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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.09.1892
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-09-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920912015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892091201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892091201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-09
- Tag1892-09-12
- Monat1892-09
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»« d«»pt»rv»ditto, tz» «m Stadt, «ttrk m»d d«, Vorort»» «rrtchtrtr» Lu». novestellea abgrholt: viertrljLbrllch ^»4ck0, «ri Zweimaliger täglicher Zustellung iu» Paus b.bO. Durch die Post bezogen für Deutschland uad Oesterreich: vtcrrel>adrlich --l 8.—. Direct» tägliche Kreuckandjendung tu» Kurland: monatlich 2.— Die Morgen-Au«gad» encheini täglich '/,7 Uhr, di« Abend-Auögobe Wochentag» b Uhr. ledartion »uL LrpeLitioa: Johanne»,affe 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrvcher» «eossaet »o» früh 8 bt« Abend» ? Uhr. Filialen: vtt» Klt«»>'» Sortt«. lAlsretz Hahn). Universüätsstrab» 1, L-utS Löiche, Satharineustr. 1». part. ond Sönig-pla- 7. Morgen-Ausgabe. WM Anzeiger. Drgan für Politik, LocalgeMte, Handels- und Geschäftsverkehr. Die 6 gespaltene Petitzeile SO P^g. Noclomen unter dem Redaction-strich (4av spalten) bO>E, vor den Komiliennachrtchtr» (6 gespalten) 40 Gröbere Schriften laut unserem Prrit. veijeichnitz. Dabellartscher und Ziffer ns o» »ach höhere« Larts. Extra-Vetlagr« (gesalzt), »nr mit he» Morgea-Autgad», »da« Postbesärderun, 60.—, mit Poslbesürderung ^l 7V.-- Äuaahmeschluß fir Inserate: «bend.Lnsgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Loegabe: Viachmiilag« »Uhr. Sonn- und Festtag» früh '/F llhr. vet da» Filiale» und Annahmestelle, j» ei»« Halde Stund« früher. Inserat» find stet» a» di« Gtztzetzttt»» »» richte». Druck »nd Verlag von E. Polz in LeWtz- »/>- Montag den 12. September 1892. 86. Jahrgang Amtliche Bekanntmachungen. Lekauntmachung. An» ,r,'undbrit«poli;c,lichc» vrünSkn wird Vir Ninfubr von Bittrer, frischer Schweinslcber u»ö frischen Därmen aus Stadt und Staat Hamburg, sowie aus Altona bis auf Writcrrs für den hicsigeu Stadtbezirk verdate». Diese» Verbot gilt auch für solche «Hille, wo die Vtnfudr nicht Street aus den genannten Orte», sondern unter Be nutzung etuer .iwischeuftatio» geschieht. Zuwiderhandlungen gegen vorstehendes Verbot faUrn unter tz. 327 des Reichs-Ltras ^esclrbuchS. Leipzig, den S. September 1892. Ter Rath der Stadt Lrtpztg. Dr. Georgs. L. tz. 327 de» Reichs-Stras-Gesetzbuch« lautet: Wer die Absperrung»- oder Aussichts-Maffregeln oder Einfuhr verbote, welche von der zuständigen Behörde zur Verhütung Le» Einfuhren» oder Verbreiten- einer ansteckenden Krankheit angeordnet worden sind, wissentlich verletzt, wird mit Gesaaguiff bi» zu zwei Jahren bestraft. , . ^ Ist infolge dieser Verletzung ein Mensch von der ansteckenden Krankheit ergriffen worden, io tritt Gesangniffstrase von drei Monaten bi« zu drei Jahren ein. — üekaimtmalhung. -tu» gesuntzhritcpolizeilichen tztrüudrn wird hiermit für den Bezirk der Stab» Leipzig die Vinsuhr von gebrauchter Leih- und Brttwajchc. gebrauchte» Kleidern. Hader» und Lumpen aller Art und Pelzab,allen iLtstckrn) ausRuftlaud. Stadt und Staat Hamburg und ans Altona Diese» Verbot gilt auch kür solch« Sülle, wo die betreffen den «rgcnftändr nicht direct aus den genannte» Orten und Ländern, sondern unter Benutzung einer Zwifchenstatio» eingcsührt werden. . 8s gilt zwar nicht für die Wasche und Kleider von Reisenden, doch empfiehlt r» sich, auch mit diesen Gegeu- ftänvcn »orsichttg umzugelirn und sie so bald als möglich zur Deainsrction in den öffentliche« rampsdeSiuseelion«- apparat («rorgruhau») zu bringen. Zuwiderhandlungen gegen diese» verbot unterliegen der Strasandrohun, de» unten abgrdruckte» G. 327 de» Straf» gefetzbuch». . Leipzig, »e« 9. Se»te«»e« 1892. Der Rath »erktatzt Lettzzttz. vr. Georgs. L. § 327. Wer die Absperrung-- oder Aussicht»>naßregeln oder Einfuhr verbot«, welche von der zuständigen Behörde zur Verhütung de» Einiühren« oder Verbreiten« einer ansteckenden Krankheit angeordnet worden stad, wissentlich verletzt, wird Mit Gefängnis bt» »u L Jahren bestraft. Ist in Folge dieser Verletzung «in Mensch von der ansteckenden Krankheit ergriffen worden, so tritt GesLngntffstraf« v»n 8 Monaten bi» zu 3 Jahren ei». Submislion. Di« Tischler», Schlosser» und Klempnerbau arbeiten fa» di» «enb°«t»» d«r II. rathol. Kirche und de, Bincentiusstists iu Leipzig.Reudnitz solle» <m Wege der Elibui^en vergebe» werden. Die Kosten. anschlag«f»kmular» künncii in, Bnrea« der Architekten Kratz Sb Meurer, Vayerisch« Straffe 42 d, I., erhöbe» werden. Die Offerten für dir Klempner- »nd Schlosserarbeitr» sind bi» 17. September, für di» Tischlerbeiten bi« zum 22. September mit diesbezüglicher «»fschrift a« da« Kathal. Vf»rra«t ,« Leipzig «bzugeben. L«p,i» de» 1V. Septewhee 1«,. Hntzrrt Schmittmann, Superior ». Pfarrer. Lekaiintmachun-. Dt« LnSaab« w>» kynageg,»karten findet «»»tag. den 12. Setzte«»«», Vormittag» 10—12 Uhr in d»r Gemeindekauzki (Synagugrnaebäude, 1 Trepp» hoch) statt. Wir bilien, bet Abholnug der Karten die bisherigen Karten und di« diesiilhriaen Gemeiühksteurrquittuugen mitzubriugeu. Leipzig, »«, ü. September IE. Der Vorstand der J-raelitische« Rrligiousgemeinde zu Leipzig. Lekurllltilmchung. Die Entschädigung sür da« in Leipzig-Altstadt vom 20. znm 21. August d I«. in der Arndt-, Brandvorwerk-» 8Itsen-, Emilie»:, Sichte-, Kaiser-Wilhrim-, Kau«-, Koch-, Kramer-, Kronprinz-, Korner-Strafte, am Korner-, Königs-Platz. Moltte-Ltrafte. am Pctrrs-Ltetnwrg. in der rcheutenvorf- Ltrahr, am Lophten-Platz, in der Süd-Straftc, am Süd- Platz. in der Stein- »nd Zritzrr-Strafte einauartirt geincleucn 1. Konigl. Sachs. Rchrve-Grenadtec-Regluiciit Nr. 4ü „Leipzig" kann in den nächsten 14 Tagen bei unserem Quartierami», Nasch- markt Nr. 2, im Erdgeschoß link«, Zimmer Nr. 3V, erhoben werden. Ter da- Quartierbillck Voriveijcnde gilt als zur Empsaiignahme berechtigt. Leipzig, am 7. September 1632. Der Rath der Stadt Leipzig. kick N,L. 13614. vr. Georgi. Lamprecht. politische Tagesschau. * Leipzig, 11. September. Der Reick»- und Landtag-abgcerdncte Landrath a. D- und LandcSdirector der Neumark, von Meyer-Arnöwalde» ist, wie schon kurz gcmelvet, im Aller von 7S Jahren ge storben. Er war ein slrcngcvnservativer Niann, der aber in manche» Fragen seine eichenen We^e ging und sich auch dem FractiünSvvorstand gegenüber selbstständig hielt. Seine oft kernhaften und hunlvcvollc», die Sache mit einem „geflügelten Wort" treffenden Aussprüche baden ihn zu einer sehr be kannten parlamentarischen Figur gemacht; seine reichen Er» sabrnngcn in VerwalkungSsacken, semc künstlerische» Neigungen und sein liebenswürdige« Wesen baden dein alten Herrn Achtung und Verehrung bei alle» Parteien eingetragen. Im Reichstage und Abgcvrdncteiihausc vertrat er seinen heimischen märkischen Wahlkreis ArnSwalde Friedeberg. Zn den Reichs tag wurde er in einer Nachwahl mit 6740 gegen 6258 frei sinnige Stimmen gewählt, nachdem zuerst Herr von Kvrcken- beck gewählt war, aber abgelrhnt hatte. Der Wahlkreis war mit Aiisnabmr einer einzigen nationalliberalen Periode un ausgesetzt conservativ vertreten, wird aber von den Frei sinnigen stark bedrängt. Dem Abgeordnetenhause gehörte der Verstorbene von 184V di» l853, dann wieder t870—73 und 187? di« zu seinem Tod als Vertreter defselb«» Wahlkreise« an. Di« fortdauernde Unklarheit ia der Stellung der ReichSregierung gegenüber den Parteien und der inneren Politik Überhaupt erhält in der nachstehenden Zuschrift des parlamentarischen Eorrespondenten der „AUg. Zeitung" die gebührende kritische Beleuchtung: „Obwohl da» Interesse für dte politischen Ding« tm Augenblick durch di« Sorge wegen dcr Eholeragesahr etnigermaffen getrübt ist, so hat man doch allgemein die Empfindung, »ine inner« Lage, wie di« gegenwärtige, »och nicht erlebt zu haben. Ob der bekannt« Artikel der „Nordd. Allg. Zig." über den Mainzer Katholikentag aus gouvernementale Jnspiralivn geschrieben wurde oder nicht, hl eine Streitfrage, die nur durch eine unzweideutige Er- ktärnag, sei e» der Regierung, sei «» de» genannten Blatte«, entschied»» werden kiinnt«; aus eine solche wird man tndeff «ohi «ergeben» warten. Im Grunde kommt c« aber auch daraus gar nicht so viel an: die Hauptsache ist, daff der Artikel so, wie er war, von einer für gewöhnlich zu officiOsen Veröffentlichungen benutzte» Feder überbaupt geschrieben, und daff er von der grogen Mehrheit der Leser ohne ernstbasie Anzweiflung der Regierung nns di« Rechnung gesetzt werben konnte. Ganz überwiegend hat man in dem Artikel eine beispiellose Huldigung vor der uitramontanen Partei erblickt und damit gezeigt, westen man die Regierung sür fähig hält. Ader selbst dte Wenige», welche den Artikel nicht al» ein« Verbeugung vor dem Eentrum, sondern at« eine Art Hilferuf an andere Parteien »in Befreiung von der Herrschaft de» Centrnm» deuten möchten, lassen zum Minbesten die Geschicklichkeit der Taktik, welche sie der Regierung snppontreo, in einem höchst zweifelhaften Licht« erscheinen. Im günstigste» Falle bleibt e« also bet der biöherigen Unklarheit über die Siellnng der Regierung. Und da» ist in der That eine in dieser Weise noch nicht dagewesene Situation. Man braucht niit den Gouvernem, ntale» nicht darüber zu rechten, ob e» gerade jetzt geboten ist, sich ein gehend mit den einzelnen Forderungen der Mainzer Resolutionen zu beschäftigen; aber sicherlich genügt e» nicht, an der Katholtkeiiver- iammlung nur die Einigkeit de« Eentruin« z» bewundern. Vielmehr kommt «» daraus au, Stellung zu nehmen zu dem mit ungewöhn licher Zuversichtlichkeit erhobenen Ansprüche, daff die Politik Le» deutschen Reicht» und Preußen- im Geiste de« Lentruni« ge leitet, daß — man sagt nicht zu viel — unsre fernere natio nale Entwickelung von Ultramontani«mu« beherrscht werde. Bei de», Gewicht, welches der Centrum-vartei in unser,n öffentlichen ^!eben unter den obwaltenden Umstanden nun ein* mal beiwohnt, kan» mau sich nicht den Anschein gebe», diese» Nnipruch zu ignvnren i man muh sich cnl,-Heiden, ob man ibm nachgeben oder ob inan tim zuruckweisen will. Eine derartige klare Euftchetdung lässt die Regierung nach wie vor vermissen. Und diese Thastache wird für die fernere Gestaltung unsere« Panci- wcscns von Verhängnis,voller V.-Leniung werden. Ta- Eenirum hat unter seiner denlige» Leitung, abweichend von der Wiildtlwrst'sltstn Taktik ä .Ivux „Winz, seine ganze Hoffnung aus ein enge« Bündniff mit Len Coulervativcn gesetzt. Noch ist in der conierraliven Partei die Enticheidung über d>« Annahme diese« Bündnisse« nicht gefallen. So wenig man einstweilen auch über die internen Vorgänge erfährt, so ist doch kein Zweifel, daff die Gegensätze tm eonservativen Lager sich noch immer lebhaft be kämpfen, und daff man sich, ,e länger der Kamps dauert, der Tragweite de« schlieffiichen Au«gange« immer mehr bewufft wird. Handelt es sich doch darum, vb die Pirleicvnstellatwn. weiche zwei Jakrzehnlc hindurch die parlamemarijche Vasi« der nationalen Politik gewesen ist. da« Zusammenwirken der conscr- vatiren und gemäffigl-liberale» Slemcnle, enhgiliig verlassen und «in neues Verbäliiiih cingcgangcn werden soll, welche« die con- servattve Partei z» einer bloßen Hilfslrnvpe der »ltramontanen Politik »n,wandeln wurde! Unter dielen Gesichtspuncte» kann man di- Gährnng innerhalb der consrrvativen Partei als de» Schwerpunct der augenblicklichen Situation be zeichnen. Von welcher Bedeutung könnt« da eine klare Stellung- »ahme der Regierung gegen da« ganze Auftreten de« Leistrum» werde»! Bei Len hergebrachten Beziehungen und dem innersten Wcien unserer conservaliren Partei ist gar kein Zweifel, daff eine solche Stellungnahme da« Obsiege» der dcr Coalition mit de» Ultra- montanislniis geneigten Richtung verhüte» würde. Aber der politische Charakter der Regierung ist ein große« Fragezeichen und wird e« bleiben. Man könnte sich trösten mit dem Gedanken, daff nur »och zwei Monate uns von dem Beginn der parlamentarischen Jabreszei, trennen; indes,, wer verbürgt, daff dcr Charakter der Regierung al«dann klarer sei» würde? E« läfft sich da- um so weniger annehine», als berechtigt» Zweifel bestehen, daff er über- Haupt ein einheitlicher ist. Man wird sich in dem Halbdunkel der bisherigen Unsicherheit weitertasten, bi« da- System der „Re- giernng nicht über, sondern zwischen den Parteien", La« System, welches e« Allen recht zu machen sucht und da« Gute nimmt, wo e« dasselbe findet, gründlich abgewlrthschastet haben wird." Wie man sieht, ist auch der Eorrespondent de« Münchener Blatte« der Meinung, daß di« Frage, ob der bekannt« Artikel der ,R. A. Z." officio« s« oder nicht, .nur durch eine unzweideutige Erklärung, sei »« der Regierung, sei r« de« genannten Blatte«", entschieden werden kann. Wenn derselbe dann weiter annimmt, daß man auf eine solche Erklärung wohl vergeben» warten werde, so dürste da», nachdem eine volle Woche ohne irgend «ine authentische Kund gebung verstrichen ist, wohl zutreffen. Ist doch selbst Herr Pindlcr weit davon entfernt, den vielberufene» Artikel al» da» Erzeugniß seiner eigenen Feder anzuerkennra oder — au«zugeben. Der Streit zwischen den belgischen und nordfranzö fische Bergarbeitern nimmt eine Gestalt an, die sehr gefahrdrohend erscheint. Die Vertreibungen belgischer Berg arbeiler au» den nordfranzösischen Zechen und die Hinaus Weisungen französischer au» ven belgischen Zechen dauern unter den Augen der sranzösischen und belgischen Negierung und unter Verübung der rohesten Äewaltlyätigkeitro seiten» der fraiizösiscken Arveiterbevölkcrung ungeschwächt fort. Die Haltung d«S velgischen Ministeriums, welche» nicht da« Min deste »Hut, um die Arbeiter seine« Lande« zu scküyen, findet in Belgien den schärfsten Tadel. Zur Beschwichtigung der erregten öffentlichen Meinung haben di« hochofsiciösen Blätter sich am 8. d. Ml«, zu der Erklärung ausgrrafft, „daß da» belgische Auswärtige Amt zu interveniren gedenke, aber einen geeigneten Augenblick abwartet." Welchen Eindruck diese» schwächliche Auftreten des Ministerium» Berrnaert Frankreich gegenüber im Lande und selbst in der katholischen Partei bervorruft, erweist der heutige streng klerikale „Patriole", welcher sonst mit seinem ganzen Einflüsse mit dem Ministerium durch dick und dünn geht, aver in diesem Fall« die Regierung auf das Schonungsloseste angreist. „Die abwarteiide Haltung de» AuSwärligen Amte- macht traurig lächeln. Wozu dient unsere Diplomatie? Wir stellen mit patrio tischem Schmerze fest, daff die belgilchen Arbeiter in Frankreich de- bandelt werde», wie sie im schöne', Mitlelasrika behandelt werden könnten. Ohne Stütze der Ortöbehörden, ohne Schutz ihrer eigene» Regierung! E« ist schön das endende IS. JahrhundertI Die armen belgijchcn Arbeiter sind von Niemandein verlheidiat worden, aber die belgischen Behörden haben sich enischlossen a» das Werk gmacht, die französischen Arbeiler gegen die Repressalien zu schützen Au» Frankreich vertriebe», wird unseren Arbeitern nicht- übrig bleiben, al« vor Len belgischen mit sranzösischen Arbeitern ungefüllten Zechen Hunger- ,» sterben." Diese Aufbetzerei wird in der leicht entzündbaren belgischen Bergarbeitcrbevölkcriiiig ihre Wirkungen nicht verfcdlcn und neue schlimme Ausschreitungen im Henneaau herbeifübren. Zn den Rcgieruiigskrcise» inacht e» sehr böses Blut, daß die eigenen Organe dem Ministerium beute „eine unglaubliche Michtvergcssenbeit gegen die LandeSkinder und eine wahre Abdankung der nationalen Würde" in kaS Gesicht schleudern. Wenn das Ministerium sich nicht rührt, rübrcn sich die Arbeiter selbst. Es bat der Generalrath der belgischen Arbeiterpartei beschlossen, angesichlS der letzten Vorgänge, welche im Departement PaS de EalaiS zwischen belgischen und französischen Arbeitern vorgekoinmen sind, mit dem EomitS dcr sranzösischen svcialistische» Arbeiterpartei in Unter handlung zu trenn, n»i eine Vcrsöbnung berbcizufübren. Ob diese Versöhnung zu Stande kommt, ist sehr zweifelhaft. Wen» c» sich »in Sein oder Nichtsein handelt, werden alle VöllerverbrüderungSphrasc» vergessen und der Selbst- erhaltnngSlricb tritt die Herrschaft an — auch bei den französischen und belgischen Arbeitern. Die Iren verleugnen ihre Natur nicht. Daß Europa und Amerika von ibne» sprickt, ist ihnen die Hauptsache, selbst wen» sic für ibre Reelamc eine» Weg einscblagen, der ver blüffen muß. Besonders lieben sie die Manifeste, deren jetzt wieder einmal zwei Vvrlicgcn. Zwar widersprechen sich beide, aber da» ihnl dcr gegenseitige» Liede keine» Abbruch. Pessimistisch fordern in, Namen der irischen Nationalliga und parncllitischen Partei die Abg. John Nedrnond, Ha rrington, Leamy und Kettle zum Wiederaufbau veralten Partei, wie sie zu sagen beliebe», auf. Diese bade allein in den letzten nenn Jahren aller Zwangrwirlhsckaft energischen Widerstand geleistet und eS zu Wege gebrockt, daß die irische Sacke da stände, wo sie jetzt wäre. Gerade wenn ein britische» Ministerium am Ruder wäre, welche» Freundschaft suchte, sei di» Gefabr sür die irische Nationalsache am größten. Der Kampf sei mit Nichte» vorüber, wir die Ant,-Parurllit«u sich träumen ließe», dir Hauptschlacht stünde erst bevor. Die Letzteren hätten ehre Unabhängigkeit dcr jetzigen Regierung verkauft, ohne im Mm- drsten sicher zu sein, daß La» Ministerium, selbst wenn r» wollt«, auch dir Forderungen Irland» befriedigen könnte. Die Anti-Parnelliten wären allem Anschein nach bereit, die Regie rung zu decken, möge geschehen, wa« da wolle. Irland werbe wohl noch einmal eine bitlerc Enttäuschung erleben. Habe eine politische Partei einmal ihre Unabhängigkeit eingebllßt, so erlange sie sic schwer wieder. Die Anti- Parnelliten hätten schon wieder einen bedeutenden Schritt auf dem Wege der Unterwürfigkeit getban. indem sie di« Frage, was für die vertriebenen Pächter geschehen solle, aus unbe stimmte Zeit vertagt hätten. Noch vor wenigen Monaten forderlen dieselben Herren, daß die Sorge sür diese Armen die erste Pflicht eine» liberalen Regiment» sein müffr. — Der Führer der irischen parlamentarischen Partei, McCarthy, malt dagegen in der „North American Review" hoffnungsvoll schon den Laus der Dinge unter der Gladstone scheu Negierung au». Da Gladstone's Mehr heit sich auf die Slimmen der Iren stützt, so sei eS selbst verständlich, daß irische Angelegenheiten den Vorrang vor englischen baden. Die Durchsetzung der Homerule biete den« optimistisch angelegten Politiker nicht die geringsten Schwierigkeiten. Lehne da» ObrrhanS die Honiernle- Bill ab, so werde Gladstone weder da- Parlament auflösen, noch abdanken, sondern mit einer solchen Liste ven radikalen Maßnahmen answarten, daß die Consrrvativen Angst und Schreckt» bekommen und er au» einer nothwendig werdenden Wahl sicher siegreich hervorgehen würde. Da» mag aller dings richtig sein, daß Gladstone selbst einsiebt, daß er nicht lange am Ruder bleiben wird, wenn er de» Wählern nicht „och weitere verführerische Leckerbissen hinhält. Setzt er aach Verwerfung der Homcrule Bill im Unterbause noch eine oder zwei durchgreifende radicale Bill» durch, wird da» Ober» hau» e» kaum wagen, in einer Tagung auch diese zu ver- Frttilletvn. Rudolf von Gottschall's Geschichte der deutschen NationaHiteratur. Vo» Herma»» Pilz. Dir deutsch« Natiooalliteratur der Gegenwart zu über schauen. ist ein gewaltige« Stück Arbeit. Nock nie war eine so rastlose, ja »ervö« unruhige Productivität fühlbar, wie in unserer Zeit. Jeder Tag brmgt zahllose Neuigkeiten ans den Büchermarkt, von denen sich leider ei» allezu großer Procent- satz al« werthlosr, ungr«ießbar« Waare erweist. Da haben die kritische« Aedilen, welche di« literarische Marktvolizei an»Lben, ein schwere«, verantwortung-reiche« Amt, wenn sie gerechte Edictr fallen wolle». Nur schwer läßt sich bei der herrschende» Massenproduktion der Weizen von dcr Spreu sondern, nur schwer bei den vielfache» Strömungen, welche sich auf literarischem Gebiet« geltend macken, em stckerer, fester Standpunkt erringen. v»n dem rin« gereckte Würdigung de» literariscken -eben» au» möglich ist. Wer die deutsche Nationallitrratur der Gegenwart in ihren mannigfaltigen Erscheinungen gerecht beurthrilea will, der muß aus einer höheren Warte, al« aus den Zinnen der Partei stehen. Er «»ß sich die Objektivität de« Richter« be wahren, vor dessen Tribunal all« Parteien gleich sind, und Jedem wird, wa» seine« Rechte« ist. Al« ein solcker kritischer Richter von bewundernSwerther Objektivität zeigt sich un» Rudolf »o» Gottschall in den beiden neuen Banden seine« mo»»««»tal«» Werke«: -Dir deutsche Ratio»«llitrr«tue de« »eunz«b»tt»Jahrhundert»" (Bre«lan, verlH vo» Idu»rtz Trewrndt). Mi» dem dritten «»d »i»rt«> »«>», liegt di« sichst, A»sl«>, »»« Werke« nunmehr vollendet vor, ein Denkmal der deutschen GeistcS- tbätigkeit innerhalb eine» bewegten, wechsclvollc» Jabr- bundert». Wir sieben am Ende de» Jabrbunderl». Wir können den Lauf, den die GeisttSenlwickelung Deutschland» in ibm genommen hat, überschauen und sipiren. Wir können un» ein Urtheil bilden, warum ibr Strom diese Richtung fzenommen hat, warum er da» siegreich erkämpfte, ruhige iLtromdett verlassen und wieder in eine Stromlcknelle ge ralben ist, in der ein schäumendes Wegen um Klippen und Riffe herrscht. Elassicität, Romantik und „Moderne" charak- lcrisiren da« neunzehnte Jahrhundert in der Literatur. Rudolf von Gottschall hat in de» vier Bänden seiner Literaturgeschichte eine glänzende Charakteristik dieser drei Epochen gegeben, und die Schöpfungen der führenden Geister stirer Zeit so klar »nt vrrständnißvoll analysirt. daß sein Wert unvergängliche» Mcrtk nicht nur für uns, sondern auch für die kommende» Geschlechter besitzt. Wer, wie Gottschall, selbst so tbäligen Antbcil an der Entwickelung der tenlschen Nationalliicralur genommen, vo» dem ist nicht zu erwarten, daß er die lite rarischen Tbaten de« Jabrbunvert« im überlegenen bist Liiniirari-Tone der Kathederweisheit gehörig classificiren und mit ein paar kritischen Scklagworten abtörten wirk. Nein, mit dem frohen Bewußtsein der weiteren EntwickelungS- fäbigkeit der deutschen Nationalliteratur schildert er in warmer, fesselnder Darstellung, in einer Diction, die oft im Literarhistoriker den Dichter verrälh, de» Gang, den die deutsche Literaturgeschichte seit dem Wirken Goethes uud Schiller» bi- zur Conrad-Bleibtreu'scken Revolution in der Literatur genommen hat. Der gewaltige Stoff ist übersicht lich und feinsinnig gruppiet, so daß seine Bewältigung sich in einer schonen Form vollzogen bat. Aeußerlich- keiten baden die Anordnung nicht bedingt, sondern der Geis», der au« den Schöpfungen de« Jahrhundert« sprickt Vor Allem aber fühlt man au« jedrr Zeile de» Goitschall 'cken Werke« heraus, »aß dir Verfasser nicht nach der Speisekarte »rtheilt, sondern die Gerichte selbst probirl bat. Wie viele Literaturhistoriker von heutzutage schreiben blo» gedankenlos nach, wa» vor ihnen andere gedankenlos »iedergefchi jeden haben. So schleppen sich in unseren deutschen Literatur geschichten schiese, befangene, ja gehässige, ans persönliche» Streitigkeiten beruhende Urtheile „wie eine ewige Krankheit fort." Daß mit ihnen endlich aufgeräumt werde, dazu wird Gottsckall'S Literaturgeschichte segenSvoll beitragen. Gotlschall bat sick selbst in einem langen, reicbbewegten Leben, in einer fünfzigjährigen, uminlerbrochem-n, literarischen Thatigkeit (seine „Lieder der Gegenwart" ersckicnen 1842) zu einer geläuterte» Welt- und Knnstansckauting durck- gerungen, an der er unerschütterlich festbält. Von ibr ist auch sein literarhistorische- Werk geadelt. Er hält an jenem künstlerischen Idealismus fest, der seine Wurzel» in der LcbenS- wahrheit bat, der das wabrbaftigr Leben künstlerisch ver- klärt, und da» Zeitlicke mit den, Ewigen versöhnt Alle« ehrlich« Streben undRiiigeii im Dienste der Kunst aber ist ibm svmpatbisch und darum wird er auch Denen gerecht, die sich zur Sonnen- klarbeit eine» Olvmpier« noch nickt emporgearbeitet baden. Wir haben bereit» in einem längeren Essav in diesem Blatte auf die Vorzüge der Gottschallftcken Geschichtsschreibung näker bingewiesen, und können uns dabei jetzt damit begnügen, dem dritten und vierten Bande teS Werke« eine Betrachtung zu widmen. Der zweite Band schließt mit einer Ueberflch» über die literarische Entwickelung seit 1840 bis heute ab. Im dritten Band wird die „moderne Lvrik" behandelt. Trefflich ist die Edarakteristik der schwäbischen Dichterschnle. Wenn der «utor ver „au, dem Gcmülb» herau«gebornen Epik" llbland'« gegenüber sagt: „dennoch muß man. wenn e« erlaubt ist, von einer modernen Ballade zu sprechen, von dieser eine mebr vorwiegende Ge'kaltung-kraft und den Inter essen unserer Zeit verwandtere Stoff« verlangen", so girbt er den modernen Balladrndichtern eine deachten-werlbe Richtschnur. „Der Arther der Empfindung", fährt er fort, „giebt manchen schönen Glorienschein, aber ein« thatkräftige Nation und eine ihrer geistigen Energie bewußte Zeit darf eine kernhaftere Poesie verlangen, in welcher nicht ilo« die Be- aebenheit aus der Empfindung, sondern die That au» dem Geist« geboren wird." Nicht minder geistvoll sind die Beurtbeilungen der „orientalischen Lyrik", dcr „östtrreichischen Lyrik" (nur da- Urtbeil über Johann Nepomuk Vogl erscheint un» zu hart), der .politische» Lyrik", zu der auch die Erstlingsfrücht« der Gottsckall'schen Lyrik gehören, der „phstosophischcnhDick- tung" (Moser, Gallet, Meyer, Jordan, Heller, Hamcrling), der „Heiiie'schru Schule, Emanucl Geiber« und verwandter Dichter", der „Gesellschaftlichen und Geistlicken Liederfänaer »nd dichtenden Frauen", sowie de» „lyrischen Jungdeutsch land". Mit Recht tritt hier Gottschall der von Juliu« Haut so benannten „objectiven Lyrik", über die ich mich ia diesem Blatte bei Besprechung de- Gedichtbuches „lknmo „um" schon näber verbreitet bave, entgegen. „Wenn für die Lyrik", sagt er, „jene Kunst de» RealiSmu- in Anspruch geuoinnien wird, welcher di« Welt nickt durch sein Ich an- tchauen will, so heißt da» die Lyrik überbaupt ausbeben." In diesem Abschnitt vermissen wir dir Namen Reinbold von Stern und Zoopmann, di« zu den bedeutendsten Lyrikern der Jungdcutschen zäblen. Ein writerer Abschnitt ist den „epischen Anläufen" gewidmet. Dichter eine- nationalen Epo« epistiren in unserer Zeit nicht. Daber die Wahl de- Titel«: „Epische Anläufe". Zu ilmen gebören die Werke von Beckstein, Böliger. Kinkel. Retwitz, Roquetlr, Sckerenberg. Scheffel. Wolff. Baumbach u. A.. sowie Gottschall'« eigene Dichtungen: „Dir Göttin', „Karlo Zeno", „Maja", „Teba- stopol", „Merlin » Wanderungen" u. s. w. Bei der Darstellung de« modernen Drama» wird tzi« dramatische Behandlung«w«ise zum entscheidenden Kritrrf»» der Grupvirung qrmackt. Gottschall «atrrscheidrt „da«
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