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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.01.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-01-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920127028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892012702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892012702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-01
- Tag1892-01-27
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jüdischen Studien fort. Nnterrichtsminister Gautsch trat für die Vorlage ein unk versprach, das; a»ch die Rechtsentwick- luug in de» cinzclncn Ländern Berücksichtigung linden werde. — Bon antisemitischer Seite wurde der Ministerpräsident über die Einstellung der Untersuchung in der Angelegenbeit der Börsenpanik interpellier. * Die Zustände in Böbmen drängen zu einer Ent scheidung, und die Deutschen scheinen nicht länger gesonnen zu sein, der Bewegung gegen den Ausgleich thatenloö zuzu- leken. So wird rer „Boss. Ztg." gemeldet, daß in Holge der Bewegung unter deni Feudaladcl, gemeinsam init den Iungczcchen den Ausgleich zu bekämpfen, die Lage Böhmens als eine ernste gilt. Der Führer der Deutschen Böhmens, 1)r. Schmer,tat, trifft in Wien ein, um mit Regierung und Führern der Linken das weitere Vorgehen scstzustelle». Die Iungczcchen haben nicht umsonst angckündigt, ras; daS Wort „AuSnahniszustand" an erster Stelle gefallen sei. Wenn ihr Treiben, das noch durch ibrc osfentnndige Hin ueigung zu Rußland und ihre in allen Reren zu Tage tretende Feindschaft gegen Deutschland und die Deutschen untersucht wird, andauert, wird eine solche vom frcibcitlichen Stand pnncte stets beklagenswertbe Maßregel möglicherweise ein treten. Tie Führer der Iungczechen verkennen ganz die leutige allgemeine Lage, nicht nur diejenige in Oesterreich, wisst müßten sic wissen, daß nur in einem cbrlichen Frietens- ichlnsse mit den Deutschen ihres engeren HeimatblandeS ihr Heil liegt. Wokin nationale Hetzerei sükrt, dafür bietet Böhmen ein lehrreiches Beispiel, und die äußersten Conse qnenzen dürften noch gezogen werden. * Die allseitize Bollziehung der Brüsseler Acte steht bevor. Amerika und Portugal hatten die ihnen gewährte Beilängerung bis ;»m 2. Februar verlangt, weil sie die Ge nehmigung ihrer Kammer» sonst nicht rechtzeitig erkalten leimte». Auch die Erhebung der Zölle durck den Cong'o- >r r at wirk nun wohl bald beginnen, das bezügliche Protokoll seilte schon von Frankreich, Portugal und dem unabhängigen Baat vereinbart sein, und die Unterzeichnung, falls sic nicht imon erfolgt ist, wurde jederzeit erwartet. Dasselbe war be sonders deswegen vereinbart, weil sonst jeder der drei Staaten kurch die Herabsetzung der Zölle den .Handel aus sein Gebier lenken und die anderen beschädigen konnte. Es wäre ein Zollkamps in entgegengesetzter Richtung gewesen, der gewiß leiser vermieden wurde. * Der Eardinal LedochowSk! ist zum Präsecten der I'ropugaucka ückn, Eardinal Banutclli zum Secrelair für Ap. Breven und Eardinal Ricci zum Sccretair der Memoralien ernannt worden. * Nach einer Beilcidökundgebnng anläßlich des Todes teS Großfürsten Konstantin Nitolajewilsch berietb die Sanitätsconfcrenz in Bcnedig Dienstag Bormittag ei» Reglement für den Sccpolizcidicnst und die Ouarantaine, insbesondere für Eholerasälle. Abends findet eine Bcratbnng der Amendements zu dem Reglement über den Sanitätsdienst bei Wallfahrten stall. * Zur Feier des Geburtstages dcS Kaisers Wilhelm fand in Paris bereits gestern im Hotel Co» linental ein Bautet der deutschen Eolonie statt, welches glänzend verlief. An demselben nahmen Gras Münster und 2n» Herren und Damen Tbcil. Ter Botschafter brachte einen Trinkspruch auf den Kaiser aus, in welchem er betonte, der Kaiser sei sich der ihm von der Borsehung zugewiesenen Hohen Aufgabe voll bewußt. Diese Aufgabe gebe dahin, das Deutsche Reich auszubauen und dessen Institutionen aus- zngestalten. Der Kaiser wisse, daß diese große Ausgabe nur im Frieden erfüllt werden lönne, deshalb seien auch alle Bestrebungen daraus gerichtet, den Frieden zu erhalten. Der Redner rühmte sodann die Kaiserin als ein Borbild der deutschen Frauen, gedachte in beredten Worten des gesammten kaiserlichen Hauses und schloß mit einem Hoch auf den Kaiser. * Aus Paris wird geschrieben: Laur giebt noch immer keine Ruhe. Emanuel Aröne schreibt heute, Laur mache mit seiner Ohrfeige einen solchen Lärm, daß man jeden Tag glaubt, er habe eine neue erhalten. Der „In transigeant" erklärt, mit Floquet'ö Weigerung, Lanr'S Brief ordnungs mäßig zu behandeln, sei die Sache keineswegs abgethan. Auch irre man sich, wenn man annckine, daß nach der dreiwöchigen ParlamentSpause Alles vergessen sein werde. Floguet habe sich zwar beeilt, am Sonnabend mittelst Nachtsitzung den Schluß der Session herbeizusühren, aber dieses Manöver werde nichts nützen. Der „Intrattsiegeant" kündigt für den 10. Februar die Auffrischung der Assaire Laur an. Läur selbst publicirt seinen Brief an den General-Procurator und sagt darin unter Andern! Folgendes: „Ich habe die Ehre, Ihnen mitzutbeilcn, daß der Fall allgemein bekannt sst, man tan» sage», in der ganzen Welt. Sie können demnach unmöglich so tbun, als ob Sic nichts davon wissen würden." Laur beruft sich dann noch auf die Gleichheit vor deni Gesetze und macht seine Anzeige in aller Form. Der Besitzer der Schießstätte, bei dem Laur Als Siegfried Werner die Billa Lohcngrin verließ, hatte er zwei Zimmer zu einem ungewöhnlich hohen Preis ge- miethrt. Frau Werner war hocherfreut, als ihr ihr Gatte Alles haarklein berichtete und Lärchenthal ausführlich beschrieb. So batte sie sich'« gedacht! Das war rin Ort, um sich auSzu- ruhrn — gründlich auözuruhcn! Auch die Kinder jubelten, als ihnen der Papa von dem zoologischen Garten der Frau Katzwedel erzählte: ein Huhn, sieben Hübner und zwei Lach tauben! Sie sollten verreisen, erst drei Stunden auf der Eisenbahn und dann noch eine Stunde im Postwagen fahren! „Ich will auf dem Bocke sitzen!" sagte Männcl sehr energisch. „Ich nicht!" erklärte Thusel, „das schickt sich nicht für ein Mädchen; aber nicht wahr, Papa, ich darf zum Wagcnsenster herauSsehen, wenn der Postillon bläst: Muß i denn, mutz i denn Zum Städtke hinaus?" Nur Mine thciltc nicht die allgemeine Begeisterung, sie war mit ihrer vorigen Herrschaft in der Sommerfrische ge wesen und hatte da allerlei Erfahrungen gesammelt. „Ich kenne den Zauber! Mich bringt Niemand wieder in so'n langweiliges Nest! Was hat man denn da? Siraut- gärtcn und Kartoffelfelder, Staub und Hitze, oder Regen weiter und Morast!" Auch als sie von dem reizenden Mansardenstübchcn körte, das die Wirthin für sie Herrichten wollte, ließ sie sich nicht besänftigen. „Ja, ja, ein Winkel unter dem Dach, neben der Feueresse, nicht größer als ein Reiseloffer, LaS kann ich mir schon denken. Bei schlechtem Wetter muß man den Regenschirm mit ins Bett nehmen, damit Einem nicht das Regenwaffcr aus die Nase tropft, und bei der Hitze ist» da oben fürchterlich, gerade wie im Backofen." Wie unter den Bleidächern Venedigs, batte sie sagen können, aber von denen wußte Mine nichts! Werner'S hielten Rath „Wir brauchen Mine in Lärchenthal gar nicht, und ibr mürrisches Wesen verdirbt uns das ganze Vergnügen: sic mag unterdessen zu ihren Eltern geben", entschied die Hans frau. sie glücklickcr- „Ia. und den Mürel mitnehmen, der ist in Lärchenthal ebenfalls höchst übersiüssig", stimmte der Gatte bei. Al» man Minen den Plan vortrug, war sic ; weise einverstanden. „Schon gut! Meinetwegen! Mein Vater wird wobl nichts gen habe», wenn ich den Hund mitbrmge!" krn Mann, der sieden Jahre verheiratbet ist, bat in der Nagel manche HL»«Lch« Umwälzungeu erlebt, und Siegfried ^"'s-..' > " l»>.- glänzende Schießresnltate erzielt haben will, wurde natürlich auch interviewt. Derselbe giebt jedoch an, Laur habe nicht so gut geschossen wie er behauptet. Die englischen Blätter beschäftigen sich mit dem Resultate der Rossendaler Wahl. Die „Times" meint, dasselbe müsse wohl bedauert werden, allein eS könne weder Erstaunen noch Entmnldigung erregen, denn die Gladstoneaner seien dort fAiher stets in der Majorität gewesen. Die „Daily News" nennen daS Resultat das wichtigste politische Ereigniß seit den allgemeinen Wahlen vom Jahre 1880. Der „Daily Telegraph" schreibt: Kein Politiker werde über den AuSgang dieser Wahl erstaunt sein. Im Rosscndaler Wahlkreise seien die Gladstoneaner immer stark gewesen. Der „Standard" sagt: Es wäre ebenso wider sinnig, die Bedeutung dieser localen Niederlage abzustreiten, wie allgemeine politische Folgen daraus abzuleiten, wie dies die Gladstoneaner sicherlich tbun würden. Die irische Frage werde bei den allgemeinen Wahlen nicht entscheidend sein. * Das Hinscheiden des Großfürsten Eonstantin Nitolajewilsch erweckt selbst in Rußland nur geringe Theil »ahme, nachdem die großen Erwartungen, die seiner Zeit an das Wirken des russischen Großadmirals und Statthalters von Polen geknüpst worden waren, nur zu großen Enttäuschungen geführt haben. Der hochbegabte Prinz war schon seit der Thron besteigung des jetzigen Zaren, den weder Neigung »ochVertrauen mit seineni Onlel verband, ein todter Mann; seiner amtlichen Stellungen war er entkleidet und den von den Liberalen früher in ikn gesetztem Hoffnungen >var der Verdacht radikaler Neigungen gefolgt, der von dem früheren Änscbe» des Groß fürsten wenig übrig gelassen hatte. Auch in Deutschland hinterläßt der Verstorbene, wiewohl er der Sohn einer preu ßischen iind der Gatte einer altenburgischen Prinzessin war, geringe Smnpathien, da er nicht zu denjenigen Mitgliedern der kaiserliche» Familie gekörte, deren Verhalten den freund schaftliche» Beziehungen entsprach, wie sie bis zu Alexanders kl. Tode von den maßgebenden Persönlichkeiten am russischen Hose gepflegt worden waren. ^ Aus Petersburg, wird vom 20. Januar gemeldet: Nachdem der Kronprinz von Schweden von, Kaiser in sein Absteigequartier im Winterpalais begleitet worden war und sich daselbst kurze Zeit ausgehalten hatte, begab er sich alsbald zur Begrüßung der Kaiferin inö Anitschkowpalais und stattete dann den Mitgliedern res kaiserlichen Hauseö Besuche ab. Am Abend nahm der Kronprinz an der Fainilicn- tafcl bei dem Kaiser und der Kaiserin im Anitschkow- palaiS Tbcil. * Die serbische Regierung bat der bulgarischen Forderung nach Auslieferung Rizvw's Folge gegeben. Daß aber auch seine Ausweisung bisher nicht erfolgt ist, wird dadurch erklärt, daß man ihn nicht der Gefahr auösetzen wolle, von anderer Seite ausgeliesert zu werden, welche Gefahr er liefe, wen» er, da die Schifffahrt eingestellt ist und er sich nicht auf der Donau nach Rußland begeben kann, rumänisches, türkisches oder österreichisches Gebiet betreten würde. Was nun den Hinweis aus die Rizow in Oesterreich drohenden Gefahren anbelangt, so ist die serbische Regierung bereits verständigt worden, daß ikre bezüglichen Besorgnisse nicht gerechtfertigt seien. Es bleibt nun abzuwarten, ob die Nach richt, daß die serbische Regierung daraufhin Rizow aus Serbien zu entfernen beschlossen habe, sich bestätigen werde. * Wie dem „Temps" berichtet wirk, bat die Lage in Marolto sich so gebessert, daß England daS Kriegsschiff „Tlmnderer" von Tanger abberufen wird. Man glaubt, daß die anderen Staaten ebenfalls ihre Schiffe zurückziehen werden. England beabsichtigt, am Eap Spartet seineni Leuchtthurm westlich von Tanger) einen Semaphor einznrichten. Es wurde vereinbart, daß der Semaphor die marokkanische Flagge führen, unter der Aufsicht der fremden Consuln stehen und im Falle eines Krieges außer Dienst gesetzt werden soll, falls eine Macht es verlangt. * Von Omdurman am letzten Sonntag in Kairo an- gelommcne Sudanesen erzählen, daß der Khalif Abdullah ui furchtbaren Zorn gerietst, als er die Flucht Pater Obrwalder'S und der Nonnen erfuhr. Er ließ sie durch Kämcelreiter verfolgen. Tie Letzteren aber kehrten zurück, ohne die Flüchtlinge gcfnnden zu haben. Der Kbalif beschuldigte hieraus die übrigen europäischen Gefangenen, den Entroinienen zur Flucht verkosten zu haben und hielt sie einige Tage in engem Gewahrsam. Dann aber gab er ihnen wieder die frühere» Vergünstigungen, so daß sic sich ziemlich freier Bewegung erfreuen. * Die persische Gesandtschaft in Berlin giebt Folgendes bekannt: Die kaiserlich persische Gesandtschaft thut zu wissen, daß die letzte Nachricht des Wokss scheu Tclegraphen- burcauS, besagend, das Leben der Europäer in Persien sei in Gefabr, und die persische Regierung scheine nicht Herr der Lage zu sein, durchaus ungenau ist. Nach den amt lichen Depeschen ans Teheran herrschen Ordnung und Ruhe durchweg in Persien, und die Angelegenheit betreffend Seid, den sogenannten Reformator des IslamiSmnS, über welche einige ausländische Zeitungen beunruhigende Nach richten verbreiten, ist schon mindestens vier Monate alt. Seid ist verhaftet und zu lebenslänglichem Kerker verurtheilt worden. Leute, welche rin Interesse daran haben, Persien in Europa zu diScreditiren, suchen sortwäbrend solche Nachrichten zu verbreite» und bedienen sich unwürdiger Mittel, um Persien die Sympathie Europa« zu entfremden. Der „falsche Prophet" Seid, der schließlich in der Provinz Kolat Dascht von seinem Schicksal erreicht wurde, ist ohne Zweifel identisch mit dem zuerst in der Provinz Masanderan ausgetretenen. * Das Vcrkältniß zwischen den Vereinigten Staaten un» Ehile gestaltet sich zusehends unerquicklicher. Namentlich von amerikanischer Seite wird ein Ton angeschlagen, der eS beinahe zweifelhaft erscheinen lassen könnte, ob den Washingtoner Politikern an einer versöhnlichen Beilegung der schwebenden Streitigkeiten mit Ekile überhaupt etwas gelegen ist, und wenn Ekile seine diplomatischen Noten nach demselben Muster redigiren wollte, möchte man sich stündlich auf den Abbruch der friedlichen Beziehungen zwischen Washington und Santiago gefaßt halten. Es scheint aber, daß die Leiter des südamcrikanischen Gemeinwesens vor ihren Eollegen im Norden ein gutes Theil Pflegma und Kalt blütigkeit voraus haben, jedenfalls muß man den Vorschlag der Chilenen, ein internationales Schiedsgericht, oder aber den höchsten Gerichtshof der Vereinigten Staaten mit der Schlichtung der strittigen Pnncte zu betrauen, als ein äußerst gewandtes Manöver bezeichnen, uni sich die Freiheit der Entschlüsse und Handlungen nicht im ersten Anlaufe wegnekmen zu lassen. Das Säbelgerassel der Washingtoner Politiker klingt bedrohlicher, als es in Wahrheit ist. Es scheint Wohl mehr daraus berechnet, die Gegner ins Bockshorn zu jagen, als die Einleitung zu entsprechenden Tbaten zu bilden. Vor allen Dingen ist cs die öffentliche Meinung in den Vereinigten Staaten selber, welche zur Zeit nicht daran denkt, das unwirsche Auftreten des Washingtoner CabinetS gegen Chile für baare Münze zu nehmen. Einzelne unter nehmungslustige Seelen, die bei kriegerischen Verwickelungen zu gewinnen oder zu verdienen hoffen, giebt cs in Amerika so gut wie anderswo, aber diese allein würden niemals bestimmenden Einfluß aus den Gang der auswärtigen An gelegenheiten zu üben im Stande sein. Es müssen da schon noch andere gewichtige Facloren ersten Ranges in Action treten, und einen solchen kann man, wenn man will, in dem Streben derRepublikaner erblicken, sich auch bei der kommenden Präsidentschastswahlcampagne an der Spitze der Geschäfte zu behaupten, sei eS ohne, sei es mit Zuhilfenahme auswärtiger Verwickelungen, als Ableiter von dem großen volkswirlh- schasllichcn Streite für oder gegen Beibehaltung der Hoch- schutzzöllnerci des Mac Kinley - Tarifs. Inzwischen sind die den Vereinigten Staaten zur Durchführung einer halbwegs imponircnden auswärtigen Action zu Gebote stehenden Mittel nichts weniger als Respect einflößend. Eine untergeordnete Flotte und ein Heer, das kaum zur Sickerung der Landesgrcnze und zur Ausübung der inneren Dienst obliegenheiten ausreicht, dürften mit den kriegsgeübten zahl reichen Landlruppen und der starken Flotte Elnles keinen Ver gleich auShalien. Es ist daher viel wahrscheinlicher, daß die streitenden Parteien sich, sei eS mit, sei eS ohne Dazwischen- kunft eines Tritten, einigen, als daß sie cs zum Aeußersten kommen lassen werken. * Eine Dcpescke des Gesandten Egan bestätigt den bereits gemeldeten Inhalt der Depesche der chilenischen Regierung, auch das Ultimatum der Vereinigten Staate». Theatralische Rundschau. Am Lessing-Tbcater ist ein neues Drama von Hans von Hopfen in Scene gegangen und bat, besonders am Schluß, eine freundliche Ausnahme gesunden, wenn cs auch bei einigen Actschlüssen nicht an Opposition fehlte. Das Stück gehört der modernen Schule an: die Heldin, die ihm den Namen giebt, „Helga" ist ein Mädchen, welches nack dem ersten Actschlusse der Verführung zum Opfer fällt. Solche verführte Mädchen spielten zwar seiner Zeit auch schon in Kotzebue's Stücken eine große Rolle unk der Rubni der Neuerung ist also nicht so bock anzuschlagen. Immerhin ist, wie auch in Sudcrmann's Schauspiel „Sotom's Enoe", daS Eindringen in das Gemach eines jungen Mädchens in so bös williger Absicht ein beliebter Effect geworden, mag nun der Borbang gleich dahinter falle» oder eine andere Handlung ans der Bühne fick sortspielen. Helga, die Tochter eines Professors, lebt bei ihrer Tante, Fräulein Weinbardt; ein früherer Schüler und Pensionair ihres Vaters gebt bei der Tante ein mit aus. Dieser Detmar Forsbek ist nun das böse Princip teS Stückes, ein Ton Inan, der nach einigen Liebcstänteleien mit der frischen, harmlosen Helga sie verführt. Sie srägt einen befreundeten Rechtsanwalt, .Kurt von der Reden, nach seiner Ansicht über Schuld und Verantwortlichkeit. Dieser sagt, konnte fick daS Zeugniß geben, daß er die Unbequemlichkeiten, die LieSchcn'S Sinn für Ordnung und Reinlichkeit ihm auf- erlegtc, stets geduldig ertragen. Wie oft batte er früh ahnungs los fein gemüthlickes Arbeitszimmer verlassen, um es Mittags als eine Stätte des Grausens wiederzufinden! Da gähnten ihn öde Fenstcrböhlen an; sein Schreibtisch stand wie eine Insel in einem Meere von Scifcnwasser, und die Bücher, die er sich mübsam zu einer wissenschaftlichen Arbeit zusammcngctragen, batte seine Frau zugcklappt und sei» säuberlich im Bücherschrank in Reih' und Glied gestellt. „Das muß sein!" sagte sie, „sonst erstickst Du im Staube." Er kalte schweigend Kaffee getrunken, der so dünn war, daß inan die gemalten Blümchen auf dem Boden der Tasse deutlich erkennen konnte, er batte sogar gelächelt, als er er fuhr, daß man ihm „aus Versehen" den für die Waschfrau bestimmten Trank scrvirt habe und daß die brave Frau unterdessen seinen Mocca geschlürft! Aull' außergewöhnliche, plötzlich hereinbrechcnde Ereignisse batte er tapfer an Lieschen'ö Seite durchgefochten. Vier Mal waten Werner'S umgezogen, und stets bei strömendem Regen; als sic zur Feier von Thusneldcns Taufe Tischgäste geladen hatten, war eine Stunde zuvor die Kochmaschine eingefallen, und in einer bitterkalten Winternacht war im Schlafzimmer ei» Wasserrohr geplatzt und die eisigen Fluthen batten sich über sein schuldloses Haupt ergossen, kurz und gut, er hatte schon ManckeS erlebt, aber daß eine Reise mit der Familie eine solche Fülle von Vorbereitungen, einen solchen Umsturz Hervorrufen würde, batte er bis jetzt nicht für möglich ge halten, drehten sich dock die Gedanken der kleinen blonden Frau nur um den einen Mittelpunkt: Am 1. Juli verreisen wir! „Gäste cinladcn? Aber ick bitte Dick, Siegfried, wir verreisen ja bald! Einen Brief foll ick schreiben, einen Be such machen? Später, lieber Mann, jetzt habe ich gar zu viel zu tbun!" Nachdem sie mehrere schlaflose Nächte verbracht hatte, weil die Vorstellung, Diebe und Einbrecher könnten die Ab wesenheit der Familie benutzen, um der Wohnung einen un gebetenen Besuch zu machen, sie nicht zur Rübe kommen ließ, berief sie eine» Schlosser, der an allen Thüren SicherheitS- ketten, Riegel und Kunstschlöffcr anbringcn mußte, und dann begann sie mit dem Einpacken. Nach dem Grundsatz: man muß auf Alles gefaßt fein — auf Wärme und Kälte — schichtete sie Sommer- und Wintergarderobe in den umfang reichen Koffer» auf. „Tu wirst mir'S später Dank wissen!" entgeznete sie ihrem Gatten, wenn er sie ein wenig aufzog. „Nichts Ungemüth- lichere», als wenn man unterwegs die gewohnte Bequemlich keit vermißt!" Nun kam das Handwerkszeug des Schrift stellers an die Reibe: eine mächtige jkiste voll Bücher, ein Ballen Schreibpapier, eme FlaschrTinte, em Groß Stahlfedern, und auch die Spielfachen der Kinder erforderten einen mächtigen Raum. Alles wollten sie mitnebme», und hatte ihnen die Mutter ein Stück abgcfchwatzt, dann bat der zärtliche Vater: sie möchte nur daS einpacken, damit spielten sie gerade so gern, und legte er sein Veto gegen ein Spielzeug ein, so fand sie wieder, daß das ganz unentbehrlich sei, wenn die Kinder sich wohl befinden sollten. Daß man Männel's Schaukelpferd und Thusel's Puppenstube daheim gelassen hatte, war das reine Wunder. II. Unterwegs. Der Reisetag ist angebrochen, und trotz der monatclangen Vorbereitungen läuft Frau Werner immer noch in alhem- loser Geschäftigkeit hin und her. Man glaubt gar nicht, was Alles bedacht fein will! Ihr Gatte sitzt trübselig ganz allein beim Frühstück und zwar auf einem hölzernen sdüchenschemel am leeren Blumentisch und rübrt, da die silbernen Löffel bereit« unter Schloß und Riegel sicher verwahrt sind, seinen Kaffee mit dem Bleistift um. Man muß sich nur zu helfen wissen! Da kommt Männel gesprungen und hält dem Papa einen kleinen Schwan aus Blech vor die Augen. „Siehst Du Papa, den hätten wird bald vergessen!" „Ach Männel, den laß nur zu Haus; Du hast genug Spielzeug!" „Aber ich habe doch meinen Schwan so schrecklich lieb!" wandte der kleine Sckelm ein, und sah seinen Vater so bittend an, daß der, wie gewöhnlich, nickt widerstehen konnte. ' „Du denkst wahrscheinlich, in der Billa Lobengrin darf auck der Schwa» nickt fehlen? Na, wenn « Dich glücklich macht — das kleine Ding wird ja wobl noch unterzudringen fein! Sieb, dort steht Mamas Handtasche!" Männel batte den Wink verstanden, lief eilig davon und berichtete seinem Vater nach einigen Minuten, daß er „Alles neingetban!" „Schon gut!" Jetzt trat Mine ein. um Abschied zu nehmen. „Ich wünsche der Herrschaft glückliche Reise und viel Ver gnügen! Komm' Muzel!" Aber der ist nirgend« zu sehen. „Wo ist denn der Hund? Er war ja soeben noch hier! Muzel! Muzel!" „Er wartet wahrscheinlich schon an der HauStbür aus mich", sagte Mine scbr gelaffen, „der ist ein gar kluges Thier, der bat'S gemerkt, daß er mit mir verreisen soll, oder er ist bei der Mehnerten. „Wer ist die Mehnerten?" „Die Obstfrau, die a» der Ecke sitzt; wenn er Hunger bat, bolt er sich bei ibr Knochen und Wurstschalen." „Srbr schmeichelbaft für uns", daß die Frau unfern Hund füttern muß!" „Ach. das thut sie febr gern", entgegnele Mine barmlo«, „weil sie den Dmzel lieb hat! Scknld sei nnr dort vorhanden, wo dir Tbat ans s«!em Entschlüsse beruhe, dein Entschlüsse müsse das Wollen vvreu-- gehen, dem Wollen das Denken; sonst werde die Handlung in unzurechnungsfähigem Zustande begangen. Danach siidlr sich Helga frei von Schuld, sie weist Detmar die Thür, den sie jetzt verabscheut, und dieser erklärt, er Werre sie sich dennoch erobern und müßte er sic aus dem Arme eines geliebten Gatten reißen. Aus Angst vor Detmar weist sie deshalb den Rechtsanwalt zurück, der schon zwei Mal uni ihre Hand angehalten hat. Erst als sie erfahrt. Laß Detmar sich verheiratbet bat, wirst sie sich dem Rechl«- anwalt in die Arme, dem sie übrigens kein Geständniß macht; der Gatte bat ja. ohne eS zu wissen, für ihre Unschuld plaitirt. Nun begiebt es sich aber, daß Detmar'S Frau stirbt, und jetzt sucht er seine Drohung wahr zu mache». In die sehr glückliche Ehe Helga's mit deni NcchtSanwalr bricht der an Attentate gewöhnte Jüngling gewaltsam ein. Helga batte jetzt ihrem Manne den sie betreffenden Fall er zählt , als bandle es sich um das Geschick einer ,vreundin; die Frau sei sehr unglücklich, erwiderte dieser, aber der Mann müsse sich von ihr scheiden. Und als sie über diese principielle Entscheidung in große Aufregung gerathen, naht ihr jener Detmar im Sturm der Leiden schaft; da lvetet sie ihn mit einem scharfgeschtissenen Thealer- dolch; dann bekenn! sie ihrem Mann Alles; dock dieser ver leugnet seine eigene eben entwickelte Theorie, erklärt, die Gattin vor Gericht venheikige» zu wollen und meint, sie sei ein Tbeil von itim, er lasse sie nicht. Hans von Hopfen ist jedenfalls ein geistreicher Schriststeller und auch in diesem Drama wird der Dichter sein Talent nicht unter den Scheffel gestellt haben; doch scheint die Handlung mehr romanhaft als dramatisch zu sein. Zwischen einzelne» Acten liegen große Zwischen räume und es wird viel erzählt, was sich hinter den Eoulissen zugctragen bat. Die Voraussetzung der Handlung ist die voll kommene Unersahrenbeil Helga's; es wird über dies Thema in den ersten Acten genugsam debaitirt und es scheint, als ob der Dichter i» seinem ganzen Drama Len Beweis habe südren wollen, daß man tiefe pädagogische Frage anders beantworten müsse, als es gewöhnlich geschieht. Doch durch diese Voraus setzung ist kaum gedotcu, daß die Handlung sich zu einer fo blutigen Thai steigert. Ein neues Schauspiel Gerbart Hauptmann'S, eine Art von Eliarattergemälte, „College Cramplon", hat am Deutschen Tbeatcr vielen Beifall gesunden; die Kritik bat scbr warme Worte der Anerkennung für das Talent des Dichters und doch geht aus ihren Aus einandersetznngen hervor, daß diesem Talent der eigent liche dramatische Zug fehlt, die Entwicklung, von welcher doch auch die Spannung abhängig ist. So ist der Held des Dramas von Anfang bis zu Enke ganz derselbe, und zwar auch ganz in derselben Situation; denn daß er am Schluß eine Wandlung seines Ekaraktcrs, seines ganzen Wesens selbst ankündigt. ist nichts weniger als beweisträstig; es stellt sogar daö ganze psychologische Problem auf den Kopf, La der Verfasser in dem Stücke behandelt. Eollege Cramplon ist ein verlotterter Maler, nicht wie der Künstler in Suder- niann's „Sodoms Ende" durch Ausschweifungen schwind süchtig geworren, sondern, wie man's in einem Hauptmann - scheu Stücke nicht anders erwarten darf, durch Trunksucht zu Grunde gerichtet. Der Neid der College», eine Ehe, die ilnu keine Befriedigung gewährt. daS Behagen an einem regellosen Leben, das ihn zum tünstlerischen Schassen fast unfähig ge macht hat, so daß die College» ikm nur noch das Anmalen eines WirthshausschildeS glauben anvertraue» zu dürfen — das hat diesen Künstler mit seiner Kunst in trostlosen Verfall gebracht. Er verliert seine Lekrerstelte an der Akademie, und zwar gerade, als er sich in Hoffnungen auf eine schöne Zukunft wiegt. Welche Entwicklung soll ein solcher dramatischer Charakter durchmachen? Durch welche Tdat, sei sie groß und edel oder verbrecherisch, soll er sich ausweisen als dramatischer Held? Er hat eine Tochter, in welche sich ein >unger vermögen der Maler verliebt bat, welche dieser heirathet, und nun nehmen sie den Alten fast wider Willen in ihr Haus auf. errichte» ihm ein schönes Atelier. College Cramplon ist geborgen und will nun wie ein Kuli arbeiten. Wer weiß, vielleicht sitzt er am nächsten Abend schon wieder in der Kneipe. Ter schlesische Tialclk, Anklänge an das polnische und sächsische Idiom und allerlei Kraftaiz-drücke der neuen Schule geben dem Dialog jene Natürlichkeit, welche ja jetzt als Beweis höchster Künstlerschast gepriesen wird. Nicht genug kann die Berliner >brilik die Charakterzeichnung des Helden rühmen, „die fesselndste Darstellung eines verwüsteten großen Künstlernaturells, die unsere Literatur besitzt". Hauptmann's außerordentliches Talent für SituationSmalerci wird mit den wärmsten Worten gerühmt; wir möchten nur wünschen, daß diese Situationen nickt immer durck die Paragraphen des neuen Trunksucht gesetzcs illustrtrt würden. Ten Erfolg des Charakterbildes am Deutschen Theater verdankte der Dichter in erster Linie der Darstellungdes HerrnGcorgEngels, der aufs Glänzendste bewies, daß seine Begabung weit hinauSreichl über daSKomische Seien Sie nur ganz ruhig, ich werde schon den Hund finden. Ter gebt gar zu gern mit mir!" und damit trabte Mine von dannen. Werners batten keine Zeit, über das seltsame Verschwinden dcS Huntes »ackzudcnkcn, denn die Männer, die die Koffer zum Bahnbof schaffen sollten, waren erschienen. Schnell mußte der Hausherr den kleinen Reisekorb verschließen und sah zu seinem Erstaunen unter dem obenauf liegenden Plaid den schwarzen Pelz bcrvorleucdten. Nein, daS geht doch zu weit! Da hat Lieschen den Fußsack eingepackt! Bei 20 Grad R. im Schatten! Er schweigt vorläufig, um sie nicht von Neuem aufzuregeo, aber später will er sie ganz gehörig mit dem Fußsack necken! Die Koffer sind fort, nun kommt der Wagen. Lieschen wirft hastig noch einige Kleinigkeiten in ihre Handtasche und dann verschließt und verrammelt sie alle Tbüren eigenhändig lind legt vor die Logisthür eine eiserne Stange, die mit schweren eisernen Klammern an der Wand befestigt und mit großen Vorlcgeschlössern versehen ist. So, was menschliche Fürsorge vermag, ist geschehen! Da>j Werner s verreisen, hat im Hause großes Aussehen erregt; wer von der Arbeit abkommen kann, eilt an die HauStbür, um dem Schauspiel beizuwohnen und Abschied zu nehmen. „Adieu Thusel! Adieu Männcl! Kommt gesund wieder! Leben Sie wobl, Frau Werner. Biel Vergnügen! Vergessen Sie uns nicht!" „Gerade, als reisten wir nach Australien!" stöhnte Werner, als er in die Wagenkissen sank! „So, nun ist ja Wohl daö Schlimmste überstanden!" Aber seine Frau schnellte elastisch wieder empor. „Habe ich auch wobl alle Fenster zugemacht? Die Thüren ordentlich verschlossen?" „Freilich, Lieschen! Keine Fliege kann hinein!" „Ack Du bist in dieser Hinsicht schrecklich leichtsinnig! Hast Du das Reisegeld?" „Jawohl, Frauchen!" „Männcl, hast Du dein Taschentuch? Thusel, zieh doch die Handschuhe an!" Jetzt kommt man bei der Mehuerten vorüber. „War unser Hund bei Ihnen?" aber die brave Frau hinter den Obstkörbrn schüttelt den Kopf. Sie hat den Muzel nicht gesehen. „Ob nur Mine Len Hund gesunden hat? Wir hätten ihn selbst suchen sollen!" klagte Frau Werner und fuhr im nächsten Augenblick erschrocken in die Höhe. (Fortsetzung folgt.)
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