Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.02.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-02-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920219025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892021902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892021902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-02
- Tag1892-02-19
- Monat1892-02
- Jahr1892
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Abormementsprers k der Hauptexpedition oder den im Stadt bezirk und den Bororten errichteten Aus gabestelle« ab geholt: vierteljährlich^-tLO. bki jweimoligrr täglicher Zustellung in« Haut LLO. Durch die Post bezogen sür Deutjchlaud und Oesterreich: vierteliährlich ü.—. Direkte täglich« Sreuzbandsendung int Ausland: monatlich S—. Tie Norgen-Au-gabe erscheint täglich'/,7 Uhr, di« Abend-Ausgabe Wochentagr b Uhr. Ledattion und Lrpedition: 2»hain»rSgaye 8. li« Lrpedition ist Wochentag« unnnterbrochr» geSffuet von früh 8 bis Abend« 7 Uhr. Filiale«: ktt« «le»«'« Lortim. (Alfr«H Hahn), Uaiversitättstrahe 1. Laut« Lösche, jiathariuenstr. 14, hart. >»d Känigtplah 7. Abend-Ausgabe. Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- and Geschäftsverkehr. Insert! onspreis Die 6 gespaltene Petitzeile 20 Psg. Neclamen unter dem Redactionsstrich <4ge spalten» b0^, vor den Familiennachrichlen (bgeipalten) 40/^. Größere Schritten laut unserem Preis verzeichnis;. Tabellarischer und Zissernjap nach höherem Tarif. Vrtra-Veiiagcn (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe. ohne Poslbesörderung 60.—, mit Poslbesörderung 70.—. Ännahmeschluh für Znsrrate: Abend-Ausgabe: Voimiittags 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittags -t Uhr. Soun- und Festtags früh 9 Uhr. Bei de» Filialen und Annahmestellen ;e eine halbe Stunde früher. Inserate sind stets an die Ervevition zu richten. Druck und Verlag vou E. Polz in Leipzig KreitaH den 19. Februar 1892. Zocial-emokrtttische Wünsche. * Der sächfischenStändeversammlung ist eine nach mehreren Hunderten zählende große Anzahl von gleichlautenden Peti tionen zugegangen, deren jede von einer Person unterzeichnet ist, und weiche sich darüber beklagen, daß auf dem Lande, iiamentlich in den industriellen Bezirken in der Nähe großer Llädte betreffs der Abhaltung von Lustbarkeiten und Vergnügungen schwierigere Bestimmungen beständen als in den Städten selbst, daß in diesen Industriebezirkcn nicht jeden Sonntag öffentliche Tanzmusik abgchalten werden rürse und (z. B. in der Umgebung von Chemnitz) auf dem Lande alle öffentlichen Locale an den Borabenden der Sonn- und Feiertage punct 12 Uhr Nachts geschlossen sein müßten. Die Petenten wünschen unter diesen Umständen, daß die Bc- urtheilung der Bedürfnißsrage zur Abhaltung öffentlicher Tanzmusiken den Gemerndevorständen überwiesen werde, daß namentlich eine andere Zusammensetzung der Bezirksausschüsse und eine freiere Wahl zu den selben slattfinden möchte. Zur Begründung ihrer Wünsche sühn» sie an, daß die größeren Fabriketabliffements mehr und mehr ans den Städten auf das Land verlegt werden müßten, daß der Fabrikarbeiter, welcher in der Woche an seine Maschine gebannt sei, Sonntags im Interesse der normalen Entwickelung seines Körpers seinen Gliedern Bewegung verschaffen müßte, während die landwirtbschaftticke» Arbeiter während der ganzen Woche abwechselnde Be schäftigung hätten und sich deshalb Sonntags mehr der Nuhe hingeben wollten. Wenn die Polizei zur Hebung der Religiosität eingerichtet worden sei, um den Leuten eher Gelegenheit zum Kirchenbesuch zu bieten, müsse man sich fragen, ob denn die Leute aus dem Lande gottloser seien, als die in einer Stadt, welche derartiger Bestimmungen nicht be dürften. In dem Bezirksausschüsse der Chemnitzer Amts- bauptmaniischast säßen nur Vertreter des Acker- »nd Berg baues, während alle Industrien und Gewerbe ohne Vertreter seien, und möchten unter Heranziehung Sachverständiger, aber auch mit den einfachen Volk-Verhältnissen ganz genau infvrmirter Männer derartige Uebelständc beseitigt werden. Es hätte eines solchen Schwalles von Einzelpetitionen nicht bedurft, um die Petitions-Deputation der Ersten Kammer Berichterstatter Herr vr. von Wächter) zu einer eingehenden Prüfung und Erwägung der vorgebrachtcn Wünsche zu ver anlassen. Die Deputation kann sich, wie sie in ihrem Bericht betont, aber keine<wcg« auf den Standpunkt der Petenten stellen, welche eint so weitgehende Ausdehnung der Ver gnügungen anstreben. Die Bezirksausschüsse, welche den königlichen Amtshauptmannschaften zur Seite gestellt sind, werden von der Bezirksversammlung nach Maßgabe von Bestimmungen gewählt, welche eine Einseitigkeit in ihrer Zusammensetzung vollkommen ausschließen und den Be- rölkerungsvcrhältniffen der betreffenden Bezirke sich unbe dingt anpaffcn. Je nach Maßgabe des Bedürfnisses werden auch auf dem Lande, namentlich i» den Um gebungen der großen Städte, weitergehcnde Erlaubnisse zur Abhaltung von Tanzmusiken gegeben, als in den Gegenden mit rein landwirthscbaftlichcr Bevölkerung. — Wie das Beispiel der englischen Ärbeiterbcvölkerung beweist, giebt eS übrigens sür industrielle Arbeiter auch andere, viel leicht zuträglichere Arten, Sonntags den Gliedern Bewegung zu verschaffen, als auf dem Tanzboden. Was die Einfüh rung der Polizeistunde am Sonnabende auf dem Lande be trifft, so dürften dabei noch ganz andere Gesichtöpnnctc maß gebend gewesen sein, als blos die Veranlassung zu etwaigem Kirchenbesuch. Aus diesen Gründen beantragt die Deputation, die ge dachten Petitionen um Umänderung unk Ergänzung der im Jahre 1876 sür die AmkShanptniaiinschaften erlassenen Nor- mativbestimninngen ans sich beruhen zu taffen. Leipzig, 19. Februar. * Dem Vernehmen nach ist dem Bundcsrathe ein Gesetz entwurf über das Answaudcr nngSwescn zugegangen. Derselbe soll Bestimmungen über die Unlernehincr, die Agenten, allgemeine Bestiinniungcn über die Auswanderung, besondere für die überseeische Auswanderung nach außer europäischen Ländern, über die Beaufsichtigung des Aus- wandrrungswescns, über die Beförderung von außerdeutschen Häfen aus, sowie Strafbestimmungen enthalten. * Die „Nationalliberale Correspondenz" schreibt: In den jüngsten Roichstagsverbandlungen, namentlich bei den Debatten über die ReichSeiscnbahiiverwallniig und die Eittlafsuiig von Arbeitern wegen fooialtcmokralifchcr Agitationen, sind von cvnservcnivcr und srcironscrvativer Seite mehrfach Aenßcrungcn in der Richtung gefallen, daß man ohne einen Ersatz für das abgcschaffte Socialistcngcsctz ans die Dauer nicht werde auskommen können. Gerade diese Andeutungen gaben den Debatten eine ungewöhnliche Schärfe, zumal da man darin nicht leicht hingeworfcne RedcstoSkeln, sondern einen mit Bedacht ausgcstrecklcn Fühler zu erkennen glaubte. In dessen haben sich die Regierung-Vertreter aus diesen Gegen stand nicht eingelassen, und auch von bctkeiligtcr Seile ist versichert worden, daß diese Auslassungen keineswegs „bestellte Arbeit" seien. Man hat daher vorläufig leine Berechtigung, derartige Andeutungen sür nichr als private Meinnngsäußer »ngen einzelner conscrvativer Redner zu halten In dcrTkak wüßten wir auch nicht, was gegenwärtig solche Pläne ans die Oberfläche treiben sollte. Tie socialdcmokratische Bewegung bat seit dem Erlöschen des SocialistengeseyeS nicht derartige Formen an genommen, daß eine erneute Abwehr mit außerordentlichen Maßregeln notbwendig erschiene. Sie ist, wenigstens nach den letzten Rcichstagswahlen zu urtheilcn, die allerdings noch unter der Geltung des Socialisteiigesctzcs, aber unter der Sicherheit des dcmnächstigcn Erlöschens desselben statlsanden, in die Breite gegangen; daß sie aber gefährlichere Formen an genommen hätte, ist nicht hcrvorgclreteu, und was die Aus dehnung betrifft, so wirkten in den letzten Iabren manche Umstände mit, die schlechten Erwerbsverbältnisse, die Tbciicrung der Lebensmittel und die sich darauf stützende Aufhetzung, und man wird doch abwarten müsse», ob diese Ausdehnung weiter sortscbreitet oder wieder einen Rückgang erfährt, lieber die Zweckmäßigkeit der Abschaffung des >Locialiftc»gesetzcs mochte ina» verschiedener Meinung sein, das aber unterliegt kaum eineni Zweifel, daß die Beibehaltung desselben weit geringeren Bedenken unterlegen hätte, als jetzt die Schaffung neuer außerordentlicher Abwehrmaßregeln ohne die zwingendste Notkwcndigkeit. * Wenn in den Verhandlungen der vorigen preußischen Landtagssession von einer Untersuchung über in Ucbung befindliche Methoden des Wasserbaues die Rede war, so ist damit eine Erörterung gemeint, welche der Initiative Seiner Majestät des Kaisers aus Anlaß der Hoch >vasserschäden im Herbst 1890 zu verdanken ist. Wir haben Grund zu der Annahme, daß diese Erörterung zu einem positiven Abschluß gelangt ist und zwar in der Richtung der Einsetzung einer aus Hydrolektcn, Verwatttuigsbeamtcn, Sacytuntige» aus dem Kreise der an der Wasserwirthschaft besonders Inlcressirlen znsaniincngesctztcn Commission, deren Ausgabe zunächst die Untersuchung der Frage sein würde, ob die vorgckoinmcncn Hochwasserschäden iin ursächlichen Zusammen hänge mit den Fiußregtilirnngen stehen, sodann sich allgemein auf die Ursachen der letzten Ucberschwcinmiinge» und ihre Verhütung zu erstrecken haben würde. Die Coininission würde neben der hierdurch bedingten Prüfung aller cinschtäHigen thatsächlichen Verhältnisse und der an den gesunkenen Lhat- bcstand anzutnüpfendcil Vorschläge zur Beseitigung Vor gefundener Mängel und zur Verhütung des Wiedereintrittes derselben auch mit der Begutachtung anderer wichtiger schwebender Fragen an« dein Gebiete der Wasserwirthschaft betraut werden könne». Es würde sich also gewissermaßen uni ein Pendant ;u der Reichs Rhcinuiitcrsiichungseommisfioii handcin, deren Arbeiten nach nahezu achtjähriger Dauer jetzt abgeschlossen sind, jedoch mit dem Unterschiede, daß die letztere ausschließlich ans Technikern und Berwalrungsbeamten der Rheinnferstaaten bestand, während sür die preußische Unter suchung entscheidender Werth aus die Mitwirkung fach- und ortStuiidiger Personen außerhalb der Bcamlcnwcll gelegt wird. — Die Erfahrungen bezüglich der Reichs-Rheinuser- linlersiichungsconiinission und die Lage der Arbeite» zur wissen schaftlichen Erforschung aller die Wasscrwirthschast beein flussenden Vorgänge legen die Annabnic nabe, daß wiederum geraume Zeit vergehen wird, bis die jetzt in Aussicht ge nommenen Arbeiten der geplanten Commission zum Abschluß gebracht sind. * Tie „Westfälische VolkSzcitung" schreibt: Wie wir einec bricslichen Mitthellniig des Herrn Oberstaats anwalts i» Hamm an den Chesredacteur der „Westfälische» Volts- zeitung" entnehmen, ist seit dem >2. d. M. die Fortsetzung des Ver fahrens gegen Baare ln bestimmte Aussicht genommen. Der Gencraldircewr des „Bochnmer Vereins" hat offenbar biervon Wind erhalten und aus diesem Grunde seinen samoscn Antrag an den Jllsttzmintstcr, cs möge schleunigst die Vorunterluchuiig gegen ihn crössnet werden, eingerelcht. UeberaU, wo man Herrn Baare kennt, wird man über diese neueste Belhätigung seiner weltmännischen Schlauheit nicht wenig vergnügt sein. Hierzu ist zu bemerken, daß Herr Baare bereits zu Anfang August v. I. den Iustizniinister brieflich ersucht bat. ibn verantwortlich vernehmen zu lassen, was jedoch bislang nicht geschehen ist, weil dazu kein Anlaß Vorgelegen hat. Ob der jetzt erneuerte Antrag Erfolg haben Wirt, bleibt abzu warten. * Der „Münchner Allgemeinen Zeitung" wird auS Berlin gemeldet: Zn pariainentarischc» Kreisen verlautet, Minister Herrsurth beabsichtigt wegen seines NicrcnlcidenS den Abschied zu nehmen. — Wir verzeichnen dieses Gerücht nur unter Vorbehalt. * Der „neue CurS" in Preußen wird in seinen Zielen immer deutlicher. Die königliche Regierung zu Arns berg versenket soeben eine Verfügung an die KreiSschnl Inspektoren, die nicht nur im Lebrerstandc, sondern auch anderwärts berechtigtes Ausseben erregen wird. Dieselbe be trifft die fortlaufende Mitwirkung der Lehrer au der TagcSprcssc. Die Verfügung erinnert an die Allerhöchste Cahinclsordrc vom 19. Juli 1839 und an den Ministerialerlass vom 31. October 181t, welche besagen, daß den Lehrern nur die Ucbcrnahinc solcher Nebenbeschäftigungen gestattet werden soll, deren Verrichtung dem Amte und der Würde eines Lehrers keinen Eintrag thnt und ihn seinem nächsten Berufe nicht entfremdet. Da die Mitwirkung der Lcbrcr an der Tagespreise in der Regel und zugestandenermaßen gegen ein entsprechendes Entgelt, sei cs durch Baarzahlung, sc, cs in anderer Weise, geübt werde, so sei diese Tbäligkeit auch als eine nebenamtliche Beschäftigung im Sinuc der bestehenden Bestimmungen anznsehcn. Es beißt dann wörtlich in der Verfügung: „Je weniger cs nun in unserer Absicht liege» kann, den Lehrern die Erörterung fachmännischer Fragen oder die Mitthcilnng belangreicher Wahrnehmungen und Erfahrungen in den einschlägigen Blättern zu versagen oder ihnen die Mitwirkung an der Hebung religiöser und vaterländischer Gesinnung zu verschränken, um so entschiedener wird der nebenamtlichen Thätigkeit eincö jeden Staatsbeamten dann cntgcgciizutrclcn sein, wenn dieselbe siel, entweder in einen ausgesprochenen Gegensatz zu den rorgcdachten Bestrebungen setzt oder ausschließlich ans die Hcrbcisckaffnng und Ausbeutung von Tagcsnenigkciten abzicll und sich zu diesem Bcbnse auf die Anwendung von Mitteln angewiesen siebt, welche ebensowenig mit dein Ainle wie mit der gesaninitcn Stellung eines LebrcrS vereinbar sind". In nnscrn Tagen, wo die Enipsiiitniigcn des prenßiscben Lehrer slandcs durch das neue Votksscbulgeietz aufs Höchste in Mil leidcnschast gezogen und erregt sind, sollten wenigstens, so bemerkt die „Kölnische Zeitung", keine Verfügungen erlassen werden, die in Lehrcrkrciscn peinlich berühren und vielleicht Erbitterung Hervorrufen werde». Man sollte auch den Schein vermeiden, als wolle man den Lehrern durch Ein- schiichterungSvcrsuchc daö Recht der freien Meinungsäußerung verkümmern. Hält man aber diese Verfügung mit derjenigen des Regicrniigspräsidcntcn zu Frankfurt a. d. O. zusammen, so drängt sich der Argwohn ans, als versuche inan, die Erregung der Lcbrcrkrcisc an» der großen Ocssciitlicl'kcil in die Brust deS armen Lehrers ziirückzndrängcit, in die ja die Schn! Vorlage auch den Kampf zwischen Staat und Kirche verlegt. Grundsätzlich können wir nicht ancrkcnncn, daß die Mitarbeit an der Tagcsprcssc mit der Würde des Lehrers unvereinbar sei; die Verfügung legt die Enipsindung nabe, daß diele Mitarbeit nur dann als zulässig betrachtet werden soll, wenn sie si b allercingS über die Nachrichten erbebt, aber auch im Ein klang mit den wechselnden Anschaunngcn der jeweiligen RegicrungSpolitik steht. * Die „Grenzbvtcn" brachten kürzlich eine scharfe kritische Erörterung der preußischen Justizverwaltung. Wie der „Nationalzeitutig" berichtet wird, soll »nniiichr gegen den Verfasser des Aussatzes iin Wege des Disciplinarvcr sahrcns vorgcgangen werden. Woher man den Verfasser des anonym erschienenen Artikels kennt, wird in der Mi» theilung nicht gesagt. * Ans der Provinz Posen wird der „Rb. Wests. Ztg." geschrieben: „Es mag Sic intcrcssiren, über Herrn von KoSciclski, der jetzt in Berlin eine große Rolle spielt und den Gerüchte, wenn auch unverbürgte, als möglichen künftigen Ober Präsidenten unserer Provinz bezeichne», einige weniger bekannte Personalien zu erhallen. Herr v. KoSciclski befand sich früher im Zustande eines wirthfckaNlich nicht sehr g»t gestellten polnischen Gutsbesitzer«, bis er die Tochter eines russischen Inden heiratbete. Dieser Jude, Namens Bloch, batte sich an Eisenlahn- Unlcrnebintingen, ans die hier nicht weiter cingegangen werden soll, sehr gewinnbringend betheiligt. Mag man über Herrn Ferrilletsx. Die Dennhar-tsbrüder. bl Socialer Roman von A. Lütetsburg. Naüdluä Verbote». (Fortsetzung.) Ein älterer Mann drängte sich vor. Er war eine schmächtige Erscheinung mit leicht gebogenem Rücken und ichattweißem Haupt- und Barthaar und eineni schmalen, bageren Gesicht. In den feinen Zügen, die einen ausfälligen (Gegensatz zu der blaue» Blouse und dein Lederschurzfell bildeten, prägten sich Wohlwollen und HcrzenSgüte auS, während aus den graublauen Augen ein ungewöhnlich scharfer Beistand leuchtete. „Rede, Röhnisch! aber nicht so, sondern klar und deutlich", sagte er, an den noch immer schimpfenden Burschen hcran- irelend. „Mit derartigen Schwätzcrcicn, die sinnlos »ach- gesprochen werden, wird nichts erreicht, aber viel Unheil und ilnrersiand unterstützt. Wer bat Dich fremd gemacht?" „Run — wer sonst? Der Herr Geheimrath", lautete die keimend gegebene Antwort. „Warum?" „Seid Ihr Untersuchungsrichter, Grünwald? Dort steht die richtige Adresse, wenn denn einmal incriminirt werden soll." Er de»letc mit einer wegwerfenden Geberde ans Brenner, der »och immer regungslos dastand. Da- feine Gesicht Grünwald's nahni einen Hauch von Rothe an, seine Stirnadern schwollen. Mit festem Griff balle er Röhnisch beim Arni gefaßt. „Verleumder! Bursche, willst Du jetzt reden?" Zn den Augen Grünwald's war ein Ausdruck, der Wohl liech eine größere Wirkung auSübtc, als der Druck, mit welchem er den Arm deS Wüthenden umschlossen hielt. Die Rügen de« Burschen suchten den seinen auszuweichen, während er bemüht war, sich von dem ihn umklammernden Griff zu befreien. „Laß >bn lo«, Grünwald!" ries eine Stimme dazwischen. .Nicht, bi- er gesprochen hat. Also, warum bist Du fremd gemacht?" .Weil ich nicht mit Diebesgcsindcl zusaminenbleiben will" kreischte der Bursche, braunrotb vor Wutb. „Wenn Du un- damit meinst?" mengte sich ein riesengroßer Mensch hinein, indem er den nervigen Arni mit dem auf- gekrampten Aermel in die Höbe hob, um die Faust vielleicht im nächsten Augenblick mit allem Nachdruck auf Röhnisch« Rücken medersausrn zu kaffen. .Nein, Euch nicht, aber den da, an« dem „Tennhardt". Wir wollen nicht mehr mit ihm arbeiten. Er bat gestohlen — darum kann er keinen Menschen gerade ins Gesicht sehen, der scheinheilige Kriecher! — Wir geben — die drei init mir. Und wenn's nächstens fehlen sollte, so wißt Ihr, wo Ihr'S hcrzunehmen habt " Er vollendete nicht. Ein heiserer Schrei unterbrach ihn, aber nicht dieser hatte ihn zum Schweigen gebracht, sondern ei» Paar schallende Ohrfeigen,welche ihm vonGrünwald verabfolgt wurden. Im Nu batte sich ein Handgemenge entspannen, und schon wurde »ach den Werkzeugen gegriffen, uni sie als Waffen zu benutzen. Ohne die Rufe rilliger Besonnene» würde vcrmuthlich eine furchtbare Schlägerei entstanden sein, noch ehe von außen Hilfe gekommen wäre, de» Frieden her- zustellcn. In demselben Augenblick aber, als Röhnisch von dem vorerwähnten großen Mann wie ein Kind in die Höhe gehoben und trotz energischer Gegenwehr aus dem Saal getragen wurde, erscholl von allen Seiten ein lautes Ge lachter, und die bedrohlich gewordene Lage hatte ihr Ende erreicht. Ais wenige Minuten später mehrere Beamte der Fabrik, welche hcrbeigcrufcn waren, auf dem Schauplatz erschienen, befanden sich die Arbeiter bereits wieder in voller Thätigkeit. Nur Einer nicht. Bleich, mit geschlossenen Augen, den linken Arm um den Schraubstock geschlungen, nin sich vor dem Unisinkcn zu schützen, stand Jakob Brenner da. Wie ein Gewittcrsturm brauste eS vor seinen Ohren, tiefe Nacht lagerte vor seinen Äugen, noch ebe sich die Lider über dieselben herabgescnkt. Nun kam ein leiser Seufzer von seinen Lippen. .Brenner — Sie sind nicht wohl. Gehen Sie an die Lust", tönte die Stimme des Jnspectors Wiedekind an sein Okr. Er wollte einen Schritt vorwärts thnn, aber taumelnd umschlang er nur noch fester seinen Stüypunct. .Herr Inspcctor — Sic erlauben. Dem armen Kerl ist schlecht", sagte Grünwald hcrantretcnd. „Ja — ja, man sieht eS. Führen Sic ibn hinaus, Grün- Wald. Und dann", wandte er sich zu den Anderen, .was ist hier vorgegangen?" Ein Bericht erfolgte und der Inspector gewann al-bald die Uebcrzeugung, daß abermals Brenner die Ursache des Streites war. Seine Brauen zogen sich zusammen. Inzwischen batte der Werkmeister Grünwald Brenner in den kleinen, zwischen den Fabrikräunicn gelegenen HanSgartcn geführt, und, uniwcht von der frischen Hcrbstlust, begannen die bleichen Wangen seines Schützling« sich wieder zu färben. „Wie ist Ihnen, Brenner?" fragte der Werkmeister, nach dem er den jungen Mann einige Male auf unk ab geführt .O. besser — "besser", murmelte dieser. „Lassen Sie mich nur allein, Herr Grünwald: wenn Sie an Obre Arbeit zurück möchten, will ich Ihnen nicht hinderlich sein." Die letzte» Worte waren mit plötzlich erwachter Lebhaftig keit gesprochen. Brenner halte seinen Arm auch ans dein seines Begleiters gezogen und stand nun ruhig und auf- gerichlet da. Der Werkmeister lehnte ab, er nickte verständnißvoll mit dem Kopfe, indem er sagte: „Es wird nicht so eilig sein. Sic sollen sich erst ein Bischen erholen. Warum »chmen Sie sich die Worte dieser nichtsnutzigen Schlingel so zu Geinütbe? Derartiges Gesindel ist reinweg ans BoSbeit zusammengesetzt und gönnt Nicmandein sein Bischen Brvd, Ihnen nicht, weil Sie ein gut Thcil bester sind, als die Sorte." „Sie sind sehr gütig, Herr Grünwald", entgegncte Brenner mit einer starken Beimischung von Bitterkeit. „Ich will Ihnen damit nichts Angenehmes sagen, oder Sie zu beruhigen suchen, sondern theile Ihnen nur meine Meinung mit. Lange genug habe ich die Geschichte heimlich beobachtet, ich sah den Ansgang voraus und habe mehr als einmal die Idee gehabt. Sie zu warnen. Aber ich bin ein alter Mann, und Sie sind, nehmen Sic'ö nicht sür ungut, ein etwas eigen tbümlicher Patron. Sie verlangten Niemandes Rath und Bei stand, ich hatte nicht Lust, mich Ihnen anszudrängcn, aber ich kabc Sic im Auge behalten, um einmal beispringen zu können. Daß die Kerle einen solch gemeinen Weg wählte», Ihnen zu schaden, habe ich nicht gedacht, und doch muß ich bekenne», daß sie keinen besseren wählen konnten, sich selbst in das rechte Licht zu stellen. Sie haben keine Freunde unter den Arbeiter», Brenner, aber eines Diebstahls würde man Sie nicht fähig halten." Einen flüchtigen Augenblick leuchtete eS Heller in den Augen deS jungen Mannes auf, aber gleich darauf war der Licht blick wieder erloschen; er sah den Werkmeister mit einem Ausdruck an, der riesen schmerzlich berührte. „Warum nicht? Sie scheinen von meiner Vergangenheit nichts zu wissen." .Ich kenne sie ganz genau." „Sie wissen, daß ich zwei Iabrc in einer Erziehungs anstalt für verwahrloste Kinder verbrachte?" .Ja, .am Tcnnbarkt". ÜS thnt mir leid. Mögen Sir nur durch Kindcrstrciche oder durch einen Zufall binein- gerathen sein, es ist immer eine fatale Sache. Wie sind Sic und Ihr Bruder dazu gekommen, ich möchte das wirklich wissen. Ihre Mutter ist eine anständige Frau — weder Sie, noch Ihr Bruder machen den Eindruck, als ob Sie in schlechter Gesellschaft oder vollends verwahrlost ge wesen wären." „Mein Vater — wissen Sie von ihm?" Grünwald beantwortete die Frage nicht sofort, er war nicht aus sie vorbereitet. „Er sott ein Mörder gewesen sein." Der Werkmeister zuckte zusammen. „Wer sagte Ihnen daS?" fragte er stirnrnnzclnd. „Zuerst fremde Knabe», dann meine Mutter." „Ja, ja", sagte Grünwald kopfschüttelnd, „so sind die Menschen mit ihrer Freude am Unhcilstiften. Iin Uebrigen hat Niemand daS Recht, Ihren Vater einen Mörder zu nennen. Ich habe ibn gekannt. Er war kein schlechter Mensch, viel leicht — sehr jähzornig." Wieder crlöschten die beiden letzten Worte einen Anfblitz der Hoffnung in den Angen deS jungen Mannes. „Sehr jähzornig", wiederholte er. „Ja, sehr fähzornig. Er kaniilc auch seinen Fehler, war aber zu schwach, sich in entscheidenden Augenblicken zu be herrschen. Zwischen den Brüdern war nie ein gutes Bei bältniß. Ihr Vater hielt Karl Brenner für den Bevorzugten, obwohl er es nicht war. Was in jener UngliutSnacht vor gefallen ist, hat Niemand erfahren. Karl Brenner war, in iiolgc einer schweren Verletzung am Kopfe, lange krank und nach seiner Genesung wagte Niemand, ihn an den Vorgang zu erinnern" „Und er selbst? Konnte er zngcbcn, daß ein so schwerer Verdacht ans dem Bruder haste» blieb, wenn dieser schuldlos war? O, bitte, sprechen Sic!" „Sie fragen mehr, als ich beantworten kann. Es in ancl> besser, inan rührt nicht an die Geschichte. Lassen Sic rie Sacke ihren Gang gehen. Ihr Vater ist vielleicht lange todi. Ihre Mutter hat den Versuch gemacht, Kart Brenner zu einer Ehrenrettung seines Bruders zu bewegen — sie in abgewicsc» worden, der Gchcimrath hat erklärt, er wünsche nicht, daß die Vergangenheit ansgewnhll werde, und cs müssen wohl gewichtige Grünte sein, die ibn zu einem solchen Ausspruch bewogen. Er ist ein Ehrenmann, und, wie ich weiß, nicht nur in den Augen der Welt, sondern in Wirklich teil. Denken Sie nicht an Dinge, die nickt zu ändern fink, Brenner." „LH! Oh!" stöhnte dieser. „Herr Grünwald — der Ge danke, daß mein Vater schuldlos sein könnte, wird mich wahn sinnig macken." „Sie sind ein seltsamer Mensch. Mich dünkt, ein solcher Gedanke müßte Ihnen Trost und Berukigung gewähren. Halte» wir an ibni fest, denken Sie, er wäre unschuldig und nur vom Unglück vcrsolgt gewesen." Der Werkmeister batte Brenner etwas Tröstliches sagen wollen, aber daö Gegeiilbeil von dem bewirkt, was er beabsichtigt. Da- Blut war heiß in Iakob'S Gesicht gestiegen und er rang »lüksai» nach Luft. „Ich kann nicht — ick darf nicht. Er muß schuldig ge wesen sein, damit dieses Leben zu ertragen ist, damit ich nickt de» Glauben a» Gott und eine waltende Gerechtigkeit verliere. Denken Sie, Grünwald, wenn mein Balcr unschuldig in die Welt
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite