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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.06.1892
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-06-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920607011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892060701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892060701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-06
- Tag1892-06-07
- Monat1892-06
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DTVotmememtApreiA kn -er HauptrMedttto« oft« de» im Stab«, bezirk und de» Vororte» errichtete« Axt» „abkslellen »-geholt: vierteljährlich ^4ckO; bei zweimaliger täglicher Zustellung in« Hau« ü-üä Durch di« Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich » S.—. Direct» tägliche ikeuzbandsendung tu» Nuslaud: monatlich -äl S —. Die Morgen-Ausgabe erschiint täglich'/,? Uhr, die Abend-Ausgabe Woche» tag» b Uhr. Morgen-Ausgabe. Le-actiou »ad Erpeditio»: JotzanueSgasse 8. Di» Expedition ist Wochentag« unuuterbroche» geäguet von früh 8 bi« Lboch« 7 Uhr. Filiale«: vtt« »«««'« Porti». (Ulf»» Ho»»X Uaiversitättstrast« I, LouiS L-fch-, Lathariuenstr. Lch puü. uud kvaiglplatz 7. ttMkrTagcblalt Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Kandels- und Geschäftsverkehr. JafertioaSprel- Die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter dem Redocttousstrich («go» spaiteu) aor den Famiiieunachrichlei» (bgtjpalteu) 40 Größer« Echristen laut uujerr« Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Zifferosatz nach höherem Tarif. Sptra-Veilagen (gesalzt), nur mit d« Morgen-Ausgabe, ohne Poslbesörderung -St SU.—, mit Postbesörderung 70. -. Annahmeschluß str Inserate: Abeud-Au-gabe: Vormittag« 10 Uhr. Margeu-Au»gab«: Nachmittag« «Uhr. Sonn, oud Festtag« früh S Uhr. Lei den Filialen und Lnnahmeslelleu j» eia» halb« Stuad« früher. Inserate smd stet« a» dt, Erpedttto» zu richten. Druck und Verlag von E. Polz kt» Leipzig ^-287. Dienstag den 7. Juni 1892. 88. Jahrgang« Amtliche Bekanntmachungen. Lekanntmachung. Mt Zustimmung der Herreu Stadtverordneten haben wir be- schlossen, tu diesem Jahre di« Harkortstrahe in Lei-zig-Lindrnau, von der Kreuzung der Demmeringstraß» ab in Länge de« Grundstücks der „Kaiserburg", di« Auen- und Kregeftratze, auf deren Strecken zwischen der Waldstrabe und dem Fuukenburgareal, di» Leipziger Straße in Leipzig-HohliS, zwischen der Flurgrenze von Alt-Leipzig und dem Ktrchplatze in Leipzig. Gohli«, und die westliche und nörditche Fahrstraße des Kirchplatzes in Letpzig-GahltS, neu zu pflastern, sowie im Wtndmühlcnwcge von und mit der Kreuzung der Johannis-Allce bi« zum Eingänge zum Apollo-Saal» «in« Hauptschleuße neu zu bauen. In Folge dessen sind die Besitzer der an genannten Strassen liegenden Grundstück« nach unteren Bekanulinachungen vom 10. März 1881, 2. Januar 18S0, und 2. Januar 1801 verpflichtet, die Lrauf-, Fallrohr- und WirthschaslSwäsier durch unterirdische Bci- schleuben für ihre Rechnung direct iu die Haupiichleuße abzuleiten und zwar sind diese Anlagen innerhalb des StraßciikörperS aus Koste» der Betheiliateo durch un« nach Einzahlung der hierfür zu brrcch- »enden Bouschkostensumme auszuführen. Mr fordern daher die Besitzer, bezw. Verwalter der an den oben- bezeichnet«« Straßen und Stratzenslrecken liegenden Grundstücke aus, die zu uuterführenden Fallrohre und ein- oder umzulegeuden Bei- schleuß«» bei uns anzuinelden, damit die AuSsührung der Arbeiten von un« rechtzeitig vor der Slroßenherstellung bezw. beim Baue der Hauptschleuße erfolgen kann. Im Falle unterlassener Anzeige haben die Säumigen außer Ver- Wirkung einer Geldstrafe bi» zu 60 zu gewärtigen, daß di« vorstehend gedachten Arbeiten von Naths wegen aus ihre Kosten aus. geführt werden. Etwa beabsichtigte, die bezeichneten Straßen berührende Arbeiten an den Vrivgt-Ga»- und Wasserleitungen sind vor Inangriffnahme der oben ausgeführten Ttratzcuhersttllungcn anszujühren, da Arbeiten der vorgedachteu Art im Straßeilkörper mit Rücksicht aus die Erhaltung eine- guten Straßenpstastcrs während «iucS Zeit- raume« von 5 Jahren nach beendeter Straßenherstellung in der Regel nicht zugelassea werden können. Leipzig, am 1. Juni 18S2. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Tröudliu. Rüling. Die politische Lage in Lagern. —- München, Anfang Juni. Die von un- kürzlich an dieser Stelle ausgesprochene Meinung, daß man im Ganzen mit dem Resultat der jetzt ablaujeuden sechsjährigen Legislaturperiode in Bayern, die ungefähr mit der bisherigen Negierung des Prinzregenten Luitpold zusammenfällt, allseitig zufrieden sein könne, wird auch durch den unterdessen erfolgten Landtagsabschied sanctionirt. Nach rühmender Anerkennung der sachlichen Leistungen der Volksvertretung sagt der Prinzregent in Bezug aus die Parteivrrhältniffe rc.: »Die sich festigende friedliche Gestaltung der inneren Verhältnisse und sachliche Beurtheilung aller Fragen, welche die Grundlage für eine gedeihliche Ent wickelung bilden, hat Unserem Herzen wohlgethan. Möge die Landesvertretung auch fernerhin unseren warnten Bestrebungen, da- Wohl unseres heißgeliebten Bayernlandes und daS Ge deihen de« Deutsche« Reich« zu fördern, kräftig zur Seite stehen." Ebenso gab sich in den Schlußversammlungen beider Parteien, der liberalen wie der ultramontancn, eine befriedigte Stimmung kund; auf beiden Seiten wurde jedoch festes, unentwegte-Zusammenhalten innerhalb der Partei von Neuem proclamirt, »me ja kein Einsichtiger sich darüber tauscht, daß die momentane allseitige Friedlichkeit und die Zurückhaltung der Ultramontanen keine Garantie gegen die Wahrscheinlichkeit künftiger neuer Complicationen und Kämpfe girbt. In dieser Beziehung wird die Entwickelung der Dinge in Bayern wesentlich mit von der Haltung des Zentrums im Reich ab- hängen, die ja leider schon viel zu viel al« Richtschnur für die deutsche Politik dienen mußte. Iu der Bundesverfassung, rejp. in dem Vertrag vom 23. November 1870 über den Beitritt Bayern- zum Deutschen Bund, au< welchem zwei Monate darauf das Deutsche Reich erwuchs, find Bayern sehr wesentliche Reservatrechte zu gestanden worden. Daß dieselben, wenigsten- theilweisc, z» Gunsten der weiteren Vereinheitlichung des Deutschen Reichs im Laufe der Zeit verschwinden müssen, wie etliche schon ver schwunden find, ist keine Frage; eine rücksichtslose Beschleu nigung diese« ProceffeS könnte jedoch nur schädlich wirken und zu einer solchen Zwangspolitik wird man in Berlin wir man sie bisher klug vennirden, wohl nieinalS greisen DaS wichtiastr Reservatrecht betrifft die Armee. DaS .bayerische Heer" ist im Frieden vollständig selbstständig unter der Militairhohnt de« König« von Bayern; erst im Kriege, und zwar mit Beginn der Mobilistrung, kommt eS unter den Befehl de« Bunde-seldhrrrn. Auch aus die Besetzung der höchsten Stellen der beide» bayerischen Armeecorp« hat der Kaiser keinen Einfluß, wi« da« in Sachsen und Württemberg der Fall Inbeß besagt die Verfassung: „In Bezug auf Organisation Formation, Ausbildung und Gebühren, dann hinsichtlich der Mobilmachung wird Bayern volle Urbereinstimmung mit den für da« Bundesherr destebenden Normen Herstellen. Bezüg lich her Bewaffnung und Ausrüstung, sowie der Gradabzeichea behält fich di« königl. bayerische Regierung die Herstellung der vollen Urbereinstimmung mit dem Bundrsbrere vor. Der BundeSsrldhrrr hat die Pflicht und da« Recht, sich durch Iilspecllvnen von der Urbereinstimmung in Organisation, Formation und Autbildung, sowie von der Vollzähligkeit und KriegStüchligkeit de« bayerischen Eoutinacnl« Ueberzeugung zu verschaffen und wird sich über di« Modalitäten der je weiligen Vornahme und über da« Ergrbniß dieser Inspektionen mit Sr. Majestät de« Kiinigr von Bayern in« vernehmen setzen- Thatsächlich ist dir Au«bildung »c. der bayerischen Truppen eine im Ganz«, derjenigen der übrigen deutschen Truppen gleiche geworden. Mit der Gleichmachung der .Bewaffnung und Au«rüst»og" geht r« langsamer. In dieser Beziehung blieb e« de« Priarreaentrn v»rd,halten, einen trotz seiner schein- Netzarstchlichkrit dedents»»», Gchritt zu thua, «dem er ein altes charakteristische- Wahrzeichen der bayerischen Soldaten, den Raupenbclm, abschafstc und durch de» preu ßischen Helm ersetzte. Was die Inspcctioncn anlanzt, so sind dieselben unter König Ludwig durch de» damaligen deutschen Kronprinzen mebr nur pro korma abgehalten worden. Sie waren dem auf seine Selbstherrlichkeit stolzen König stets ein Dorn im Auge, und er batte gerade ihretwegen einen beson deren Haß auf den deutschen Kronprinzen geworfen, der übrigens bei seinen bayerischen Inspektionen stets vermied, die Hauptstadt München zu berühren, und — nach 1870/7 l — nie mit König Ludwig in Berührung kam. Nun hat im vorigen Jahr Kaiser Wilhelm ll. persönlich Recht und Pflicht der Inspcction auögeübt. Daß er sich dabei sehr lobend über die bayerischen Truppen ausgesprochen, daß der Verkehr mit dem Prinzregenten der beste war, indem alle möglichen Rücksichten gewahrt wurden, ist »och in Aller Erinnerung. Aur Ebnung der in gewissem Maße und in gewissen Kressen allerdings vorhandenen Abneigung gegen diese persön liche Einmischung des Kaiser« in die bayerischen Hecrcs- angelegenbciten trug nicht unerheblich auch der Umstand bei, daß die beiden jüngeren Söhne des Prinzregcnten, Prinz Leopold und Prinz Arnulf, mit Leib und Seele Soldaten ind, weshalb besonders der letztere bei stockbayerischen Ge- müthern als „Preuß" verschrieen ist und z. B. im Sigl'schen „Vaterland" schon manche gehässige Angriffe erfahren mußte. Ucbrigeiis können die verfassungsmäßigen Inspektionen durch den Kaiser oder dessen Beauftragten immer nur sozusagen einen moralischen Werth haben, da eö von dem Befinden und dem guten Willen de« bayerischen Regenten abhäugl, etwaige Wünsche des Kaiser- zu erfüllen; heißt es vertrags mäßig doch nur: Der Bundesseldherr wird sich über da« Ergebniß mit dem Könige von Bayern „ins Vcrncbmen etzen". Irgend ein Zwang zur Durchführung wäre schwer denkbar. Daß bei der weiteren Vereinheitlichung eine daS Heer betreffende Einrichtung von Bayern auf daS ganze Reich übernommen werde, ist nicht nur der erst jüngst durch ein- müthigen Beschluß der bayerischen Kammer knndgegebene Wunsch des bayerischen Landes, sondern aller liberale» Elemente ganz Deutschlands: baß nämlich der in Vorbereitung befindliche deutsche Militairstrafproeeß die bayerischen Grundsätze der Mündlichkeit und Oeffentlichkeit, wie der Selbstständigkeit der Gerichte acceptire. Im Landtags abschied verspricht unsere Regierung zwar, diese Gruudst he auch fernerhin zu vertreten, >cdoch mit dem Beifügen: .inso weit sie sick durch die Erfahrung erprobt haben." Diese Er klärung hält man nicht allseitig für befriedigend. Ein weiteres wichtige- Neservatrccht Bayern« betrifft die HrimathS- und NiederlassungSverhältnissr, sowie das Eberecht. DaS Neichszesetz über den „Unterstützungs wohnsitz", der in zwei Jahren erworben und verloren wird, zilt in Bayern nicht, und die mannigfachen Mißstände und chlechtcn Erfahrungen, welche damit in Norbdcutschland her vorgetreten, haben in Bayern ganz allgemein, bei Liberalen und Ultramontanen, den Wunsch nur befestigt, daS aus dem Princip de- Geburtsort- berubcnde Heimalbrecht beizubebalten. Daß bei verschiedenen Rechtözusiändcn aus einem so wichtigen Gebiete schwere Collisioncn nicht auSblciben konnten, liegt auf der Hand. In jüngster Zeit erregten in dieser Beziehung besonderes und berechtigtes Äcrgerniß einige Fälle, wo von bayerischen Staatsangehörigen im außcrbayerischen Deutsch land rcchtögiltig geschlossene Eben in Bayern als ungiltig erklärt wurden, weil be: dem standesamtlichen Abschluß da« wohl in Bayern, nicht aber in anderen deutschen Staaten er forderliche districtpolizeiliche Zeugniß resp. der behördliche Erlaubnißschein fehlte. Eine anerkennenSwerthe Errungen schaft des nun abgelanfenen Landtag» ist eS, den krassesten Folgen dieser RecktSungleichheit dadurch abgeholfen zu haben, daß durch eine Acnderung deS bayerischen Gesetzes künftig solche Ehen nicht mehr als bürgerlich ungiltig angesehen werden, sondern nur nicht zur Erwerbung von HeimathS- und Armen recht führen können. Selbstständig ist Bayern ferner im Eisenbahnwesen, in Post und Telegraphie; aus diesem Gebiet steht dem Reich nur aus strategischen Rücksichten in Bayern dirccte Einmischung und Betätigung zu. Man erinnert sich, wie vor einigen Jahren mehrere lurz auf einander folgende schwere Eisenbahiikatastrophen die bayerischen Eisenbahnen — im rechtsrheinischen Bayern mit Ausnahme weniger Localbahnen durchweg StaalSbahnen — einigermaßen in Verruf brachten. Wir glauben, daß im Ganzen die bayerische Eisenbahn- Verwaltung und dir bayerischen Eisenbalmzustände nicht schlechter und nicht besser sind als im übrigen Deutschland, bis auj einen allerdings sehr wichtigen Punkt: wir patten unverhaltnißmäßig wenig doppelgleisige Bahnen, und dadurch, daß auch auf den großen Transitrouten, wie Berlin-Leipzig- Münchenrc., PariS-München-Wien ,c., in Bayern noch eingleisige Strecken epistirten, wurden nicht nur häufigere Verzögerungen und Verkehrsstockungen hervorgerusen, sondern war auch die Gefahr von Zusammenstößen und anderen Unfällen eine größere. Auch hier hat dir letzte Legislaturperiode die nölhige Abhilfe ge schaffen. E« sind vcrhältnißmäßig sehr bedeutende Summen »um Ausbau zweiter Gleise votirt und letzterer immerhin schon soweit gefördert worden, daß am Schluß de- laufenden Jahre« ca. 18 Procent der bayerischen' Bahnen zweigleisig sein werden, gegen nur ca. 8 Proc. früher und gegen ca. 35 Proc. der preußischen Bahnen. Wenigsten« alle großen Durchgangslinien werden dann zweigleisig sein, klebrigen» möchten wir al« ein bayerische« Verdienst im Eisenbahn wesen nicht unerwähnt lassen, daß die bayerische StaatSbabn Verwaltung vorige- Jahr zur allgemeinen Herabsetzung und Vereinfachung der Prrsonentarife die Initiative ergriff und den übrigen deutschen SlaatSbabnen «inen fertigen Entwurf verlegte. Leider scheitrrte die Reform bekanntlich a» der Verschlechterung der preußischen Finanzen. Wenn Bayern immer noch auf dem Rrsevatrecht seiner eigenen Briefmarken besteht, so halten wir da« allerdings nicht für gerechtfertigt, indes die dadurch gegebene Belästigung de» Verkehr« doch nicht für so groß, um gerade bei einem solchen eher unschuldigen Separatvergnügen einen Druck au di« Abschaffung für nöthig zu finden, zumal in einer Zeit, die zweiseUo« eher particularistischen al« centralistischen Be strebungen günstig ist, und zwar mehr durch die Entwickelunj der Dinge ,m Reich und i, Berlin, als m vayern selbst. Ohne «uf heikle politische uud perstzolichr Momente näher einzugehcn, müssen wir doch constatiren, daß die festere und zielbcwußlerc Regierung deS Fürsten Bismarck mehr einerseits Respect, wie auch andererseits Vertrauen cinzufiößcn geeignet war. Mit dem ruhigen, Ncbeneinflüssen und persönlichen, wechselnden Neigungen und Eingriffen weniger unterworfene» Gang der Dinge unter dem Regiment deS Prinzregenten Luitpold ist man, Alles in Allem, wohl zufrieden. In bayerischen liberalen Kreisen siebt mau mit um so mehr Besorgniß auf die wachsende Macht des CentrumS im Reich, als dadurch im eigenen Hause der Kamps gegen die Prätcnsioncn der ultramontanen Mehrheit noch er schwert wird. Der famose preußische Schulaesetzentwnrf war trotz aller der katholischen Kirche schon in Bayern ein- geräumter Vorrechte gleichfalls eher geeignet, die Zurück ziehung in die eigenen bayerischen vier Wände zu fordern, als für den CentraliSnius Propaganda zu machen. Dazu kam die Furcht vor einem reactivuaren deutschen Militair- strafproceß, gegenüber der cinmüthigcn Ueberzeugung, daß wir in Bayern Besseres baden. Schließlich fällt ein Vergleich der in unserem ersten Artikel geschilderten noch glänzenden Finanzen Bayerns mit den derzeit so kümmerlich gewordenen preußsscben auch sehr zu Gunsten der heimischen Verhältnisse ins Gewicht. Mil alledem wollen wir durchaus nicht particularistiscben Strömungen und der Furcht vor einer Art preußischer Uebersck'luckung, wie sie ja zweifellos »och in gewissen bayerischen Kreisen in übertriebener Weise, vielfach von klerikaler Seite gepflegt, bestehen, daS Wort rede», sondern nur dabin wirken, daß man der Zeit, die schon so viel in der Ancinandcrschlicßung von Nord und Süd mit gutem Erfolg gefördert hat, ihr Recht lasse. Zum Schluß unserer Betrachtungen ühcr die politische Entwickelung in Bahcrn können wir nicht umhin, über die anormalen Verhältnisse der Krone, und was damit von wichtigen Momenten znsammenbänat, ein Wort zu sagen. Die bayerische Verfassung vom Jahre 1818 — gerade mit dem jetzigen LandtagSschluß siel ihr 7-tjährigcö Jubiläum zusammen — hat bei ihren Bestimmungen über eine Negcnt- Ichast zweifellos im Auge gehabt, daß eine solche nur für kurze Zeit eintretcn könne. Nun ist eö aber ebenso gut möglich, daß der irrsinnige König Otto, der eben sein 44. Lebensjahr vollendet, noch lange Jahre, vielleicht Jahr zebnte lebt, wie daß ihn eine Evmplication seines Leiden- plötzlich Lahinrassc. Auf lange Zeit wird aber die in ihren ansänzlichcn oppositionellen Uebcrciscr gegen den Prinzregenten von der ultramontancn Landtagsmehrheit beliebte Auslegung, daß unter einer Regentschaft eine Verfassungsänderung nicht zulässig sei, welche Norm au« der Verfassung selbst durchaus nicht mit strikter Nothwendigkeit hervorgeht, nicht haltbar ein. Wir wollen gar nicht auf die weitestgehende, aber schließlich natürliche Eventualität rccurrircn. daß mau einfach die Ver- assung dahin abänderte, ein Geisteskranker könne nicht König sein, sondern der Nächstbcrechtigte trete an seine Stelle. Ohne dies hat jetzt schon der absolute VersassungSstiUstand zu unmög licken Consequenzen geführt. So konnte die LerfassuiigS- bestimmung, daß unter der Regentschaft keine definitive «tellenbesetzung und keine Veräußerung von Krongütcrn statl- findcn darf, natürlich schon diese 0 Jahre nicht eingehalten werden. Man half sich mit einer „authentischen Inter pretation", welche thatsächlich das Gegenthcil aus dem, waS geschrieben steht, herauSinlcrpretirte. Mit solchen unnatür lichen und wenig würdigen Kunststücken wird man aus die Dauer doch nicht arbeiten können und schließlich »vird die Kammerrechte doch ihre eigensinnige Fiction aufgcben und in eine Vcrsassttngsänderulig willige» müssen. Haben doch a» kirchenpolitischem Gebiet unsere Ultramontanen selbst, u. a. bei der Campagne gegen daS „Placet", Verfassungsänderungen angestrebt. Auch die finanzielle Dotirung der Krone kann noch zu Schwierigkeiten Anlaß geben. Jetzt ist die Civilliste von ca. 4>/» Millionen Mark noch bi« 1903 für die Tilgung der Schulden König Ludwig s II. gebunden. Der Prinzrcgent begnügt sich bei seinem verhältnißiuäßiz sehr einfachen Leben mit einer Dotirung, welche z. B. sehr viel geringer ist als die Civilliste des jungen GrotzherzogS von Hessen, der jetzt eine Erhöhung anstrebt. Ob auch der Nachfolger des 7 l jährigen Prinzregenten eine solche starke Einschränkung belieben würde, ob sie aus die Dauer überhaupt möglich und wünschenSwerih wäre, muß dahingestellt bleiben. Politische Tageoschau. * Leipzig, 6. Juni. Je näher die Begegnung Kaiser Wilhelm'« II und de« Zaren in Kiel rückt, um so mehr Stimmen er heben sich, welche dieser Begegnung eine größere Bedeutung btiinessen, als die« fast allgemein noch unlängst geschah. Co erhält die „Bcrl. Börs.-Ztg." von beachtenswertyer Seite" folgende Zuschrift: „Die Presse hat der Monarchenbegegnung in Kiel naturgemäß einen breiten Raum der ErSrterung gewidmet. ES konnte dabet nicht au«bl»iben, daß Hauptiächltche« übersehen, daß Nebensächlichem eine zu große Bedeutung beigelegt wnrde Bleiben wir bet That- sitchlichem stehen und dringen wir zunächst den Ort der Zusammen kunft näher in» Gesichtsfeld. Man übersieht gänzlich, welche Be deutung der Begegnung gerade in Kiel tnnewohnt und daß der Kaiser von Rußland von Dänemark sich nach kiel begleit, dem früher dänischen Kiel. Man geht sicher nicht zu wett, weun man onnimm«, daß in der Enirevue gerade an diesem Orte gleichsam ofsiciekl kundaetdan wird, daß mantn Dänemar beginnt, sich mit gewissen Ereignissen definitiv abzu finden, und daß der gar sich mit dieser Auffassung desiulttv »tnverftanden erklärte. Ein weiterer Grund, der da« „Entgegenkommen" Kaiser Wilhelm's veranlaßt«, resp. erklärlich macht, liegt in dem Umstande, daß der Zar seit dem tchrecklichen Eretantß von Borkt durch jede Fahrt auf der Eisenbahn in nur zu begreiflicher Weis, nervös wird — was man ihm rücksichtsvoll erspart« und die« vielleicht um so bereitwilliger that, st eine Fahrt de« Zaren den Behörden de« Lande«, durch dessen Gefilde er reift, Beraulwortiichkeiten ouseriegt, bi« sich in gleicher Schwere unter anderen Verhältnissen nirgend» wieder finden. Die Anwesenheit de» Zaren in Kiel ist also in optima form» al« Gegenbesuch zu betrachten und alle Hinweis» darauf, daß derselbe nur in Potsdam rrsp. Berlin ftatt- nnden könne, sind hinfällig Daß bei diejer Begegnung politisch, Verhandlungen gepflogen werden, wird Niemand erwarten vt« politische Bedeut»»« de« Wiedersehen» der Monarch^, dark jedoch de«hal» nicht n,»,r ihr,« Werth taxtrt werde». Ms bedeutsam bars man es schließlich fraglos bewachten, daß der >ar dein deutschen Kaiser in dem Augenblick seinen Gegenbesuch macht, wo die Feste in Nancy statlsinden. Eine stärkere Mahnung an die Franzosen dürft« sich schwerlich denken lassen. Las Zusammentreffen der beiden Moment« spricht deutlich im Sinne des Friedens, verkündet eS laut, daß der Zar bestrebt ist, möglichst gute Beziehungen zu unserem Kaiser zu rhalten. Er macht der Welt damit ein erfreuliche« Psingsl- ejchcnk." Allen Nespect vor der CombinationSgabe deS Verfassers. Weil aber der Zar, als er sich entschloß, nach Kiel zu gehen, die Absicht hallo, der Welt ein „erfreuliches Pfingstgeschenk" zu machen, so muß in Kopenhagen eine wundersame Wandlung mit ihm vorgegaugen sein. WaS den Besuch deö italienischen KönigSpaareS in Berlin betrifft, so verlautet abermals gerüchtweise, die- clbe sei verschoben worden. Wahrscheinlich ist dieses Gerücht :arauf zurückzuführen, daß die Budaetcommission der italieui- chen Kammer, wie schon telegraphisch gemeldet worden ist, der Regierung nur einen Monat des Staatshaushalte« bewilligt, obwohl der Ministerpräsident Giolitti den Ent wurf, welcher die Bewilligung von sechs MonatStbeilcn be antragt, mit der Nolhwentigkeit der Neuwahlen begründet hatte. Die Minderheit enthielt sich der Abstimmung. Man -alle erwartet, daß der Ausschuß vier MonatStheile bewilligen werde, um nicht in das Vorrecht der Krone, welcher die Ver- assnngvicrMonalcZcit läßt,um eine ncueKammereinzuberusen, einzugreifen. Sollte die Kammer den Beschluß des HauSbaltS- ausschusscS genehmige», dann wäre ein Conflict zwischen Krone und Parlament geschaffen, falls daö Ministerium Giolitli im Amte bleiben, die Neuwahlen auSschreibrn und ohne bewilligtes Budget regieren wollte. Nicotera und Rudini bestreiten dem Ministerium Giolitli das Recht, Neuwahlen zu leiten; der Beschluß des HauShallSausschusseS wird vielleicht die Krone veranlassen, ein neuerliches Entlassungsgesuch Giolitti'S anzuncbmcn. Eine solche Situation würde aller dings eine» Aufschub der Reise des Königs begreiflich machen. Neben den Monarchenbegegnungen steht die angebliche Absicht deS Kaisers, mit dem Fürsten Bismarck ge legentlich zusümmenzutrcssen, nach wie vor Lus der Tages ordnung der Publicistik. Leider läßt sich aus ihren Erör terungen constatiren, daß gerade die „Freunde" de« Fürsten i» Auslassungen sich ergehen, di« geeignet sind, die etwa vor handene Neigung de« Kaisers zu einer Begegnung mit dem Altreichskanzler im Keime zu ersticken. So schreibt die „Westdd. Allgcm. Ztg.", die zu den „Freunden" de« Fürsten gezählt werden will: „Die von Zeit zu Zeit auftauchenden Meldungen von einem „Debürfniß" de« Fürsten DiSmarck, sei» Verhält« itz zum jetzigen Kaiser augenehmer zu gestalten, oder von einer „GcneiglhciL' LeS Kaisers, hierzu unler gewisse» vorher zu erfüllendcu Schritten BiS- marck's die Hand zu bieten, gehen lhciiS von müßigen Brrmuthungcn mit dett Verhältnissen Unvertrauler auS — und könnten ai» solche unbeachtet bleiben, theil« aber werden sie von einer Seite in die Welt gesetzt, welche die Verhältnisse zwar kennt, aber ein Interesse daran hat, die Wahrheit nicht auch in die Erkenntniß der breite» Volksschichten bringen zu lassen. Den Plänen, welche aus dieser Seite gefördert werden sollen, muß im Dienste der geschicht- iichen Wahrheit mit aller Entschiedenheit entgegentretcn werde». Dies» Pläne gehen nämlich dahin, einmal die Vorgänge, welche sich seit Februar 1890 abgespielt haben, stillschweigend so erscheinen zu lassen und vorauözusttzkii. alS ob Fürst Bismarck jetzt oder zu irgend einer Zeit wünschen könnte, sie in Vergessenheit gebracht zu sehen — und sodann bezwecken sie, die Thatsach«, daß dt« Ent lassung BiSmarck'» für Deutschland und Preußen uud selbst für den Welliriedc» sich al- ein Unglück herauSgeslellt hat, als eine »nab- ändcrliche hliijustellen, und zwar darum al- eine unabänderliche, weil Fürst BiSinarck in seinem Trotz oder seiner Verbitterung sich weigere, de» ersten Schritt zu thuu, den der Touverain, um seine Majestät zu wahren, verlangen müsse, bevor eine Wiederannäherung zwischen ihm und dem Fürsten Bismarck denkbar wäre. So soll Fürs» Bismarck sowohl für dir Vergangenheit als für die Zukunft tu« Unrecht gesetzt werden. Tie Wahrheit liegt aber umgekehrt. Der Kaiser will unter gar keinen Umständen vom Fürsten BiSmarck Roth noch Freunbschast haben; er hat so wenig persönliche Srhuiucht, sich aus eine» „EommentS'uß" mit dem Fürsten BiSinarck zu stellen, ai« Letzterer Neigung verspürt, sich zu der Unwabkhastigkeit herzuaebeu, durch Errichtung eine- solchen Verhältnisses ote Art und Welse in Vergessenheit gerathen zu lasse», wi« er au« seinen Aemtern weggejagt worden ist. Ein Bcdürsniß, die Art und Weis« wie die Person de- Fürste» Bismarck im Frühjahr 1890 gekränkt worden ist, in Vergessenheit zu bringen, mag anderswo bestehen: beim Fürsten BiSmarck besteht es nicht, und alle Versuche, den Schein hervorzurufen, al« ob e« bei ihm bestände, werden von seiner Seite die entschiedeustr Abweisung zu gewärtige» haben. Ob Fürst BiSmarck dem Befehl deS Kaiser«, das Reichs- kanzieramt wieder zu übernehmen, folgen würde, wissen wir nicht; das aber wisse» wir, daß Fürst Bismarck niemals etwa- tdun wird, wa« ihn in den Schein brächte, al« Hab« er sich in seinem Verhalten seit dem Tod« Wilhelm's I. bi« zu dieser Stunde, insbesondere dem Kaiser Wilhelm U. gegenüber, irgend etwa« vorzuwerien." Man kann nur wünschen, daß Fürst BiSmarck alle ähn lichen „Vertheidiger" seines Recht« enerAisch von sich schüttelt. Sie haben zu der Zuspitzung de« gewannten Verhältnisses zwischen ihm und dem Kaiser und zu seinem Nachfolger an, allermeisten beiactragen und manchen alten Freund de« Fürste» wankend gemacht. In Ungarn haben die LandtazSwahlen in Kroatien, deren Ergebniß bereit- gemeldet worden ist, großen Jubel erregt und thatsächlich entbehren sie auch nicht eine» weiteren Interesses. Die Nalionalpartei, die wirkliche Regierungs partei, welche jede Opposition gegen Ungarn aufgeaeben, hat einen glänzenden Wahlsieg errungen. Dir panslawistische Partei des Bischofs Stroßmayer von Djakovar und diejenige de« erste» „Russen" Starlschewitsch, welche die Oberherrschaft der StephaiiSkrone überhaupt nicht anerkennen wollten, die von einem großen südslawischen Reich« unter russischer Führung träumten, sind vom Schauplatz förmlich verschwunden. Zwei Mann zählt nur noch der Anhang de« großen Agitator« David Starlschewitsch» der sich schon vermaß, Krain, Istrien und Dalmatien dem kroatischen Königreiche riiizuverleiben. Auf einen so weitgehenden Sieg batten di« Ungarn gar nicht gerechnet und sie seien» die staatSmänische Kunst de« Banu« Grafen Khuen-Hedervary in überschwäng lichen Artikeln. Wobl mag diese Kunst «inen Anthril au dem Erfolge haben, der Hauptantheil an dem Ausfall der Wahlen ist aber jedensall« der im kroatischen Volk, eingetrrtrnrn Ernüchterung zuzuschreibe«, da«, wenn auch längs»«, eins,he»
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