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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.10.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-10-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18921010027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892101002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892101002
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- LDP: Zeitungen
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
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Diese Frage ist die wichtigste von allen, welche die Gegenwart bewegen. Fällt sie zu Gunsten des EenirumS auS, so kommt zu der neuen militairiscken Last zunächst im größten deutschen Staate noch eine zweite, die sür Alle, die einen Funken liberalen Geistes in sich hegen, »och schwerer zu tragen ist. Extrem-conscrvalive Einflüsse sind unausgesetzt thätig, die maßgebende Stelle in Preußen »ach der Richtung zu drängen, die der Reichskanzler bereits cingcschlagen Kat und in die deshalb auch die meisten anderen Staaten gedrängt werden würden, wenn Preußen voranginge. Bei der Schwere dieser Gefahr ist cS kaum zu begreifen, daß der „Freisinn", der sonst vor dem bloßen Gedanken an politische und kirchlicheRcaction zitterte, durch seinen blinde» Haß gegen die Nationalliberalcn besonders in Baden sich verleiten laßt, den reactionairen Parteien Handlangerdienste zu leisten. „In Baden spielen die Conservativen keine Rolle und bilden noch weniger eine Gefahr für den Liberalismus." Diese kühne Behauptung bekommt man immer wieder von dem Dentschsreisinn zu kören, wenn er sich der Aufgabe nickt entziehen kann, die Stärkung des mit den Conservativen verbündeten CcnlrnmS zu entschuldigen. „Eine klerikal konservative Kammermekrbcit ist unmöglich, weil die Conservativen zu schwach sind", dcS- kalb darf man dem Cenlrum zu immer größerem Einfluß verhclsen und durfte man sogar bei den letzten Wahlen einen der „Kreuzzeitung" nabestchenden conservativen Candikaten unterstützen. Die politische Weisheit dieser Berechnung, soweit sic sich auf den UltramontaniSmuS bericht, ist schon oft bloßgelcgt worden, daß ihr aber auch eine lkörichte Unter schätzung der extrcm-conservativcn Faktoren zu Grunde liegt, müssen deutschsreisinnige Organe jetzt selbst mit einem drastischen Beispiel belegen. Zn Baden haben die Gesinnungs genossen der Herren Stöcker und v. Hammcrstcin einen Feld zug begonnen, der ans Alles eher denn auf Schwäche deutet. Anläßlich der schriftstellerischen Herostrat, des liberalen Karlsruher Stadtpfarrers Längi», verlangen seine intoleranten Gegner nicht nur die Absetzung dieses Mannes, sondern den Austritt aller liberalen Geistlichen ans der Kirche. Zn einer von ihnen in Umlauf gesetzten Petition an den Oberkirchenrath wird diese Pauschal-Excommunication gefordert, gegen Längin ist überdies der Staatsanwalt angerufc». Derselbe, verinutblich ein Mitglied der „verrotteten Volks- und sreibeitSseindlicken nationalliberalenBureaukratie", bat jedoch dcrDenunciation der nach der dentschsrcisinnigcn Ansfassung von 1891 das „kleinere Ucbel" bildenden Extremen keine Folge gegeben. Die liberale Geistlichkeit Badens wekrt sich natürlich gegen die versuchte Vergewaltigung. Der Umstand jedoch, daß sie sich auf der ganzen Linie in die Defensive gedrängt sieht, zeigt init augen beizender Klarheit, was eö mit der Formlosigkeit und Un- gesakrlichkeit der Extremconservativen in jenem sür den Libe ralismus so ungemein wichtigen Bundesstaat aus sich hat. Selbst Berliner dcutschfreisinnigc Blätter sprechen von dem Angriff als von einem „traurigen Zeichen der Zeit", sie und ihre Ge sinnungsgenossen Hallen cs aber noch nickt sür geboten, die Zeichen zu deuten und ihr Handeln darnach einzurichten. Erst dieser Tage wieder bat der Herrn Richter sehr nahe stehende Abgeordnete Träger eine Berliner Wahlversamm lung mit Angriffen auf die Nationalliberalcn unterbaltcn, wozu die Zeilen wahrlich nickt angcthan sind. Eine geheime Hoffnung der mit dem Cenlrum so lang eng liirt gewesenen und daS Äufhörcn der BuiidcSgcnosscnschaft ausS Schmerzlichste bedauernden deutschsrcisinnigen Fübrer mag dabin geben, daß I dieanWakrschemlichkeitgewinnendeÄblcbnungwcitzcbcndermili- tairischer Mehrforterungen durch das Cenlrum diese Partei von der Regiening trennen und somit die dem Liberalismus von der klerikal-konservativen Reaktion drohenden Gefahren vermindern, wo nicht gar beseitigen werden. Nichts aber wäre irriger als diese Annahme. Dem Ccntrum, und dem Centrum zu aller erst, würde die Verwerfung der Militairvorlage verziehen werde», wie »hm auch die Ablehnung der Corvelle L keinen Augenblick verargt worden ist. Tie Einflüsse, die zu Gunsten des UttramontainSmuü geltend gemacht worden, sind stärker als das Gewicht, das aus eine vor acht Wochen noch für sehr bedenklich erachtete Heeresverstärkung in Verbindung mit der zweijährigen Dienstzeit gelegt wurde. Der osficiellc Dcutsch- freisinn thäte sehr gut, wenn er den Blick wieder mehr aus das Ganze lenkte. Auch in der fremdländisch deutschen Presse wird dies erkannt. So finken wir beispielsweise in der „New-Yorker SlaatSzcitung" die eindringlichsten Mahnungen an den Linksliberalismus, sich des Ernstes der Lage, besonders der wahren Natur des Cenlrums bewußt zu werden und die Opposion gegen die reactionairen Bestrebungen nicht „durch die Sordine des Bismarck-Hasses" dämpfen zu lassen. Solche Stimmen überhört die leitende deutschsrelsinnigc Presse nur allzugern oder sucht durch hochmüthig-abweisende Redensarten von der „Unkenntniß der deutsche» Verhältnisse" ihr Gewicht abznschwachen. Zn Wahrheit aber bilden die dcutschpolikischcn Auffassungen deS genannten amerikanischen Blattes den Niederschlag der Ansichten deS gebildeten deulsch- amcrikanischen Bürgcrthums, das sich die Liebe zum alten Vaterland bewahrt und in der politischen Atmosphäre deS Neuen den Blick für daS Reale im öffentlichen Leben ge schärft hat. ' Die belgische Regierung batte von dein Gouverneur der Provinz Henncgau Bericht eingesordcrt über die Aus weisungen belgischer Arbeiter auS Frankreich und über die Lage der in Belgien beschäftigten französischen Arbeiter. Der Bericht ist inzwischen bei dem Ministerium des Znnern in Brüssel eingcgangcn. Nach den bis jetzt über den Znhalt dieses Berichtes in die Oessentlichkeit gedrungenen Mittbeilungcn zu urthcilen, hat bei dessen Abfassung ohne Zweifel da« Bestreben vcrgcwaltet, der ganzen Sacke einen möglichst harmlosen Anstrich zu geben, damit die belgische Regierung bei der französischen keine allzugroßcn Entschä digungsansprüche geltend zu machen braucht. Eü wird in dem Berichte zwar zugegeben, daß außer den Bergleuten auch noch zahlreiche, sür die Erntezeit zur AuSkilsc nach Frankreich gekommene Fcldarbeiter unter der Bclgierkctzc im PaS de Calais zu leiden hatten, aber die Gewaltthätigkciten seien nickt so häufig gewesen, wie berichtet wurde, und viele bel gische Arbeiter seien nicht gezwungen, sondern unter dem Eindrücke der Furcht „freiwillig" nach Belgien zurückgekchrt. Die französische Arbeikerbcvvlkcrung in Belgien hat fick als bei Weitem zahlreicher hcrauSgestellt, als man „geglaubt kalte." So der amtliche Bericht deS Gouverneur« vom Hcnnegau. Derselbe scheint nicht sowohl auf eine Fest stellung, als vieimchr auf eine Abschwächung des wahren SackverbalteS berechnet zu sein. Wenn die Reclamationcn der Regierung ebenso zahm auSfallen werden wie dieses Schriftstück, dann mögen die Arbeiter zum BorauS darauf verzichten, daß ihnen Gerechtigkeit werde. Zur Lage in Ungarn wird heute mitgetbeilt, daß, nachdem im Ministerratb am Sonnabend ein Bermitte- lungS-Vorschlag zur Annahme gelangte, wonach ein Gesetzentwurf über die theilweise Einführung von Civil- stantSregistcrn und die Gleichberechtigung der Zudcn dem ungarischen Parlament vorgclcgt, die Frage der Civil- ehe aber noch in der Schwebe belassen werden soll, die hochgradige Spannung ei» wenig nachgelassen bat. Dem Unterrichtsminister Graf Czaky ist es in erster Linie zuzuschreiben, daß er durch Zurücknahme seiner Demission die Möglichkeit einer Klärung cröffnete und den Ausbruch einer förmlichen Krisis verhinderte. Seitdem bat auch zwischen zwei bei der kirchcnpolitiscke» Frage am meisten betheiligten Persönlichkeiten, dem Zustizminister Szilagyi und dem Fürstprimas VaSzary, eine Unterredung statt- gesunden, welcher man in den ungarischen politischen Kreisen wesentliche Bedeutung beimißt. Die italienische Wahlbewegung scheint eine Gestalt anzuncbmcn, welche wenig Gutes verspricht und schwerlich nach dem Geschmack Giolitti'S sein dürste. Die radicalen Elemente, welche namentlich als Unterstaatssccretaire Unterschlupf in den Kreisen der Regierung gesunken haben, betheiligcn sich mit großem Eifer an den Wahlagitationen, ziehen im Lande umher, veranstalten Berbrüderungsfcste mit den Vertretern der extremsten Radikalen und predigen den Vernichtungskrieg gegen alle die gemäßigten Parteirickinngen, welche in Italien wie in jedem anderen Lande schließlich die verläßlichste Stütze der Negierung bilden. Tie AgitationS- reisen der UntcrftaatSsecretaire können in der Wählerschaft leicht die Vorstellung erzeugen, als ob dem Ministerium ein Republikaner lieber wäre als ein Eonservativer, ein Irre- dcntist, wenn er sich nur als RegicrungSsreund anögiebt, lieber als ein erprobter Anhänger des Dreibundes, der aber in der inneren Politik gemäßigte» Ansichten huldigt. Typisch für diese Lage der Dinge ist ein Banket, welches m Mailand zu Ehren des UntcrstaatSsecrelairS Ronchclti veranstaltet wurde. Auf diesem Feste spielten die Republikaner, Zrrckcn- tisten und Franzosenfreunbe vom Schlage dcö berüchtigten Hetzblattes „Zl Sccolo" die Hauptrolle. Tie Wahl des neuen Zesuitengcnerals bildet vielfach den Gegenstand von Erörterungen in der italienischen, französischen rc. Presse. Nachdem die Wablacten in Rom vorgclegl sein werden, empfängt der Papst den Ncuer- wählten und dessen fünf „Asslstenten". Zeder dieser Assistenten regiert eine der „Zungen" Deutschland, Spanien, Ztalien, England und Frankreich. Die „Deutsche Zunge" umfaßt außer Oesterreich auch Polen, Holland, Belgien und die Schweiz; von nenrren Zesnitengcneraien waren t'. Roothaan Holländer, L. Pekx Belgier, k. Anberledy Schweizer. Milional» deutscke sind seit vielen Generationen nicht mehr zu dieser Stellung gelangt, k. Martins war Generalsccretair seines Vor gängers Anberledy und von diesem für die Vakanz zum Vicar ernannt; an seiner Bestätigung durch den Papst zweifelt man nicht, doch wird die Wahl eines Spaniers in der Curie von Vielen als eine Sch lappe für die persönlichePolitikLeo'ö Xlll. betrachtet, der in der Wahl eines Franzosen eine Unterstützung für seine republikanische Politik in Frankreich erblickt hätte. Zm Uebrigcn gilt L. Martins sür relativ sranzoscnsrennklich; seine Wahl kann wohl als eine Art von Compromiß zwischen einer französischen nnd einer italienischen Wahl be trachtet werden. Trotz ärztlicher Abmahnung soll untcrdeß der Papst eifrig mit einer Allocution sür das nächste BischofSconsistormm beschäftigt sein, welche sein politisches Testament entkalken soll, namentlich auch mit Bezug auf Italien, zu dessen Schnyhcrrn durch göttliche Anordnung da- Papsttbum bestimmt sei. Eine eigenthümliche „Schutzberr- sckafl", welche sich zur Zeit in dem Bemühen um die Zurück- führuog fremder Waffen nach Italien äußert. Deutsches Reich. «ü. Berlin, 9. October. Die „Freis. Ztg." läßt fick be kanntlich auS Potsdam melden, der branlenburgischc Obcr- präsident von Achenbach beabsichtige, seinen Abschied cinrnrcichen, weil er durch die Raschheit und die Form der Bestätigung deS Berliner Oberbürgermeisters Zelle sein Verhalten in der ganzen Angelegenheit dcSavouirt er achtet. Ob diese Miltbeilung auf Wahrheit beruht, vermögen wir nicht zu bcurthcilen. Herr Richter selbst bezweifelt es, und eS ist nicht« weniger als unwakr- ichcinlich, daß die ganze Meldung von diesem Temokralcn erfnnden ist, um einen Beamten wegen eines oermutbeten Mißerfolges an höchster Stelle zu verhöhnen. Viel interessanter als die Absichten des Herrn von Achenbach ist die Haltung, welche die teulschfreisinnige Presse gegenüber der allerdings ungewöhnlichen Form der Bestätigung beobachtet. Handelte cs sich nicht um einen von den Ihren — wenigstens reklamire» sie Zelle sür ihre Partei —, welchen Lärm hätte sich unler Bezugnahme aus die konstitutionelle Doktrin erhoben. Denn thatsächlich ist der Oberpräsident wohl nur formell ans der Erledigung der BestätlgungS- angclcgenheit auSgcschicden, er kann bei der Kürze der Zeit auch materiell kaum damit besaßt gewesen sein. Die deutsch- freisinnige Presse aber schweigt zum Thcil still, zum andern Thcil jubilirt sie über „die frische, natürliche Empfindung, welche (in der telegraphischen Entscheidung deS Monarchen) nach ungekünsteltem Ausdruck begehrt" Wahrend aber freilich die „Voss. Ztg." und gleichgestimmte Organe die Bestätigung ZeUe'ö und die besondere Art ihrer Notisicirung als einen glänzenden Triumph dcntschfrcisinnigcn MännerstolzeS vor Fürstenlbronc» ansposauncn, behaupten andere, radikalere Organe derselben Partei, die Wahl deS Herrn Zelle sei ein Ausfluß deS geraden GegcntbcilS jener großen Eigenschaft. (.'. II. Berlin, 9. October. Seit langer Zeit schon hat die Sokialdemokratic versucht, die Pferdebahn- und OmnibnSkutschcr, Stalllentc, Wagenwäsche»- u. s.w. zu einem Verein zusaniincnzuschließen; bis jetzt freilich war der Liebe Mühe in Berlin umsonst. Die Mißstände, welche zweifellos bei den genannten Gesellschaften vorhanden waren »übermäßig lange Arbeitszeit), sind zun, Tbeil gehoben und das Loos der Pferdebahn- und OninibuSangestcUlcn Kat sich wesentlich gebessert. Unter diesen Umständen erscheint e- unS auch sehr fraglich, ob, wie beabsichtigt, der socialkcmo- kratische Verein der Pferbebahnangestellien am Mittwoch, den 12. October, daS Licht der Welt erblicken wiro. Es ist natürlich eine Nachtversammlunz geplant; um >2 Ubr Nackt« soll sie eröffnet werten. Wir trauen jedoch den Berliner Kutschern und Conlrolcurcn soviel Vcrsläntniß zu, daß sie lieber ausschlasen, als vielleicht die kohlen Phrasen eines Zubcil, der für die Besteuerung de« Flaschenbieres, das Ge tränk de« kleinen Manne«, cingetreten ist, werken hören »vollen. — Der Kaiser wird ans der bevorstehenden Fahrt nach Wien sowohl aus der Hin- wie aus der Rückreise Breslau berühren. Der kaiserliche Sonderzug wird nächste» Dienstag und Freitag jedesmal in allenrühester Morgenstunde aus dem Lberschlcsischc« Bahnkos zu Breslau einlressk». Er wird jedoch voraussichllich nur wenige Mlnnten dort ankaltcn, nicht länger, als crsorderlich ist, um die Maschinen zu wechseln. — Tie Kaiserin hat bei der schönen warmen Witterung schon wiederholt kurze Zeit außerhalb des Zimmers aus der Schlvßierrasje deS Marmorpalais zugebracht. — Tie Taufe der »ciigeboreiic» Prinzessin wird sich, der „Post" zufolge, in denselben Grenze» bewege», wie die des Kron- prinzcn in» Jahre 1882 in der Jaspisgalcrie mil derselben Feier- lichkcit. lieber die Pathen verlautet noch nicht- Bestimmtes, wen» auch schon durch das Ministerium des königlichen Hauses die Einladungen an die hohen Persönlichkeiten zur Uebcrnahnie von PathensleUen abgegange» sind. — DaS laiidwirtbschaftlichc Ministerium zu Washington, welches bisher zur Erledigung von Special- ansgaben gelegentlich Vertreter nach Berlin zn entsenden pflegte, hat jetzt eine dauernde Vertretung für den Eontincnt mit dem Sitze in Berlin errichtet. — Die Herausgabe eines „Verbrecher-Albums" planen die „Unabhängigen". Zm Socialist" machen mehrere „Genossen" den Vorschlag, zum Zwecke einer wirkungs vollen Agitation in den Versammlnngc» der osficiellcn Feuilleton. Dämmerungen. Roman in drei Büchern von Rudolf von Gottschall, gj Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Und war das nickt eine Täuschung seiner Sinne? Schwebte ibm da nicht die Geliebte, deren Bild er in seinen Träumen vor sich sah, leibbaftig nnd lcbenSfrisch entgegen? Im gelben Kleid - . er erkannte sie schon fern heraus auS den Citronenfaltern, die sich hier auf den Promenadcn- wegen tummelten, den munteren Schönen der Stadt, welche der Sonnenschein unter dir Blumen der Promenade bcrauS- gclockt. Und sic kam ihm gerade entgegen; welch Glück lag in dieser Begegnung I DaS Aufleuchten ihrer tiefblauen Augen verkündete deutlich genug, wie eS in ihrem Herzen auSsah. Sie batte denselben Weg in da« nahe Hotel und er begleitete sie dorthin. „Ich bin mit dem Vater nach der Stadt ge kommen", sagte sie, „und habe einige Einkäufe gemacht. Der Vater hat inzwischen Geschäfte .. bei Herrn Äbrabai» . ." „Dort kauft er wohl seltene Rococomöbel ein?" fragte Enrico. „Ich weiß es nickt", versetzte Marie, „er findet überall da« Schöne heraus, er hat so feinen Geschmack, der gute, liebe Vater! Und wie reizend ist unser Park! c^ie müssen einmal zn unS kommen, wenn sich nickt eine bunte Gesellschaft darin bewegt, wenn Alles still ist außer den rauschenden Wipfeln und den singenden Vögeln! DaS ist die Heimath; aber die Prachtpflanzen aus der Ferne, die haben einen märchenhaften Reiz. Sie müssen kommen, bald, recht bald — mein Mütterchen meint eS auch — und die hal immer recht." „Und Sie plaudern gern mit mir?" »Zu gern . . mir ist-, als ob ich bloS mit Ihnen plaudern könnte I Da löst sich mir Alle- so loS vom Herzen . . nnd bei den Andern sitzt Alle- so fest und ich kann « nicht in Fluß bringen." „Marie. . darf ich Sie so nenne»? Liebe Marie!" „Za, ja . . daS ist schön und das ist auck nicht nen . . so war'S ja früher! Und waö kümmcrl'S die Leute? Auch wenn ick Sie lieber Enrico nenne . . das bleibt unter un-». Es ist reizend, wenn man etwas so ganz für fick bat. . etwa« Geheime- . . wie ein Nestchcn im Gebüsch. Da biegen sie die Zweige zurück und sehen cS doch nickt, wenn cS gut ver steckt ist. Vor de» Leuten aber Herr NiSpori nnd einen kleinen Knix dazu . . wie ick mich freue, daß ich Sie hier wicdergesehe» babe!" Unter solchen Gesprächen langten sie in dem Hotel an, wo Enrico sich alsbald bemühte, an der Tafel den Play neben Marie zu erhallen, dock er kam damit zu spät; Gras Fehrenthal halte sich bereits diese Nachbarschaft gesickert. Baron von Senden kam etwas spät mit seiner Tochter; eS waren schon einige Gänge servirt worden. Enrico saß dem Grafen gegenüber, der von seinem Gruß nur flüchtig Notiz genommen, aber mit seinen Wolfsaugen unheimlich über die Tafel hinüberfunkelte. Der quecksilberne Herr von Senden war in bester Laune; er mochte wieder gute Einkäufe gemacht haben. Marie war glücklich, daß Enrico ihr gcgen- übcrsaß, und ein freundliche« Lächeln schwand nickt von ihren Lippen ; dagegen glühte der Graf, der die« bemerkte, vor zorniger Erregung, die er kaum hinter seinen weltmännischen Manieren r» verstecken vermochte. Seine Nachbarin war böslich und freundlich ibm gegen über, doch daS war daS Rechte nicht, und er suhlte heran-, daß sie ihrem Gegenüber einen wärmeren Anthcil schenkte. Dieser „Stoffmischer" mit seiner Begeisterung sür das Land der GlcichheitSflcgrl war ibm geradezu verbaßt; er glitt beini Gespräch über alle Aeußcrungen Enrico'S vornehm binweg, ohne sie irgendwie zu beachten. „Liebe Marie", sagte der Baron", ich habe Dir heute eine stilvolle Zimmereinrich tung gekauft. Dein Zimmer war da- einzige im Schloß, da- cincn so stillosen Eindruck machte." „Aber, Papa, die Möbel waren mir alle sehr an'S Herz gewachsen. Mein Schreibtischchen, mein Sideboard, da- war doch auck kostbar und werthvoll." „Auf den Boden damit! Da« war eine Geschmacksverirrung »nd GesckniackSverwirrnng sonder Gleichen! Und da- übrige Gerüche sah au», als wäre eS auf dem Trödelmärkte zu- sammengekauft worden. Ein harmonische« Gemllth kann sich nicht wohl fühlen in einer so unbarmonischen Umgebung. Ick bin nun einmal eine künstlerisch angelegte Natur, nickt wahr, Herr Gras? Es giebt nickt Viele, die so wie ich sich durch jede Versündigung gegen daS Schöne beleidigt fühlen; mir ist dann zu Mutne, wie Andern, wenn sie auf eine Schlange ge treten sind; ich bin darin bevorzugt; ick weiß cS selbst zu schätzen .. Ein einziger unschöner Zug in einem Gesicht verdirbt mir daS ganze Vergnügen, eS anzuseben ; ein einziges geschmacklose- Toilcttcnstück kann mir eine schöne Dame un erträglich machen." „Bei der Schönheit kümmert mich die Toilette gar nickt", warf der Graf ein, „daS ist ganz unabhängig voneinander!" „Gewiß, gewiß", versetzte der Baron lächelnd, „wo bliebe der berühmte Maler Tizian, wenn die Toilette für die Schön heit unerläßlich wäre? Doch ick spreche jetzt von diesem Zubehör, welcher den civilisirten Menschen von Wilden unter scheidet, von^ Kleidern, Speisen, HauSgerätkcn. Darin liegt ein großer Thcil unserer Bildung. Reichtkuin giebt allein dieser Bildung die sickere Grundlage. Ein Rennthierlappe in der verräucherten Hütte bei der Tbranlampc oder ei» Arbeiter, der seine Kellerwohnung mit bunten Zab»»iarks- bildern schmückt, oder ein armer Gelehrter, dem bunte Lein- wandlappen vor den Fenstern hängen, der neben seiner birkenen Commode und neben seinem verblichenen Roßbaarsopha vielleicht noch einen eleganten, vom Vater ererbten Nußbauin- schreibtisck besitzt, an dem er seine unsterblichen Werke zu- sammenbüffelt .. sind diese wohl zu den gebildeten Leuten zu rechnen? Der Stil ist der Mensch; die Möbel, die Kleider sind der Mensch. Und der Mensch darf nichts Buntscheckiges aben . . sonst wird er ein HanSwurst. Darum, liebe Marie, abe ich auch Dein Zimmer vermenschlicht." „Aber, Papa, mein reizendes Nähtischchcn, das mir die Mutter geschenkt hat . ." „Auf den Boden." „Und meine trauliche Eauseuse, sie paßte ja ganz zur Tapete." „Auf den Boden, rin unmögliche- Gestell; sie sah au«, wie rin abgebiffencS Sopha." „Und der Spiegel . . ich habe nicht zu oft hineingesehen, wahrhaftig nicht . . und doch bin ich an ihn gewohnt, er war rin treuer Zimmergenossc; er giebt mir «,ne ehrliche Antwort und schmeichelt nicht." „Auf den Bote»! Ein Brustbild ist zu wenig für mein hübsches Mädchen; da« braucht ein Knicstück. Ick babe Dir einen größeren Triinica» gekauft, der fast bis zur Erde berabrcichl." „Aber, Papa, die vielen Kosten, die das Alles macht." „Man lebt als gebildelcr Mensch oder nian schießt sich eine Kugel vor den Kopf .. ein Drittes giebt eS nicht!" „Das ist in der Theorie sehr schön, lieber Freund", ver setzte der Gras: „aber im Leben selbst muß inan recht viele Zugeständnisse machen. Um so zu leben, dazu gehören unerschöpfliche Hilfsquellen — nnd welche Hilfsquellen sind Heuligen Tags unerschöpflich?" Man ging inzwischen vom Rothwein zum Ckampagner über. Der Baron ließ sich diese Bedenken nickt anseckten ; er wurde immer heiterer und redseliger und verkündete das Evangelium seiner Lebensweisheit mit wachsender Bcrcdt- sanikcit. Er selbst stand natürlich als ein ausnahmsweise begabter Sterblicher im Mittelpunkte dieser glänzenden Rete und alle BclcuchtungScffccte sielen aus ib» zurück. Der Graf benutzte die bochgehcnke Flink dieser immer lauter werdenden Herzensergüsse, um seiner Nachbarin einige Liebenswürdigkeiten ins Ohr zu flüstern, welche indcß über die übliche Galanterie hinauSgingcn. DaS schöne Mädchen, rosig angehaucht vom leisen Anslug eines Chanipazncrrauscheö, hatte cs ihm angelban und cS lag etwas wie verzehrende Gluth im Blicke seiner Augen. Enrico bemerkte dies wobl; ibm war zu Mulbc, als ob ein Raubthier seine Flügel anSbrcilc, um auf ein ah»»ngSlosc- Lpfcr bcrunlerrustoßcn; doch Marie leknle mit freunklickem Lächeln Alles av, was der galante Nachbar ihr zuslüstertc; sic gab sich den Anschein, als versiebe sic tic Worte nicht, als höre sic nur auf den Vater, dessen Redefluß durch nichts in« Stocken zu bringen war. Enrico musitc sich mit dem vielsagenden Blicke trösien, den ihm Marie beim Abschied zuwars. Zm Ucbriaen machte er die schmerzliche Beobachtung, daß der Gras seine Equipage leer abfahrcn ließ, da er als Gast des Barons im Wagen desselben ihm nach Schloß HelmcShcim folgte. Er glaubte de» Liebe dcö aumutbigen Mädchens sicher zu sein, ater ein schwerer Schatten siel aus seine sonnigen Hoffnungen: die Eltern begünstigten offenbar den Grafen; was halte er gegen diesen in die Waagschale zu Wersen — außer seiner Liebe? (Fortsetzung folgt.)
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