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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.08.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-08-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920803025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892080302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892080302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-08
- Tag1892-08-03
- Monat1892-08
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Größere Schriften laut unserem Prell- verzetchniß. Tabellarischer und gifferosatz nach höherem Tarif. Krtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgab«. ohne Postbesörderun, M.—, mit Postbesörderung ^l 70.—>. Ännahmeschluß för Zaserate: Sbelld-Ausgab«: vormittags 10 Uhr. Marge »»Ausgabe: Nachmittags »Uhr. Sonn- und Festtag- früh '/,9 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eia« halb« Stunde früher. . ^ Inserate find stets an die Grtzehitiou zu richten. Druck und Verlag von T. Polz in Leipzig. 86. Jahrgang Politische Tngesschau. * Leipzig, 3. August. Die Freunde de» „neuen Cursrö" und des Grafen Caprivi, d. h diejenigen Parteien, die sich der Hoffnung hingeben, den jetzigen Reichskanzler mit Hilfe von Hinter- treppenmanövern leicht nach ihrem Willen lenken zu können, sind durch die Erfolge dcS „Sommerfcltzuges" des Fürste» Bismarck in die größte Sorge versetzt worden, die fick in der verschiedensten, zuweilen in der komischsten Weise Lust macht. Die ultra montane Presse setzt die Versuche fort, den Altreichskanzler als förmlichen Verschwörer gegen den Kaiser zu dcnunciren. So schreibt die „Köln. Volksztg.": „Wer seine Redeacte und Interviews in Dresden, Wien, München, Augsburg, Kijsingen und Jena verfolgt hat, sieht die Fäden zwischen ihm und der „besitzenden Intelligenz" sich immer fester schürzen. Wir stehen mitten in einem Jntrtg uenstück. Mit dem Kronrath vom 17. März schloß der erste Act; der zweite scheint dem Ende zuzueilen. Vielleicht bringt er auch schon die Katastrophe, so oder so." Und die „Germania" richtet an die Stelle, welche die Zurückziehung des Schulgesetzes veranlaßt, dadurch angeblich die Autorität der Krone gemindert und die Verschwörer kühn gemacht hat, kategorisch auf, nunmehr diesem Feinde gegenüber die „christliche Fahne" frei zu entfalten, unter der „alle wahren Royalisten" sich sammeln und „einen unerschütter lichen Wall gegen herostratische Bestrebungen bilden" könnten. Die Demokratie ist im innersten Herzen zerrissen. Sie kann sich nicht verhehlen, daß der Mann, der in Jena vor den Gefahren absolutistischer Velleitäten gewarnt hat, gerate das gethan hat, was die mehr oder minder verschämte Demokratie mit Jubel begrüßen müßte. Ein Berliner Correspondent der „Franks. Ztg." kann cs sich daher nicht versagen, dem Fürsten folgendes Loblied zu singen: „Er hat in den letzten Wochen eine Wandlung seiner An- schauungen vollzogen, die ihn den jetzt noch im schweren Kampfe begriffenen Parteien der Linken als eine» willkommenen Bundesgenossen erscheinen läßt. Der Mann, der mit an- erkennenswerthem Muthe der Jenaer Fcstverjammlung die Ge fahren absolutistischer Velleitäten, inögen sie Priester- jich unterstützt sein oder nicht, so überzeugend und beredt geschildert hat, der muß in den Reichstag, wo außer einzelnen Rednern der Fortschrittspartei, der Volkspartei und der Social- dcmokrateu bis jetzt noch Niemand den Muth gehabt hat, gewisse Symptome eines monarchischen Absolutismus zur Sprache zu bringen, die, wenn auch seit Bismarck s Entlassung nicht mehr durch Thaten, so doch durch Worte unsere konstitutionellen Zustände bedrohen. Eugen Richter, der in seiner Etatsrede sich diese Symptome nie entgehen läßt, würde di« Mithilfe seines alten Gegners sicher mit Freude und mit achtungsvollem Dank« begrüßen." Bei Herrn Eugen Richter ist aber die Furcht vor dem Fürsten ungleich großer, als der achtungsvolle Dank, wenn ein Richter zu solchem überhaupt fähig ist. Und selbst die Redaktion der „Franks. Ztg." kann sich zu der Anschauung ihres Eorrespondentcn nicht aufschwingen; ihr ist Graf Caprivi lieber, als der „eiserne" Kanzler, von dem das Blatt behauptet, er müsse wegen seines „politischen Handelsgeistes" den Ultramontanen viel angenehmer und vertrauenerweckender sein als sein Nachfolger. Am eigenthümlichsten aber ver fahren diejenigen Freunde des Letzteren, die mit geschlossenem Visir auftreten. Sie suchen die Männer aufzuspürcn, die an geblich „in der Umgebung deSKaiserS dieGeschäste dcS Fürsten Bismarck führen oder zu führen ver suchen", um den Grafen Eaprivi zu stürzen. Einer dieser maSkirtcn Helden hat sich die „Münch. Neuesten Nachrichten" auSerseben, um durch sie zugleich das VcrdächtigunaSgcschäst zu besorgen und der Welt zu versichern, daß alle Intriguen gegen den Grafen Eaprivi erfolglos seien. „Hinter den Eoulissen" ist der Artikel deS dunklen Ritters überschrieben, der zuerst Folgendes auSfübrt: „Wer mögen wohl die Männer sein, die in der Umgebung des Kaisers die Geschäfte des Fürsten Bismarck führen oder zu führen versuchen möchten? Niemand kennt sie, Niemand nennt sie, aber sie existiren. Mit klug ausg ewählten Zeitungsausschnitten, mit anscheinend von der Politik ganz scrnliegenden leichten Hin- weisen, mit einem Hin und Her von Lorrcspondenzen und halben Andeutungen mag oft genug tntrignirt und manöverirt werden. Indessen nimmt sich die» Alles viel gefährlicher aus, als cs ist. Ti» Zeiten sind vorbei, wo htnicr den Eoulissen große Politik gemacht werden konnte. WoS nicht das volle Tageslicht verträgt, das ist auch nicht iverth, an den Tag zu treten, und darum kümmert sich ein echter Mann auch nicht. Es ist aber nicht ganz nutzlos, von den Machenschaft,n zur Umerwühlung de» Reichs- tanzlers zu sprechen, weil man diese Tinge kennen muß, um ihre innere Werthlvsigkeit zu verstehen. Sonst könnte es wirklich scheine», als hätten sie eine Bedeutung gleich der, die ihnen mitunter beigelegt wird. Artikel z. B-, wie die wirklich unverantwortliche Leistung des Herrn Ltto Arendt in der letzten Nummer des „Deutschen Wochen- blatt" sind gar nicht zu verstehen, wenn man sic nicht als Theil- crscheinung eines Systems planmäßiger Jntriguen begreift. Aber die ungewöhnliche Plumpheit jener Leistung giebt immerhin einen dankcnswerthen Fingerzeig sür die innere Hohlheit dieses ganzen Treibens. Gras Caprivi hat die Politik der Hintertreppen wohl niemals gefürchtet und noch wcniger hat er sie zu fürchten brauchen. Denn das ist das Entscheidende: am Kaiser sind alle Ver suche, ihn vom Grasen Caprivi zu trennen, spurlos abg eg litten." Nach dieser Versicherung, Graf Caprivi babe von allen Machenschaften nichts zu fürchten, gebt aber der wackere Verfasser zn persönlichen Verdächtigungen über. Er sagt nämlich: „Zu den ungelöste» Näthseln der letzten Monate unserer inneren Politik gehört es, wie überhaupt jemals in Fricdrichsriih die Meinung auskommen konnte, daß der Kaiser und Gras Caprivi von einander zu trennen seien. Ans wessen Mittheilungcn sich Fürst Bismarck dabei gestützt hat. daS hat er der Oesse»IUchkeit natürlich nicht mtt- grthcilt, und er wird es wohl auch nicht thun. Einer der Männer, deren Darstellungen er bei seiner Campagne gefolgt sein mag. ist wohl Herr v. Lucius. Der ehemalige La »dwirtbschaftsminister ist hier noch bis in den April hinein auf de» Cmpsangsabciiden von Ministern und Generalen gelehe» worden, was ihn nie gehindert hat, die ausgezeichnetsten Beziehungen zu Friedrichsruh zu unter- halte». Dabei wäre natürlich an und für sich nichts, aber es kommt doch immer darauf an, wie man feine Stellung auslaßt, und ob an der eine» Steile geschenktes Vertrauen dazu benutzt wird, um an der anderen Stelle als Hilfsmittel einer wichtigen Actio» hcrgeaeben zu werden." Dann wird Graf Wäldersec beraiigczvgrn, der bekannt lich jeden Aiubeil an dem „Kanzlcrstrcite" in Abrede gestellt hat. Diese Ableugnung will aber der dunkle Ritter nicht gelten taffen; er sagt: „Vergessen kann man gleichwohl nicht, daß Gras Walderice, der den Militair in ihm so ungewöhnlich stark betont, daneben nie auf- gehört hat, sich sehr eifrig um Politik zu kümmern, und daß er namentlich nie ausgehürt hat. Mittelpunkt der Be- strebungen einer ehrgeizigen Clique zu sein, die ibn an der Spitze der Macht sehen möchte. Graf Waidersee braucht diese Bemühungen nicht nnlersliitzt zu haben, und er würde trotzdem ganz von selbst in die Tagesvolitik hincin- gchören, auch wen» er sich dessen weigert. Tie Frage ist nur, ob er sich in der That geweigert hat. Es bleibt doch merkwürdig, daß der General so »nmiilelbar vor der Rückkehr des Kaisers daS Bedürfnis) empsunden hat, gleich drei Interviewer aus ei» Mal über seine Zurückgezogenheit von politischen Umtrieben ausznklären, und es wäre von höchstem Interesse, z» erfahren, ob diese Aufklärung auch dann erfolgt wäre, wen» nicht vorher das fatale Wort vom tvrtiun »susoim in die öffentliche Tiscussion gcichleudert worden wäre. Mit diesem Avis war ein Signal aufgesieckt, das wie ein elektrischer Scheinwerfer ein ganzes feindliches Gebiet sür einen Augenblick beleuchtete, und verschiedene Leute wußten sofort gerade genug" Brav gewüblt, alter Maulwurf! Du versiehst Dein Hand werk! DaS gebt noch besonders daraus bcrvor, daß der Edle, nachdem er den Grafen Waldcrsee aiigcschwärzt, alle übrigen Verschwörer gegen den Grafen Eaprivi nachdrücklich ver warnt und ihnen vorpredigt, alle ihre Versuche seien fruchtlos: „Wem cS Ernst ist um die Kenntniß der wahren Vorgänge, und wer i» den großen Streit des Tooes nicht seine suhjecliven Em pfindungen hilleinniischen will, der möge sich nur rubig öaranhaltcn. daß der eigentliche, ja einzige Zweck des Bismarck'schcn Feldzuges, die Entwurzeiuiiq seines Nachfolgers, total mißlungen ist. Alles Andere bleibt hierneben Beiwer k." Für wen diese „Enthüllungen" hauptsächlich bestimmt sind, kann keinem Zweifel unterliegen. Und wenn wirklich ge schäftige Hände an maßgebender Stelle mit „klug auSgcwäbl- ten Zeitungsausschnitten" operirc», so wird auch der Artikel der „Münch. Neuest. Nachr.", die noch unlängst dem Fürsten ViSmarck zugejubelt babcn, an seine eigentliche Adresse ge langen. Hier aber wird man keinen Augenblick darüber ini Zweifel sei», daß die Kundgebungen für den Fürsten Bismarck weder von Herrn v. Lucius, noch vom Grafen Waldersee berrühren, sondern von viele» Tausenden von deutschen Männern, die keineswegs dem Kaiser einen anderen Kanzler aufnölhigcn wollen und gegen den Grasen Eaprivi intriguiren, sondern lediglich ibrer patriotischen Sorge vor einem gefähr lichen Abweichen vom alten Eursc Ausdruck geben. Zwischen diesen Kniidgcbuiigcn und ihren Motiven einerseits und den Verdächtigungen dunkler Eörenmämier andererseits wird der Kaiser sicherlich zu unterscheide» wissen. „Alles Andere bleibt hierneben Beiwerk." Ucbcr den preußischen Minister des Innern, Herrn Herr- furth, werden in der Presse verschiedene, einander wider sprechende Nachrichten verbreitet. Eine Reibe von Blättern, die „Magdeb. Ztg.", der „Hann. Cour.", die „Voss. Ztg." „. a. kündigen mit Bestimmtheit den Rücktritt dcS Ministers an, weil er das einzige Mitglied des Staatsministeriums sei, daö die Steuerreform-Entwürfe I>r. Miguels mit Entschiedcubeit verworfen habe. Auch dem „Hamb. Eorrcsp." wird aus Berlin gemeldet, daß Herrsurth bei der Beschlußfassung über die Steuerreform überstimmt sei, zu gleich aber wird hiuzugefügt, daß man einen Ausgleich nicht für ausgeschlossen halte, da Miguel auf die Beseitigung der lex Iluono verzichte. Im Gegensätze hierzu mahnt die „Wcser-Ztg ", alle Meldungen über eine MmisterkrisiS und über die Stellung des Staatsministeriums zur Fortführung der Steuerreform mit Vorsicht aufzuiichmeii. Noch ent schiedener äußert sich unser Berliner tztz-Mitarbeiter in folgender Zuschrift: „Zwei Themata sind eS vornehmlich, welche regelmäßig im Hoch sommer dem slossarinen Zeitiingsberichterslatler aus der peinigende» B>rlegk»hcit herauszuheijen bestimmt sind. Regelmäßig wie die Schwalben — wenn auch etwas später — finden sich diese Meldungen in Len Zcitilngsjpaltcn ein, und wenn die Schwalben heimwärts ziehen, verschwinden auch jene „Nachrichten" au« den Blättern. Zunächst sind es die Zusammenkünfte der Monarchen — auch „Entrevuen" genannt — oder wenigstens der teilenden Staatsmtnister, sodann die „Stürze", oder wenigsten« di« „Erschütteruugen" irgendwelcher Minister. Tie letzteren sind insofern meist recht harmlos, «IS es bei uns noch keineJournalisten giebt, welchctrgenv eine» „erschütternden" Einfluß aus die Minister oder ihre Stellung auS- üden könnten. Andererseits darf sich der betreffende Berichterstatter, falls einmal ein Minister seine Entlastung »achsncht, was ja überall vorkommt, rühme», diese Tbaisache bereits viele Jahre vorher ge meldet zu haben. Jedenfalls sind beide Themata bequem, denn es läßt sich lange damit „arbeiten". Heute wird die Entrevue gemeldet, morgen bezweifelt; am nächste» Tage baden sich die Aussichten verstärkt, bald tritt wieder ein „Zwischenfall" ein, der die Sache in Frage stellt. Schließlich ist cs vergesst», daß jener Correspondent dtcMeldung aus daS Tapet gebracht, und er — dcmentirt sich selbst, indem er voll Entrüstung über einen Anderen licrsällt und feierlich versichert, daß er dessen Angaben von vornherein als unglaubwürdig bezeichnet habe. Sowurde dieser Tage Ndch Köln gemeldet, am Sonnabend habe eine Sitzung des Staatsminislcriums slattgesnnden. Es wurde hinziigesügt, in dieser Sitzung seien „endgillig" die vom Finanz- minister vorgelegle» Grundzüge zur Steuerreform sestgestellt, bezw. gebilligt worden. In der „Vossischen Zeitung" und überein- stimmend im „Hannöv. Courier" wird alsdann berichtet, am Sonntag habe jene Sitzung siatigesunde», und dabei bemerkt, daß der Minister dcS Innern, verr Herrkurth. „an der Hand eines sorgfältig ausgcarbeitcten Gutachtens wesentliche Be- denke» erhoben habe." Ja noch mehr. Tic Blätter sind sogar in der Lage, den Wortlaut der Herrsurtd'jchen „Bedenken" »litzutheilen. Ju der That eine bedeutende Leistung, eine vorzügliche „Jnformalion". Nur Lucs bleibt bedauerlich dabei. Jener Wortlaut ist lediglich der theilmeise Abdruck aus einer den stenographischen Berichten des Abgeordnetenhauses cinverleibten früheren Rede des Ministers Herrfurth, und init Recht wird sogar von „freisinniger" Seite an- erkannt, daß die früheren Einwendnngen des Herrn Herrsurth heute nicht mehr berechtigt erscheinen und schwerlich noch geltend gemacht werden würden. ES versteht sich von selbst, daß damit auch alle Feuilletsn. Schloß Fsnötrange. Ein Roman aus den Vogesen. 2s Bon O. Elster. Nachdruck «erboten. (Fortsetzung.) Mit leichten, elastischen Schritten, denen man die Invali dität, mit der Henri de FSnStrangr zu kokettsten liebte, nicht anmerkte, durcheilte der junge Mann den Garten deS Schlosses und betrat den kühlen, schattigen Hochwald, der sich dem Garten unmittelbar anschloß. EbLteau FSnStrange lag in dem wildesten Theil der mittleren Vogesen, kaum eine Stunde von der neuen deutsch-französischen Grenze entfernt. Die Vogesen besitzen hier den Charakter des Hochgebirges. Gewaltige Bcrgkegel und Basaltformationen wechseln mit tiefcingeschnittenen Schluchten und grünen Thälern ab, durch welche sich der Rbein Rbone-Eanal, die Eisenbahn Straßburg- Nancy-Pari« und die große Heerstraße mühsam bindurckwinden. Dichte Wälder bedecken die Berge, deren undurchdringliche Dickichte von dem Wolf, dem Fuchs und dem Wildschwein bevölkert werden In die fruchtbaren Tbäker schmiegen sich rubigr, stille Dörfer und Weiler, über die Berge zerstreut liege» einsame Forstbäuser, willkommene Ruheplätze für Touristen und Jäger. Nickst weit vom Schloß FSnStrange ragte ein mächtiger Basallkegel zum Himmel empor, auf dessen Klippe man nock jetzt deutlich die Ruinen einer mittelalterlichen Raubritterburg bemerkte, an deren zerbröckelnde Mauer sich rin einfaches ForsthauS schmiegte. Es war die Dachsburg, ein treffender Name für den unzugängliche» Bau koch oben auf dem Felsen, der sich am Ende einer tiefeingeschnittenen Schluckt, umgrenzt von andern verwitterten Felkgebilkcn, cr- hov. Die Alles zersetzende Zeit batte in diesen Felsen zahl reiche Riffe und Höhlen gebildet, Schlupfwinkel von Schmugg lern, Wilddieben und Räubern in früberer Zeit, jetzt die Unterkunft «in«» Zigeunerstammr«, der sich hier unter de» übcrbängenden Felsen seine armseligen Hütten erbaut hatte.*) Weit umher zogen im Sommer die inngen Leute dcS Stammes, während die älteren dabeiin blieben, um mit Kcssclflickcii, Strohflcchten und Ausspiclcn auf de» Kirckweiben der Um gegend ibren Unterhalt zn erwerben. Im Herbst versammelte sich der ganze Stamm wieder in dem Felsenborste der Dachsburg, den Erwerb aus dem Handel in fernen Ländern tbeilend unk verzehrend. Tann wirbelte der Ranch empor aus den kleine» Hütten, den Höhlen und Felsspalten, und einen cigentliüm lichcn Anblick gewäbrte cs, wenn tiefer Schnee die Schlucht, die Berge und die Wälder cinhiiUte, so daß man kaum einen Gegenstand genau unterscheide» konnte, aus dieser Schncc- maffe langsam den grauen Rauch zum klaren Wiisterbimmel sich emporkräuseln zu sehen, ohne doch die Spuren mensch licher Wohnungen zu bemerken Der Herbst nahte, und bereit» waren einig« Gesellschaften deS Stammes in ihre hcimatblichcn Hütten zurückgckehrt. Henri batte sie am Schloß vorbciziehen scben und sich vor genommen, der seltsamen Eolonie des rubelosen Volkes ge legentlich einen Besuch abzustatten. Als er beute in den Sckatlcn des Waldes trat, erinnerte er sich der bunten Ge sellsckaft brauner Männer und Weiber und schwarzlockiger, dunkeläugiger Dirnen und Kinder wieder, und rasch entschlossen nabm er seinen Weg nach der DachSburz und dem engen Felseisthake. Den Förster von Dachsburg kannte er sehr wobl; ost batte er mit dem alten, graubärtigen Waidman» im Walde auf Hochwild gepürscht oder in den Dickichten mit den tapferen Hunden den Wolf oder daS Wildschwein auf- gesiöbert. Henri de FönKtrange sab erstaunt nach dem kleinen Forst banse hinüber, das siw an die graue Mauer der Ruine wie schutzsilchend anlebnte. Vor der Thür desselben erblickte er de» Förster mit zwei deutschen Soldaten in der grünen Uniform ') Man findet derartige Zigennerniederlassnnaen häufig in den Thälern der Vogelen. Eine der bcinerkenswertbesten, die hier auch zuin Modell gedient hat, befindet sich i» einer felsigen Schlucht zwischen Pfalzburg und Lützclstetn, Graus- oder Krausthal ge nannt. — Der Vers. deS IägerbataillcnS, daS in Zaber» in Garnison lag. An den Abzeichen erkannte Henri, daß cS ein Untcrofficicr und ein Gefreiter waren, die, die Büchse an dem Riemen über die Schulter gehängt, den Hirschfänger an der Seite, eben dem alten Förster die Hand schüttelten »nd dann de» Weg in den Wald hinein einschliigen. Als sie hinter den Büschen verschwunden waren, trat Henri aus den Förster zu. bon jour, moimieur cke ?siiKtril»fkv", ries der alte Waidmann, indem er dem jungen Manne die rauhe Rechte cntgegciistreckte. „Hab' Sir lang' nit bei mir gesehen. Hoffentlich gehls gut?" ..DIorei, mo»<ncNr lloanin. Wen hattet Ihr aber da? Preußische Soldaten? Ihr, ei» alter Sergeantmajor der kaiserlichen Armee, drückt preußischen Soldaten die Hank?" „Brave Burschen sind'-, Herr Baron, ter Unterofficicr Fritz Berger und der Oberjäger Karl Schröder. Wabr ist», Herr Baron, ich war Sergeantmajor in der kaiserlichen Armee und bab' in der Krim und in Italien unter dem kaiserliche» Aller gesochtcn, aber weshalb sollt' ick zwei braven deutschen Soldaten nicht die Hand drücken? Es sind bessere Burschen als meine Landsleute von drüben, die einen Advocaten auf den Tbron von Frankreich setzen konnten." „Ihr mögt sck'on recht haben, Ieanin. Aber wie kommen die Soldaten hierher?" „Tie Wilddieberei hat letzter Zeit sehr Lberband ge nommen, Herr Baron. Ueber die Grenze kommt allerband verdächtiges Gesindel, und da hat man mir die beiten Jäger zur Unterstützung beigcgeben. 'S sind gelernte Jäger und versieben ibr Handwerk. Jetzt eben gehen sie wieder «>ne Patrouille die Grenze entlang." „Wie lange sind sie schon hier bei Euch?" „Etwa eine Woche, Herr Baron. Vielleicht ein GlaS Wein gefällig?" Nacktem Henri kaS GlaS geleert, reichte er dem alten Ieanin die Hand zum Abschied und schritt dem engen Tbale z», in dessen Felswänden sich die Wohnungen der Zigeuner befanden. Der Pfad zog sich in unregelmäßigem, willkürlichem Zickzack die Felsen binab, führte durch die Zigeuner-Eolonir, di« sich aus halber Höhr des Felsen- befand, und traf drunten im weiteren Folgerungen über den Rücktritt de« Ministers Herr» furth hinfällig werden. In der That ist gar keine Rede davon. Es hat weder am Sonnabend, noch am Sonntag eine Sitzung deS StaatSmtnistertum» stattgefunden. Diese Nachricht ist absolut unwahr und eS ist in hohem Grade bedauerlich, daß sie dem betreffenden Correspondent«!, zugetrage» worden ist. Denn zu seiner Ehre wollen wir nicht annehmen, daß er sie einfach — erfunden hat." Die dreibundfeindliche Politik deS Vatikans erfährt jetzt aus Wien eine halbamtliche Beleuchtung. An- knüpfcnd an die Mittheilung, daß der österreichische Bot schafter Graf Rcvertera demnächst auf seinen Posten beim Vatican wieder zurückkehrt, bringt das „Fremdrnblatt" eine Auslassung, welche in markanter Weise auf die undankbare Aufgabe hmweist, die der Botschafter Oesterreichs beim Vatican zu erfüllen hat, und von den wenig freundlichen Strömungen und Schwierigkeiten spricht, mit welchen der österreichische Botschafter beim heiligen Stuhle jetzt häufiger als sein Vor gänger zu kämpfen hat. In Belgien haben dieHäkeleienFrankreichS mit dem Congostaat einigermaßen peinlich berührt. Wenngleich von den größeren Tagesblättern der Zwischenfall in der sür Frankreich schoncntsten Weise besprochen wird, so bleibt doch noch genug übrig, um das Verhalten der Franzosen im gegebenen Falle als sür das belgische Gefühl verletzend erscheinen zu lassen. Man findet, daß der Anlaß den darob in den Spalten der Pariser Presse vollsllhrlcii Lärm nicht Werth ist und daß in Rück sicht auf daS benachbarte Belgien, dessen Beherrscher zugleich auch an der Spitze des wesentlich durch ihn geschaffenen EongoslaateS steht, Wohl ein sorgfältigeres Ueberlegen von Schritten erfordert hätte, die, einmal gethan, nicht mehr zu widerrufen sind. In Belgien hält man dafür, daß Frank reich den angeblich ihm widerfahrenen Schaden geflissentlich an die große Glocke hängt, um durch Veranstaltung einer Action gegen den minder mächtigen Eongoslaat sein in Afrika bedenklich zusammengeschrumpftcs Prestige wieder aufzusrischen. Gleich wohl hat die Regierung des EongostaalcS, um selbst den Schein einer ungerechten Behandlung französischer Interessen zu ver meide», die Eiuleituiig einer Untersuchung beschlossen; ob etwas dabei heraus kommt, darf man bezweifeln, da die Franzosen in Streitigkeiten, wo sie die Stärkeren zu sein glauben, einem Schiedsgericht entschieden abgeneigt sind. Man wird sich also auf das Tcmporisiren verlegen, bis Frankreich sich für die Wahrheit zugänglicher erweist, als dies zu Zeiten noch der Fall ist. In Frankreich haben am Sonntag die Wahlen für die Departeiiie»talvcrtrct»ngen, die Generalräthe, stattgefundcn. Die Ergebnisse dieser Wahlen sind besonder- deshalb be- merkenSwerth, weil sie auf die nächsten allgemeinen Wahlen Rückschlüsse gestatten. Nach einer heute vorliegenden Nach richt sind gewählt: 1100 Republikaner und 1l!) Monarchisten; außerdem sind >07 Stichwahlen nöthig, die fast sämmtlich ru Gunsten der Republikaner anSfallen dürften. Die letzteren haben sonach eine crbebliche Anzahl von Sitzen gewonnen. Dieser Sieg der Republikaner ist um so bedeutsamer, als die Localangelegcnbeiten bei den Generalrathswahlen zum Min deste» ebenso in Betracht kommen, wie die rein politischen Fragen. Allerdings hatten die Departementswahlen diesmal nicht die Tragweite derjenigen von 1389, welche die erste Niederlage des BoulangiSmu» herbeifübrten und so die Abgrordnetenwablen vom September desselben Jahre- an- babnlcn; allein sie boten diesmal ein besonderes Interesse, weil sich riiin ersten Male nach der päpstlichen Parteinahme zu Gunsten der Republik zeigen mußte, ob die auf dem alten ablehnenden Standpunkt auSharrcnden Monarchisten oder die durch den Papst halb und halb zur Republik bekehrten „verfassungstreuen" Eouservativen die größere Widerstands fähigkeit, den breiteren Boden im Volk besitzen würden. Da bat sich nun gezeigt, daß die republikanische Strömung Alle« mit sich weggerisse» hat. Unter den gewählten Eouservativen sind fast ein Drittel „verfassungstreue" oder, wie sie sich auch Tbale die Landstraße, welche sich bei Finstingen mit der großen Heerstraße vereinigte. Zur Seite der Landstraße rieselte ein Bäcklein, an dessen Usern Wiesen und kleine Gärten lagen, soweit eS die eng sich zusammendrängenden Berge gestattete» Dichter Hochwald bedeckte die schroff aussteigenden Berge, nur der Felsen der DachSbnrg lag kahl und öde da, hier und da von wirren Brombeersträuchern und wildem Rosengebüsch überwuchert. Unten im Thal ging eS laut und lustig her. Augenschein lich feierte da- Zigeunervölkchen ein frohe- Fest, denn im Dorfe selbst war fast Niemand zu sehen, während sich auf dem Rasen eines kleinen AnacrS eine bunte Gesellschast umbertrieb. Die Rückkehr der Fortgezogenen ward gefeiert. Nock standen dort die kleinen Planwagen und Handkarren, auf denen die Gesellschast ihre Reise in die weite Welt an- getrrten hatte. Kleine struppige Pferde weideten am Ufer des Backes; ruppige Hunde trieben sich zwischen der Menge »mbcr, die lachend, singend und schwatzend auf dem Rasen lagerte. Herrliche Modelle hätte hier da- Auge deS Malers entdecken können! Dort der langhaarige Greis, dessen silberweißer Bart bis lief aus die Brust nieder hing »nd dessen dunkle Augen unter den schneeigen buschigen Augenbrauen listig und verschlagen hervor- lugten, er glich dem Hauptmann einer Räuberbande in seinem bunten, phantastisch auf'aeputzken Costüin und in der Würde, mit der er die Huldigungen de- Volke» ent- geaennaliin. Hier der kräftige, sehnige, braune Mann mit den zornig blitzenden Augen und dem schwarzgelockten Haupt- »nd Barthaar war das Modell des wilde«, unacstümen Räuber- des wilden Waldgebirge-, wahrend sein schlanker Begleiter, um besten Kinn sich der weiche Flaum de- ersten BarteS schmiegte, mit den sanften, melancholischen braunen Augen das Antlitz eine- Troubadours darbot. Jenes Weib dort mit den grauen, zottigen Haarsträhnen, den triefenden Augen und dem zabnlofen Munde war da- Bild einer Hexe, während die junge Frau mit dem Säugling in den vollen Armen einer Murillo'schen Madonna glich und da- blühende Mädchen neben ibr in seiner wilden Schönheit dem Traum eine« Dichter« nachgebildet zu situ schien.
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