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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.11.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-11-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188811273
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18881127
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18881127
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1888
- Monat1888-11
- Tag1888-11-27
- Monat1888-11
- Jahr1888
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.11.1888
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durch flotte» sichere» A,sam«r,sdt«l oud durch s«t« Mahl der vor. iragsstücke zu vermeide». Wir hebe« aus de» qedolenen Gabe» be sonders hervor di» beide« Meßaer'sche« Camposttiouen „Zur Fahoe", Marsch,u«d dieGavotte: „Beim trauten Schätzcke a". Herr Schaulvieler Langenha» declamirte: „Der Streik der Schmiede" vou Fr. Mouthuer uud verstand es vortrefflich, diese ergreifeade Dichtung durch seiaea gut nuancirten Bortrag. MaSke und GeLerdenspiel zur volle« Wirtuug zu briogea. Die beide» Eiuacter „Sioquarti»r»«g bet Seda»" von E. Laug« und dir „Kassresiedrrio" vo« La««eahoser wurde» gut gespielt, daß »ameutlich da« letztgenannte Stück de« Zuschauer vergesse» machte, dost die Svieler Dilettantea wäre«, lebhaft wurde auch den Teaorsolo - Vorträge« des Herr« Lang» steugel applaudtrt. Die »weite Nummer de- Programms bildete die „Stimme aus dem Schlachtfelde", Melodram mit varmoniumbegleituag uud eiaem lebeudea Bilde vo« Franz Woeulg. Da» lebende Bild führte uns hinaus aus eia vom Dunkel der Nacht umhülltes Schlachtfeld, da» von Todte» und Ber» mundeten bedecki ist. Inmitten des Schlachtfeldes steh« ei« arg zer» schaffe«», spärlich erleuchtetes Kirchlein. Drinnen vor der unversehrt gebliebene» Orgel fitzt eia juager Krieger und phantasirt über patriotische Lieder, tu denen sich der Siegeslauf der deutschen Truppe« widerspiegelt. We»a die Melodie markant hervortritt und in die Lischt hinaaSkliogt, stimmt draußen aus dem Schlachtfeld, «in ver» wuoketer Krieger begeistert mit «in. Die Stimme aber erlischt, ol der Choral: „JesuS meiue Zuversicht" feierlich im Kirchlein ertönt. DaS lebend« Bild wurde meisterhaft gestellt, die Phantasie recht gut und feierlich gespielt und Frl. Sretzschmar. welche die Recilat on der Dichtung gütigst übernommen batte, brachte dieselbe zu einer hoch ergreifenden Wirkung, daß da» Publicum sie mehrere Male durch stürmischen Applaus hervorriej und seiue« Dank zollte. F Leipzig, 26. November. Sirchencoucrrt ln Ltndenan. Ein Kirchenconcert ist in unseren Augen ein Gottesdienst, denn der Psalmist sagt ja: „Danket dem Herrn mit Harfen und lobsinget ihm aus dem Psalter von zehn Saiten. Singet ihm ein neues Lied, machet es gut auf Saitenspielea mit Schalle." Und so bat ein solches Concert, selbst wenn e» nicht vom ersten bis zum lebten Ton unfehlbar ist. seinen Zweck erreicht, wenn «S Erhebung und Erbauung bringt. Und dies war dem gestrigen Concert in der .'Urche zu Lindenau durchweg nachzurühmen. Alle Mimmern des selben waren durchdrungen von einer tiefreligiösen Stimmung und verfehlten des Eindrucks nicht. Frl. Klamroth eröffnete die Bor- träge mit einer Fuge über vou Schumann. Uebcr diesen teuren Namen haben verschiedene Meister, wie Ring u. A. Fugen ertönen lassen, und in der That bietet diese- Thema Gelegenheit, rontrapuuctische Gewandtheit hervortreten zu lassen. Die Schumann'sche Inge ist aber nicht nur geistreich, sondern auch sehr ansprechend, melodiös und freundlicher als manche ander« behandelt. Und bei der Ziehenden und correcteu Wiedergabe dieses Meisterwerkes und mehr »och bei dem Vortrage der 6 ckur.Fantasie für Orgel von 2. Bach (bei welcher der unsterbliche Meister dem Instrument fast zu viel zugemuthet hat) habe» wir Frl. Klamroth als eine Orgelspiclerin bewundert» die das gewaltige Instrument mit Leichtigkeit beherrscht, sowohl auf dem Manual wie im Pedal, und cs war namentlich ihr sauberes, correcteS Spiel sehr zn loben uud anzuerkenueu. Wir schließen hieran gleich ein Wort über die Sonate (ä äur) für Orgel von Mendelssohn. Die ersten zwei Sätze dieses Orgel-TonccrtstückeS, das alle Reiz« des Instrumentes voll ensaltet, wurden von Herrn Richter mit Virtuosität, mit angemessenem Registrirea und mit solchem Ber» siändniß gespielt, daß auch er sich des besten Erfolges erfreuen konnte. Von Chorgesängen hörten wir die herrliche Compositioa von Rolle: „Wiederlehn" (die uns nach Jahren wieder mächtig er» griff) — „O theures Gotte-wort" von Rietz — „Anbetung" von Palästrina — „Dank sei ouserm Herrn" von Schütz und „Weih- nachtscantate" von Tschirch. Sie wurden harmonisch rein und eract wiedergegeben, und einen besonders guten Eindruck machte es, daß die Sopranistin herausgingen mit ihrer Stimme und keine Bleigewicht« au die höchsten Töne hingen. Mit Palästrina und Schütz hatte sich der Chor eine fast zu lchwere Aufgabe gestellt, beide , namentlich der erstere mit seinen heiligen und weihevollen Drei- klängen) verlangen glockenreine Intonation und auch «ine ungetrübte Klangfarbe» wenn sie ihr« ergreifende Wirkung auSüben sollen. Doch die Sänger kamen über alle Klippen glücklich hinweg und trefflich einstudtrt war besonder» auch die Cantate, die als ein würdiger Schlußstein des Ganzen erschien. Neben diesen Chorge säugen traten aber auch Solo-Borträge aus. Frl. Bettega, die über einen nicht ollzustarkru Alt verfügt, verlieb der frommen Arte vou Mendelssohn: „Sei Me dem Herrn!" einen so nn- geschminkten, natürlichen Ausdruck und überhaupt eine solche Innigkeit, daß sie trotz ihrer schwachen Stimme zu Herzen drang. Mehr noch zur Geltung kam ihr einfach schlichter Gesang in dem Altsolo an- dem „Vaterunser" von Peter Cornelius, an dessen Schluß: „Komm', ach komme niederwärts, komm' auf goldnem V'immelspsade!" die begleitende Orgel wahre Seraphinentöne an schlägt. Noch sind zu erwähnen zwei Borträge für Cello: Arie von Scharwenka und Religiös» von Goltermann. Der gewandte Cellist, Herr Scholz, trug unter meisterhafter Orgelbegleitung des Herrn Homeyer (die aber im ersten Stücke leider eiwaS zu stark war) beide Sätze mit seelenvollem Ton, guter Nuancirung (das Pianissimo war ein wahrhaft ätherisches) vor, schade, daß er durch fortwährendes Tremnliren die Wirkung des Vortrages etwas schmälerte. Nehmen wir schließlich nun Alles in Allem, so war das Concert eine wohl- gelungene Tyat zu Gottes Ehre und zu der Menschen Freude und HerzenSerhebung, und Dirigent wie Mitwirkende verdienten auf richtigen Dank für die gespendeten Gaben. L. Borna, 25. November. DaS vom Röthig'schen Quar tette in Gemeinschaft mit dem blinden Organisten Herrn Psauaenstiehl am Bußtage in hiesiger Kirche aurgesührte geist- lisch e Concert war eia in jeder Beziehung wodlgelungenes. Eia sorgfältig gewähltes, nach einheitlichem Gesichtsvuncte zusammen- gestelltes Programm, treffliche, wohlzusammengejungene Stimmen, sein ausgearbeiteter. seelenvoller vortrog: — daS Alle» vereint machte e- zu einem solchen. Dazu daS technisch unfehhlbar sichere, klare, fein abschattirte, innige Spiel des Herrn Psauneastiehl — wahrhaftig, so schreibt unser heutiges „Tageblatt", e« war ein Genuß, der auch verwöhntere Hörer besried gen mußte, eS war mehr als da» — eine Erbauung. Die trefflichen Leistungen der ge nannten künstlerischen Kräfte sind in Leipzig hinreichend bekannt. , —r. Oschatz. 24. Novbr. In der mit heute abgelaufenen Woche wurde hier daS sogenannte Armen concert im großen Raihhaus- saale abgehalten. Die Ausführung, unter Direclion des Herrn Cantor Boigt-Ojchatz, hatten die Herren Coucertsäuger Trauter iuaun- Leipzig. Har,envirtuoS Schuöcker, Lehrer am Conservatorium und M tglied des Gewandhauses in Leipzig, Sladtmusikdirector Beyer mit Orchester und die Gesangvereine „Liederkronz" und „Gemischter Chor" incl. Kinderchöre übernommen. Sowohl das Programm, als auch die Ausführung erregten daS höchste Interesse. (Ta wir bereits mehrfach Gelegenheit hatten, die Leistungsfähigkeit der betheiligt gewesenen künstlerischen Kräfte voll anzuerkenueu, jo ist ein weiteres Eingehen aus die Sperialitäteu überflüssig). L Schneeberg, 25. November. Haydn'- Oratorium „Sieben Worte am Kreuze" ward« am Bußtage im hiesigen königl. Lehrer- scininore unter der Leitung de- Herrn Srminarobcrlehrer Dost in wirklich vorzüglicher Weise zur Ausführung gebracht, so daß der S.miuarchor wiederum seine Hobe Leistungsfähigkeit bekundete. Die Soli und Chöre erzielten die beste Wirkung: die Sopra«- und Alt- Soli batten Frau Oberlehrer vr. Vogel und Frau Oberlehrer Dost übernommen, während die Tenor- und Baßpartien zwei Pri maner des Seminars oussührten. Bon Interesse war auch da durch den Dirigenten bewirkte Arraogement de- orchestralen Theil». Die Streichmusik (Violine, Bratsche und Cello) wurde vo« Semina- riucn recht gut gespielt: alle übrigen Instrumente waren ber Orgel zugewiesen; die Orgclbegleitung führte Herr Oberlehrer Seydler 11 g-ivotmter trefflicher Weise aus. Die äußerst zahlreich erschienenen Musikfreunde waren Herrn Oberlehrer Dost sehr dankbar für die Ausführung de- selieu gehörten, aber doch so herrliche» Werket. " Berlin, 25. November. In dem Concert, da- Frl. Thekla Friedländer am Mittwoch Abend im Saale der hiesige» Sing akademie gab. erwarb sich Herr Umlauft aus Leipzig, der die geschätzte Künstlerin am Llavier begleitete, einen vollen und unge- tbcilten Erfolg: als seiusinniger Klavierspieler sowohl, wie ol- Com- ponist. Die Toucertqederin sang drei Lieder: „FrühlingSlied", „Heut' Hab' ich zum letzten Mal ihn geieh'a" und „Wanderlied" von Umlauft Wie alle Lieder dieses Componisten, so tragen auch die genannten die Kennzeichen einer echten Künstlernatur: tieses und wahres Empfinden, eine sichere Herrschasi über das Technische der Kunst »ad vor Allem eine glückliche Erfindung-lobe. P. Umlauft ist eine romantiiche Natur, die sich aber von barocker Gespreiztbeil ebenso fern zu halten weiß als von platten miisikaliichen Phraien. Einiachheil und Sinnigkeit, verbunden mit warmer, lebendiger Em pfindung sind die Hauptnorzüge seiner Tvmpositionen. die sich darum auch in dem genannte» Concert eine« iehr großen und wohlverdiente« Beifalls z« ersrr»»» hatte«. — Fräulein T,. Frie»!L«der wurde außerdem «och d»rch Herr» vr. L. gedliczka, etae, tüchtige« via«lfte» au« ber Schule Kttodworlh'I, t» daukeuSwerthrster Weise unterstützt. ll k. * Frl. BoccherS au« Leipzig ist kürzlich aus der Münchner Hosbühne als Page ia den „Hugenotten" mit großem Erfolge ausgetreten. Die Münchaer „Neuesten Nachrichten" schreiben über die hochbegabte jugendliche Künstlerin: Frl. BorcherS ist eine An fängerin. die zum zweiten Mal aus den Brettern stand. „AVer welch' eine ..AuiLageria"! Aus der Bühne gewiß, ia der Gesangs« kunst aber sicher nicht. Man ist völlig erstaunt, bei so unveekenn- barer Jugendlichkeit einer so fleißig und klar durchgebildete» Stimme, io sorgfältig gepflcgiem mufikalucheu Geiühle zu begegnen. Und dazu bei aller Naivelä» de- Auftretens eine Gefälligkeit und maß volle Sicherheit ia Bewegung und Haltung aus der Bühne, di« unter solchen Umständen uur Jemandem eigen sein kann, der wirkiichcu, inneren Beruf zur dramatischen Kunst ha». Die Stimme weist eiuea noch an da» Kindliche gemahnenden Timbre aus und kann schon desbalb nicht groß sein. Aber vollkommene Frische u»d eine gewisse Wärme de« Tones sind Vorzüge, die sehr hoch auzuschlage» sind. Die jugendliche Sängerin brachte ihre im ersten Gesänge durch reiche Verzierungen sehr fchwieriqe Partie mit großer Gewissen- Hastigkeit und Säubertest in der Tongebung zu Gehör und gewann durch diese Eigenschastea und die Lieblichkeit de- Vortrages i»> Sturme di« Sympathien der Zuhörer. Weiteres wird sich nach ihrem mit Interesse erwarteten nächsten Auftreten (wie wir hören als „Papagena") sagen lassen." * Aus London, 22. d.. schreibt man: Bor Kurzem hieß es, daß Adelina Patti vor ihrer zweiten Kunst, eise nach Südamerika zwei Abschieds > Concerte in London geben würde. Das er»e dieser Concerte fand am Dienstag Abend statt, und die Royal Albert Hall in Süd-Kensington, welche Raum für 6000 Personen hat, war nicht groß genug, um alle Tie auszunehmen, welche Zulaß begehrten. Lange vor dem Beginn des Coucertes war in der riesigen Halle kein Platz unbesetzt, und daS nach Tausenden zählende Publicum umfaßte die Elite der Londoner Gesellschaft. Obwohl in dem groß angelegten Concerte verschiedene Kunstkräfte, sowie ein großes Orchester unter der bewährten Leitung des Herrn Wilhelm Ganz mitwirkten, so war Adelina Patti doch wohl ausschließ lich die Kraft, welche ein so zahlreiches Publicum angezvgen hatte. Als die Diva in einer von Brillanten strahlenden Toilette mit einem mächtigen Blumenbouquct in der Hand aus dem Podium erschien, wurde ihr «in begeisterter Empfang bereitet. Sie fang die Arie „tjui ia rooe" aus Bclluü's „Puri- taneru" mit großartigem Effect. Obwohl die Künstlerin jetzt in ihrem 46. Lebensjahre steht, übt ihre Stimme noch den Zauber aus wie vor 27 Jahren, als sie in der Rolle der Amina st» Covent- garöen-Theatcr alle Herzen im Sturm eroberte. Nach der Bravour- Arie wollte der stürmische Beifall kein Ende nehmen, woraus Madame Patti als Zugabe den köstlichen Walzer aus Gounod's „Romeo und Julie" sang und durch ihre großartige Leistung das Publicum zum Entzücken hinriß. Schließlich sang Madame Patti „Uowe siveer Home", die Lieblingsballade des englischen Publicums, woraus ein neuer Beifallssturm ausbrach, der sich erst legte, nachdem die Diva einem sechsmaligen Hervorrufe Folge geleistet hatte. Adelina Patti läßt sich ihre Leistungen gut bezahlen (ihr fester Preis für 3 oder 4 Nummern in einem Eonccrt beträgt 14 000 ^t), gleichwohl findet der Unternehmer des LoncertS dabei seine Rechnung. Deutsch-Katholische Gemeinde. * Da» Todlenscst wurde (so wird unS berichtet) von der hiesigen deutsch-katholischen Gemeinde in üblicher Weise im Saale des „Eldorado" gefeiert, wozu sich außer den Mit gliedern anch viele Gäste eingcfunden hatten. Nach Eröffnung durch den Borsitzenden folgte da« Quartett: „DaS ist der Tag de« Herrn", gesungen vom .Licderkreis", und ein wirkungs voller poetischer Prolog von Herrn HanS Hagen, worin am Schluß in pietätvoller Weise de» Gründer« der Gemeinde, Robert Blum, de» Kämpfer» für Licht und Freiheit, gedacht wurde. Daran anknüpsend widmete ver Vorsitzende, Herr I. G. Findel, auch anderen lheuren Totsten, wie Pros. Wigard und Roßmäßler, Worte ehrenden Nachrufe«, indem er zugleich den Einfluß der Natursorschung aus die religiösen Ueber- zeugungen ber Gegenwart andeutete und hervorhob. daß jede Zeit eine ihren Bedürfnissen und dem geistigen Fortschritt an gepaßte Religion haben müsse. Die Religion der Propheten, der Apostel, der Reformatoren könne nicht die de« IS. Jahr hunderts sein. Der DeulschkatholiciSmu» stütze sich nicht bloS auf da» Gefühl, wie die Religion der „geistig Armen", sondern aus alle Fähigkeiten deS Menschen, aus Vernunft und Wissen schaft, de» Menschen allerhöchste Kraft; unser Christentbum sei, wie vr. Hetzer Vormittag« in der Erbauung hervor gehoben, die Religion der Freiheit und der Liebe. Außer einem Ällsolo und dem Vortrag eine- ergreifenden Gedichte« von Herrn HanS Hagen folgten noch weitere Ouarlettgesänge und eine Schlußansprache und Dank an die Mitwirkenden vom Vorsitzenden. Neuter-Recitatioil von ErLmann. ID Leipzig, 26. November. Im großen Saale de- Bono- rand'schen Etablissement» hatten sich gestern Abend zahlreiche Freunde der Reuter'schen Muse zufammengesuuden, um einer Recitalion unsere- wohlbekannten und aller Orten willkommen ge heißenen Reuter-RecitalorS Erdmann bcizuwohnen. Herr Erd mann versteh» eS in vortrefflicher Weise, Reuter auch Denen ver ständlich zu machen» die des plattdeutschen Dialektes nicht mächtig sind. Er ipricht fließend und ein echtes „Mecklenburger" löat von seinen Lipveo. aber er poiatirt dabei auch so geschickt und ver- ständnißvoll in seiner Rede, daß man den Dichtungen ohne Müde und Anstrengung folgen kan«. Sein Repertöire ist äußerst vielseitig und er wäre wohl im Stande, wenn eS daraus aakäme, eine ganze „Reuter- Woche" seinen Freunden zu veranstalten, ohne sich wiederholen zu müssen. Die Bielsettigkeit seine- Repertoire- ermöglichte es ihm auw, für den gestrigen Todtensonittag ein Programm auszustellea, das den «rasteren Gefühlen diese- stillen Tages Rechnung trug. Er halte sich Hawcrmauu'S Todtenwacht am Sarge seiner Frau, eins der ergreifendsten Tapitel aus Reuler's größte», Werke ,.Ut Mine Strom- tid", auserkohren, eine Scene, die wir jchon wiederholt von ihm mit größter Meisterschaft haben recitiren büren. Ecdmana versteht eS, den Reuter'schen Gestalten Blut und Leben einzuhauchen, und sie werden lebendig vor den Augen der Zuhörer, wena er in seiner fesselnden Weife an zu recitiren fängt. Unter den verschiedenen audereu Dichtungen fanden besonders noch die stimmungsvolle rührende Dichtung: „Großmudding, he, iS todt", und die poelijche Erzählung vou der standhaften Mutterliebe wärmste Anerkennung. Der reiche Beifall kann Herr» Erdmann eine Garantie sein, daß er den großen plattdeutschen Meister seinem Auditorium lieb und werlh gemacht hat. Verein für Volkswohl. * Leipzig, 26. November. Der gestrige Bereinsabend wurde der Bedeutung deS LodteasesteS entsprechend mit eiaem Trauer- gesaage, vorgetrageu von den Sängern des Verein-, eingeleitet. Es schloß sich hieran eine ernste, ergreifende Ansprache des Herrn Archi- diakonns vr. Bia kau, in welcher der in» vergangenen Jahre all dem Leben geschiedenen DereiuSmitglieder gedacht wurde, ferner aus die großen Verluste, welche in weiteren Kreisen durch den Tod einer Anzahl hervorragender Mitglieder unserer Gemeinde entstanden sind, von welchen der langjährige Redacieur der „Gartenlaube" vr. Friedrich Hosmann, ferner vr. Schildbach, Gebeimraih Fleischer, Gebeimraih Wagner, vr. Carl Heine und Professor Riedel besonder- genannt wurden und aus deren segensreiches Wirken hiagewieseu wurde. Weiter gedachte Herr vr. Binkau des großen Ver lustes der deutschen Nation, den diese durch den Tod der beiden Kaiser Wilhelm uud Friedrich erlitten. Der geschätzte Herr Redner, der seine Ansprache mit der Mahnung „Gedenk' an deine Todien, gedenk' an deinen Tod" eingeleiiet hatte, schloß dieselbe niit dem weiteren Mahnruf „Ein Leben, e« sei so gut eS wolle, so währet es eine Nein« Zeit, aber eia guter Name bleibet ewiglich; ich muß wirken, ehe rS Nackt wird, da Niemand wirken kann." Nachdem Herr Salz manu hieraus da» Lied: „Sei Kill" von Nordhtim vorgetraqen, iprach Herr vr. Beer über „Gellen" und dessen Wirken. Cinleiiend sprach der Herr Redner sein Be- dauern darüber aus. daß man Belleri als einen „halbvergessenen deut'chen Dichter" bezeichnen müsse, der es ober verdiene, daß sein Gedächtniß erneuert werde. Von den ehemals beliebten Dichtungen Gellnt's haben sich nur wenige erhalten, so ist in den Schulbüchern die früher eine größere Anzahl Gellert'icher Gedichte und Fabeln enthielten, nur noch „Der Pro eß" zu finden. Auch in den Kirchen- liederbüchern sind die Gellerl'schen Lieder immer «ebr und mehr zurückqegonqen. Geliert sei schnell au« der Mod« gekommen und doch sei es in Anbetracht der Leist«»»«» einer gewissen Dichtkunst unserer Zeit, wünschenswert-, daß ähnlich wie «a, im K»aft- grwcrbe in die gute alte Zeit zurückgreist, anch l» der Dichtkunst zuiückgegriffen weide. Besonder« seien die Gellerl'schen Fabeln noch für untere Zeit wirksam, wen» die s. Z. deliebten Namen selmbe, DoiiS ic. tu Bertha, Auguste und ähnliche umgewandelt würden. Herr vr. Beer la« hierzu einige Gedickte Gellert'S vor, in welchen die Putz- und Klatschsucht in humorvoller und nicht verletzender Weife gegeißelt werden und deren Inhalt sich aus uosere heutigen Ver« tä.tnisft noch vollständig anwenden läßt. Der Herr Vortragende schloß seine Ausführungen mit dem Wunsche, daß eS ihm gelungen iein möge, den Entschluß rege gemacht zu haben, die Gellerl'schen Fabeln mehr zu beachte» und zu lesen, als eS in der letzten Zeit geschehen sei, da sie eS oichi verdienten, vergessen zu werden. Be- sonders hätten wir Leipziger aber alle Veranlassung. Gellerl nicht zu vergessen, da sein Wohnhaus, seine Grabstätte uud sein Tenkmsl im Rosenthale unS fortwährend an den Dichter erinnern. Im Anschluß an die Ausführungen des Herrn vr. Beer worden von Mitgliedern der dcclamaiorifchen Abtheilung noch „Die Wider- iprecheria" und „Der Prockß" von Geliert vorgetrageu. Nach Erledigung deS Fragekastens durch Herrn vr. Beer trug die Säugerabiheilung noch „Volkslied" von Heinrich Pfeil vor, womit der Abend, der für Herz und Äemülh viel Anregendes bot. seiaea Abschluß fand. Der sonst übliche Dank konnte diesmal unterdleiben, da nur Kräfte des Verein- aufiraten. Der gestrige Vormittag war seiten« de« Verein« zu einer Be sichtigung des neuen SchlachtboseS gewählt worden. Die Betheilignng war hierbei eine wider Erwarten zahlreiche. Herr Direktor Hengst und Herr Juspectvr Rothe führten die Besucher und machten düselben in der entgegenkommendsten uud liebenswürdigsten Weise mit den Einrichtungen de« SchlachtboseS bekannt, so daß alle Theil- nehmer von den empjangeuen Eindrücken hvchbefriedigt waren und deu genannten Herren ihren herzlichen Dank oussprachen. Leipziger Lehrer-Verein. * Ja der letzten Sitzung d«S Verein» sprach Herr Oberlehrer Reiche!» aus Hubertusburq über: „Geistesschwache Kinder". In der Einleitung wies der Herr Redner aus den IdiotiSmu» im Allgemeinen, sowie aus die diesem verwandten Erscheinungen des Cretiuismus. der Dementia (später erworbener Blödsinn) und de» kindlichen Irrsinn» hin. Die verschiedenen Grade der Geistesschwäche auch bei Kinder» werden bezeichnet als JmbecillitaS oder Schwach sinn und Fatuitas oder Blödsinn. Hiernach redet man von bildungs fähigen und bildungsunsähigea Kindern. Die letzteren sind sogen, .volle Idioten". Der Herr Vorsitzende giebt nun eine ausführliche Schilderung dicses traurigen Zustandes, dessen Kennzeichen voll ständiger oder lheilweiser Mangel der Sprache, übergroße Lebbas- tigkeit oder Stumpfsinn, Unreinlichkeit, Eßgier u. s. w. sind. Die meisten d/eser Kinder erreichen kein hohe-After; sie werden genährt und gepflegt; manche von ihnen verrichten unter Aussicht und An- leitung gröbere Hand- bez. Hausarbeiten. Um nun die Grenze zwischen den geistig Normalen und den Schwachsinnigen oder „geistig Zurückgebliebenen" sestzuftellen,bedient man sich der Prüfung der Rechen- ferttftkeit. Auch ber Mangel an Formcngewondlheit in der Mutter sprache bildet ein Erkennungszeichen für den Schwachsinn. Was nun die Ursachen anbelangt, so nennt der Res. Entartungen de» Gehirns, wie de« Rückenmarks; sie sind angeboren oder er worben. Der Schwachsinn entsteht in Folge von Vererbung und Degeneration. Vorzeitige Lenvacdiung der Scbädeloähtr oder irgend welche Krankheiten und Unglückssälle ober auch verkehrte Erziehung führen den Zustand geistiger Schwäche herbei. Zuweilen verbinden sich mehrere der genannten Ursachen, um Schwachsinn zu erzeugen. Der Herr Vortragende erwähnt die Bildung von Schädelabnormi- täten, wie Mikrocephalus, Aziekenjchädel und Hydro- oder Makro- cephaluS nebst den dazwischen liegenden Abstufungen. Nur müsse man mit Schlüssen von der Gestaltung des Kopses aus die Geistes- beschaffenheit sehr vorsichtig sein. Di« Zahl der geistesschwachen Kinder ist eine iehr große; sie beträgt in Deutschland nach muth- mählicher Schatzung, die eher zu niedrig als zu doch ausgefallen, gegen 50000, von denen nicht eiamal der 6. Theü in Anstalten verpflegt wird. Der Herr Vortragende giebt im Folgenden einen geschichtlichen Ueberbsick über die Art der Behandlung schwachsinniger Kinder zu verschiedenen Zeilen. Im Atierthume wurden diese unglücklichen Ge- iLüvst bekanntlich unbarmherzig getödtet. Wena auch diese Maß- rcgcl im Lause der Zeit nicht mehr in Anwendung kam, so verbesserte sich daS Loos der armen Kinder nicht wesenlüch. Sie waren und blieben bis ia die neueste Zeit bei deu allermeisten Völkern die Parias der Gesellschaft. Darum können die Männer: GuggenmooS» Salzburg, vr. Jiard und Sequin-Frankreich, sowie vr. Buggea- bühl-Schweiz nicht genug gerühml werden, welche als die Ersten sich dieser elenden Miimenichen ernstlich annahmea und ihnen eia besserS Dasein zu verschossen sich eifrig bemühten. Namentlich ist der Letziere durch seine Coloni« für Idioten und Üretinen aus dem Abcnbberge („heiligen Berge") bei Julerlakcu (gegr. 1841) welt bekannt geworden, wenn er auch mit seinen Erfolgen weit hinter seine» Versprechungen zurückblieb. Bon gutem Erfolge waren die Bemühungen des Freiberger Bezirksarzics Etlmüller, der durch einen Vortrag (gehalten 1841) über das Loos und den Lebenslaus von Idioten seine damaligen Zudörer jür die Sache aus- Höchste begeisterte uud dadurch den Anstoß gab zur Gründung der staatlichen Erziehungsanstalt in Hubcrtusbnrg. Mit einem Knaben aus Hainichen, der noch jetzt in seiner Vaterstadt als Handwerksmeister leb», wurde im Jahre 1816 der bescheidene Anfang gemacht. Der jetzige Leiter der be- «ressenden Ablheilung ist der Herr Referent, welcher seine Thäligkeit bereits über 25 Jahre der Anstalt gewidmet bat. Die Zahl der Kinder beträgt heute 120 außer einigen Zöglingen (Kinder von besser situirtcn Eltern), welche in einem Peniionate unlergebracht sind. Es würden no« viel mehr Ausnahme finden, wenn einerseits Lehrer und Schulleiter mit größerer Energie aus die Versorgung schwachsinniger Schüler dringen wollten und wenn andererseits Eltern die noch vielsach bestehende Abneigung gegen derartige Einrichtungen endlich überwinden könnten. Die Landes behörde» sind sehr entgegenkommend, wenn Gemeinde-, Armen- und Schulbehörden dernrtlge Anträge stellen; mit Hilfe der gesetzlichen Bestimmungen kann jogär ein Zwang ausgeübt werden, um den Kindern diese Wohtthat, deua eine solche ist eS wirklich, zugänglich zu mache». Der Herr Redner «heilt nun einige der 45 Fragen mit, welche behufs Ausuadme in die Anstalt von den BezirkSärzten aus dazu angeser- ttgten Formularen zu beantworte» sind. Daraus ist daun zunächst zu erjehcn, welche Kinder bildungsfähig sind. Die meisten derartigen Anstalten (in Deutschland 35, Britannien 14, Amerika 16, Oesterreich-Uugarn und Rußland je 2) bestehen ans einer Erziehung»-, einer Pflege- und einer Beschäitigungsabiheilung. In Hubertlisburg hat man «ne Erziehung«- und Pstegeadrheclung sür die geistesichwachen Kinder, während die durch Erziehung dort ausgebilveten Zöglinge dem öffentlichen Leben zurückgegeben werden. Manche finden in Familien Unterkunft, andere werde» zu einem Lehr- oder Dienstherr,, gebracht. Immer zeichnen sie sich säst ohne Ausnahme durch große Gewisjenbastigkeit (io weit man bei ihnen davon reden kann) aus. Die Pfleglinge der zweiten Abtheilung kommen vou Hudertusburg aus u> die BersorguagSstätlea der Irrenhäuser. Nachdem Referent noch bemerkt, daß die Interessen der Geistes schwachen durch eine Conserenz (aller 3 Jahre), sowie durch eine von idm selbst begründete Zeitschrift „über die Behandlung Schwach sinniger und Eoilcptischcr" und durch ein Jahrbuch zugleich sür Blinden- und Taubstummenwesen gepflegt und gefördert werden, führt er im folgenden Abschnitte seines Vortrags in äußerst inter essanter Weise die pädagogischen Maßnahmen der Behandlung der schwachsinnigen Kinder vor. Hauvtgrundsätze dieser Erziehung sind größtmögliche An schau- lichkeit und Lückenlosigkeit. Der eigenen Combination und Association dürfen die Kinder anfangs nicht überlassen werden; der Lehrer muß die Leitung der erste» Geisteslhätigketten vollständig übernehmen. Wenn irgendwo, so sind hier die größte Geduld, io- wie eine durch nichts gestörte heitere Seelenstimmung sür ihn Haupt- erjorderniß. AuS dem Lehrplan«, mit dem der Herr Reserent die Anwesenden bekannt macht, ist ersichtlich, daß der Anschauungsunterricht der Hauptbestondtdeil der gesammten UnterrichtSthätigkeit ist. Der ein leitende Unterricht gliedert sich in fünf Stufen: 1) Uebung der Sinne de- Kinde-(Gesicht,Gehör, Gefühl). Glänzende Gegenstände, aussällige Toorrschetnuugea und genießbare Dinge sind zu Hilfe zu nehmen. 2) Bildung von Vorstellungen und Begriffen durch Bekanntschaft mit den Gegenständen der Umgebung und deren Unter- schieden. Dazu werden die verschiedenartigsten Obzeete nebeneinander vorgesübrt z. B. Ball und Glocke. 3) Verbindung der gewoa»eaen Vorstellungen. Die gleichartigen Gegenstände werden an verschiedene« Orte« beobachtet, deispietsweise Schränke, Tische rc. Dir Ktader müssen Gegenständ« von einem Orte zum andern bringen. 4) Uebung de« Sprechen«. Hierbei ergeben sich zwei Gruppen von Schülern: 1) solche, welche zwar schon Iprechen. aber gedankenlos, ohne Zusammenhang, nur, um ihre Bedürsnisse mit- zutheilen und 2) solche, die gar nicht rrde». Diese sind zum Theil ähnlich wie Taubstamme zu brhandel«. b) Uatrrscheid»», «bgebildeter G«g«»ft»»dr. Hieran schließe» sich «»blich Lese-, Schreib- uad geich'vühungen. Zu diese« «ntrrrlchtftchea Beschäftigungen, welche etwa den Vor- mittag anssüllen, geselle« sich eine Reihe anderer Arbeiten körperlicher Art für den Nachmittag, wie Korbflechten. Holzzerlteiuera u. A. D e Pflege und Behandlung, sowie Wohn- uad Schlasrüume (Alle« nach diätetücheu und medicinischen Vorschriften eingerichtet) sind vorzüglich. Man hält eine destimmie Tagesordnung ein. Aus alledem ist eS erklärlich, wenn schon jetzt gegen 300 conftemirte und erwerbssähige Zöglinge im Lande da und doet ,hr« Beschäftigung gesunden haben uud sich theilweise ihr Brod selbst verdienen können. Zum Schluffe kommt der Herr Borirageude aus dir an einigen Orten errichteten Clasjea für Schwachsinnige zu reden und weift überzeugend nach, wie dieselben selbst da, wo sie mit BeschistigungS- classea verbunden sind, zum großen Lheile ungenügend lind, da ihren Schülern der Bortheil entgeht» auch nach der Schulzeit über wacht und versorgt zu werde». Die auS HuberluSburg Entlassene» bleiben unter steter Obhut ihre- früberea Oberlehrers uud in dauernd» Lerbiudung mit der Anstalt. Zur Unterstützung derselben existirt ein Fond«. Die ge- nannlen Momente olle sichern der dortigen Einrichtung einen greis- baren Ersolg, und die höchst mühsame Arbeit wird dadurch reich belohnt. Der Vorsitzende spricht dem Herrn Vortragenden für den reich- hallige« «ad belehrenden Bortrag de« wärmste« Dank der Ber- eia« au«. Dem Vortragr folgte rtne sehr ergiebige Debatte, i» welcher der Nes. über manch« Punkte und aus Anfragen srenndl chst Auskunft ertheilie, z. B. über da» Schicksal der Entlassenen, Art der Beschäs- tigungen, Lesemethode,c. Der Verein stellt dem Herrn Vortragende» einen Beitrag sür de» UnlerstützungssondS ia Aussicht und will auch in andere, Kreisen ans da- Bestehen desselben uad seinen Humanitären Zweck Hinweisen. Bor Allem sprich» man de« Wunsch ans, daß sich i, Leipzig edle Herzen finden möchten, welche dieses ebenso schwere wie schöne Werk, den ärmsten unter unseren Brüdern ein glücklichere- Dasein bereiien zn Kelsen, durch freundlich« Gabe» fördern. Mau bat die feste Zuversicht, daß man ia unserer Siadt, wo der Sinn sür all« der artigen LiebeSwerke schon immer so herrlich sich betbätigte, auch zu diesem Fonds, der außer den bi« jetzt Versorgten noch anderen Un glücklichen wohlthu« möchte, reichlich beisteuern werde. II. Erster Jahresbericht de» BetlehemstifteS ia HermaaaSbad bei Laafigk. * Schon lange hatte sich auch sür den Leipziger Kreis da- Be- dürsniß nach einer Stätte geltend gemacht, wo arme schwächliche u» d kränkliche Kinder sich eine Zeit lang im Sommer aushalten. Mau braucht ja nur die ost so elendeu Kinder Leipzig- zu sehen, io wird man von der Nothwendiqkeii einer solchen Anstalt überzeugt sein. Wer sich vollend- die Mühe nehmen will, einmal in einige der Tauiende von Dach- oder Souterrainwohnuugca der Armen zu steigen, der wird gew ß mit herzlicher Freude eine, wena anch nur vorübergehende Heimstätte sür die armen Leipziger Kinder begrüßen, wie sie ia dem neuen Betlebemstist zu Lauiigk nun hat von der Directioa des Verein- sür Innere Mission tu Leipzig errichtet werden können. Am 15. Mai 1»38 hielten die ersten 20 Kinder ihren Einzug ia dem gesund und sreundlich gelegenen, seiner nunmehrigen Be- stimmung entsprechend eingerichteten Hänschen in Lauiigk. Am 16. Mai konnte die kleine Billa in erhebender Feier, von Herrn Direktor Pastor Zinßer geleitet, wobei Herr Oberpsarrer Pasig aus Lausigk das Weihegebei sprach, zum Beilehmstift geweiht werden. Im Lause des Sommers sind 4 mal 20 Kinder je 4 Wochen lang vervflegi worden. Es waren meist skrophulöie Kinder, die alle reckt blaß und elend ankamcn und gestärkt soctgiagen. Besonders deutlich wahrnehmbar war der Nutzen der Cur bei den kleineren Kindern, von denen etliche im Atter von 3 bis >6 Jahren erst sehr wenig lausen konnten und nach 2 bis 3 Wochen schon ganz hübsche Strecken zurücklegten. Eia zivölsjährjgeS Mädchen kam im Fahrstuhle, denn daS Kind konnte weder gehen noch stehen, ja nicht einmal frei sitzen. Nach achttägigem Aufenthalte machte da» Kind die ersten Veriuche zu sichen und nacti 6 Wochen konnte e-, als eS zu leinen Eltern zurückkehrte, den Weg vom Dresdner Bahnhos bis nach Reudnitz ia einer halben Stunde, ohne geführt zu werden, zurücklegea. Für die- jenigca der Leser dieser Zeilen, die den Ersolg der Enr gern nach Zahlen berechnen möchten, sei bemerkt, daß die Kinder alle, mit Ausnahme der wenigen, die im Tust erkranken (drei mußten des K.uchkusteuS wegen zurückgejchicki werden, ein Knabe hatte Lunzeaentzünduug). eine ganz beträchtliche Gewichtszunahme auszuweilea haben. So hatte eine Knabe 7 Pfund, dann einige Kinder 6 Psuud, ziemlich viele 5 Psd. und kleineren oft 4. bisweilen aber auch nur 3 oder 2 Plund zugenominen. Im Durchschnitt kommt ans eia Kind ziem- sich 3 Psund Gewichtszunahme. DaS ist, wena man bedenkt, daß 4 der verpflegten Kinder noch nicht ganz da- 3. Lebensjahr zurück- gelegt hatten, daß serner 9 3jährtge, 8 4jährige da waren, gewiß ein recht erfreuliches Resultat. Nock erir«,sicher ist jedoch, daß man wohl sagen kann, daß alle Kinocr sich mit Frenden der Zeit erinnern, die sie im Betlehemstist verleben durften, daß diese Zeit gleich einem Sonnenstrahl in das düstre Leben der Kleinen gefallen ist. Die meisten von ihnen gingen nur ungern zurück und vergossen die bittersten Thcänen, als sie der trauten lieben Stätte mit allen Herrlichkeiten Lebewohl sagen mußten. Da gab es aber auch so schöne Dinge, wie Schaukel, Hängematte, Turnrcck, Kletterstangen. Schaukelpferd, einen großen Sandhausen, aus dem sich mit Hilft kleiner Formen und Becyer so schöne Aschkuchen uuv Butterftückchen Herstellen oder schöne bunte Gärten anlegen ließen. El» klcineS Mädchen sagte einmal aus daS Betragen, ob eS denn nun bald sortgehen wolle, „nein, ich muß Dir alle Tage eine Butter machen". Alle diese Herrlichkeit«!, dazu auch die ganz veränderte Lebensweise, die den armen Kleinen, deren Hauptnahrung doch meist in Kartoffeln und Kaffee besteht, so wohl lhut, machten den sieben Kinderherzea das Stift zu einer wahren Heimstätte, da sic sich fröhlich tummeln konnten und an die sie, wie schon viele nachher brieslich »nttheillen. mit Sehnsucht zurück- denken. Gott der Herr öffne die Herze» und Hände oller Kinder- sreunde, daß sie auch dem jetzt noch kleinen Betlehemstist freudig ihre Gaben spenden, damit das Wrrk gedeihen kann» denn jchon jetz: macht sich deS großen Andranges wegen eine Vergrößerung der Anstalt dringend »öihig. Der Herr segne das Werk und alle seine Freunde! Schwester Martha B. Gerichtsverhandlungen. * Im Juni dieses Jahres wurde vom hiesigen königl. Land- gericht Herr Rechisanwalt Ficker aus Leisnig wegen versuchter Gebührenüberhebung nach 8- 352 des R.-Str.-Ges.-B. zu 200 .sl Geldstrafe und den Kosten verurthcüt. Aus die vom Augekmgten eingelegte Revision Hai der dritte Strassenat des Reichs- gerichts unterm 26. November daS Urtheil ausgehoben und die Sache zur anderweiten Entscheidung au daS Laadgerichr zurückveriviejea. * Von der dritten Straskommer des hiesigen königl. Land gerichts wurden verurtheil«: 1) die Dienstmogd Emilie Wilhelmine Lehman» aus Hohenmölsen wegen Urkundenfälschung rc. zu drei Jahre» Zuchthaus- und 900 Geld-, eveat. weiteren 60 Tagen Zuchtbaussiroje und 4 Wockxu Hast: 2) der Handarbeiter Gustav Clemens Leite aus Probstheida wegen Urkundenjälschung rc. zu 6 Wochen Gesängniß; 3) der Müller Friedrich Wilkelm Linke aus Mölbis wegen Brandstiftung und Betrugs unter Inwegsavstcllung des schwurgerichtlichen UriheilS vom 23. October d. I. zu 2 Jahren 3 Monaten Zuchthaus. Eine unfreiwillige Unterbrechung seiner Fahrt auf längere Dauer mußte sich der auS Dänemark gebürtige Maler Niels Christense» gefallen lassen, denn er hatte sich der gefährlichen Körperverletzung schuldig gemacht und war dabei mit großer Roh heit zu Werke gegangen. Am 3l. October er. verließe» einige dänische Malergebilscn, welche längere Zeit hier gearbeitet hatten, unsere Stadt, um nach ihrer Hcimath zurückzukehreu. Einige Landsleute gaben den Scheidenden da- Gelett. und der aus neun Manu bestehende Trupp nahm seinen Weg über Lindenau, wo die Leute, durch den Eonjum geistiger Getränke in die übermüthigüe Laune versetzt, bereit- allerhand Ünsug trieben. Sodann kehrten sie im „Dreierhäuschea" io Schönau ein und trafen hier einen Milck- suhrmann, welcher mit seinem Geschirr eben nach Markranstädt fahren wollte. Dieser sollte nun die Dänen durchaus inii- jahreu lasse»: doch abgesehen davou, daß die Leute an getrunken und demnach Unannehmlichkeiten zu beiürchien waren, so hätte der Milchwagen auch >m höchsten Falle sür 3—4 Mann Platz geboten, nicht aber sür die ganze Gesellschaft. AuS allen diesen Gründen weigerte sich de: Fuh mann, die Leute mitjllNkhmen, und darüber aufgebracht, begannen die letzteren, mir ihren Stöcken an den Wagen zu schlagen und den Fuhrmann aus alle mögliche Weise zu verhöhnen, so daß derselbe zuletzt ärgerlich wurde, mit der Peisiche um ven Wagen Kiel, und dabei einen der Maler, den Niels Chcisteusen, leicht am Kinn mit der Deitfchenjchnnr streifte. Christen!«» nahm schon bier eine drohende Haltung an, und da der Fuhrmann, «i» alter Maua von 63 Jahre», allseitig vor Fortsetzung der Fahr» gewarnt wurde, so «ahm er de» «m
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