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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.10.1891
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1891-10-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18911005023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1891100502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1891100502
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1891
- Monat1891-10
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AbomrementSpret- k» »er tzaupteppeditton oder de» im Stadt, beztrk und deu Vororten errichteten Au«, aadestellen abgeholt: vierteljährlich 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung in« H-m» » 5.50. Durch di« Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteliührlich ü—. Direkte tägliche Krrujbandsenduug in- Ausland: monatlich ^l S.—. Die Morgn1.A11s5.2br erscheint täglich 6 Uhr, die Äbeud-Lulgabe Wochentag« 5 Uhr. Lrdaclion »nd Expedition: J-hanne-zaste 8. Di« itzpedittoa ist ununterbrochen gc. äffnet voa früh 8 bi» Abend« 7 Uhr. Filialen: vtt» »le»«'» korti». («fre» Hahn). Universitütsstroße 1, Laut» Lösche, Aathartnesstr. 14. pari, und SSalgSplatz 7. Drack und Verlag von L. Polz tu Leipzig. ^ 307. Abend-Ansgabe. und Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Montag den 5. October 1891. JnfertionSprei- Moraen-Autgabe: die 6gespaltene V»M- «eile 20 >^, Reclamen unter dem Redaction»« strich («gespalten) 50/H, vor de» Familien» nachrichlen (6 gespalten) 40 H. Abend-Ausgabe: die 6gespaltene Petitzeile 40 Reclainen unter dem Redaction-strich <4gkipalten> l Familieniiachrichten und Anzeigen verlorener Wegenstände (Ogespalten) 20^. Größere Lchristen laut unserem Prei». vcrzcichniß. Tabellarischer und Zisftrnjatz nach höherem Tarif. Sptra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen - Ausgabe . ohne Postbeförderung >» W.—, mit Postbesörderung 70.—. Ännaiimkfchlllß für Inserate: Abend-AuSgabe: Vormittag» 10 Uhr. Marge n-AnSgabe: Nachmittags 4 Uhr. Sonn, und Festtags früh 9 Uhr. Br! den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Inserate sind stets an die Expedition zu richten. 85. Jahrgang. Demokratie und Weltgeschichte. * In diesen Tagen, in denen e» ein Jahr wurde, seit da» Gesetz gegen dft gemeingefährlichen Bestrebungen der Social- dcniokratic abgelaufcn ist, hat man viel über die Social- dcm.kratie geschrieben. Abgesehen davon, ob die Aufhebung des Locialistengesetzes heilsam oder schädlich war, ist besonders eine Frage der Erörterung Werth: ist eine reine Demokratie in einem grasten und stark bevölkerten Staate überhaupt denkbar? Die Geschichte verneint diese Frage auf daS Entschiedenste. Allerdings haben wir im Altcrtbume Demokratien gehabt, aber unter ganz anderen Verhältnissen, als die heutigen cs sind. Reine Demokratien Ware» — mit gewisser Ein schränkung — ai.ch im Altcrthum nur da möglich, wo ein nickt sehr zahlreiches Völkchen, ober, bester gesagt, eine Ge meinde auf eng begrenztem Raume in Abgeschlossenheit vom Auslände zusammen lebte. Eine besonders wichtige Vor bedingung war auch die Gleichartigkeit derIntcrcsscn aller Bürger, die nur da möglich war, wo der Boden Allen gleichmäßig dasselbe lieferte und nicht dem Einen bei geringer Mühe viel, dem Anderen bei anstrengender Arbeit wenig eintrng. Denn sobald eine Verschiedenheit der äußerenLcbcnSbedingungcn eintrrt, mußte nothwendiger Weise auch eine Vcrschiedcnartig- kcit des Wohlstandes und somit Mißgunst und Rcid sich cin- stellen. Ja, wir Heben nicht zu weil, wenn wir behaupten, nur in solchen Kleinstaaten war eine Demokratie möglich, wo ein Jeder in der Lage war, Sclaven für sich arbeiten zu lassen. Denn nur dann konnte im Altcrthum ein Bürger genau so leben wie der andere — nämlich als Herr, für den der Sclave die Arbeit that. So konnte der mangelhaft Be fähigte mit dem BeHabten Schritt halten, da sein Manco an Arbeitskraft durch die Sclaven ersetzt wurde. Aber auch diese Art der Demokratie war nur in den allereinfackstcn Verhältnissen möglich, in denen alle Bürger die gleichen Bedürfnisse hatten und die geistige Ausbildung noch so wenig entwickelt war, daß der Befähigte nickt als an gesehener gelten konnte als sein geistig schwächerer Mitbürger. Daß thatsächlich nirgends, auch im alten Nom und in Sparta und den übrigen hellenischen Staaten nicht, eine derartig rein kommunistische Demokratie bestanden bat, wie sie vielleicht ge legentlich angestrebt wurde, dürste jedem GeschichtSkundigcn vollauf bekannt sein, klebrigen« bestreiten wir auck, daß Staaten, in denen nur die Bollbürger eine demokratische Verfassung besaßen, während unter ihnen eine rechtölosc, unfreie Maste von Sclaven stand, wirklich demokratische waren; man müßte denn die Sklaven nicht als Meiisckcn anschen. Und so weisen wir eine Berufung socialistisckcr und demokratischer Doctrinaire auf die Staate» des Alter tbiimS entschieden zurück. Wohl aber lassen dieselben sich als Beispiele ansühren, um »achznweiscn, wie der Versuch, die Demokratie zur Herrschaft zu bringe», stets zur Tyrannei der Ochlokratie — der Pöbelherrsckaft — gesübrt hat. Man sehe auf Athen hi», wo das Volk seine besten Bürger aus Neid und aus dem niedrigen Gefühle seiner eigenen Erbärmlichkeit neben der Größe jener Männer durch oaS Scherbengericht in die Verbannung sandte. Man denke oaran, wie in demselben Athen ein völlig ungebildeter, roher Mann wie der Gerber Kleon seinem ilm tburmboch über ragenden Gegner, dem großen PcriklcS, Schwierigkeiten über Schwierigkeiten schassen konnte, wie er aus die gemeinsten Regungen des Pöbels speculirend nach des Perikles TodcderNach- solger dieses großen Mannes in der Führung deS BolkeSwerdcn konnte; man vergesse nicht, wie dieser Demokrat — der nebenbei gesagt einer der verhaßtesten Sciavenbesitzer war — seine Mitbürger zu der schändlichen Niedermctzcluiig sämmtlicher gefangenen Männer der Insel LeSboS verleitete, und wie er endlich gegen den tapferen Brasidas zu Felde zog und auf rühmloser Flucht »ach verlorener Schlacht das Leben ein- büßle. DaS Alles war nur in einer vom Pöbel beherrschten Demokratie möglich. Und eS wäre auch heute etwas Selbst verständliches, wenn wir in einem demokratiscken Staate lebten. Man sehe doch nach Frankreick hin, wo die Helden der Gaste die gelammte Bürgerschaft in stete Gefahr unvorhergesehener Gewallstreichc und in ständige Kriegsgefahr versetzen. Und denkt etwa irgend Einer, die Führer der Eocialdemokratic würden, wenn ihre Partei das Ruder in Händen hielte, nicht genau ebenso wie einst der gcwalttbätige Gerbermeister Kleon und wie später der corsiscke Parvenü ganze Völker durch Entflammung der niedrigsten Leidenschaften zu beherrschen suchen? Ob antiker Gerbermcister oder moderner Drechsler oder Klempiiermcister, daS ist in diesem Puncte einerlei. Ein Blick auf die römische Geschickte lehrt dasselbe. WaS waren die Gracchischen Unruhen Anderes als daS gewaltsame Ausbäumen einer Dollsmassc, die von leiden schaftlichen Parteiführern zu blindem Ausbruche der rohen Gewalt sich sortreißen ließ? Und welche Lehre haben wir aus diesen Tbatsachcn der Geschichte zu ziehen? Die eine: daß eine reine Demokratie, daS beißt nicht die Mitarbeit des ganzen BolkcS, sondern die Herrschaft der blinden Äasse ini StaaiSwescn unmöglich ist, so langeMenschen verschiede» organisirl und Länder in klimatischer, geognostischer und jeder andere» Hinsicht nicht völlig gleichförmig gestaltet sind. Und die anvcre Lehre: daß der Verführung der so leicht verführbaren Menge nur durch Bildung und Gesittung, durch den Schutz der Gesetze für Alle und durch Hochachtung der Rechte eines jeden Einzelnen vorgebeugt werden kann. Leipzig, 6. October. * Wie aus Berlin gemeldet wird, hat der Kaiser sowohl da» erneut eingereichte Abschiedsgesuch des Generals der Infanterie Frhn. v. Meerscheidt-Hüllesrm, comman- direnden Generals des GardccorpS, als auch dasjenige des Generals der Cavallrrit and Gcneraladjutantcn v Albedyll, commandirenden Generals deS 7. ArmcecorpS, ab ge lehnt. Beiden Generalen gingen diesbezügliche überaus gnädige Handschreiben zu. * Der „Reichsanzeiger" schreibt: Nack Artikel 8 des AuS- lieferung-vertrageS zwischen dem Deutschen Reich und Italien vom 3l. Oktober I87l kann die vorläufige Festnahme flüchtiger Verbrecher nur im diplomatischen Wege beantragt werden. In Fällen, welche einer besonderen Beschleunigung bedürfen, wird den diesseitigen Behörden jedoch^ »ach einer Verfügung des Justiz-Ministers vom 25. September gestattet, nach Maßgabe der folgenden Be stimmungen zu verfahren: 1) Das Ersuchen, die vorläufige Festnahme einer Person herbei- zusühren, deren Auslieferung aus Grund des Auslieserungsvertragc» zwischen dem Teuticken Reick und Italien vom 31. October 1871 beantragt werde» soll, ist unter Angabe der dem Verfolgten zur Laß gelegten strafbaren .Handlung und init lhimlichst genauer Be- schrcibung seiner Person, sowie unter Berufung daraus, daß ein Strasurtheil, ein Beschluß auf Verletzung in den Anklagestand oder ein Haftbefehl erlassen sei, an diejenige kaiserlich deutsche Eonjulats. behörde in Italien zu richten, in deren Bezirk der Verfolgte vermulhet wird. In dem Ersuchen ist zu erwähnen, dag der kaiserliche»Botschaft in Rom Mittheilung gemacht sei und daß die Stellung der »ach dem Auslieserungsverirage erforderlichen formellen Anträge bei der königlich italienische» Negierung scitens'der kaiserlichen Botschaft er folge. 2) Bon dem Eriuchen (Ziffer 1) ist die kaiserlich deutsche Botschaft in Rom gleichzeitig und, wenn das Ersuche» telegraphisch crsolgt, ebeiisalls im telegraphische» Wege in Itciintiiiß zu setzen. 3) Tie Einsendung der zur Stellung des Austiescruiigc-antrageS erforderlichen Schriftstücke an de» Justizminister ist i» solche» Fälle» zu beschleunigen, weil die Frist für die vorläufige Feslhaltunz nur zwanzig Tage beträgt. * Rings um Berlin sind seit Jahren eine Reihe von Vororten emporgewachscn, von denen manche für sich wieder eine kleine Stadl bilden. Sic gehören nicht zur Gemeinde Berlin, obgleich die Mehrzahl ihrer Bewohner nichts weiter sind als Berliner, welche vor de» stetig steigenden Wohnungsmiethen der Hauptstadt ausrissen, um sich auf dem Lande in möglichster Näbe Berlins gesündere und lustigere Wohnungen zu suchen. Diese Wohnungen in den Vororte» sind zum Tbeil billiger, aber nicht viel. Nur dort, wo sich hauptsächlich Arbeiter ansiedelte», und clwaö entlegener von der Stadl sind die Preise wesentlich mäßiger. Durchschnittlich wurde daS Wohnen in den Vororten durch die Eiseubahnfahrt bemerkbar vcrtbeuert, obgleich bei JahreS-AbonncmentS von einzelnen Bahnen ein guter Nachlaß im Preise gewährt wurde. Die stärkste Besiedelung der Um gegend Berlin« richtete sich nach Westen. Norden und Süd- ostcn. In letztere beide Richtungen zog sich besonders die kleine Arbeiterbevölkernng bin. Nach dem Westen flohen meist die Beamten, Lehrer und Kaufleute rc. Ter wachsende Verkehr nach dem Westen aus der Potsdamer Bah» bat schließlich dazu geführt, daß eine Reibe ganz neuer Gleise ausschließlich für den Vorortsverkehr gelegt wurden. Mit der Eröffnung derselben, die am 1. October vor sich ging, ist gleichzeitig ein neuer Zonentarif für die gesammte Umgebung Berlins cingesührt worden, überhaupt ein besonderer VororlS-Ticnst. Man läßt auf der mcistbcfahrncn Strecke, die zwischen Berlin-Potsdam (1 deutsche Meilen) liegt, alle zehn Minuten die Bahnzüge laufen und bat die Fabrpreisc ui» 50 bi« 75 Proccnt er mäßigt. Früher zahlte man für die Fahrt nach Zehlendorf, einem jetzt mächtig cmporstrebcnden Borörtckcn, in der dritten Classe 8o ^s, jetzt nur 20 F, die Fahrzeit währt circa 20 Mi nuten. Nach demselben Maßstabc rcgnliren sich die Preise für die anderen Bororte. Für ungefähr zehn Minuten Bahnfahrt zahlt inan rund lo in der dritten und 15 in der zweiten Classe. Die dritte wird jedoch hauptsächlich auck von dem Mittelstände benutzt, vornehmlich in dem Vorortüverkebr, wo jede Station ihre eigenen Waggons hat, so daß an Wochen tagen fast immer dieselben Insassen mit einander fahren. Man ist sehr gespannt, ob dieser erleichterte Verkehr — für die näheren Stationen gebt jede zehn Minute», für die ent fernteren jede zwanzig Minuten ein Zug ab — die Be völkerung stärker aus dem steinernen Häusermcer der großen Stadt in die Umgebung hinanSzicbcn wird, so Laß schließlich Jeder, der cö geschäftlich durchführen kann, „draußen" wobnl und „drinnen" nur der Arbeit »achgcht, ungefähr wie in London. Stark erschwert wiro die An siedelung draußen allerdings durch die in Berlin noch immer übliche Tageszeit. Die Mehrheit der Bevölkerung speist hier Mittags und hälk zwischen l2 und 2 Uhr Tischzeit. Dadurch wird der Tag in zwei Arbcitöhälftcn zerrissen und man muß viermal tagsüber die Bah» benutzen, wen» man „draußen" wohnt. Nur wenige Geschäfte haben „englische" Arbeits zeit, bei welcher man »m 6 oder 7 Ubr AbcndS die Hauptmahlzeit nimmt. Bevor nickt allgemeiner in den besseren Geschäften diese Arbeitszeit eingcführt ist und die veränderte Tischzeit sich eingebürgert hat, tan» immer nur ein vcrhältnißmäßig kleiner Brnchlbeil der Bevölkerung mit Nutzen draußen wohnen. Vorläufig hat in den baupl- sächlickstcn Vororten im Hinblick ans die neuen VerkebrS- Erlcichreruiigcn eine geradezu verrückte Speciilaiion mit Grund und Boren sich crbobc» und eine riesige Bauwuth besetzt die sandigsten Kartofftl-Accker der nähere» und weiteren Umgebung Berlins milgroßen M ethscasernen richtigen Berliner Stils unk imbksckrciblicheii V llen, zu denen man Landlust suchende Miethcr und Käufer aus der Haupstadt erwartet. * Die Ausdehnung der Unfallversicherung ans daö Handwerk wird sckon seit längerer Zeit erwogen, daß sic auch jetzt noch beabsichtigt wird, bat nur erst neulich ans dem Berner internationale» Congrcß der Präsident des NcichSverslchcrungSamtcs I)r. Boediker versickert. Wenn cS bisher nicht dazu gekommen ist, daS Handwerk in den Kreis der UnsallvcrsickeriingSpslicht einzubezichcn, schreiben die „Hamburger Nachrichten", so lag da« mehr an äußeren Grünten. Die Durchführung de« in der kaiserlichen Bot schaft vom 17. November 188l niedergelegten socialpolitischc» Programms ist in einer verbältnißmäßig scbr kurzen Zeit erfolgt. Mit dem Teccmbcr 1881 trat das Kranken- versickerungSgesetz, mit dem October 1885 daS.Unfall- und mit dem i. Januar 1891 daS InvalidilätS- und AlterSversichernngSgesetz in Kraft. Man wird angesichts dieser scknellcn Ansrinanderfolgc so wichtiger und so umfassen der VersicherungSgcsctzc begreift», daß die maßgebenden Kreise kick bisher nicht um de» Ausbau kiuzelner Tbcile beS großen socialpolitischen GebänteS kümmern konnten. Nunmehr, nach dem daS letzte der genannten Gesetze bereits Trcivicrtcljahrc praktisch gcbandbabt wirb, ist der äußere Grund für die Bcr zögerung der Ausdehnung der Unfallversicherung auf daS Handwerk in Fortfall gekommen Jetzt icdoch zeigt es sich, daß die Uebertragung so ohne Weiteres nickt erfolgen kann. Man stebt dem Handwerk gegenüber vor einem reckt schwierigen Dilemma. ES ist gar nicht zu be streiten. daß da- 'Handwerk von der gegenwärtigen Gestal tung der Unfallversicherung in so fern Nachtheil hat, als in Folge derselben sein Bezug von Arbeitskräften sich ungemein erschwert hat. Dem Arbeiter wird eS Niemand übelnehmcn können, daß er lieber in der Industrie beschäftigt sein will, wo zwar die Unsallgefahr eine größere ist, er aber die Ge wißheit hat, daß, wenn einmal ein Unfall cintritt, er und seine Familie auch versorgt sind Andererseits ist natürlich die Uebertragung der Unfallversicherung mit großen Koste» verknüpft, mit so großen, daß, wenn die bisherige», haupt sächlich für die Industrie berechneten Gesetze ohne Weiteres auf das Handwerk Anwendung finden sollten, das letztere einfach erdrückt werden würde. Einen Ausweg ausdieftm Dilcmmabietel nur die gänzliche Umformung der Unfallversicherung für das Handwerk. Man wird eine Organisation wählen müssen, deren Kosten und Laste» nicht allein vom Handwerk getragen zu werden brauchten. Man wird auch nicht die An sammlung so gewaltiger Reservefonds verlangen können, wie sie die bisherigen BcrufSgcnosscnschaftcn ausbringcn müssen. Vielleicht wäre'es angängig, in der Gestaltung bcr Organi sation Garantien zu finden, welche auch den Mangel der in den Reservefonds liegenden Sicherheit weniger drückend machten. Klirr, wesentlich anders wird die Unfallversicherung deS Hand werks auSsehcn müssen als die bisherige. Und auch dann ist cs sicher, daß dem Handwerk die Auf bringung der Kosten nicht leicht fallen wird. Aber wenn der Präsident deS ReichS-VersicheriingSamtcS aus dem Berner Congrcß mitlkeilen konnte, daß die Schornstein feger, welche gegenwärtig sckon zn einer BerusSgenosftnsckast zusammengefaßt"sind, deren recht hohe BerwaltungSkosten gern zahlten, weil sie dafür ein alle Berussgcnossen umsassendcö Band und eine Steigerung deS SolidarilätSgefühlö ein getauscht hätten, so wird man ja auck wobl bei den anderen Handwcrkszweigen eine ähnliche Auffassung voraussetzen dürfen. Ein engeres Ancinanderschließcn und eine daraus bervorgebende Einigkeit in der Verfolgung ihrer Interessen wäre den Handwerkern innerhalb ihrer einzelnen Branchen wohl zu wünschen. * Man berichtet aus Schleswig: DaS Handschreiben deS Kaisers Franz Josef, welche? bei der Parade des SchleSwig-Holsteinischcn Husaren-Regiments Nr. 16 verlesen Wurde, hat folgenden Wortlaut: Lieber Major von Cchmelingl Die innigen Beziehungen, welche mich at» Chef zweier Regimenter de» königlich preußischen Heere» mit diesem verbinden, lassen mich demselben stets mein lebhaftes Interesse entgcgenbringen, und ich freue mich, dies aus Anlaß des gegenwärtigen schönen Festes erneuert bclhätigen zu könne». Mit wahrem Stolz darf das Regiment, dessen Chef zu sein ich so glücklich bi», aus die 25 Jahre seines Bestehens und auf die Ruhmcsihaten zurück- blicken, welche dasselbe bereits vollsührt hat. Das schöne und tapfere Regiment wird gewiß auch fernerhin, feine ruhmvolle Tradition hochhaltend, sich der Allerhöchsten Zufriedenheit seines mir so innig befreundeten striegsherrn würdig zeigen. Tie besien Wünsche für die Zukunft des Regiments hegend, bleibe ich, Herr Major, Ihr wohlgeneigter Franz Joses. Wien, am 22. September 1891. * In Bremen tagten die Vertreter des Nord deutschen Lloyd, der Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Acticngcsellschast, der Niederländisch- Amerikanischen DampfsckisfahrtS - Gescl lsckast, der Compagnie GSnöralc TranSatlantique »nd der Red-Star-Linic. Die Veranlassung zu dieser Tagung hatte Herr Colonel Weber, U. St, Supcrintenbenk of Emi gration, in seiner Eigenschaft als Vorsitzender einer von den Bereinigten Staaten nach Europa gesandten Commission zur Untersuchung der gesammten für die Aus wanderung nach den Vereinigten Staaten von Amerika in Betracht kominciiden Verhältnisse gegeben. Eine gleichartige Versammlung bcr englischen DampfergescUschaslc» in Liverpool gab jüngst Gelegenheit zu erfolgreichem AuSsprcckcn zwischen den amerikanischen Com- missarcn und den Gcftllschasken. Insbesondere wünschte man, die Ansichten der verschiedenen Rhcdercien darüber zu crsahren, ob eS ratksam sei, die nach den Vereinigten Staaten gehenden Auswanderer einer Cousularinspcction zu unterziehen, oder ob cs sich empfehle, die Auswanderer durch Uiiterageiiten der Gesellschaften, welche über das ganze Lank zerstreut sind, in- spicircn zu lasse», und ob im letzteren Falle die Gesellschaften eine genügende Controle über ihre Uiiterageiiten hätten. Alle diese Fragen sind nickt nur für dicVcrcinigtcnStaaten von praktischer, sondern auch für die Tampfcrgescllschaflen von schwerwiegender finanzieller Tragweite, ist doch die Regierung in Washington ge willt, die amcrikaiiisckc» Gesetze, bctr. die Einwanderung, falls die von ihr gewünschte Vorsicht in der Auswahl der Auswanderer von den Rbedereien nicht genügend geübt wirb oder nickt binlänglick geübt werten kann, ganz erheblich zu verschärfen, was gleichbedeutend wäre »lil einer geschäftlichen Einbuße der europäische» Dampsergcscllschaftcn. Selbstverständlich wollen die Vereinigte» Staaten den brauchbaren deutschen Arbeiter gern aufnebmc», aber cS kommt zuviel arbeitsscheue« und abge branntes Volk meist »icktdellifcher Nationalität nach drüben. Zum nickt geringen Tbeil benutzt dieses bckanntlick als Ver schiffungshafen ecncn Platz der oben genannte» Geftllsckaften. Woher alle solche Leute tommen und welche Gründe sie zur Aus wanderung treiben, darüber hat sich die amcrikaiiisckc Com mission inzwischen ans ikrer Reise durch Rußland, Oesterreich- Ungarn, Italic». Frankreich, Belgien. Holland und Groß britannien insormire» könne». Diese Reisen wurden i»i dircctcn Auftrag des SckaHamts der Vereinigten Staaten unternommen, sie sind eine Folge des drüben »»mer lebhafter sich äußernden Bestrebens, den Eiiiwandcrerstrom zu hemmen, da er Elemente »ul sich schwemmt, welche den guten Arbeiter schädigen und die Menge der Sträflinge und Bettler ver größern helfen. Wenn man bedenkt, wie mit den Chinesen trüben kurzer Prcccß gemacht wurde, so darf man gewiß sei», daß man in den Vereinigten Staaten eventuell in äbnucker Weise energisch austrcte» wird, falls das Treiben gewissenloser Agenten im Absckub unbrauchbarer Auswanderer nicht anfbört. Colonel Weber führte dies alles den hier tagenden Vertre ter» der genannte» Gesellschaften vor Angen »nd warnte vor der Beförderung solcher Auswanderer, welchen drüben aus Grund des sogenannten CoiitractgesetzeS das Lande» verboten werden könne. Er stellte evcnt, wie gesagt, eine erhebliche Ver schärfung der einschlägigen Gesetze in Aussicht. Tic Ver sammlung stimmte dein Vorschläge zu, eine Inspektion der Emigranten durch die Untcragcnlen der Gesellschaften vor nehmen zu lasse», da letztere für eine genügende Controle zu sorgen Wohl im Stanke sein würden. Eine Consular- inspection verbiete sich indessen a»S praktische» Gründen von selbst. ES sei noch bemerkt, daß die amerikanische Com mission ihre Ausgabe in Europa nach mehrmonatiger Thäliz- keit jetzt vollendet hat, so daß in Kurzem die Rückreise erfolgt. Die osficiellc Berichterstattung dürste bei dem großen Um fang deS gesammelten Materials wohl noch etwas auf sich warten lassen. * In der zahlreich besuchten gestrigen Sitzung des LandcöauöscbusseS der nationallibcralen Partei Bayerns wurde auf den Antrag deS Abg. Casselmann- Bayreuth einstimmig eine Resolution angenommen, welche cS für eine Pflicht der bayerischen Nationallibcralen erklärt, bei der in Aussicht stehenden Rcicksmilitairortliung mit Ent schiedenheit für die Lesfentlichkeit und Mündlichkeit deS Bcr- sahrens unter Ausschluß de« in der gegenwärtige» preußischen Gerichtsordnung enthaltenen BeslätigungörcchtcS einzutretc». * Der Chefredakteur FuSangel ist gegen Hinterlegung einer Cautio» von 15 000.0t aus der Haft entlassen Worten. * AuS Weimar wird uns geschrieben: Wenn wir vor etwa drei Wochen in einer Corrcspondcn; sagten, daß die Landtagswahlen im Großberzogthum cLacksc» den Deutschsrcisinn einen Gewinn von 0 Procent bringen würden, so bat sich diese Voraussagung als nicht ganz ricktig beranS- gcstellt — in dem Sinne nämlich, daß der Freisinn sogar »och einen Verlust zu verzeichnen bat. An Stelle deS bisherige» freisinnigen Abgeordneten für Allstedt ist dort jetzt ein natioiialliberalcr Amtsrichter gewählt. Die noch ausstchen- Lcn Wahlen bieten dem Freisinn keine Aussicht. » * O * Die Wiener „MontagS-Nevue" meldet: Die Mehr- fordcrungcn der beiderseitigen Negierungen für daö HcercS- budget betragen 5 Millionen Gulden; dennoch schließe daS österreichische Budget mit einem Ucberschuß von 100 000 fl. ab. * Zum Schlüsse der Kaiserreisc i» Böhmen ist doch noch eine politische Aeußcrung des Kaiser« gefallen. Tie officiöse „Presse" schreibt darüber: „Bei Bcsicktigung bcr Wcbereischule (in Ncichenberg) wies der Kaiser dem Kammer präsidenten Ginzkey gegenüber auf die Notbwendigkcil dcö „allseitigen einträchtigen Zusammenwirkens" bin, und beim Besuche der Fabrik Herrn Gmzkey's erklärte Seine Majestät, er bedauere, daß die bockcnlwickelte Reickcn- berger Industrie auf der Prager Landesausstellung, die so fckön gelungen sei, nicht vertreten erscheine, denn deren Erzeugnisse hätten »och zur weiteren Verschönerung der Aus stellung bcigelragen. Diese Worte dürste», wenn sie anck in einer dem Zartgefühle des Kaisers entsprechenden milden Fassung gesprochen wurden, dennoch zur Genüge darüber aufkläre», daß Sr. Majestät daS glückliche Gelingen der Prager Ausstellung sehr am Herzen gelegen ist, und daß der Monarck es gerne gesehen hätte, wen» die dcutsch- böhmisckcn Industriellen die bekannten politische» Vorfälle nicht als Anlaß zur Abstinenz von bcr Ausstellung be nützt hätten. Diese Bemerkungen sind von um so größeren, Gewichte, als sie an die Adresse des Präsidenten der Reichen- bergcr Handels- und Gcwcrbekainiiier gerichtet waren, von welcher bekanntlich die Parole zur Nichtbeschickung der Prager Ausstellung a»Sgi»g." Damit hätte also der Kaiser gegen über den beiden VolkSstämmcn in Böhmen „Parität" geübt. Jeder von beiden bat seine not» le-vis erhalte», die Czcchcn am ersten, die Deutschen am letzten Tage der Reise. * An den Straßenecken in Reichcnberg und in den Ortsckastcn der llmgcbung wird folgende Kun diiiachung asfichirt werden: „3000 Gulden Belohnung! Auf die Ausforschung und Zustaiitchringiiiig der Tbätcr des ans daS Bahnobjcct nächst der Station Roscnthal in der Nacht vom 30. September auf den I. October 1891 ver übte» Bomben-AtlcntateS wird hiermit eine Prämie von 3000 Gulden ausgeschrieben. Von diesem Betrage erhält den Betrag von 1000 Gulden schon jener, welcher den Bebörden solche AnhaltSpunctc liefert, welche zur Eruirnng beS oder der Thätcr führen. Der Statthalter: Franz Gras Thun." * Der ungarische Reichstag hat sich zur letzten Session seiner ersten fünfjährigen Gesetzgebungs-Periode ver sammelt. Im nächsten Frühjahre wird die Auflösung des seinem Ente cntgegenaehcnden Abgeordnetenhauses erfolgen, und somit wird der Reichstag unter dem Zeichen der Neu wahlen tagen. Di: Rücksicht ans die Wahlen bringt in die letzte Session immer eine gewisse Bewegung und Erregtheit, unk »ni diesen Zustand nicht z» oft um sich greifen zn lasse», bat man ja die dreijährige Mandatsdauer in eine fünfjährige »mgewanbelt. Allein diesmal sind cS noch besondere lim stände, welche der Lage ein ernstes, fast kritisches Gepräge ausdrückcn. Die letzte Session hat vor zwei Monate» mit der Debatte über die VcrwaltimgSreform geschlossen. Die radicale Opposition hat dieses Gesetz niit den Mitteln der Obstruclion bekämpft, »nd sie bat ihr Ziel erreicht. Das VerwaltungSgesetz ist nickt zn Stande gekommen, eine Minorität, die kaum ein Viertel der Stimmen rcpräsentirt, bat der Regierung und der Mehrheit ihren Willen aufgc zwungen, das Ministerium bat den Rückzug angetrcte». und die Kossuth-Parlci ist Siegerin geblieben. Eine beispiellose Erbitterung bat sich in diesen Kämpfen entwickelt, unk sie wird wieder hervorbrechen, sobald die Parteien einander gegeiiüberstehen werten. * In einer am Sonntag stattgebabte» Conferenz der liberalen Partei wies der Ministerpräsident Graf Szaparv unter lebhafter Zustimmnna der Anwesende» die Aiillagen des Grase» Apponui in dessen Iaßbcrenner Rede zurück Der Präsident der Partei dankte dem Minister präsidenten und versickerte, die Partei werde sich durch keinerlei Verdächtigung von dem im Interesse des Landes für ricktig erachteten Wege abwendig macken lassen. ' A»S Brüssel wird von, 3. October gemeldet: Ai.läßlick der Beerdigung Boulanger'« drängt sich eine, bauptsäcklick a»S Frauen bestehende, ungeheure Volksnienge in den Straßen. Das Gedränge ist so gewaltig, daß die Polizei nickt im Stanke ist, die Ordnung aufrecht z» erhalte». Als die Polizei versuckftc, einen Raum vor der Wohnung des Dahingcsckicdencn frei zu machen, durchbrach die Menge den Cordon. Eine größere Zahl ohnmächtig gewordener Frauen
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