erwähnte Frage der Candclaberausstellung noch offen bleibe u»o nun die früher hier zurückgcstcllte Vorlage wegen Beleuchtung deS Marktes wieder vorzuiiehmc» und von den betheiligten Ausschüssen in Bcrathung zn ziehen sei» dürste. Der Ausschußantrag wird einstimmig genehmigt. Derselbe Herr Referent reserirt sür denselben Ausschuß über die anderwrite Vorlage des Rathes. bctr. pachtweise Ueberlassung eines Th eiles (4 Acker) der zum Rittergute Grasdors mit Portitz ge- hörigen Parcelle Nr. 83 deS Flurbuchs sür Crade feld zur Ausbeutung des dort lagernden Ziegel - materials an den Ziniinermeistcr und Ziegelei besitzer Herrn Ferdinand Sperling in Taucha gegen eine Entschädigung von 2500 -6 sür de» auszuschachtenden Acker. Der Ausschußantrag hierzu geht dahin: die Vorlage zu genehmigen, jedoch zu beantragen, daß der Vertrag mit Herrn Sperling die Bestimmung enthalte, daß daS in der Nähe des städtischen Bruches befindliche Areal der Parcelle Nr. 83 zuerst zur Ausschachtung gelange. Nach Verweisung aus die Vorgänge in dieser Sache, Verlesung der Vorlage und Miltheilung des Hauptinhalts des derselben bci- gefügten Gutachtens bemerkt der Herr Resc re nt, daß man sich sagen mußte, daß das Geschäft mit Herrn Sperling für die Stadt doch kein ungünstiges sei, cS werden derselben sür das Areal von circa 40 Ackcc 10000 zugesührt, und da auch »ach dem Ab- kommen keine wesentliche Enlwerthung des Areals entstehen könne, so entschloß man sich schließlich, die Zustimmung zur Vorlage zu empfehlen, stellt aber zur Bedingung, daß das in der Nähe des städtischen Bruches befindliche Areal der Parcelle Nr. 83 zuerst zur Ausschachtung gelange. Der Ausschußantrag wird einstimmig angenommen. Hieraus berichtet Herr Pommer sür den Ockonomicausschnß über die Vorlage, betr. Ilinba» der Plagwitzer Wildsluthbrückc mit einer Kostensumme von 277 647 34 a conto Betrieb, die mit je 50 000 aus die Jahre 1888—1892 und mit 27 647 .634/H aus das Jahr 1893 verthcilt werden sollen. Der Ausschuß beantragt Genehmigung der Vorlage. Herr Referent verliest die Vorlage und bemerkt sodann, die Herstellung der Brücke in der Breite der Plagwitzer Straße sei im VerkchrSiiitercssc unbedingt nöthig, namentlich auch sür die Zukunft, während sich später eine Verbreiterung nicht mehr Herstellen lassen würde, ohne daS, waS jetzt hergestellt werde» solle, wieder wcgnchmen zu müsse». Herr Referent erläutert das Project und hebt hervor, daß die Kosten sich un» allerdings gegen daS frühere Project wesentlich höher stellen, waS aber nicht nur aus dem früheren bezüglichen An träge deS Anc-schiissrS. sondern auch daraus resultire, daß bei dem srüberen Project die unbedingt nothwendige Verbreiterung des Fluß- Profils nicht vorgesehen war. Durch de» Neubau dürste der Ducker der alten Heinc'schen Schleuste, welcher sich »eben oder unter der Brücke befinde, berührt werden und bittet Herr Referent nm Auskunft, aus wessen Kosten die Verlegung des DuckerS ersolge» würde, im Anschläge sei dasüc nichts vorgesehen. Herr V c Vorsteher Herrmann bittet mit Rücksicht aus die großen Mehrkosten deS jetzigen Projektes von ca. 100 000 -6, bevor er sich in der Sache schlüssig machen könne, um Auskunft, ob die Bortheile des neuen Projektes wirklich so große seien, um diese Mehrkosten zu rechtfertigen. Herr Referent erwidert, daß in der früheren Vorlage, wie er bereits erwähnt habe, die Verbreiterung des FlußprofilS nicht vor gesehen war. Die acht vorhandenen Pfeiler müssen herausgenommen und durch drei andere erietzt werden, wäre dies schon in dcm früheren Project vorgesehen, so würde die Brücke ca. 240000 >1 gekostet haben. Herr Stadlrath Mcchler theilt mit, daß beabsichtigt werde, die Koste» auS dem BetriebSreservesondS zu nehmen; dieser besitze so viel Mittel, daß die Verwilligung unbedenklich sei; die Steuerkrast werde nur unerheblich dadurch belastet werden. Belege über Ent nahme der Mittel werde» dem Collegium demnächst zugehen. Im Berkehrsinleresse sei die projectirtc Breite der Brücke unbedingt nöthig, überhaupt sei eS ein auch vom Ausschuß schon früher an- erkannter Uebelftand, daß die Brücken hier in vielen Fällen nicht Straßenbreite haben und sich der Verkehr in Folge dessen dort ein enge. Spätere Verbreiterung würde nicht möglich sein, wenn man nicht einen großen Thcil des jetzigen Aufwandes umsonst gemocht habe» wolle. Herr Referent pflichtet Herrn Stadlrath Mechler bei, bU«t
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