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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.01.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-01-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920128029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892012802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892012802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-01
- Tag1892-01-28
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Tabellarischer und Ztffernsatz nach hbherem Tarij. Optra-Beilagen (gejalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Poslbesörderung ./i 60.—, mit Poslbesöederung 70.—. Ännatsmetchluß für Inserate: Abend-An-gade: Vormittags 10 Uhr. lvlorq« n-Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Sonn- und Festtag« früh 0 Uhr. Bei den Filialen und iklnnaymeslellen je «iae hold« Stunde sriiher. Inserate sind stet» an di» Ep»e»itt»n zu richten. Truck und Verlag von <k. Polz tu Leipzig a°50. Donnerstag den 28. Januar 1892. 8<i. Jahrgang Leipzig, 28. Januar. * Die erste Berathung de« Volksschul gesetzcS im preußischen Abgeordnerenhanse wird voraussichtlich beute zu Ende gehen. Der vom Abg. Richter angekündigte Antrag, die Vorlage in ihren wichtigiten principiellen Tycilen nicht a» eine Evmniission zu verweise«, sondern im Plenum weiter ;n berathe», wird natürlich, wenn er überhaupt erfolgt, ab- gclehnt werten, da er mit der Verwerfung der Vortage gleich bedeutend wäre Der ganze Gesetzentwurf wird einer Eom- inission überwiesen werten, die dann eine langwierige und verantwortuiigsreichc Aufgabe haben wird. ES ist keineswegs ausgeschlossen, daß dabei noch allerlei überraschende Wendungen eintretcn; an Versuche», eine Forni zu finden, die Frci- eonscrvativen und vielleicht sogar die Nationallibcralen zu gewinnen, wird cS wenigstens nicht fehlen. Sckon der Zu- saininrnsetzung der Kommission und der Wahl des Vorsitzenden wird man als Symptom des Verlaufs mit Interesse entgegen 'eben dürfen. * Die Bewegung in Preußen, namentlich in den Städten, gegen den VolkSschulgeschentwurf beginnt in Fluß zu kommen. Aus verschiedenen Stätten werden be vorstehende oder bereits statigchabte Versammlungen von comniunalcn Behörden, politischen Vereinen, Lehrern u. s. w. zur Besprechung dieses die Geiniither aus- Lebhafteste erregen den Gegenstandes und der Entsendung von Knndgebungcn an das Abgeordnetenhaus und andere maßgebende Stellen ge meldet. In Berlin hat die städtische Schuldrputation eine Besprechung abgedaltcn, in welcher Stattschulrath Bertram zu dem Schluß kam, daß das hochentwickelte Schulwesen in Berlin durch da- Gesetz den größten Schaden erleiden würde. AuS dem Westen wird von dem Plan eine» rheinische» Ttädtc- iagS zur Besprechung dieser Angelegenheit berichtet. Auch die Stimmen aus dem Publicum mehren sich. So schreibt einer der angesehensten Lebrer an der Berliner Universität unter dem 25. an eine» hiesigen Freund: „Ein Gegenstand ernster Sorge ist für nnS zur Zeit unser VolkSschnIgesctz- entwurf, rin Denkmal Hokcnzollern'scher RegiernngSwciS- keit, über den der alte Fritz, „wenn er noch lebte, sich im Grabe umdrehcn würde". Doch ist einige Hoffnung, daß e« gelingt, ihm soviel Giftzäbnc auSzubrrchen, daß ihn am Ende die Regierung selbst zurückzieht. Aber sicher ist» noch gar nicht." * Im Wahlkreise Reicbenbach-Waldenbura haben dieser Tage die preußischen LandtagSabgcordncten, General- director de» Fürsten Pkeß, Or. Ritter, und Fabrikant Lückhoff, Bericht erstattet und dabei ihrem Unmuth über den „neuen EurS" An»druck gegeben, der Beunruhigung im Lande hervorgeruscn habe. Aog. Lückhoff bemängelte, daß bei den Verhandlungen über die neuen Handelsverträge die wichtigsten Interessenten nicht befragt worden seien, und tc- bauptete, unter dem Fürsten Bismarck wäre so etwa- nicht vorgekommen. Auch tadelte er, daß der Ban der Secundaic- baknen, welche zur thcilwciscn Beseitigung der Webcrnoth gebaut werden sollten, nicht zur Ausführung gelange; die projectirte Webeschule in Rcichcnbach sei im Vergleich dazu nur ei» dargereichter Bonbon. Von acutem Interesse war die Schärfe, mit welcher sich beide Abgeordnete gegen den Schulgrseycntwurs auSsprachen, soweit er die Schule der Kirche auSliefert. * Tie Verhandlungen in der bayerischen Abgeordneten kammer über die Wiederzulassnng der Redemptoristen lassen erkenne». daß eine Entscheidung über diese Angelegen heit »och in weitem Felde stellt. Es ist auch gut, daß wir mit dem Bischen, waS wir noch in der Tasche babe», spar sam umgeben; wir sind sonst gar zu bald vollständig fertig. * Durch allerhöchste EabinrtSordre ist der Eontreatmiral Lldekop von seiner Stellung als Eommantant S M. S. „Deutschland" entbunden Derselbe wird bis zum Eintreffen teS ziliil Ebef des Uebnnj,SgeschwaderS ernannten Contre- admirals Karcker die Geschäfte als Ehef deS NcbungS- geschwader» weitersühren, und sich alsdann nach WilkelmS basen begeben, nm bis zur Rückkehr dcö ContreadmiralS ValoiS dessen Vertretung in der Führung der H. Marine- inspection zu übernehmen. * Die „Köln. VolkSztg." meldet auS St. Ingbert: Der Rechts schütze rein pfälzischer Bergleute hat fick freiwillig aufgelöst. * Polnische Blätter melde» ans Ezcrnowitz, die dortige Behörde habe die Landesverweisung des aus Rußland ein- gcwandcrten EkcpaarcS PoptawSky verfügt, welches dort eine Agentur für russische Spionage errichten wollte * ES verdient bervorgehoben zu werden, daß der Kaiser Franz Joses anortnetc, daß trotz der Hoftrauer ii» Interesse der Geschäftswelt keine Bälle abgesagt werten. * Tie Zustände in Böhmen treibe» dev Krise ;». Es wird weiter gemeldet, daß der Obersilandmarschaü von Böhmen Fürst Lvbkcwitz mit dem Grasen Taaffe über die Lage berietb. Er soll gleichfalls den Standpunct »heilen, daß das Ansgleichsiverk weiterhin undurchsührbar sei. Sollte die Negierung auf dessen Fortsetzung bestehen, müßten die Allczechen und der Fcutalatel die LandtagS- »landate niedcrlrgcn, wa- die Auflösung de» böhmischen Landtag» bewirken würde. Auch verlautet, der Statthalter Graf Tdun schlage vor, die weitere Durchführung teS Aus gleiche» ans längere Zeit zu verschieben; bis dabi» würde in der jungczcchiscken Bewegung ein Rückgang eintreten. Diese SlcUungnahmc deS Grasen Tkun wird jedoch bestritten. Di« Deutschen beharren indessen aus der Fortsetzung der AuSgleich«- arbcit. Eine inner« Krise gilt fast al» unvermeidlich. * Da» ungarische amtliche Eisrnbahnblatt ver öffentlicht die jilngsthm'chikierörtrrte» geheimen Refaktien- ver träge in Form eine» amtlichen Berichts. Danach sind die bisher geheimen Frachtvergünstigungcn in vier Elasten enigctbcilt. Ersten» werden Frachtvergünstiguiigen gewährt im Verkehr von »nd nach Serbien für Güter aller Art bei Gewahr einer Jahre» Fracktenausnabme von 450 000 Frc«., wovon 70 voo Franc» ans den Verkehr mit Triest und Fiume entfallen. Der Bersraebler ist verpflichtet, die gcsamuite Sendung ausschließlich auf der Bahn zu befördern, widrigen falls ihm die Frachtvergünstigung, welche 25 Procent der amt lichen Frachtgcbühr beträgt, entzogen wird. Zweitens werden Vergünstigungen im Verkehr nach Rumänien bei einer Frachtcnaufiiahmc von 300 000 Frcs. im Jahre ohne Br» »Heiligung von Triest und Fiume gewährt. Dritten» wird der vielbesprochene Pflaumenvrrlrag veröffentlicht, der bei Lieferung von 25 000 Tonnen, wovon 1500 Tonnen über Tritsr-Fnime geben müssen, Vergünstigungen gewährt. Ferner werden die bisherigen geheimen Begünstigungen der Eisen werke mit Hinweglassung jener namhafte» Aendernnge» bc kannt gegeben, welche bisher das ungarische Erzeugniß begünstigte» Schließlich werden veröffentlicht die Localtarise der Ungarischen StaatSbabncn, welche hinsichtlich der Be günstigungen ungarischer Erzeugnisse dem Sinne der Berner Convention entsprechen. * Heule beginnen in Ungarn die ReichSIagSwablen, für welche alle Parteien die umfassendsten Vorbereitungen getroffen baben, aber außer ibne» auch die Eivil- »nd Mili- lairbchörden, letztere durch Entsrnoung ganzer Regiincntcr in einzelne Wahlbezirke. Tie weit über jedes Mast hinaus- schwcifendc Agitation der oppositionellen Parteiführer und ihrer localen Einpeitscher hat vielfach eine derartige leiden- schastliche Erregung der Bevölkerung herbeigesübrt, daß an zahlreichen Wablorlen für den Wahltag selbst ernste Uiirulicn befürchte! werten und von den Behörden die Entsendung von Militair erbeten worden ist. Die Ent scheidung des Wahlscldzuas wird übrigens gleich beute fallen, da an dem erste» Wahltage 345 vo» 4>3 Abgeord- nctcnmandaten zu besetzen sind, ain 20. Januar finde» 30, am 30. Januar 12, am 3l. Januar 2, am l. Februar 13, am 2. Februar 6, am 4. Februar 4 Wahlen statt, am letzte» Wahltage, dem 0. Februar, wird nur noch uni ein Mandat gekämpft werden. Die Wiederkehr der liberalen Partei in das Parlament in der frühere» Stärke gilt als gewiß. * Die SanitätSconserenz in Venedig ist zwar nicht, wie es bieß, sörmlich unterbrochen, Wohl aber bat die Fortsetzung ikrer Verbandlungen nach unS zukoininenken Be richten mit Schwierigkeiten zu kämpfen, weil Frankreich und England an ihren grundsätzliche» Standpinicten sestbalte». England verlangt bekanntlich, daß seine Schiffe durch den Suez canal ohne Inspektion turchgclaffen werden. Für die Berech tigung diese» Wunsches, der auch von anderen Seite» nnterstützl wird, spricht der Umstans, daß die englischen Schiffe, die obne Inspektion durchsabren, ancb nirgend» anlcgendürfen, daß ferner England ja selbst ein Interesse daran bat, seine Häsen vor Einschleppung dcr Ebvlcra zu schützen, und endlich, daß noch nie rin Fall vorgekomnic», in welchem die Ebolera durch ein englische» Schiff eingcschleppt worden. Auch ist ja bekanntlich schon eben in Rücksicht ans die Durchfahrt der englischen Schiffe ein Ucbereinkoinmen mit England getroffen worden, und eS wird sich datier vor Allen» uni die Prä.isirnng der von England zu bietenden Bürgschaften Handel», so daß an- zunehmen ist, daß, wenn solche ausreichende Bürgschaften geboten werden, im Wege der Vermittelung eine Verständigung zwischen England »nd Frankreich wird erzielt werden könne». — lieber die finanziellen Hilfsmittel der Eonserenz wurde eine Einigung erzielt. * Tic Meldungen über die bereit» ersolgte Demission deS italienischen Botschafter- in Paris General» Menabrca werden bestätigt. * Bekanntlich bat der Papst an den Cardinal-Erz- bischos in Paris ein Schreiben gerichtet, welche» eine gewisse Anerkennung der Republik enthält. Diese» Schreiben ist natürlich gar nicht nach Wunsch der Klerikale», und um eS zu paralnsiren, haben sich die fünf französischen Cardinal Erz bischöfe z» einem Manifest vereinigt, da» von etwa 40 Bischöfen unterschrieben worden ist. Run kommt „rin Ultraniontancr" und enthüllt im „Figaro" die Jntrigne. Man erfährt daraus, daß der Brief de» Papste» mit seiner rückhaltlosen An- cinpsehlnng kr» Anschlusses der Katholiken an die Republik unter den Royalisten, zu denen auch die Pariser Emme»; gehört, eine wahre Bestürzung hcrvorrief. und daß man im erzbischöflichen Palaste unter Mitwirkung eines Vertrauensmannes teü Grasen von Paris den Plan des Manifestes auSbcckle und für die Unter zeichnung desselben rasch noch vier Cardinal Erzbischöfe ge wann. An de» Papst wurde eine VcrtranciiSxcrson geschickt, die erwirke» sollte, daß er mit dem Geschehene» sich zufrieden giebl und aus der Veröffentlichung seines Briefes nicht besieht, »o daß mail sagen könnte, der Brief habe überhaupt nicht erisiirt. Im Notbsall soll dem Papst damit gcdrobt werte», Laß fünfzig royalistiscke Deputieren ihr Mandat »iederlegcn würden, an deren Stelle natürlich echte und vielleicht gar radikale Republikaner treten könnten, und daß die ganze rona- lislische Partei auf tic Trennung von Staat und Kirche lvü- arbeiten würde. * Inder italienischen Deputir tenkamnier erklärte der Minister für öffentlichen Unterricht Billard aus A» fragen, die Meldungen von den ans »icbrcrcn Hochschulen vorgckoinmeiien Stukcnteniinrubc» seien richtig. Tie Ursachen der Unordnungen seien nianiiichfackcr Natur. Für den Fall, daß Ezcesse verkämen, werte das Ministerium keine Zn- gcstäudnisse machen, vor Allem aber müßten die akademischen Senate tic für die Universitäten bestehenden Vorschriften in Anwendung bringe». — Der italienische Senat begann die Beralhung der Handelsverträge. Senatvr Rossi (Schnyzöllner- erklärte, daß er sich der Ab stiminllng enthalten werde. Cencclli sprach tic Hoff- nnng an«, daß die Regierung bezüglich der Tarifposte» „Getrockneter Eptract" und „ConcentrirteS Malz" Vcrbessc ruiigen zu erlange» suchen werde — Rndini anlwortcie sodann eingehender a»s die Fragen Ccncclli'S und hob hervor, daß er volles Vertrauen in die unveränderte »nd unabänder liche Loyalität der verbündeten Regierungen setze, wie sie von denselben in diesen Fragen stets bekundet worden sei. Er sei Freihändler, bemerke aber Majoran« gegenüber in Bezug auf den Vertrag mit der Schweiz, daß imnz^- bin siücalischc Bedürfnisse berückstchligt »nd wichtige Interessen gewahrt werden niüßtcn. Italien habe bei den Verhandlungen mit der Schwei; das größte Ent gegenkommen bekundet selbst ans die Gefahr bin, der itatienischen Industrie einige Dpser aufcrlcgen zu müsse». Diese entgegenkommende Tendenz werde bis zur älißcrstcn Grenze aufrecht erhalten werden, ohne daß aber die nationalen Interessen Italiens verletzt werden dürste». »Lebhafter Beifall.) Man dürfe nicht jeden Augenblick die Frage der nationalen 'Würde answerscn, welche damit nichts zu tbun habe. »Sehr richtig!) Andererseits dürften die nationalen Iiitcrcssen aber auch nicht Gesabren auSgcsetzt werden. (Lebhafter Beifall.) Der Berichterstatter Final» vertheidiatc die Verträge, schloß sich de» von Eencelli ausgesprochenen Wünschen a», bezüglich deren er daS Zn- stanbekommcn eine» Einverstäiitiiistco crbofft, lind verlangte darüber» sowie i» Bezug auf die Einsetzung eines Sckicds gerichieS sür eventuell au« de» Handelsverträge» entsicbendc Streitfragen eine Erllärung seitens der Regierung. Nach- FeuiUetsi,. Villa Lohengrin. Humoreske von Mariane Seil. Nachdni« »er»«On. (Fortsetzung^ „Siegfried! Mir kommt ein fürchterlicher Gedanke! Er wird dock nicht in der Wohnung zurückgeblieben sein! DaS unglücklikne Thier ist eingeschlosscn, muß elend umkommen! Verhungern! Halt Kutscher! Wir müssen umkchrcn!" und da er nicht hörte, oder nicht höre» wollte, faßte sie ihn energisch beim Mantelkragen. Aber jetzt war die Langmuth de- Gatten erschöpft; ärgerlich fuhr er auf: „Unsinn! Umgekehrt wird nicht! Denkst Du, unser Muzel ließe sich einschließcn? Der würde sich wohl gemeldet haben. Wahrscheinlich sitzt er längst mit Minen auf der Eisenbahn!" Frau Werner fügte sich ihrem Tyrannen, aber kummer voll sah sic rückwärts und seufzte auS schwerem Herzen von Zeit La Zeit: „Muzel! Die Fenster! Tie Tbüren! Ob Wohl alle fest verschlossen sind? ES wird doch nicht eine glühende Kohle im Mchenofen geblieben sein? Wenn die in den Holzkorb fällt, dann bricht Feuer aus und unser Hab und Gut verbrennt!" Unter solchen schrecklichen Vorstellungen waren Werner'« auf den, Bahnhofe angelangt, und nachdem für Uebersracht teS Reisegepäcks eine ungeheure Summe erlegt worden — Siegfried will nie sagen wieviel —, nahmen sic mit ihren Kindern Platz, eS pfiff und die Reise ging fort; erst schlängelte sich der Zug langsam durch die langgedehnten Bahn hofsgebäude und dampfte dann mit voller Geschwindigkeit hinaus durch die anmuthige Gegend. Link» liegen die rrbrubewachlcncn Berge, die da« Elbthal begrenzen, recht» fruchtbare Wiesen, Felder und sorgsam ge pflegte Gärten. Hier ragt ein schlanker Kirchthurm über die rothen Ziegel tächrr eine« sauberen Dorschen-, dort leuchten die weißen Mauern eines Fürstenschlosse« durch die dicht belaubten allen Eichen und Buche» eine« weitläufigen Park«. Auf der Zinne de« Schloßlhurm» webt eine mächtige Fahne zum Zeichen, daß die Herrschast zn Hanse ist, und die glitzernde Wassersäule eine« Springbrunnen« steigt »nd fällt im unaufhörliche» Spiele und spiegelt da« goldene Sonnen licht in jedem Dropsen buntfarbig wider. E« ist schön, ein mal zu verreisen, andere Gegeudrn und andere Menschen ru sehen I Aber Herr Werner war je»t nicht mit seinen Ge- danken da draußen, ihn interrsflrlea seine Kinder augenblicklich b«d««trnd mehr. ThiiSiiclde saß aufrecht wie eine kleine Dame und be trachtete die neue Welt, durch die sie das Dampfroß eilig führte, mit aiifnierksamen Blicken, aber Männcl lehnte behag lich in den Polstern, wie Einer, dem da« Alle» nicht» Neues ist und der deshalb auch nicht nöthig bat, etwas zu be wundern. Nur etwa» zu essen wünscht er sich. Gehorsam öffnet seine Mutter idre Handtasche, greift hinein und bringt zunächst rin Paar Handschube hervor, die sic mit er nannter Miene betrachtet. Cie sind ganz naß. WaS ist denn da»? Sie senkt ihre Hand ein zweite» Mal hinein und bringt zum Vorschein ein Portemonnaie, an dein da» Wasser hrruiitrrlLuft, ein Notizbuch, ein seidene- Eravatlen- tuck, beide» im nämlichen Zustande, ein Packet zcrweichtr Buttersemmeln, eine DUte, die einst Bonbons enthalten hat — jetzt ist » ein formloser Brei von Chocolade und Zucker! Jetzt koniiiit der Bleckschwau an» Tageslicht. Männel lächelt vergnügt bei seinem Anvlick. „Co, nun girb mir mal meinen Teich und die Angel!" „Deinen Teich?" schreit ganz entsetzt die Mutter. „Ja, ist denn der auch in meiner Tasche?" Männel bestätigt eS. „Ja, alle» 'nein getban!" Richtig, aus dem Boden der Tasche steht der Blechnapf, den Männel seinen Teich nennt. Ob er nnterwcg» hat mit der Magnetangel und dem Schwan spielen wollen, oder ob er gemeint, man würde in Lärchcuthal kein Wasser haben, das ließ sich durchaus nicht ergründen, aber daß tic Mama in der Eile der Abreise ihre siebenSachen in dcnTcich geworfen »nd dadurch zum Ueberlaufen gebracht, dafür kann er natürlich gar nichts. Tie Mit reisenden hatten mit großer Spannung der Ausgrabung zu- geseben und brachen, als der Teich zum Vorschein kam, in ein schallendes Gelächter au», und Männel saß stolz wie ein Held unter den fröhlichen Menschen, hoch befriedigt, daß er so erfolgreich für ihre Unterhaltung gesorgt hatte. Da unter brach eine junge Dame die allgemeine Heiterkeit. „Mein Herr, siebt der kleine Reisekcrb da oben auch Wohl fest? Er schwankt so bedenklich hin und her!" «Werner erhob sich schleunigst und versicherte nach ein gehender Untersuchung, daß der Korb unmöglich herabstürzen könne. Aber er bedielt ihn trotzdem ,m Auge und siehe da. er überzengte sich selbst, daß der Korb ganz ausfallende Be weguiigrn machte. „Sehen Sie'-?" fragte die junge Dame. „Gerade, al- ob etwa- Lebendige» drin wäre!" Da steigt urplötzlich, wie ein Gespenst, ein fürchterlicher Gedanke in seiner Seele auf. Er nimmt den Korb bernnter, schließt auf, schlägt den Teckel zurück — ist den» Hererei im Spiet? Ein schottisch carrirteS Plaid richtet sich auf, e» steht au vier krummen Dack,«deinen! Der Fußsack, den der kurz- I sichtige Mann von der Feder zu sehen vermeint hat, ist I lebendig geworden! I „Muzel! Komm mein lieber Muzek!" schreit Männel, so aut er kann, und mit einem mächtigen Satz springt der Hund aus dem Korbe auf seines beste» Freunde» Schvoß. Ob sich Muzel in den Korb zurückgezogen, um dort ein Schläfchen zu halten, oder ob er sich schlau versteckt, uni der Reise mit Minen auSzuwcicheii, da» blieb ebenfalls un ergründlich. Muzel war da, man konnte das treue Thier unmöglich wieder zuruckscbickcn, und als der Schaffner aus der nächsten Station neugierig »nS Coup« schaute, um die Ursache der ungeheure» Heiterkeit zu erforsche», da richtete Werner die Bitte an ihn, sür seinen vierbeinigen Freund eine Fahrkarte zu besorgen, und fügte im Namen der Mit reisenden die Versicherung hinzu, daß Keiner gegen Muzel'S Anwesenheit im Wagen e»vaS einzuwende» habe Und so fuhr die Familie Werner und Muzel, von Männel « Arm umschlungen, der Soinmersrische Larchciiilial und neuen Abenteuern wchlgemuth entgegen. III. Wenn und Aber. Villa Lohengrin ist rin schlichte-, gelbgetünchtcS Wohnhaus mit grünen Fensterläden und rolkrr HauStbür, da» nicht im Entferntesten an Ritter Lobcngrin'S Hciniath, an die märchen haft schöne Gralsburg erinnert. Im Erdgeschoß befindet sich Küche »nd Speisezimmer, im ersten Stoa der allgemeine Salon, aber alle übrigen Räume sind zu Fremdenzimmern eingerichtet. Frau Katzwcdel muß sich in der Hauptsaison mit einem Daäikämmcrchen begnügen, denn ihr Hau» ist ganz ungemein beliebt, besonders unter den Musikbeflissrncn. Wer möchte nicht gern ein paar Wochen unter dem Dache weilen, das einst den großen Meister Richard Wagner br- 'chirmt bat? Für da» Zimmer mit der historischen Fcnsier- cheibe, in die er mit eigener Hand seinen Namen ein- ^graben, bezahlt man gern da- Doppelte des üblichen treffe». Der kleine Vorgarten ist ganz nett gehalten. Tie Wege sind mit gelbem KieS bestreut, aus den Beelen blühen MonatSrosen, Lcvkoy und bunte Soniinerblnmcn, in der Mitte steht der Hobe Lärchenbaum, der ursprünglich dem Hause seinen Namen gegeben hat. und am hellblau gestrichenen Gartenzaun eine mit wilden Wein umrankte geräumige Laube. Hinter dem Hause ist der Hos mit Hübiierstall, Taubenhaus und Holzschuppen, und ein kleines Piörtchcn in der Mauer iübr» z»m Küchengarten. Hier erbaut Frau Katzwcdel Frühkartoffeln, Bohnen und Gurken, und liier wird prosaisch die HauSwäsche gebleicht und getrocknet. Wo der Garten zu Enke geht, ist gar keine Umzäunung angebracht, denn «in Bach bildet die natürliche Grenze de» Grundstück«, zu dessen User eine steile Treppe binuntersührt. Hier tritt min die Poesie wieder i» ihr Recht. Dicht am Rande de» Wasser» siebt eine Bank mit der vielsagenden Inschrist: Richard Wagner! Und der auch hier und zwar an der Seitenlehne eingeschniitene NainenSzug ist mit einer Glas scheibe bedeckt, um allen Vaodalenhänden Widerstand zu leisten. Jede empfindsame Seele fühlt sich beim Betreten diese» criiinerungSreichcn UserS erhoben. Hier bat der große Tondichter dem Rauschen des Bächleins gelauscht, mit wer weiß, welche unsterbliche Melodie ihm die Wellen einst vor- gesungcn! D»e Richard Wagner-Bank ist der höchste Trumpf, den Frau Kaywedel auSzuspielc» hat. Hier saß am ersten Morgen, während die Kinder noch schliefen, Elisabeth Werner, nachdem sie i» MuzelS Be gleitung die Umgebungen des Hause» in Augenschein ge nommen hatte, und hier suchte sie der Gatte auf, als er von einem längeren Spaziergang hcimkehrtc. Er war entzückt von Lärchenthal! Diese herrliche Luft, diese friedliche Stille! Nichts vom Lärm der Großstadt, dem Läute» der Pferdrbali», dem »naushörlicken Wage»- gerassel zu hören! Nur 'Amseln, Finke» und GraSmilcken pfeife», schmettern und zwitschern, und in den blühenden Linken summen die Bienen und tragen Honig ein. Lärchen- thal ist ein Paradies! Schweigend hörte Frau Werner ihrem Gatten eine Weile zn, aber ihre Mienen waren düster und endlich ergriff sic ebenfalls das Wort. „Ja, eS ist recht hübsch hier; dir Häuser sehen so weiß und sauber aus, hier gicbtS nicht so viel Ruß, wie i» unserem Dresden, aber ob Lärchentkal und im Besonderen Villa Lohengrin sür »nS geeignet sind, möchte ich doch de zweifeln. Nimm mir » nicht übel, guter Mann, aber nur ein io unpraktischer Gelehrter, wie Tu, konnte die kolossale Schattenseite nbcrsekc», die uns den Aufenthalt hier unbedingt verbittern muß" „Schattenseite?" fragte Herr Werner erstaunt „Liebes Kind, in dieser unvollkommenen Welt bat jede» Ding seine Schattenseite, und auch Villa Lohengrin wird sie haben, aber wie Du diese bereits ycrauSgesundcn haben willst, nachdem wir erst wenige Stunden —" „DaS bedarf keiner langen Zeit", versicherte Lieschen, „so etwas sehe ich auf den ersten Blick", »nd sic zeigte mit dem auSaeslreckte» Zeigefinger aus Len zu ihren Füßen dahin plätschernden Bach. „Da!" Siegfried barte seine Frau nicht reckt verstanden. „Da» ist der Sauback, Lieschen. Schade, daß da» flinke, klare Wasser eine» so prosaischen Namen führt. Es sollen Forellen darin sein; sieb' mal an. ick glaube, da schwänzelt gerade eine vorüber. Ick muß mich dock ge legentlich erkundigen, ob man die Erlaubniß zum Angeln bekommt." „DaS fehlte auch noch!" warf seine Frau hastig ein. Nicht wahr, damit die Kinder reckt ausmertsain werken, daß eS hier fließende» Wasser gicbt. Der Back ist ja eben mein Kummer. Ich propbezeie e» Dir, die Kinder werden hinein- sallrn!" Werner schüttelte verwundert den Kopf. Wa» für schwere Gedanken sich seine Frau über Alles machte! Wenn man di« Kinder nicht durch Warnungen und Verbot» erst auf»
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