I. Einleitung Wie verlief das Zusammentreffen der Deutschen mit den slavi- schen Völkerschaften? Mit dieser Frage haben sich bereits zahlreiche Historiker und Politiker auseinandergesetzt, wobei sie zu den unter schiedlichsten Ergebnissen gelangten. Oft entsteht dabei der Eindruck, daß die politische Auswertung des Problems wichtiger war als eine einwandfreie wissenschaftliche Untersuchung. Die verschiedenen Ansichten lassen sich in vier große Gruppen auf gliedern. Dabei können im folgenden nur die wesentlichen Grundzüge herausgearbeitet werden, soweit sie die Mark Brandenburg betreffen. Es ist nicht möglich, die Stellungnahmen der ausländischen und deut schen Forscher gesondert zu behandeln, da ein Vergleich ihrer Ansich ten zeigt, daß grundsätzliche Unterschiede nicht bestehen. Die verschie denen Theorien durchbrechen alle nationalen Schranken. 1. Die Urgermanentheorie Ihre Vertreter sind vornehmlich Platner, Schwartz und Behre 1 ). Sie gehen von der Tatsache der raschen Eindeutschung und des fast völli gen Verschwindens aller slavischen Elemente im Verlaufe des 13. und 14. Jahrhunderts aus. Diesen Vorgang versucht man durch die An nahme zu erklären, daß größere Teile der Germanen in ihren Stamm sitzen verblieben, die slavische Herrschaftsepoche überdauerten und die deutsche Besiedlung der Ostgebiete im 12. Jahrhundert unter stützten. Eine Auseinandersetzung mit den einzelnen von der Urgermanen theorie angeführten Argumenten ist hier nicht am Platz, da diese Theorie bereits hinreichend widerlegt ist und kaum noch eine Rolle spielt. Selbst jüngere Vertreter wie Behre vermögen keine durchschla genden neuen Argumente vorzubringen, die die Ein wände Wendts widerlegten 2 . 1 Platner, Spuren deutscher Bevölkerung (1877); Schwartz, Stammbevöl kerungsfrage (1887); Behre, Geschichte der Statistik (1905). — Die Buchtitel werden ausführlich im Literaturverzeichnis aufgeführt. 2 Behre, S. 14 ff. — Hintze (FBFG 18, 1905, 671 ff.) übte an dieser Ein stellung Kritik. Wendt, Die Nationalität... (Diss. 1873) hatte bereits die älteren Ansichten erörtert und widerlegt; die Diskussion erneuerte sich jedoch nach dem ersten Weltkrieg, betraf aber nicht mehr die branden burgischen Gebiete.