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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.08.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-08-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188808035
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18880803
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18880803
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1888
- Monat1888-08
- Tag1888-08-03
- Monat1888-08
- Jahr1888
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.08.1888
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Erste Beilage M Leimiger Tageblatt mb Ameiger. 21«. Freitag den 3. August 1888. 82. Jahrgang. „Durch Königs Gnade!" Historische Novelle au» der Zeit König Augusts deS Starken von Adolf Lippold. Nachdruck v-rboien. (Schluß.) Am Abend dcS drillen TageS, nach dem im Vorbeigehen'*'» Geschilderten, schritt, deS maftenhast fallenden Schnees baU'-ie. lies in seinen Mantel gehüllt, daS Schwert an der Seite, von Ende'- treuer Diener Georg durch die Straßen der Residenzstadt. Erst heute hatte er durch den Lieutenant Eghln erfahren, daß Militairposteu angewiesen feien, die auS dem Palais der Gräfin Eoscl Hcrauskoniinenden genau zu be obachten, da man noch immer vermuthete, der Flüchtling habe nicht blo- in demselben eine augenblickliche Zuflucht gesunden, sondern sei noch immer daselbst verborge». Georg beschloß deshalb, da- Terrain ein wenig zu rccognoSciren und sich wo möglich über das Verbleiben seine- Herrn Klarheit zu ver schaffen. Die Straßen waren in jener Zeit meist unbeleuchtet und nur in solchen, wo sich die Häuser hochgestellter Personen befanden, waren ab und zu Ocllaternen angebracht, welche sich an über die Straße gespannten Ketten im Winde schaukelten und nur ein trübseliges vicht aus die nächste Umgebung warfen. Auch in der Brüdcrgasse, wo sich die Wohnung der Gräfin Cosel befand, waren zwei solche Laterne», aber beide etwa» vor und nach dem Hause angebracht, so daß die HauS- thür selbst im tiefsten Schatten lag. Der Schneesturm »nachte die Ccenerie noch finsterer und Georg gewahrte eS daher nicht, daß, während er vom Marktende auS auf das Palais zuschritt sich von der anderen Seit» eine ebenfalls lies in ihren Mantel gehüllte Gestalt demselben Ziele näherte. Eben hatte Georg die Thür de- Hause» erreicht und trat nun etwas nach der Pkitte der Straße, um zunächst die erleuchteten Fenster des ersten und zweiten Stock Werkes zu mustern, da die Parterresenster durch dichte eiserne Läden geschlossen waren, als er einen derben Schlag aus seiner Schulter verspürte, so daß er sich entrüstet nach dem Schla gende» umdrehte. „WaS stehst Du hier, um Maulaffen seil zu halten?" fuhr ihn die Stim.ne de- neuen Ankömmling- an. „Oho!" sagte der wackere Georg, „so fragt man die Bauern aus. aber nicht einen alten Soldaten; ich rathr Euch, etwas höflicher zu werden, sonst sprechen »vir ein andere- Wörtchen!" Und dabei schlug er mit der Linken an das Schwcrt. Der Ander« schlug aus einen Moment den Mantel au»- einandcr und Georg erblickte bei dem spärlichen Lichte einen hochgewachscnen Mann in Cavalierklcidung, besten feuerige- Augenpaar ihn stolz anschaule. „Kennst Tu mich?" fragte der Cavalier. Georg schüttelte mit dem Kopf. „Kann mich nicht besinnen." antwortete er, „habe in unseren Feldzügen manche hohe Herren kennen gelernt und auch Ihr seid sicher ein solcher, aber eben deshalb solltet Ihr auch nicht so grob, sondern sein höflich sein, wie es sich für einen Cavalier geziemt!" Den Änderen schien die Offenheit Georg'- zu amüsiren, denn ungesehen von Letzterem huschte ein Lächeln über seine Lippen. »Na — laß' c» gut sein — alter Bursche!" sagte er jovial, „aber sprich — WaS »volltest Du hier? — Du beobachtetest da- Hau- — vielleicht kann ich Dir nützlich sein!" „Hm! Wenn man Euch trauen könnte — der Rede »ach seid Ihr zwar ein sächsischer Edelmann — nicht einer von der welschen oder gar von der hergelaufnen polnischen Sorte !" „Sprich! Ich bin ein Sachse!" unterbrach ihn der Andere ungeduldig, „ich bin in diesem Hause bekannt — Du kannst mir ruhig Vertrauen schenken; doch »vir »vollen nicht länger bei diesem Hundewetter im Freien stehen blliben, folge mir deshalb!" Die Stimme de- Fremden hatte einen so befehlenden, dabei aber wieder Vertrauen erweckenden Ton, daß Georg gar nicht daran dachte zu widersprechen, sondern, als der Cavalier eine» Schlüssel hervorzog und mit demselben die Thür dcS Hause- öffnete, ruhig dem Voranschreitenden in die Hausflur folgte. Der Cavalier schloß die Thür »vieder sorgsältig hinter sich und stieg, gefolgt von Georg, die Treppe hinauf. Au der Flur des ersten Stockwerkes, empfing ein reichgekleideter Lakai mit tiefer Verbeugung die Ankommenden. Georg hielt den Cavalier. der ganz so that, als sei er hier zu Hause, für den Hausherrn, und sagte sich, daß, falls sein Herr im Hause hier wirklich eine Zuflucht gesunden habe, doch auch sicher der Herr des Hansel, davon wissen mußte. Der Cavalier warf dem Lakai seinen Mantel zu und mit Wohlgefallen be trachtete nun Georg die hochgewachsene majestätische Gestalt desselben. »Berichte der Frau Gräfin meine Ankunft, in wenn Minuten »verde ich bei ihr sein," sagte er zu dem Diener, der vor ihm die Thür eine- kleinen ToilcttencabinetS ausriß und sich, nachdem sowohl der Herr als auch, auf dessen Wink, Georg cingetretcn war, geräuschlos entfernte. „Jetzt sprich ohne Furcht, mein Bursche, aber schnell, denn ich habe nur wenig Zeit für Dich übrig," sagte der Herr, aus einem Lehnstuhl Platz nehmend, während Georg vor ihm stehen blieb. Der Letztere erzählte nun in kurzen Worten da» Abenteuer seine- Herrn, betonte dabei, wie derselbe nur für die Ehre des Königs sein Leben in die Schanze geschlagen habe, von dem Polen in uncavaliermäßiger Weise verrathrn und dann verfolgt worden sei und schließlich hier im Hause einen Zu, fluchtsort gesunden habe» solle. »Ich weiß von der Geschichte," sagte der Cavalier, als Georg schwieg, „wenn mir auch dieselbe, wenigsten» Uber die Veranlassung zum Duell, etwas ander- berichtet worden ist. allein, ich will Dir glauben. — Und Dein Herr soll bereit» drei Tage hier im Hause versteckt sein?' „Ja, wissen denn der gnädige Herr nicht» davon?" fragte Georg erstaunt, „ich habe gemeint, daß Eure Gnaden selbst meinen Herrn ausgenommen hätten und verborgen hielten! Der Herr lachie laut auf. „Hm!" sagte er „nicht übel, erst lasse ich die Leute ver folgen und dann verstecke ich sie selbst; komischer Kauz!" Georg schaute den Cavalier bestürzt an. „Wie?" rief er. „Ihr laßt meinen Herr» verfolgen? — Ihr? — So seid Ihr also gar der Stavtcommandant?' »Höher — mein Freuno — mußt Du rathen!" anl- wortele der Cavalier über Georg'» Reden belustigt. „Höher? — Also gar der Krieg-minister?" „Immer noch höher!" Jetzt erst überkam Georg eine Ahnung davon, wer wohl vor ihm stehen könnte. Er hatte zuvor noch nie den König gesehen, aber — es konnte nicht ander- sein — die herkulische Gestalt, die majestätische Schönheit dcS stolz erhobenen Kopfes — die reiche Kleidung Georg ließ sich deshalb schnell auf ein Knie nieder und rief mit bewegter Stimme: „O! So seid Ihr am Ende gar Sc. Majestät selbst! Dann aber bitte ich Euch flehend um Gnade für meinen geliebten Herrn, den Eapitain von Ende!" August I., König von Polen und Kurfürst von Sachsen, war es in der That, welcher vor Georg laß, sein schöne- Augenpaar ruhte freundlich ans rem lren n Diener, dann erhob er sich und. nach seinem eigenen Hut greifend, sagte er mit milder Stimme: „Du bist ein wackerer Bursche, ein treuer Diener DeincS Herrn, geh' jetzt rubig heim und steckt Dein Herr wirklich hier »n Hause — nun, so wird er sich ja wohl finden lassen! — Indeß sei unbesorgt. Dein Herr ist mir als braver Osficier bekannt und verhält sich die Duellgcschichte genau so wie Du >.S mir geschildert hast — so soll Deinem Herrn nicht» ge schehen!" „O. Majestät! Ihr nehmt eine große Last von meinem Herze», sowohl mein Herr al» auch ich — sind keine Un dankbaren und werden beide — will eS da» Geschick — ans den, Schlachtselde unfern Dank — für die Güte unserc- königS — abtragen!" Damit erhob sich Georg, verbeugte sich lies vor dem König und verließ daraus, bedeutend ruhiger als er gekommen war und über die Güte dcS Königs hocherseut, Zimmer und Palai». . * * Um dieselbe Zeit saß Thekla von Uechtritz im Salon ihrer Herrin, der schönen Gräfin Cosel, beschäftigt, derselben vorzulesen. Die Aufmerksamkeit der Gräfin schien aber keineswegs eine besonder- große zu sein und noch weniger war die» der Fall, seit ihr vor wenig Minuten die Ankunft de» Kurslirsten-KönigS gemeldet worden war. Auch Thekla war nicht bei der Sache, sondern hatte mehr mechanisch daS im Buche Stehende abgelcseu, denn — einerseits beglückt da durch, den geliebten Jugendfreund so in ihrer unmittelbaren Nähe zu haben, wobei sich manches Stündlein zum Plaudern mit ihm fand; hatte doch andererseits Thekla bis jetzt noch keinen einzigen Schritt zu Gunsten deS Geliebten thun können. Die Gräfin Cosel war verstimmt, weil eS ihr der König abgeschlagen hatte, sie bei seiner demnächst nach Polen in unternehmenden Reise mitzunchine»; eS hatte wie bei dem heißblütigen Tcmperament der schönen Frau zu erwarten war, infolge dessen schon einige heftige Scenen zwischen ihr und dem König gegeben, so daß der Letztere sogar die drei letzten Tage dem Hotel der Gräfin ganz fern geblieben war und so war also bi- heute auch für Thekla keine einzige passende Gelegenheit gekommen, die Gräfin für ihren Schützling zu interessiren, zumal dessen Verbergen gerade im Palai» Coset der Gräfin selbst leicht M>ßhelligkeiten zuziehcn konnte. Durch den bisher ungestörte» Verkehr waren aber die Liebenden immer kühner geworden und so brachte der Capi tal» denn, während Thekla bei der Gräfin beschäftigt war. die Zeit meist im Zimmer de- Fräulein- zu; ward dieselbe dann endlich entlassen, so verplauderten die Liebenden unter Aussicht der Zofe noch ein glückliches Stündchen mit einander, bi» dann endlich der Capitain in die für ihn hergericktete Clause der Dienerin hinüberschlüpste, während die Letztere ihr Nachtlager aus dem Sopha ii» Wohnzimmer de- Fräuleins nahm. Auch heute Abend saß der Capitain, wie Thekla wußte, bereits in ihrem Zimmer ihrer harrend, und wenn sich da» Gesicht der Gräfin aushcllte, als ihr die Ankunft Sr. Majestät gemeldet wurde, so fand diese Freude einen Wieder hall im Herzen Thekla'-, da sie nun hoffen kannte, für den Abend entlassen zu werden. Ungeduldig schritt die Gräfin, nachdem sie Thekla ersucht hatte, da» Vorlesen einstweilen einzustellrn, hin und her und warf prüfende Blicke in die hohen venetianischcn Spiegel, Welche zu beiden Seiten de- Prächtig eingerichteten Gemache« in die Wände eingelassen waren. Der kleine Salon war fünfeckig und die schmälste Seite desselben bildete den AuS- gang nach dem Corridor. Jetzt öffnete sich fast geräuschlos die Thür jene» An-gange», eine weiße Hand, an deren kleinem Finger ein kostbarer Diamant blitzte, hob die ver hüllende PortiLre und Se. Majestät König Augnstu« von Polen, Kurfürst von Sachsen, trat in daS Gemach der Gräfin Cosel. Der König, damals in seinem 33. Lebensjahre siebend, geradezu daS Ideal eine- Manne- mit seiner bocbgewachsenen Gestalt, dem blühende», stolz aufrecht getragenen Haupte, der breiten Brust und der ganzen eleganten und dabei doch maje- stätischen Haltung, winkte Thekla von Uechtritz, welche sich bei seinem Eintritt schnell erhob und Se. Majestät mit einer tiefe» Verbeugung begrüßte, gnädig zu und saßle dann die Hand der ihm erfreut entgegeneilcuden Gräfin, dieselbe ehr erbietig an die Lippen drückend. »Endlich! Endlich!' flüsterte die Gräfin erregt, dem König in» Auge sehend. „Ach — ich dachte schon, Ew. Majestät hätten schon längst vergessen, daß eS eine arme RcichSgräsin Cosel giebt, welche sehnsüchtig tagelang vergeblich aus den Besuch Ew. Majestät gewartet hat." Der König lächelte, allein selbst da» Lächeln, welches sein Gesicht »och mehr verschönte, vermochte doch nicht ganz die kleine Falte hinwegzuscheuchen, welche sich dicht über der stolz gebogenen Nase eingenistct hatte und die bei ihm ein sichere» Zeichen von Aufregung meist zorniger Natur war. »Geschäfte — meine Liebe — Geschäfte, wie dieselben einen jeden Fürste» Plagen, hielten un- so lange von Ihnen fern — ja — selbst hier in Ihrem Heim, liebe Gräfin" — und der König sah dabei die Gräfin mit sunkelnbcm Auge an, „lassen mich die Geschäfte nicht einmal im Ruhe!" Die Falte im Gesicht des Königs war merklich tiefer geworden und erschreckt schaute die Gräfin aus des Königs Erregtheit. Auf einen Wink ihrer Gebieterin verabschiedete sich Thekla von Uechtritz mit einer tiefen Verbeugung, ohne die Aufgeregtheit de» Königs beachtet zu haben und froh, einige Stunden noch mit dem in ihrem Zimmer harrenden Capitain verplaudern zu können. „Geschäfte? —Majestät — selbst hier in meinem Heim?" fragte die Gräfin erstaunt, in dem Sessel, zu dem sie der König galant geführt hatte, Platz nehmend. „Es ist so!" sagte der König, dicht vor dem Sessel der Herrin dcS Hause» stehen bleibend und sich dann aus rin von derselben hervorgezogene- Tabouret setzend, indem er die GesichtSzüge seiner Geliebten mißtrauisch musterte. „Und dars ich nicht erfahren, worin diese Geschäfte, welche Ew. Majestät selbst bi- in mein Hau», in dem nur Liebe und Ergebenheit für Euch. Augustu», herisscht, verfolgen, bestehen? fragte die Gräfin de» König zärtlich anblickcnd. „Lassen wir die Verstellung!" sagte der König rauh, in» den, er seinen Sitz heftig zurückschob und sich erhob. „Sagen Sie mir lieber, wie e» kommt, daß Sie einen meiner Osfi- ciere, der vom Stadtkommandanten wegen eine» Duell» flüchtig ist, wider mein Wissen bereit« den dritten Tag hier n Ihrem Hau- beherbergen und verstecken; aber keine Winkel züge. Madame, wenn ich bitten darf!" Die Gräfin, welcher von ihrem Haushofmeister der Besuch einer Patrouille al» etwas ganz Nebensächliche- und Unbe deutende-gar nicht gemeldet worden war, saß einen Moment wie ein Bild von Stein vor dem König, dann aber erhob auch sie sich von ihrem Platze und sich stolz ausrichtend sagte sie erregt: --- „Wenn Ew. Majestät nur hierher gekommen sind, um eine schutzlose Frau zu beleidigen, so wäre e- besser gewesen, auch weiter meinem Hause fern zn bleiben: wäre auch mein Herz vielleicht vor Schmerz und Sehnsucht gebrochen — so wäre mir doch wenigsten» die Schwach erspart geblieben, von dem Manne, den ich liebe, mit unerhörten Verdächtigungen überhäuft zu werden." Dabei sank die Gräfin aus- Neu« in ihren Sessel und brach in heftige Thränen au-, '. - - - Ter König schritt eine kleine Weile ausgeregt hin und her. „So behaupten Madame wirklich, daß der Capitain von Ende von meinem Leibregiment nicht hier im Hanse verborgen fei?" „Ich schwöre e» bei Allem, WaS mir heilig ist. daß ich daS erste Wort über diesen nicht-würdigen Verdacht soeben erst von Ew. Majestät erfahre!",sk Der König griff zur Klingel und auf den Laut derselben erschien der Haushofmeister der Gräfin, welcher aus die ein gehenden Fragen desselben nun allerdings mittheilte, wie eine Patrouille den Flüchtling hier im Hause vermulhet, von ihm aber abgewiesen worden sei; die Behauptung de» Patrouillen- fübrer». daß der Verfolgte hier im Hause ein Unterkommen gesunden habe, erklärte der Haushofmeister für so unsinnig, daß er eS gar nicht für nolhwendig erachtet habe, seiner Gebieterin den Besuch mitzutheilcn. „Alle nichlbcwohutcn Zimmer," fügte der Diener auf de» König« eingehende Fragen hinzu, „seien stets fest verschlossen und die bewohnten habe er. trotzdem er im voraus von der Erfolglosigkeit aller Nachforschungen überzeugt gewesen sei, dennoch unter seiner eigenen Leitung von der Dienerschaft aus daS Genaueste durchsuchen lassen." „Alle Zimmer?" „Alle Zimmer, Majestät, nur die Gemächer dcS Fräulein von Nechtntz habe ich nicht selbst durchforscht, doch hat dies die Zofe de» Fräulein- auf meine Mittheilung in eingehendster Weise gethau. klebrigen» belieben Ew. Majestät allcrguädigst zu bedenke», baß schon der Hunger den Flüchtling auS seinem etwaigen Versteck treiben müßte, da die Flucht nun schon vor drei Tagen geschehen ist!" Der Haushofmeister verließ auf deS König» Wink da» Zimmer. „Hm I" sagte der Letztere, die Hand der Gräfin ergreifend» „verzeihen Sie mir, geliebte Gräfin, wenn ich Sie beleidigt haben sollte, aber — — — sollte vielleicht die kleine Uechtritz ?" „WaS denken Sie, Majestät." antwortete die Gräfin herzlich und schnell versöhnt, „das Fräulein ist ein so brave- und ehrenhaftes Mädchen! — Ich bürge für sie in jeder Beziehung!" „Allerdings! -7 Aber — könnte nicht vielleicht daS Er barmen und Mitleid in diesem Falle eine Rolle spielen? — Wisse» Sie was, liebe Gräfin? Wir wollen einmal die Kleine plötzlich überraschen!" „Aber, Majestät!" „Nun — was ist weiter dabei? Gewähren Sie mir Ihre Beihilfe, liebe Constanze — wer weiß, WaS wir entdecken — übrigens soll der Kleinen in keinem Fall etwa» geschehen." Die Gräfin froh, den König jetzt in so guter Laune zu sehen, lächelte Gewährung. „Aber wa» soll ich der jungen Dame als Entschuldigung für unseren llebertall sagen?' „Was Sie wollen, Theucrste, meinetwegen sogar die Wahrheit!" * Im Zimmer de-Fräulein- Thekla von Uechtritz sahen unter- deß daS Fräulein und deren Schützling beim Abendessen, be dient von der ab- und zuqehenden Sabine. Der Capitain machte eine ziemlich ernste Miene, denn mit dem morgenden Tage ging sein Urlaub zu Ende und stellte er sich dann nicht freiwillig dem Gericht, so war seine weitere Verfolgung al» Deserteur zu erwarten Kein Wunder also, daß er, trotz der ihn täglich mehr beglücken den Nähe der Geliebten, ernst gestimmt war. Er war so ziemlich entschlossen, trete hi» morgen kein Wandel in seinem Geschick, sei e» durch Thekla'» oder seiner Freunde Be mühungen. ein. sich freiwillig zu gestellen, zumal dir Aus sichten aus Entkommen bei der fortdauernden Beobachtung deS Palai» und der ganzen Straße nur sehr geringe waren. Auch sein Aufenthalt hier dünkte ihm seiner nicht ganz würdig und vor allen Dingen fühlte er, daß eS seine Schuldigkeit sei, die Geliebte nicht in ernste Verlegenheit ober in eine Ver letzung ihre« guten Ruse» zu bringen. Freilich war eS gerade Thekla, welche ihm immer wieder Muth zusprach und von keiner Auslieferung seiner Person etwas wissen wollte, sie be mühte sich, den Jugendfreund durch Scherze und Neckereien aufzuheitern und sprach Vre feste Zuversicht auS, daß eS ihr, nun der König wieder zu ihrer Gebieterin kam, sicher schon morgen gelingen werde, für ihn bei der Gräfin zu wirken und dadurch seine Begnadigung zu erlangen. Eben hatten die Beiden die Gläser erhoben und, sich zärtlich anblickend, aus eine günstige Wendung de« Geschickes de« CapitainS an gestoßen, als in aller Eile die treue Sabine in da« Zimmer stürzte. „Mein Gott!" rief sie erregt, „der König — schnell Herr Eapitain in den Schrank — der König folgt mir auf dem Fuße!" Bestürzt erhoben sich die beiden jungen Leute, aber ehe noch der Capitain etwas fragen ober erwidern konnte, hatte Sabine ihn am Arme gefaßt und in den Schrank geschoben, dann drückte die entschlossene Zose daS Fräulein aus ihren Sitz zurück und nahm selbst den Platz deS CapitainS ein, anscheinend beschäftigt, mit ihrer Herrin zu soupiren. EL war aber auch keine Minute zu früh gewesen, denn ehe sich noch Thekla auch nur einigermaßen gefaßt hatte, ging die Thür aus und die Gräfin Cosel, gefolgt vom König August, trat in daS Gemach ihrer Ehrendame. Mit scharfem Auge spähte der König durch da» Zimmer und ein leichte» Lächeln umspielte seinen Mund, als er ein kaum bemerkbare» Zittern der Thür de- ihm zur Linken stehenden Schranke«, genau so, als ob die Thür vorsichtig von innen angezogen werde, gewahrte. „Verzeihung, mein Fräulein!" sagte er, auf Thekla, welche sich tief verbeugte, zuschreitend und ihre Hand leicht an seinen Mund führend, „Verzeihung, daß wir uns erlauben, aus einige Augenbiicke da» Mahl der liebenswürdigen Bewohnerin diese» Zimmer- zu unterbrechen, allein die Tochter de» früheren Oberjägermeister- meine» VatcrS, Fräulein v. Uechtritz, weiß ja gewiß, daß sich Jäger nur allzu leicht sortreißen lassen, da» Wild selbst auf fremde- Gebiet zu verfolgen und da auch wir, die Frau Gräfin und ich, un» momentan aus der Jagd befinden, so " der König hielt lächelnd eil Augenblick inne. „Aus der Jagd?" murmelte bestürzt Thekla. Jawohl, mein Fräulein", fuhr der König fort. „Denken Sie sich, ein Verbrecher hat eS gewagt, hier im Hause ein zudringen und sich hier zu verberge», sämmlliche Räume sind bereit» vergeblich nach ihm durchsucht worden bi» aus ihre Zimmer und — in der Hitze dcS Suchen» haben wir Sie so plötzlich überfallen, obwohl wir überzeugt sind, daß der Ver brecher hier nicht steckt. — Hätten doch Sie, mein Fräulein, ihn doch sicher sonst längst entdeckt, zumal er bereit» feit drei Tagen im Hause sein soll. Und Sie haben in der That nicht» bemerkt, wem Fräulein?" Eine glühende Röthe übergoß da« schöne Gesicht de» vom König scharf beobachteten, geängstigten Mädchen». „Nicht» — Majestät", antwortete sie trotzdem fest. „Ich dachte e» mir!' sagte der König freundlich „und die weitere Nachsuchuna wäre somit'zweckloS, sicher ist der Ver brecher, wenn er überhaupt hier in» Hau» gedrungen war, längst wieder echappirt. Nun aber gestatten Sie wohl, mein Fräplein, daß wir un- einen Augenblick von den Anstrengungen dieser Jagd hier bei Ihnen erholen — nicht wahr, mein Fräulein? — Auch die- Ding da —" und er zog an» seiner Seiientasche ein reich mit Elfenbein und Silber auSgelegte» Doppelterzerol, „können wir nun wohl wieder einsteckcnl" Er steckte aber da» Tcrzerol trotzdem nicht wieder ein» sondern behielt e», nachdem er die Gräfin zu einem Stuhle geführt und sich selbst gerade dem Schranke gegenüber eben falls gesetzt hatte, gleichsam als Spielzeug in der Hand. „Wissen Sie. mein Fräulein, daß Ihr Herr Vater eS war, der, als guter Schütze weit und breit berühmt, mich in der Kunst de» Schießen» unterrichtete? Freilich, soweit wie er. habe ich eö darin nicht gebracht, obwohl auch ich mein Z cl selten verfehle." Die Gräfin sowohl wie Thekla, deren Dienerin sich nach tcSKöuigs Eintritt entfernt hatte, schauten denselben erstaunt au. „Ja! ja! Meine Damen!" fuhr er lächelnd fort, „ich hätte Wohl Lust — da Sie Beide mich so erstaunt und zweifelnd anschen. Ihnen mit diesem Puffer hier. Lesse» beide Läuse scharf geladen sind, einen Beweis meiner Geschicklichkeit zu geben. Sie. mein Fräulein, werden als Tochter eines alte» WaidmanneS von dem geringen Knall sicher nicht erschrecken und unsere Gräfin ist ja selbst eine viel zu eisrige Verehrerin deS edlen Waidwerkc»! — Aiso — passen Sie aus! — S cheu die Damen da die kleine runde Stelle an der Thür jene» SchrankcS? — Die Stelle, von der auS die Verzierungen der Waudfülluug auSgehcn, etwa zwei Hände breit vom Schlosse entfernt und in halber MauneShöhe? — Passe» Sie aus — genau diesen Punct werde ich mit meinen Kugeln durchlöchern. Wenn ich drei zähle, werde ich schießen!" Erst erstaunt, dann aber entsetzt hatte Thekla der Rede deS König« zugehört, daSLcben des Geliebte» war in höchster Gefahr. „Eins!" Auch die Gräfin kountc sich die seltsame Laune de» Königs nicht erklären und schaute dem Beginnen desselben erstaunt zu. .Zwei!' Thekla rang die Hände und stürzte dem König zu Füße». .Um GottcS willen Majestät — halten Sie ein!" Anscheinend erstaunt ließ der König die Waffe sinken und schaute aus die vor ihm Kniende. .WaS ist Ihnen?' fragte er. Aber die Antwort blieb dem erregten junge» Mädchen erspart, denn die Thür de» Schranke« öffnete sich, von un sichtbarer Hand ausgestoßen, weit und aus demselben trat ernst und ruhig, den aus dem Gehen! gezogenen Degen in der Hand, der Capitain Kurl von Ende. Die gute RcichSgräsin siel heute thatsäcblich auS einem Erstaunen in da» andere, während der König über daS plötzliche Erscheinen deS CapitainS weit weniger erstaunt schien als seine schöne Freundin. Weinend erhob sich Tbekla und stürzte ohne Rücksicht aus dcS Königs und der Gräfin Anwesenheit an die Brust des CapitainS, als wollte sie denselben selbst jetzt noch vor Unheil schützen. Ende aber küßte die Schluchzende zärtlich aus die Stirn und seinen Degen vor dem König niedcrlegend sagte er: „Lassen eS Majestät genug sein und nicht' Fräulein von Uechtritz entgelten, daß ich Lurch Zufall aus der Flucht in dies Zimmer gerathe», durch sie diese zwei Tage hier Verborgenheit fand. Wir sind Jugendgespiele», jetzt aber ist mir daS Fräulein noch mehr — sie ist meine Verlobte und " „Und deshalb siel mir das kleine Fräulein fast in die Arme al» ick drei zählen wollte — ich begreife! Wie aber, mein Herr Capitain, wenn ich trotzdem geschossen hätte?" „So wäre ich gefallen durch die Haud meine» König» und bi» zum Tode die Ehr« meiner Dame wahrend; denn hätte ich nicht durch den Niedersall de» Fräulein» an ein Un wohlsein desselben geglaubt, so wäre ich im Schranke ge blieben, der Capitain von Ende ist nicht gewöhnt, sich vor Kugeln zu verkriechen!" „Ihr seid ein wackerer Edelmann und braver Osficier!" agte der König, daS Paar wohlgefällig anblickend. „und wir zabcn hoffentlich bald Gelegenheit, solche Leute besser zu gebrauchen, al» dieselben auf die Festung zu schicke», zumal wir noch dazu bemerken, daß Ihr bereit» Gesaugener diese» schönen und gute» Fräuleins seid!" Der König bückte sich in eigener Person, hob den Degen Ende'» auf und ihn dem Capitain wieder überreichend, fuhr er majestätisch fort: .Wir überreichen Euch deshalb in Gnaden Euren Degen wieder, ernenne» Euch zum Oberstwachtmeister und laden UnS zugleich in Begleitung Unserer Freundin, der Frau ReichSgrästn von Cosel, zu Gaste, wenn der Herr Oberst- Wachtmeister. wie hoffentlich bald geschieht, seine treue Be- ' ützerin al« Ehegemahl hcimsiihrcn wird!' Dabei reichte der König der Reichsgräfin den Arm und verließ, noch einen gnädigen Blick aus da» zurückbleibende Paar werfend, mit derselben daS Zimmer. Wir könnten nun unseren freundlichen Lesern noch eine- Langen und Breiten über die Gefühle dcS zurückblcibendeu Paare» berichten, ebenso über daS freudige Erstaunen der treuen Sabine und de» alten Georg, sowie deS wackeren Ha»S von Eghdi, aber unsere Feder ist zu schwach, ui» Alle» gebührend auSzumalen. weshalb wir lieber daraus verzichten. Doch berichtet die Chronik der Stadt Meißen, daß im Monat Mai, Anno Domini 1704, am Tage der Himmelfahrt Christi in der Domkirche allda unter ungeheurem Menschenzulaus die eheliche Verbindung de» kurfürstlich sächsischen OberstwachtmcisterS Curt von Ende mit dem Fräu lein Thekla von Uechtritz in größter Feierlichkeit stattsand und daß Se. Majestät König Augustu- in Begleitung der Frau RcichSgräsin Cosel, sowie de» gesammten Hofstaate» nicht blo» der Trauung des Paare», sondern auch der darauf folgenden, mehrere Tage währenden Festlichkeiten beiwohute. auch im Jahre daraus den ersten Sprossen de» PaareS über die heilige Taufe hob. Daß bei all' diesen Festlichkeiten auch der Freund Ende'», Hans von Eghdi, nicht fehlte, ist selbst verständlich und ebensowcnig ließ e» sich der vollkommen wieverhergesteNte Chevalier d'Aubigni nehmen, auf der Hoch zeit al- galanter Cavalier und geübter Tänzer gebührend zu glänzen. Jur Heimkehr -es Kaisers. * Kaiser Wilhelm ist. wie gemeldet, in bestem Wohl ergehen wieder heim gekehrt und e» erübrigt für n»S noch, einige Nachträge zu der denkwürdigen Reise zu gebe». Uebcr die Begegnung Seiner Majestät mit dem Könige von Dänemark auf hoher See wird der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung berichtet: „Eine Gesellschaft von vierzig Personen, Damen und Herren, unternahm Freilag, de» 28 Juli, von ihrem gegenwärtigen Sommer- oufenthalte, dem Ostseebade Zingst, aus einen gemeinschaftlichen AuSslug nach Kopenhagen, welche» zur Zeit nicht nur durch seine eigenen Reize, sondern auch durch die Ausstellung da- Wanderziel unzähliger Fremden ist. Doch uns lockte außerdem noch die Hoff- nung, entweder unsere» geliebten Kaiser oder wenigsten» etwas mit der Begegnung der hohen Monarchen Zusammenhängende« zu sehen; und diese Hoffnung war im Anblick der Borbereitungen zum Empfange unseres Kaisers in Kopenhagen reichlich in Erfüllung gegangen. Endlich machte un» aber aus unserer Rückreise, Montag, den 30. Juli» früh bald nach 8 Uhr, kurz bevor wir auS dem Sund in die Ostsee gelangten, Herr v. Esten, der liebenswürdige Eapitain deS schwedische» PostdampffchiffeS „Stern Sture", welches zwischen Malmö nnd Stralsund fährt, daraus e.usmeitiiaii!, daß daS deutsche Geschwader in Sicht sei. Obwohl nicht in besten Hörweite, begrüßten wir e» mit einem begeisterten Hurrah und bemerkten, mit Hilfe unserer Ferngläser, »och und nach etwa siebzehn mächtige eiserne Kriegsschiffe, von deren Maste» die deutsche und — wenn ich nicht irre — die dänische Flagge lustig in, Winde flatterte. Das Geschwader war
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