Typographische Mitteilungen

Zeitschrift des bildungsverbandes der deutschen buchdrucker berlin . 28.jahrgang dezember 1931. mit beilage „der sprachwart Wir alle stehen am Scheidewege des Lebens . . . Um uns sind Fabriken, Geschäfte, Kontore und Straßen, ist die Heimat und das Leben. Hinter uns liegt die Vergangenheit, gekrönt durch die Freude, Sorge und Erfahrung. Aber was ist vor uns? Weit können wir nicht schauen, denn kein noch so weiser Prophet kann uns sagen, auf welchen Pfaden wir das Leben durchschreiten werden. Aber zwischen Vergangenheit und Zukunft liegt die Gegen wart, in der das Schicksal mit uns spielt. Sie ist der Scheideweg für uns alle. Gegenwart ist täglich und stündlichScheideweg.In allenMinuten kann das Leben von uns Entscheidungen verlangen; denn in jedem Bruchteil der Sekunde kann die Vielheit des Schicksals für uns entscheiden. Oft genug umgibt uns Versuchung, die uns prüft; oft genug ist sie Meisterin über uns. Doch immer wieder müssen wir Menschen der Arbeit mit klarer Vernunft und festem Willen entscheiden. Keine überirdischen Mächte leiten unsere Geschicke; nur wir selbst gestalten, und mit uns die Zeit, die immer befruchtet wird von dem, was die Menschen aus ihr machen. Das Leben ist der ewige Scheide weg, den wir alle gehen müssen. Aber in der Tatkraft des Lebens liegt das große Geheimnis aller Zeiten zum Erfolg, zum Sieg! Was ist der Mensch, der nicht selbst entscheiden kann, der sich von den Wellen der Geschehnisse treiben läßt, der ohne Ziel einem Nichts zusteuert? Er ist ein Wrack, das im großen Meere ohne Führer treibt, bis es an einem Hindernis strandet. Führer im Schiff des Lebens ist nur jener, der sich selbst überwunden hat, und der andern etwas geben kann von der Stärke der innern Überzeugung und der Macht seines Wissens! Aber wir alle können ein Führer sein, wenn wir an uns schaffen, wenn wir mit uns ringen. Es gibt ein Wort, das prächtig und treffend sagt: »Der Sieg über den Augen blick ist der Sieg über das Leben.« Wer den Augenblick, die Situation, beherrscht und besiegt, der entscheidet seine Wege immer. Wer sich aber von allem begeistern und verführen läßt, der pendelt wie eine Uhr und schwankt wie ein langer Bambusstab, der zählt zu jenen Halbheiten, die vom Kampf des Lebens übertrumpft werden. Ein solcher Mensch hat kein Ziel! Jugend muß zielsicher sein! Fest muß sie im Sattel der Zeit sitzen. Sie soll auch der Begeisterung lebendige Flamme lohen lassen. Aber sie muß auch nüchtern entscheiden können, wenn es das Leben mit seinen Härten gebietet. Wer Sozialist ist, muß überzeugt und zum Kampf gerüstet sein. Nichtswürdig ist, wer seine Gesinnung verheuchelt; aber würdig ist, wer mit Überzeugung behauptet: Ich bin es und werde es sein! Und drängen uns zehnmal die Tagesereignisse auf den Weg der Ent scheidung, auf den Scheideweg, dann ist es elfmal unser Recht und unsere Pflicht, daß wir von uns sagen: Ich bin es und werde es sein! Niemand kann den Scheideweg des Lebens umgehen; wer es dennoch wagt, ist feige und töricht; denn der Kampf um die Sache stärkt den Kämpfer und macht ihn bereit, auch in harten Stunden Gefahren zu meistern. Kurt Busse