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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.10.1890
- Erscheinungsdatum
- 1890-10-31
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189010310
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18901031
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18901031
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1890
- Monat1890-10
- Tag1890-10-31
- Monat1890-10
- Jahr1890
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.10.1890
- Autor
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Grsch früh eint täglich ruh 6'/. Uhr. Ar-action und LrprdMon JohauneSgasse 8. Sprrchstundrn drr Nedaction: Vormittag! 10—1L Uhr. Nachmittag» b—6 Uhr. tzttr n« NVS»»d» «ioaelaiitiee V!»«ulcri»l» «»chi sich »I« Nk»«ci>«>> mch« »rr»>adkch. Annahme her für hie nSchftfolgrnhe Riimuirr hrftimmtrn Inserate an Wochentagen bl» 8 Ubr Nachmittag-, a» So»»- n»d Festtagenfrüh bl»' ,t> Uhr. 3n drn 3ilialrn für 3ns.-^nnahmr: Ott» »rmm'S Porttm. iAlfrrh Haha). Universitätssrraße 1, L»«tS Lüsche, Kathariuenstr. 14 pari, und KönigSplatz 7, nnr bi» '/,S Uhr. ttujigcr Tagcblalt Anzeiger. Organ für Mitik.SacalaMickte.Landtls-undGeschSftSverkehr. Abo««eme»t-prei- vierteljShrlich «>/, Mk. tuet. Bringerlohn b Mk., durch di» Pos bezogt» 6 Mk. Jede einzelne Nummer SO Belegeremplar 10 Pf. Gebühren für Extrabeilagen l Lageblalt-Format ltn ahne Poftbesörderung 60 Mk. «ff Postveförderung 70 Mk. Inserat» 6 gespaltene Petitzeile LO Pf. Gröbere Schriften laut uns. Preisverzeichnis,. Tabellarischeru. Ziffernsatz nach höhrnn Tarif. Neclamen unter demRedactionSflrtch di» »geipalt. Zeile SO Pf., vor den Familien Nachrichten die ggespaltene Zeile 40 Pf. Iuserat« sind stet» an die «rhkdttta» »» senden. — Rabatt wird nicht gegeben., Zahlung praeuuweramio oder durch Post- Nachnahme. 3vi. Freitag den 31. October 1890. 8t. Jahrgang. Amtliche Bekanntmachungen. Bekanntmachung. Wegen Reinigung der Localitäten bleibt die große Rath-stube Lonnabend, den 1. November d. I. geschlossen. Leipzig, den 27. October 1890. Drr Natb der Ltadt Leipzig. I)r. Georgi.Größe!. Bekanntmachung. Wir bringen hiermit zur Kcnntniß, daß die Beamtenstellen an unserer Markthalle besetzt sind, und geben eS den un berücksichtigt gebliebenen Bewerbern anheim, ihre Gesuchs- Beilagen m unserer Nuntiatur im Rathhause wieder in Empfang zu nehmen. Leipzig, den 27. Oktober 1890. Der Rath der <?tadt Leipzig. vr. Georgs.Größe!. Bekanntmachung. Der Preis für den in den städtischen Gasanstalten er» beträgt loco Gasanstalt I und loco Gas- 1 35 1 . — . 40 SS 25 zeugten Koks anskalt II: für den Hektoliter Steinkohlea-GroßkokS. . » » » » Kleinkoks. . - » » zerkleinerten Steinkohlen- tok-, sogenannten Mei- dinger Koks - » - Braunkohlen-KokS. . . - - - SteinkohlenkokS-GruS Preis bei Abnahme größerer Posten nach Vereinbarung. Die Marken zur Koks- und GruS-Enlnahme sind gegen Baarzahlung, soweit die Borräthe an Koks rc. reichen, in den BurcauS der Gasanstalten zu erhalten. Zur größeren Bequemlichkeit des Publicum- liefert die Gasanstalt den Koks auch frei ins HauS Leipzig. Die Kosten hierfür betragen bei jeder Sorte l5 für den Hektoliter. Tie Lieferung geschieht dann in plombirtcn Säcken. Etwaige Bestellungen wolle man entweder mUndlich oder durch die Post in den BureauS der Gasanstalten oder in der Rechnung» und Eassenverwaltuug der Gasanstalten, Ritlrrstraße Nr. 0 macken. Ferner haben wir bei Herrn Ar. Rohr, Sidonienstraße S, Herren Kernh. Aranz 6c To., Südplatz 8, Herrn I. G. Steinborn, Zeitzer Straße 17, Herrn 4l. Damm, PctcrSsteinweg 21, Herrn Ar. Günther, Slernwartenstraßc 7 t, Herrn Karl Kappel, in Fa.: T G. Wadewitz, Ranstädter Steinweg 25, Herrn M. Helbizz, Davidslraße 3, Herrn Albert Tdieme, Eutritzscher Straße 1V, Herrn A. A. Günther, Davitstraße 8, Herrn Frrd. Graba«, Tanchaer Straße 25, Herrn Robert Rvßiner, Gustav Adolphstraße 45, Herrn Aritz Bärwolf, Plaawitz-Leipzig, ein Lager der sämmtlichen KokSiortcn errichten lassen und kann die Entnahme zu den obcnbezeichneten Preisen auch an diesen Stellen geschehen, an welchen der Koks ebenfalls in plombirtcn Sacken gehalten wirb. Leipzig, am 28. October 1890. DeS Raths Deputation z» den Gasanstalten. Bekanntmachung, Wasserversorgung von Plagwitz und Ltudenau betreffend. Bezugnehmend auf die Bekanntmachung vom 24. October dS. ZS. bringen wir hiermit zur Kcnntniß, daß die zweite Unterbrechung in der Versorgung von Plagwitz und Lindenau für die Zeit von Freitag, den 31. dS. MtS., Abends 9 Uhr bis Sonnabend, den 1. kom. MlS., früh 5 Uhr festgesetzt ist Leipzig, am 29. October 1890. Der Rath der Stadt Leivrig. li. vr. l la. 7776. vr. Georgi Redlich. Bekanntmachung. Herr Klempnermeister Tarl LouiS Wilhelm Mtethe beabsichtigt, in dem an der Bayerischen Straße unter Kat.Mr. 349 Abth. I) gelegenen Grundstücke Nr. 1062 dcS Flurbuchs und Fol. 1564 beS Grund- und Hypotbekenbuchs für die Stadt Leipzig eine mittelst Elementarkraft zu be treibende Schlagpressc zu erricht»«. Wir bringen diese» Unternehmen hiermit zur öffentlichen Kcnntniß mit der Aufforderung, etwaige Einwendungen dagegen, welche nicht auf privatrcchtlichen Titeln beruhen, bei deren Verlust binnen 14 Tagen bei unS anzubringen. Einwendungen, welche auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen, sind, obne baß von der Erledigung derselben die Genehmigung der Anlage abhängig gemacht werden wird, zur richterlichen Entscheidung zu verweisen. Leipzig, am 29. October 1890. Der Rath der Stadt Leipzig. Kaffelt. Vl. 2637. vr. Georgi. Bekanntmachung. Die öffentlich ausgeschriebene Lieferung von 2<»tt Stück gußeisernen Schleußendeckeln ist vergeben. Die unberücksichtigt gebliebenen Bewerber werden daher ihrer Angebote entlassen. Leipzig, den 29. October 1890. Der Ratb der Stadt Leipzig. vr. Georgi.Rüting. Ib. 5918. Bekanntmachung. Am 1. November 8 Uhr Morgen» wird da? Postamt in Lkipztg- ffiohli» nebst Telegrapheiianstalk und öffentlicher Fernsprechsielle aus dem rlirmalige» titen,r>»dranitSgehä»Sk nach dem Grund« stücke Hauptstrastc >4 verlegt. Leipzig, 30. October 1890. Ter Kaiserliche O»er-P»ftdireet«r. Walter. Dank. Der in Braunschwrig verstorbene Privatmann Herr Aerdinand Ritterling hat der hiesigen Wittwen- und WaisenpensionScafse der Polizeibeamten die Summe von fünfhnndrrt Mark etztwillig vermacht. Nachdem dieses Legat heute an unS auSgezahlt worden ist, verfehlen wir nicht, von dieser reichen Zuwendung mit dem Gefüblc innigste» DaukeS für den ver dorbenen Scheiikgeber öffentlich Kcnntniß zu geben. Leipzig, am 29. October 1890. Der BerwaltungSauSsehiiß der Wittwen» und Waisen PensionScaffe der Polizeibeamtea. v. Ii. 4794. B retschncider, Pol.-Dir. Die Sorialdemokratie ohne Führung. Der Verlauf der Bersammlung des 3. Berliner ReichStaaS- wahlkrciseS vom 28. October, in welcher die Dclegirtcn für teil Eongres; in Halle, Sattler Barth und Gastwirtb Gründel, über die Verhandlungen des EongrcsscS Bericht erstatteten, ist sehr lehrreich für die fernere Entwickelung der Svcial- demokratie. Bei der Bureauwabl käme» schon so stürmische Scene» vor, daß cs schien, als würde sich die Versammlung in eine allgemeine Prügelei auflöse». Die Genossen mußten sich vom Vergolder Ewald sage» lassen, daß sich die Social- drmokratcn auf den Dörfern tchämen müßten, wenn sie einer solchen Versammlung in Berlin beiwohnten. AlS endlich nach vieler Mühe die Rl.be bis zu einem gewissen Grade hergestellt war, bemerkte der Tischler Winter mit Bezug auf die Behand lung, welche dem Bucydruckcreibesitzer Werner auf dem Congrcß ":„Die von Bebel zu Tbcil geworden ist: : Nationalökonomie ist eine erwählt' ; r« kommt selten Ocman^auf den ' »uf^ er gehört. . «b" dadurch .st ^ gerichtet. d,e persönliche W'llkllr kan» n w dafür de» Gesetze» treten, d>» ß ev.»l>ltschaft bestehen und LL 8SL-NSN L Ä1Uch-UAü"7^ MZWZW LmLn^S 2' sich?°ch LK: diN° °°rll.leg. haben: Was werden die Genossen, was werden die Zeitungen da;i ^ ' ^ ws n E n üss n. l zugI-,ch da« Mittel zur Ber.cht.aung und Verb ss?ung de unklaren Vorstellungen gegeben. Wenn - der a ße Ntaffe der Socialdemokraten «st. klar geworden ist L di- Grundsätze de» Socml.Sn.uS ^ vraktische Leben übertragen werden können, daß der i-.oc aticinu fteculativer Köpfe ist, dann wird auch die Ruckkebr zur '"irklickkeit eintreten. DaS Programm ist eS, woran alle k» Führer ru Schanden werden muffen denn sehr schwere Wissenschaft. Und wenn in derselben ein Arbeiter nicht Bescheid weiß, so muß man ibn belehren, aber ihn nicht in so persönlich gehässiger Weise angrcifcn, wie es Bebel gegen Werner getban bat." Da hätten wir also ein Beispiel, wie die wissenschaftliche Höhe" der Herren Bebel und Liebknecht auf die große Menge der Socialdcmokraten wirkt. Der Genosse Winter gesteht seine Unkcnntniß auf diesem Gebiete einfach zu, während die übrigen Genossen die Sacke mit Stillschweigen übergehen. Bei der grenzenlosen Selbstüberschätzung, an welcher die Socialdemokratcn durchweg leiden, wäre eS ja ein ArmutkSzeugniß, wenn sie irgend Jemandem aus der Welt umfassendere Kenntnisse und höhere Einsicht zugestcbcu wollten, da» würde ja eine Art von Anerkennung einer Autorität dar stellen, und die würde gegen den ersten und Hauptpunkt de« Programms verstoßen Liebknecht setzt eS als selbstverständlich voraus, daß seine Aeußerungen über da- eherne Lohngcsetz unb die Productiv genosscnschasten von allen Genossen als richtig befunden wer den, natürlich nicht aus Mangel an Sachversländniß, sondern aus angeborenem Scharfsinn, der Gemeingut einer Genossen schaft sein muß, die sich von jeder Autorität grundsätzlich los sagt. Der Vordersatz der socialistisckcn Logik lautet: Die veränderte ProducliouSwcise hat große Umgestaltungen in der Arbcitcrwclt zur Folge gebabt. Und daran» wird obne Weiteres der Schluß gezogen: Die Industrie-Arbeiter müssen deshalb die Herrschaft an sich reißen und Staat und Gesellschaft in der ihren Interessen entsprechenden Weise oraanisircn. Was sagt der Tischler Winter dazu? Ist dieser Schluß aus national ökonomischen Grundsätzen abgeleitet? Wir meine», daß ein Man», der verständig genug ist, als Gewcrbtrcibcnder seine Unkcnntniß aus wisscnichastlichcm Gebiete offen einzu räumen, auch auf Grund seines gesunden Menschenverstandes :» erklären befugt und berechtigt ist: Nein, baS ist weder Nationalökonomie, noch sonst eine Wissenschaft, daS ist theils Unsinn, theils Frevel, denn dadurch kann nur zeitweise große Verwirrung angerichtet, aber nicinalS etwas Lebensfähiges geschaffen werden. Liebknecht sagt: „Wir sind noch gar nicht in der Lage, den socialdemokratischen ZuknnftSstaat einzurichten, vorläufig führen wir noch den Kainpf gegen die Knechtschaft in jeder Fori» und gegen die heutige Prod»ctionSwe>se." Dieser Aus spruck trägt daS Gepräge der Wahrheit an sich, aber eS ist nur die halbe Wabrbcit, denn Liebknecht bat verschwiegen, baß die Socialdemokratic überhaupt nie in die Lage kommen wird, den ZukunstSstaat nach ihren unklaren Vorstellungen aus zurichten und daß c» der alleinige Zweck der ganzen Be wegung ist, die erreichbaren Lortheile für den vierten Stand bcrauszuschlagen. Es handelt sich bei der ganzen socialdcmo kratischen Agitation lediglich darum, den Preis für die Arbeit aus die höchste erreichbare Stufe zu treiben, taS wird immer klarer, je länger die Bewegung dauert. Früher baden be geisterte Socialistcn ganz ernstlich die Forderung nach Aufhebung des Grundcigcuthums und des Erbrechts gestellt heute wird über Beide» nahezu Schweigen beobachtet, weil inan eingcseben bat, daß die Sache theoretisch sehr lockend ist, besonders für die Besitzlosen, daß aber praktisch damit nichts anzufangen ist. Vielleicht erklärt Liebknecht schon auf dem nächsten Eongreß, daß die Forderung nach Aufhebung dcS GrunteigcntbumS sich überlebt hat, nachdem ibn die „fortschreitende Wissenschaft" genöthigt bat, das eherne Lobugesetz und die Protuctivgenosscnschaften Lassalle' aus dem socialdemokratischen Programm zu streichen. Ja, ja, die „fortschreitende Wissenschaft", daS ist der Rettung» anker, an den sich die ihren Schiffbruch vor Augen sehenden Führer der Socialdrmokratie immer krampsbafter an- klanimern. Wenn GottcSleuguung und Verachtung der Autorität in jeglicher Gestalt sich wissenschaftlich begründen ließen, dann wären die Socialdcmokraten die weisesten Menschen von der Welt, so dient ihnen Beides aber nur dazu, die Gerechtigkeit ihrer maßlosen Forderungen vor sich selbst zu begründen. Giebt eS eine schlimmere Aus reizuilg zum Umsturz alles Bestehenden, als die offen bekannte Verachtung jeder himmlischen und irdischen Autorität? Und da« ist der Grund und Boden, aus welchem die Führer der Socialdemokratcn sieben. Liebknecht spricht von Huma nität. Giebt eS etwas UilnicnschtickcrcS, als die Vernichtung des Autoritätsglaubens? Wie wäre eS, Herr Liebknecht, wenn Ihre Genossen mit Zbnen den Anfang machten, um die von Ihnen gelehrte Theorie von der Njchsigkeit dcS Autoritätsglaubens in die Praxis z» übersetzen? WaS bliebe bann von allen Zbrcn Reden und Zeitungsartikeln übrig, als verfälschte Lust und Maculatur? Alle menschlichen Einrichtungen sind unvollkommen, und so ist c» denn auck unzwciselbajt, daß eS in der Welt viel Schein Autorität giebt, die durch Zrrtbum, Verkettung von ungünstigen Umständen und durch Bosheit zu Stande ge kommen ist. „Viele sind benifen, aber Wenige sind aus schaft auch nur einen Tag auSkommen können. « Leipzig, 31. October. * Eine der ersten Vorlagen, welche dem Reichstage nach seinem Wiedrrzusammentrltt zugeben werden, w,rd die nach 8. 77 de« UnfallversicherungSaesctzeS vom 6. Juli 1884 vorzulegende Nachweisung der RechnungSrrarbnisse drr Beru^Sgenossenschaften auf da? Jahr 889 sein. Die Zusammenstellung drr hierauf bezüglichen Mitthtl- lunacn der einzelnen BerusSgcnossenschaften, von denen nn Berichtsjahre nicht weniger als N2 und zwar 64 gewerb liche und 48 landwirthschastliche in Thätigkeit waren, wird im Nei hS-Versicherung-amt vorgenommen und ist ihrem Ab- schlussr nahe. , ». . . * Ueber die Zusammenkunft deS Reichskanzler- v. Caprivi und de« italienffchrn Minister-Präsidenten CriSpi und deren Zweck erbiclt dir „Politische Correspondenz" auS Berlin eine ofsiciose Zuschrift, in welcher es heißt: Sie, die Zusammenkunft, ist eine natürliche Bervollstündigung der Ausführung deS Gedanken», welcher den General v. Caprivi kürzlich mit dem Grafen Kalnoky zusammengesührt hat, de» Ge- danken», daß es den gemeinschaftlichen Interessen Deutschland». Oestcrreich-UngarnS und Italien» nur in hohem Grade förderlich sein kann, wenn die leitenden Staatsmänner dieser drei Staaten in persönliche Beziehungen zu einander treten. Cs wäre müßig, der Mailänder Zusammenkunft noch eine andere besondere Tragweite beimcsscn zu wollen, wennschon es al» selbstverständlich betrachtet werden darf, daß bei derselben mancherlei Fragen von hohem politischen Interesse zur Besprechung gelangen werden. Die Ereig- nisse des letzten Jahres müssen auch den größten Skeptiker davon überzeugt haben, daß der Dreibund, welcher aus dem Friedens- bedürsms, der europäischen Völker heran» geschaffen wurde, eine fest stehende Thatiache der europäischen Politik geworden ist; die Be fürchtungen für den Bestand dieser Allianz, welche an den Wechsel in der Person de» deutschen Reichskanzlers geknüpft wurden, baden sich al» gegenstandslos erwiest». Die Kaiserzusammenkunst in Rohn- stocki die Begegnung des General» v. Caprivi mit dem Grafen Kalnoky legen beredte» Zeugniß ab für di« intimen Beziehungen zwischen den Höfe» von Wien und Berlin: al» besonder» klärend sür die Erkenntniß der Loge kann auch die in Floren» gehaltene Rede de» ilalicnischcn Ministerpräsidenten bezeichnet werden, und e» ist nach alledem kaum zu erwarten, daß die Zusammenkunft zwischen den Herren von Caprivi und CriSpi zu neuen Entschließungen führen wird: sie ist einfach ein« neue Bekräftigung des festen Bestände» des Dreibundes. Sollte dem gegenüber von interclsirter Seite der Cinwand erhoben werden, daß, fall» der Dreibund wirklich so gesichert sei, dann aiich die Reist des deutschen Reichskanzler» nach Italien überflüssig erscheine, so wäre einfach darauf hinzuweisen, wie natürlich e» ist, daß zwei Staatsmänner, welche, wie die Herren von Caprivi und CriSpi, in lebhafter Geschäftrverbindung sieben, das Bedürsniß fühlen, mit Umgehung von Mittelspersonen sich über nebmende Haltung auSzutainchen. ES entspricht die- auck, ganz den bisherigen Gepflogenheiten der Staatsmänner de» Dreibundes, so daß man ohne Weiteres schon heute Voraussagen könnte, daß wohl auch tm nächsten Jahre wieder die leitenden Staatsmänner der FriedenSmächie Gelegenheit finden werden, persönlich zusammew zutreffen. Der Besuch de- deutschen Kanzlers in Italien wird natür lick von der dortiaen Presse, mit Ausnahme der radi- calen, ,n höchst sympathischer Weise besprochen. Man empfindet eS besonders angenehm, daß General v. Caprivi „ack Italien kommt. DaS italienische Selbstgefühl erbält durch diese Höflichkeit eine Genugthnung, die inm immerhin rn gönnen ist und die auch die hämischen Unterstellungen der Radikalen nicht zu schmälern vermögen. Letztere wollen in dem Besuche de» deutschen Kanzlers nichts als einen Wabl- trumpf des verhaßten Ministerpräsidenten erkennen. Die sonderbaren Bcrthcidiger der nationalen Ebrc ärgern sich bitter über diesen Act drr Höflichkeit und werfen Denjenigen, die sich über denselben freuen, niedrigen KneckteSsinn und Mangel an Selbstachtung vor, während sic selbst sich in ihrem Wablfcldzuge von ihren französischen Freunden durch die tollsten Preßcrfindungen in ihrem Wühlen gegen die Regierung unterstützen lassen. Da ist doch die Frage, wer mehr Selbstachtung besitzt, recht leicht zu beantworten. - Ter Reichskanzler von Caprivi wird übrigens in Mailand nicht w,e ursprünglich geplant, im Stadtschloß, sondern im Hotel Cavour absteigen. UV! ausgemacht, daß im nächsten Monat eine wurttembergische Katholiken Versammlung nach Ulm berufen wird. Die bekannten Forderungen solcher Ver sammlungen nach Rückberusung der geistlichen Orden. Ein- ba« gesanunte Schulwesen sollen erhoben werden, ^.aß ein solche» Vorgehen über kur; ober laug kommen mußte, war vorau-zusebe». Ten äußeren Anlaß ' .""brr Münchner .Allgemeinen Zeitung- Stuttgart geschrieben wird, die gehaltene versam auS ersammlunx de« Evangelischen Bunde« gegeben. Da einige Häupter de- letzteren zugleich im deutschconservativrn Verein eine iolle spielen, so ist natürlich, daß auch dieser, namentlich im Gegensatz zu der deutschen Partei, den kirchlichen Standpuncl lebhafter al« je betont. Der deutschen Partei, welche die Religion nicht als Parteisache behandeln will, wird vor- acworfcn, daß sie überhaupt kein Verständniß für die Be deutung der Kirche habe. So scheint Württemberg, welches o lange als Heimstätte deS konfessionellen Frieden« galt» der Schauplatz lebbastcr Kämpfe und sein politische» Leben durch konfessionelle Streitigkeiten beeinflußt werden zu sollen. * Der König von Griechenland bewilligte DelyanniS auf dessen Ersuchen einen Aufschub von mehreren Tagen sür die Bildung eines neuen CabinetS. DelyanniS hat eine Anf orderung an seine Anhänger gerichtet, baldmöglichst nach der Hauptstadt zurückzukehren. * Nachdem die holländischen Kammern die Einsetzung einer Regentschaft beschlossen haben werden, wird der Herzog von Nassau die luxemburgische Kammer auf den 4. November einberufcn. Da die Genesung deö Königs von Holland von seiner Geisteskrankheit und somit ine Wiederholung der vorjährigen Vorgänge ausgeschlossen .-scheint, hat der Herzog seinen bisherigen Widerstand gegen eine Reise nach Luxemburg aufgegebcn und ist nunmehr, wie dem „Rheinischen Kurier" auS Hohenburg gemeldet wird, demnächst ein kurzer Aufenthalt des Herzog-Regenten in Luxemburg nicht ausgeschlossen. * In Tessin sowohl als in Fr ei bürg herrscht Ruhe. In Lugano scheint der Zusammenstoß deS MilitairS mit der Volksmenge ernster gewesen zu sein, als aus den ofsiciellen Mittbeiluugen bisher zu entnebmcn war. Ueber die Ursache desselben wird wohl erst der Bericht deS BundeScommissar- aufklären. Soweit bis jetzt bekannt ist, hat sich die Volks menge mit Unrecht gegen die militairischen Anordnungen aufgelehiit. » DaS amtliche spanische Blatt veröffentlicht die Er nennung von Miguel Suarez GuaneS zum Gesandten in Washington. * In der französischen Deputirtcnkammer wie», wie ausführlicher wiederholen, ^ wir bei der fortgesetzten Bcrathuiig daß Ersparungen nn Betrage von 300 Millionen durch ver schiedene Reformen herbeigcsührt werden könnten. Er werde nicht für neue Steuern stimmen. Fmanzministrr Rouvier wandte sich gegen die hinsichtlich dcS Budgets gemachten Aus stellungen und wies darauf hin, daß die Ausgaben seit zehn Jahren sich um 17 Proc. verringert hätten, und daß ein» facultative Convertirung der 4'/»proc. Rente zu Unzutraglick- kriten führen würde. Die neuen Steuerauflagen seien noth- wrndig, um ein ehrliche« Budget herzustellen und daS außer ordentliche Budget aufzuncdmcn, damit die übermäßigen A»S- aben sür daS Kriegömiiiisterium rin Ende nähmen. DaS Zudgct weise Herabiiilndcrungcn im Betrage von 135 Mill. aus, cS sei unmöglich, damit noch weiter zu geben. Wenn die Kammer der Aufnahme des außerordentlichen Budgets de» KrieaSministeriumS in das ordentliche Budget nickt zustimme, so könne er die Verantwortlichkeit sür die Geschäfte nicht weiter behalten. (Beifall seitens der Linken.) Tie Fortsetzung der Beralhung wurde hierauf auf Donnerstag vertagt. Locialdemokratie und Religion. * Wir haben vor einigen Tagen in der Rubrik „Social- demokratischeS" auf die Briefe eines jungen Theologen hin- gewiescn, welche in der sehr zu empfehlenden Zeitschrift „Christliche Welt" (Verlag von Grunow, hier) erscheinen. Dieser junge Tbeologe hat, wie bekannt, drei Monate uner kannt in einer Chemnitzer Fabrik als Handarbeiter gearbeitet und theilt nun seine Erfahrungen mit. Ueber die Welt anschauung der Socialdemokratie und über ihr Bcrhältniß zur Religion schreibt er: Der letz!« Theil meiner bisherigen Mittheilungen schloß mit dem Satze, daß nach allen meinen Erfahrungen die Hauptgcsahr der heutigen Arbeiterbewegung nicht oder wenigstens noch nicht in den politischen und wirlhschastlichen Idealen der Menge an sich beruhe. Der politische radikale Demokratismus und der com- munislische Socialismus, wie sie bewußt nur die socialdemo- kratischc» Doctrinaire vertreten, ist eben in der That noch lange nicht in Fleisch und Blut der Massen übergeganacn. DaS hat auch Liebknecht jüngst auf dem Eongreß zu Halle, dem ich fast bis zu Ende beigcwohnt habe, offen anerkannt, als er sagte, daß unter der Herrschaft des SocialistengcsetzeS eine neue Arbeiter generation herangewachsen sei, die zwar stark und kampfesmuthig, aber politisch und socialwissenschastlich noch wenig durchgebildet sei. Gilt dies schon von der auserlesenen Schaar der Getreuen, so gilt es erst recht von dem deutschen Turchschnittsarbeiter. Die augenblickliche und größere Gcsahr liegt also wo anders. Sie besteht noch meinein Dafürhalten in dem verhängnißvollcn Einflüsse, den die moderne Socialdemokratie auf das Denken, die Gesinnung, den geistig und sittlich-rcligiösen Charakter unserer ge summt en, nicht blos der erklärt socialdemokratischen deutschen Arbeiterschaft heute bereits ausübt. Hierin ist auch der Terroris mus der Socialdemokraten viel größer noch alS in politischen und wirlhschastlichen Fragen. Das macht, daß die Socialdemokratie nicht nur politische Partei und — irgendwteweit — auch ein neues wirthichastlicheS System, sondern daß sie eine Weltanschauung, die Weltanschauung des consequentesten Materialismus, und daß sie diese in erster Linie ist. Hierin icheint mir, nebenbei bemerkt, auch der eine grundlegende Unterschied der deutschcnSocialdemokraüe von der englischen Charlisten- Partei der vierziger Jahre zu liegen. Sie mag dieser in ihren poli tischen und wlrthichasllichen Zielen immerhin gleichen: eine Welt anschauung, wie sie so ausgeprägt die socialdemokratische Parteilchre vorträgt und programmatisch vertritt, enthält die eüarlo meine» Wissens nicht. Diese Weltanschauung ist freilich nicht neu: neu ist nur die Form, in der sie hier austritt: d. h. mit politischen und wirthschastlichen Zielen und Systemen verquickt, diese selbst erst schaffend, tragend, begründend, und mit ihnen zu einem zwar widerspruchsvollen, aber wunderlich festziisammenhaltenden Ganzen verichmolzen. Feuerbach, Hegel. Schopenhauer, Darwin und Häckel, Marx und Laffnlle sind ihre bunt zusammengewürfelten und zun, Theil unfreiwilligen Väter; Hcael'schcr Schematismus, Häckel'lcher Materialirmus, Schopenhauer'scher Pessimismus ihre Grundlagen; die Kritik, die Aufklärung ihr innerste» Wesen. Die socialdemokra- ffichen Führer in ihrem anmaßenden Dilettantismus nennen sie, die» Parteigebilde allerersten Ranges, die neue, die alleinseligmachend«, ihre Wissenschaft, die Wissenschaft überhaupt. So erst wieder in Halle, wo Las Wort von der „fortschreitenden Wissenschaft" daS beliebte «chlagwort Liebknecht'» war, womit er alle Widersprüche iitedrrschlug; so auch in Chemnitz, wo ich Sehnliche» au» dem Munde von Social.
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