WANDELT SICH DIE ELEMENTARE TYPOGRAPHIE? VON FRITZ STAMMBERGER / GOTHA Die Diskuffion über die elementare Typographie ift in den »Typographifchen Mitteilungen« recht lebhaft geführt worden. Und das war gut fo; denn die elementareTypographie ift heute das Kernproblem der Setzkunft. Die Auf gabe befteht darin, die elementare Typographie von der Atherwolke individuellen Empfindens auf den realen, fachlichen Boden der Wiffenfchaft zu ftellen und die Gefetze ihrer Entwicklung und Entfaltung abzuleiten. Ob wohl hier von den »Konftruktiviften« und anderen fchon vorgearbeitet ift, bietet diefe Aufgabe dennoch gewiffe Schwierigkeiten. Diefe werden hier fpeziell durch den natürlichen Platzmangel und die damit verbundene relativ geringe Entfaltungsmöglichkeit in der Beweisführung beftimmter grundlegender Anfchauungen vergrößert. Die vorliegende Arbeit kann alfo lediglich als Skizze und Verfuch betrachtet werden. Die Kollegen können auf zwei Wegen in ihrer Praxis zum Ziele kommen. Entweder ftellen fie nach vorhandenen Regeln, Gefetzen, Normen, Anfichten, Gefchmacksrichtungen ufw. ihren Satz zufammen. Diefe Methode ift relativ ficher, fchützt vor Mißerfolgen. Oder fie können verfuchen, neue Wege zu gehen, neue Mittel zur Wirkung zu finden, neue Reize zu erzeugen. Diefer Weg ift begleitet von Mißerfolgen und Feh'fchlägen, ift weniger ficher — und doch wertvoller. Wir follen nicht altüberliefertes Können verfchleißen, fondern neue Wege fuchen und finden. Deshalb muß befonders der Schriftleitung der »Typographifchen Mitteilungen« der Dank dafür aus- gefprochen werden, daß fie fich fo mutig für das Neue zu einer Zeit eingefetzt hat, als die Bauhauskünftler noch allein ftanden. Tatfache, ehrende Tatfache für die Schriftleitung ift es, daß jenes Sonderheft im Jahre 1925 auf die Entwicklung der Typographie einen großen Einfluß ausgeübt hat. Es war ein Katalyfator der typographifchen Entwicklung. Idi unterftreiche auch die Worte der Schriftleitung im Maiheft 1927: »Die klare Linie für das Zeitgefchehen fehlt überall, auch in der Kunft. Der Kampf des Alten mit dem Neuen ift immer nodi im vollen Gange. Wenn wir nicht am Alten hängenbleiben wollen, dann müffen wir den Zeiterfcheinungen Rechnung tragen.« Satzftil aber heißt: beftimmte Kombination des typographifchen Materials. Diefe beftimmte Kombination ent- fpricht einem ganz fpezififchen Inhalt. Die Geftaltungsweife der elementaren Typographie hat Sachlichkeit, Zweckmäßigkeit und innere Organifation als Inhalt. Die elementaren Typographen haben aber nun nicht eines Tages einen etwas »grotesken« Einfall gehabt, der feinen Ausdruck darin fand, ftatt zierlicher Schriften die Grotesk zu verwenden und die »kunftvolle« Einfaffung entweder ganz fortzulaffen oder durch glatte Meffinglinien zu erfetzen. Diefe Wendung wurde vielmehr durch eine Ideologie hervorgerufen, die in der heutigen kapitaliftifchen Whtfchaft ebenfo wurzelt, wie fie neue Gedanken und Ideen der Zukunft in fich birgt. Wir leben eben in der Zeit KREIS FRANKFURT A.M. BILDUNGSVERBAND DER DEUTSCHEN BUCHDRUCKER Entwurf von Ph. Albinus, Frankfurta.M.