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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.12.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-12-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18921228020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892122802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892122802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-12
- Tag1892-12-28
- Monat1892-12
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Lisx»i>4 > — — re«»»» mpf«r.V»i>- ra - v»wpk«r iu r»»u>l>t»r »>»»", d«i<1» 4. » r«» 87,7» 103,75 Abormementspreis h> der Hauptexpedition oder den im Stadt» j bezirk »nd den Vororten errichteten Aus» -»bestellen abgeholt: vierteljährlich»l4.üO, bei zweimaliger täglicher Zustellung in» > Hau» » ö.SO. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich I F k.—. Direkte tägliche Kreuzbandjendung ins Ausland: monatlich Die Morgen-Ausgabe erscheint täglich '/«7Nhr, die Abend-Ausgabe Wochentags 5 Ühr. Nedarlion vnd Lrvedition: IobanneSgasse 8. I Ne Expedition ist Wochentags nnunterbroche» I geössnrt von srüh 8 bis Abend» 7 Uhr. Filialen: ! ttts klemm « Sorti»,. (Alfred Hahn). UniversitätSstraße 1. . ^ . LouiS Lösche, I Katharinenstr, 14. part. und Nvnigsplatz 7. Abend-Ausgabe. lNWM.TagMatl Anzeiger. Organ fiir Politik, Localgeschichte, Kandels- «nd Geschäftsverkehr. JusertiorrspreiS Die 6gespaltme Petitzeile 80 Psg? Reklame» unter dem Redacttonsstrich (4 ge spalten) üO^j, vor den Familieaaachrichtr» (6 gespalten) 40^. Gröbere Schriften lant unser«« Prell« derzeichntß. Tabellarischer nnd glfierusutz nach hoher«« Tarif. Extra-veilagkt» (gesalzt), unr «tt de» Morgen-Ausgabe, ohne Posibcsördkruag ^l 60.—, mit Postbesörderuag 70.-- Jinnahmeschluß fir Inserate: Abeud-Ausgab«: Vormittag» 10 Uhr. Morgra-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Sonn- und Festtags früh Uhr. Vet den Filialen und Annahmestelle» je eta» halbe Stund« früher. Luserat» si-d stets au di« Ortzedittsn zu richten. Druck und Verlag von L. Pol, i» Leipzig. .N KK. Mittwoch den 28. December 1892. 86. Jahrgang Die Lrifis in Paris. * Die Lage in Frankreich hat an Gespanntheit bis zur sStunde nicht das Mindeste cingebüßt. Es stellt sich vielmehr immer deutlicher heraus, daß, das Nebel, au welchem die Re publik erkrankt ist, allen bisher angewandten VertnschungS- mitleln Trotz bietet und von Heilung entfernter ist als je. Man muß nur unterscheiden zwischen dem osficiellen Frank reich und dem Träger desselben, der Nation in ihrer Gesammtbeit, DaS ofsiciellc Frankreich aller Sckatti- rungen, der gouvernementalen, administrativen, parla mentarischen, pubkicistischen u. s, w., hat ein naheliegendes Interesse, die Welt über den vollen Umfang des bereingebrochenen Wirrwarrs zu täuschen. In diesen »kreisen klammert man sich mit der Verzweiflungskrasl des Ertrinkenden an den Strohhalm der Verfassung und sucht mittelst dieses Talismans das drohende Unheil zu beschwören. Ihnen gegenüber steht die öffentliche Meinung, entschlossen, in jedem Falle den Dingen auf den Grund zu kommen, gleich viel, ob die gegenwärtige Regierüngsform darüber in die Brüche geht oder nicht. Man läßt sich die Enthüllungen, ocren fast jeder rag neue und skandalösere bringt, gefallen, betrachtet sie aber insgcsammt nur als Abschlagszahlungen auf den Termin der Endliquidation, dessen Anberaumung zur Zeit noch ausstcht, vie aber sicherlich erfolgen wird, so bald der Mohr der dritten Republik seine letzte Arbeit, die Ausringung der schmutzigen Panamawäsche, getba» hat und seinen Laufpaß erhalt. Es fehlt allerdings auch an Optimisten nicht, die da verkünden, wen» man der Republik nur Zeit lasse, bis die Hochfluth der Panama-Entrüstung sich ver lausen habe, so werde der Strom der Volksleidenschaften nach und nach wieder in sein alltägliches Bette zurückkehren und nach etwa einem Vierteljahre werde kein Hahn mehr »ach der ganzen Geschichte krähen. Diese Ansicht scheint persönliche Wünsche i» Thatsachen umsetzen zu wollen, aber sie muthct den Franzosen denn doch wohl etwas gar zu viel zu. Bis zu einem gewissen Grade ist ja allerdings die ffentliche Meinung Frankreichs etwas leichtfertiger Art und Wohl geneigt, ein Auge zuzudrücken, wofern sie nur gleich einen neuen und pikanten Stoff zum Ersatz für den abgethanen bei der Hand hat. Der Wilsonsche Ordcns- chacher z. B, ist verhältnißmäßig rasch vergessen und überwunden worden. Aber ganz abgesehen davon, Paß die Dimensionen des jetzigen Panama - Skandals ungleich großartigere sind, als jene der Witson-Affaire, kommt hinzu, daß hier auch die Zahl der Geschädigten, und zwar der materiell, pecumär Geschädigten, Legion ist. Alle, tic infolge der Durchsteckereien von Negierungs- und Kammer- Politikern mit de» Panamagründern um ihre mühsam er- parten Alters-Notbpfennige gebracht worden sind, tragen einen tiefen unauslöschlichen Groll gegen das politische Regime Herzen, unter dessen Auspicien etwas Derartiges ge- qcschehen konnte — und sie verfügen über »ine gefährliche Lasse: daS allgemeine Stimmrecht. Diese Waffe, der Hand eines Einzelnen von keinem Belang, wird verderbenbringend, wenn sie von Hunderttauscnden und Millionen gegen einen gemeinsamen Gegner geführt wird, und als ein solcher Gegner erscheint den Blicken der betrogenen Menge die dritte, parlamentarische Republik, Mag sein, daß ich die herrschenden Factoren bis zum Ablauf der gegen wärtigen Legislaturperiode behaupten. Die Neuwahlen dürsten aber talmin r»8.3 machen, wenn nicht schon vorher Ereignisse eintreten, welche dem Volksgericht in einer oder der anderen Weise präjudiziren, indem sie cs vor eine vollendete Thatsacke stellen. — Von heute liegen folgende Telegramme aus Paris vor: PartS, 28, December. Achtzig opportunistische Abgeordnete hielten im Pailais Bourbon eine Versammlung und beschlossen, sloquet nicht mehr zum Kammerpräsidenten zu wählen. Als tiochsolger Floquet's ist Casimir Perier in Aussicht genommen, ür den auch die Rechte stimmen wird. Dem „XIX, Swcle" zu- vlge berieth der Ministerrrath die Frage der gerichtlichen Ver- solgung Floquet's, der sich der Justizminister Bourgeois widersetzcn soll, — Das toxicologische Laboratorium erklärt die Meldung des „Figaro", betreffend die Todesursache des Barons Rcinach, siir unbegründet. — Wir verlautet, ist vordem Hotel des Barons Reinach eine Dynainitpatrone gefunden worden. Pari», 28. December. Der „Figaro" meldet, das; bei Haussuchungen in den Bureaux bcr Panamagcsellschast für zablreiche Deputirte und Senatoren ein sehr compromiltirendes Lopirbuch Fontane's entdeckt worden sei. Das Copirbuch enthalt« den gesammten Briefwechsel zwischen der Gesell- schast, Cornelius Herz und Arto», betreffs der im Parlament zu unternehmenden Schritte. Das Copirbuch enthalte auch die Name» einzelner Parlamentarier mit Angabe der Forderungen derselbe», sowie des Datums der Auszahlung des Betrages. Paris, 28. December. Die gestern abgehaltene socialistische Versammlung behufs Veranstaltung eines Protestes gegen die Panamavorgänge beschloß, vor dem Palais Bourbon am Tage des Zusammenlretens der Kammer eine Kundgebung zu veranstalten, doch scheint die diesbezügliche Bereinigung der verschiedenen sociali- stischen Gruppen nicht herzustellcn zu sein. Politische Tagesschau. * Leipzig, 23. December. Es war vorherzusehen, daß man den National liberalen, welche sür eine Verständigung über die Militairvorlage tbätiH sind, in der gegnerischen Presse Furcht vor der Auslösung des Reichstags als Motiv ihrer Handlungsweise unterlegen würde. Und bei einem Theile Derjenigen, die Solches behaupten, mag es sogar die aufrichtige Meinung sein. Es giebt eben Leute, die gänzlich unfähig sind, staatliche Angelegenheiten anders, als unter dem Gesichtswinkel des engsten FractionSegois- mus zu betrachten, und die deshalb schlechterdings nicht begreifen können, daß noch heutigen TageS im Reichstage sonderbare Schwärmer zu finden sind.f welche in erster Linie fragen, ob und wie eine Sache dem Vaterlande, nicht ob und wie sie der Partei von Nutzen sein kann. Und doch sind diese sonderbaren Eckwärmcr in Gestalt der nationaUiberalcn Fraclion im Reichstage in der Thal noch vorhanden. Die nationalliberale Fraktion ist beute nicht mehr, wie in früheren Zeilen, der ausschlaggebende Factor in den par lamentarischen Entscheidungen, sie hätte sich also, der vormalige» Verantwortung ledig, leicht versucht fühlen könne», diesmal in erster Linie nach ihrem Parteiinteresse zu bandeln. Es ist das indcß auch keinen Augenblick für sie in Frage gekommen: vielmebr hat man, den Traditionen der Partei getreu, überall, wo über die Stellung zur Militairvorlage bcralhen worden ist, als entscheidende Ricktschnur allein die patriotische Nothwenkigkeit anerkannt. Außerdem allerdings? ist die nationalliberale Fraction außer Stande, in einem zur Reichs tagSaustösung führende» Cvnflicte über eine Lebensfrage unseres Heerwesens ein Glück zu erkennen, und sie betrachtet es als eine patriotische Pflicht, zur Verhütung eines solchen Eonsticts, soviel ihr möglich, beizutragen. Auch dabei aber ist die Furcht, die nationalliberale Partei könnte infolge der Auslösung eine Reihe von MandatSverlustcn erleiden, in keiner Weise bestimmend gewesen. Bei ruhiger Ucberlcgnng er scheint es sogar sehr zweifelhaft, ob gerade die nationalliberale Partei besonders viel von einer Austösung zu fürchten bätte. Vielmehr scheint cs, als ob dem Eentrum von der bekannten Unlcrströmuiiq, den Eonservativen von den Antisemiten, den Freisinnigen von den Letzteren und den Socialdemo- kraten zusammen Gefahren drobten, die ihnen die Aussicht auf die Auslösung zum Mindesten »icbt angenehmer macken könnten, als sie etwa den Nationalliberalen ist. Dagegen dürfen die letzteren der Ueberzcugung leben, daß, wenn ans der schweren und einstweilen unabsehbaren Krise, welche in folge einer Auslösung eintreten würde, überhaupt eine Ge sundung in den Formen des conslitutionellen Staatslebens gefunden werden sollte, dies schließlich doch nur wieder unter der ausschlaggebenden Mitwirkung einer breiten Millelpartei geschehen könnte. Der österreichische Ministerrath bat, wie schon seit einigen Tagen verlautete und heute ofsiciös bestätigt wird, das sür die ncuzubildende Mehrheit des Ab geordnetenhauses ausgearbeitete Programm durchberathcn und einstimmig angenommen. Der Programm- Entwurf wurde vom llnterrichtsminister Freiherrn v. Gautsch versaßt und von einem Comits dcS MinistcrratheS, bestehend aus dem Minister-Präsidenten Grafen Taaffe und de» Ministern Steinback, Gautsch und Zaleski, eiidgiltig sestgestellt. Nnn.nackdem der Ministcrrath den ihm vorgelegten Entwurf ge nehmigt bat, solle» gleich »ach de» Feiertagen die Verhandlungen mit den Parkcien beginnen, lieber den Inhalt des Entwnrscs liegen noch keine sicheren Mitlbeilungc» vor, doch bereiten aus denselben die officivscn Mahnungen zur Mäßigung vor. Graf Taaffe, bemerkt das eine Blatt, sei entschlossen, Alles ausznbieten, um die Verhandlungen zu einem erfreuliche» Abschlüsse zu bringen, doch werte es dazu allerseits der Mäßigung be dürfen. Ein antercS Regierungsblatt wieder sucht den Par teien den Trost zu bieten, daß daS Programm mit jenen Ansprüchen, die an die Nesignalionskrast gestellt werden sollen, an alle Parteien in gleicher Weise hcrantrcten Werve DaS ist kein allzu verheißungsvoller Anfang, siebt aber dem ganzen bisherigen Auftreten des Grasen Taaffe ähnlich. In Belgien haben der König und die Regierung sich nunmehr über die Grundzüge des neuen Wahlsystems geeinigt »nd cS wird in der nächsten Zeit die betreffende Vorlage dem Parlament zugehen. Der bisherige Eensus wird vollständig beseitigt. DaS neue Wahlsystem beruht auf dem Hauöstande nnd der Befähigung. Wer ein Haus oder einen Theil eines Hanfes, daS einen Katasterertrag von 10 bis 15 Fr. ergiebt, bewohnt, hat das Stimmreckt. Das bisherige FähigkcitSwahlrecht wird beibcbalten; jeder Bürger kann durch daS Bestehen einer vereinfachten Wahlprüfung das Stimmrecht erwerben. Die verhältnißmäßige Ver tretung der Minderheiten wird eingeführt. Das bisherige Wahlsystem bestimmte, daß die -Ltimm- abgabe in der Hauptstadt des Wahlbezirks erfolgen mußte, wodurch die Wahlen für die Parteien sehr kost spielig wurden, da die Mäkler des stacken Landes nach der Hauptstadt deö Wahlbezirkes befördert werden mußte». Fortab soll jeder Wähler in seiner Gemeinte die Stimme abgeben. Die Stimmabgabe ist obliga torisch; wer zur Wahl nicht ersckeint, wird mit einer Geldstrafe be legt. Die Regierung erklärt gleichzeitig, daß sie unter den gegenwärtigen Verhältnissen die Einführung des allgemeinen Stimmrechtes als unstatthaft erachte, da das Land für einen derartigen Sprung nicht reif sei. DaS schließe aber nicht anö, daß in späterer Zeit das allgemeine Stimmrecht zur Einführung kommen könne, sobald sich eine parlamentarische Zweivrittelmchrheit dafür finde. Es ist ganz so, als ob die Franzosen förmlich von der Tarantel gestochen seien. Sie gefallen sich darin, zu den ungeheueren Schwierigkeiten der inneren Lage böse inter nationale Händel hinzuzufügen, die ihnen immer mehr Feinde schaffen und den letzten Rest von Sympathie rauben müssen, die sie noch im Anstande genossen. Die aus der Schweiz cintreffenden Nachrickten beweisen, daß die Verwerfung des französisch schweizerischen Handelsvertrages durch die Pariser Deputirtenkammer in ver Eidgenossenschaft eine ebenso allgemeine, als tiefgehende Erbitterung bervorgerusen hat. Als deren Ausdruck darf zunäckst der Beschluß des Bundes ratbcs gellen, vom 1. Januar ab gegen Frankreich den General- taris anznwenden und eine große Anzahl französischer Einfuhr artikel mit de» höcksten Zöllen z» belegen. Durch die ganze Schweiz gebt die Parole: „Was wir nicht absolut den Fran zosen abkanfen müssen, beziehen wir fortan nur noch von Deutschland, Oesterreich-Ungarn nnd Italien, die mit unS Verträge abgeschlossen haben". Schon jetzt hört man, daß französische Weine verpönt sind. Tie Schweizer Zeitungen gehen durchweg mit Frankreich und den Franzosen scharf ins Gericht. Der ossiciöse „Bund" schreibt nach einem Hinweise aus die jämmerliche Haltung der französischen Regierung und daS brutale Vorgehen der französischen Kammer: „Man wird sich hüten, sick mit dem gegenwärtigen Ministerium noch weiter einzulassen. Die Schweiz wird ihre Würde und Ehre zu wahren wissen. An der Grenze ist man bereit, allen Eventualitäten zu begegnen. Die Schweiz wird sich nicht in Geduld ergeben, sondern kräftig reagiren: auch Schweizer Frauen und Töchter werden wissen, was sie auf dem Altar de« Vaterlandes zu opfern haben." Unter dem Zollkrieg werden in der Schweiz vornehmlich die Käse- und die Seivenindustrie leiden. Die Uhrmacherci kann sich zum Theil im Lande behelfen. Nächst den beiden direct betheiliaten Ländern ist es hauptsächlick Italien, da« sich mit der An gelegenheit aufs Eifrigste beschäftigt. Die dortige Presse be tont insgesammt auch die politische Seite der Sache. Die „Opinione", die „Riforma" und andere Blätter schreiben: „Die Ablehnung des schweizerischen Handelsvertrags durch die fran- zösifcheKammer sei der beste Beweis, daß für Italien, auckwenn «S der Tripelallianz nstht angehörte, die Fortsetzung guter Handels- Beziehungen zu Frankreich unmöglich gewesen wäre. Die Radicalen, welcke die Tripelallianz sür den commerziellen Bruch verantwortlich machen wollten, seien dadurch glanzend dementirt worden. Die „Opinione" hofft, namentlich der italienische Weinbau werde aus dem französisch-schweizerischen Zollkriege Vortheil ziehe». Die Vorgänge im Pariser Parla ment würden übrigens die Jsolirung Frankreichs ver schärfen und die politische Aclion paralyfiren. Der „Popolo Romano" erklärt, der Fall enthalte sür Italien wiederum die Lehre, daß es für daS Königreich höchst opportun sei, an der Tripelallianz festzuhalten." Ein Major Tottleben in Hannover veröffentlicht in der Harden'schen „Zukunft" ein Gespräch über Rußland, da« er im Herbst d. I! mit einem russischen Adelsmarschall aus einer Fahrt nach Moskau gehabt hat. Dieser russische Gewährsmann soll sich angeblich in der Umgebung VS« Zaren viel bewegt haben und über die Vorgänge am russischen Hofe gut unterrichtet sei». Nach dessen Angaben wäre ein russisch-französisches Bündniß bereits geschloffen, jedoch nur zu dem Zwecke, um den Krieg zu verhindern. Da« Bündniß sei lediglich defensiv und auf den ganz bestimmten Fall berccknet, daß Deutschland Frankreich angreife. Der Russe fügte hinzu: „Wird dagegen Deutschland angegriffen, dann könnt Ihr die Franzosen verhauen nach Herzenslust, dann Hilst der Zar eher Euch als Ihnen. Er hat den Franzosen nicht den geringsten Zweifel darüber gelaffen, daß, wenn sie wegen Elsaß-Lothringens Krieg ansinge», sic ihn ganz allein auszu- secktcn halten." Carnot habe sich beim Zaren feierlich mit seinem Worte verbürgt, daß Frankreick, so lange er an dessen Spitze stebe, niemals wegen Elsaß-Lothringens Krieg ansangen werde. Der Zar habe den Franzose» keinen Zweifel gelassen, daß, wenn sie Carnot fortjagen, um mit Deutschland Händel anrnsangen, sie ganz auf sich angewiesen blieben. Der Zar habe nicht aus Liebe zu Deutschland, sondern aus Liebe zum Frieden, aus Absckeu vor Blutvergießen so gehandelt. Der selbe würde stets der unversöhnliche Feind Dessen sein, der einen Krieg hcrbeifükre. Im Fortgange des Gesprächs be hauptete der Adelsmarschall, daß die wachsende deutsch-russische Spannung in Bismarck ihren Haupturheber gehabt habe. (?) Derselbe habe kein ehrliches Spiel mit Rußland gespielt und namentlich die Herabdrücknng des RubctcourseS habe böses Blut gemacht. Der redselige Adelsmarschall sprach sich be geistert über seinen Zaren aus — was sich Wohl von selbst verstand — gegenüber einem ihn, ganz fremden Mitreisenden und an einem öffentlichen Orte, wie eS ein Eiscnbahnwaggon ist. Wir glauben aber die vorstehenden Mittheilungen zu den vielen unverbürgten Sensationsnachrichten legen zu können, die von Zeit zu Zeit über die Person und die Anschauungen dcS Zaren austauchen. Feuilleton. Dämmerungen. Roman in drei Büchern von Rudolf von Gottschall. 73! Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) „Er würde anders denken, wenn er jetzt den Jammer säbe! Denn um seinetwillen hast Du ein Kreuz auf Dich genommen, das Dich zu erdrücken drobt . . um seinetwillen! Ünd dies Opfer ist jetzt ein vergebliches! An meiner treuen isreundsckaft sollst Du nicht verzweifeln . . wehren soll mir tieS Niemand, Niemand — auch nicht Diejenige, die ein Recht ans meine Liebe hat! So arm ist unser Herz nickt, daß die Liebe Alles aufzehren sollte und nichts übrig bliebe sür ein anderes, warmes und inniges Gefühl, daS ein altere- Recht hat . . ein unveräußerliches." Und wieder zog er die nur leicht Widerstrebende in seine Arme. Da klirrte etwas die Stufen der Treppe herunter und sprang über die Fließen der Begräbnißhalle. Marie fuhr «schreckt zurück . . regten sich die Geister? Sandten sie irgend ein Zeichen verdammenden UrtheilS oder schlimmer Vorbedeutung? Enrico blickte die Treppe empor — schwach angeglüht dom Widerschein der Fackeln zeigte sich dort ein schwarzer Schatten, der bald im Dunkel verschwand. Suchend bückte er sich und spähte umher . . da glänzte etwas Goldene« dicht am Postament, auf dem die Särge ruhten .. Er hob ihn auf, den goldenen Reif . . eS war der Verlobungsring, den er Nora geschenkt hatte Er war betroffen . Marie blickte fragend auf ihn. „Beim nächsten Wiedersehen . . und ich hoffe jetzt, wir sehen uns wieder!" Er drückte noch einmal Marie an« Herz und eilte die Stufen hinauf; sie aber sank wie reumüthig an dem Sarge Fackeln drobten zu verlöscken, Loch ein ahnungS- wller Schimmer, leise, leise, wie das hingehauchtc Roth der Mitternacht, das noch vor der Morgenfrühe den kommenden Tag verkündet, tauchte in ihrer Seele auf. Hoffnungslos kehrten ihre Gedanken zurück, wohin sie auch in die Zukunft schweifen mochten . . aber doch regte sich etwas in ihrem Herzen, als würde ein dumpfer Druck von ihr genommen. Am nächsten Abend fuhr der Wagen von Buderode vor der Villa Locca vor. Die scköne Wittwc empfing Enrico mit der hingebenden Freundlichkeit wie immer, und doch konnte sie eine beklemmende Sorge nickt unterdrücken. „O es ist nicht mehr, wie eS sein sollte . . gestern vor Mitternacht ist Nora zum Fenster heranSgestiegen und auf dem Dachfirst gewandelt .. eS war gruselig mitanzusehen .. und Niemand, auch die Leute auf der Straße nicht, die sich versammelt hatten, wagten durch ein lautes Wort sie zu schrecken und dem Tode zu weihen. Mit angebaltenem Atbem sahen Alle empor zu der geisterhaften Erscheinung, die, vom Licht des Vollmonds umflnthet, im weißen Gewand die ge fährlichcn Bahnen wandelte. Ich selbst stand unter der Menge mit klopfendem Herzen . . doch sic kebrte unversehrt in ihr Gemach zurück. Durch die Säle ist sie schon öfters gewandelt rur Nachtzeit . . das Licht in der Hand, nickt wissend, daß sie dahmschritt, mit dem verträumten starren Blick mich erschreckend. Doch schon lange ist'S her, daß sic so halsbrecherische Pfade ging. O Enrico, ich sürcktc, ich fürchte . . sie wendet sich immer mehr von Dir ab . . wir werden Dich verlieren! Und das brächte mich zur Ver zweiflung !" Und sie umklammerte wie krampfhaft den jungen Freund . . cS war ein Gemisch von Weh und Trunkenhcil, das aus ihren Augen sprach Enrico riß sich gewaltsam lvS . . ihre Blicke . . das waren die Blicke der Potiphar. „Ich muß Nora sprechen", sagte Enrico. „Sie ist in ihren Gemächern, zu denen sie mir heute den ^Zutritt wehrt; nachdem ich ein ernstes Wort mit ihr ge sprochen. So kann'S nickt bleiben, so darf'« nickt bleiben .. sonst werden unsere schönsten Hoffnungen zu Schanden. Diese Entfremdung schon seit Wochen . . „In der Tl,at". versetzte Enrico, „sie ist fast unnahbar sür mich; nur im Tone ihrer Stimme zittert oft ein inniges Empfindcn nach. Und wenn sie einmal als Braut sich fühlt nnd die zärtliche Neigung erwidert, die ich ikr ent gegenbringe, dann schaudert sie oft zurück, als hätte sie ein Verdrucken begangen." „Ich werde sie hcruntcrrufen in den Salon . . und mich dann in daS entfernteste Zimmer zurückzieben. Ich will diese Begegnung nicht stören . . und ich weiß, dies ist auch die Bedingung, unter der sic dieselbe gewährt." Enrico karrte in banger Spannung; er fühlte, eS war eine entscheidende Stunde. Geraume Zeit verging, ebe Nora erschien. Ernst vnd blcick trat sie ein, doch nickt so starr wie oft in letzter Zeit. Ein wchmiithiger Hauch »mflorte ihre Züge. „Ist dieser Ring mir in die Gruft von Dir nachgcschleu- derl worden, Nora?" „Ja in die Gruft unserer Liebe." „Nora . . ein hochgesinntes Mädchen wie Dn . . und Eifersucht?!" „Es ist nicht Eifersucht! Enrico, sehe Dich her zu mir und laß uns plaudern wie gute Frcunre. Fremd trat ich Dir gegenüber, so lang ich kämpfte mit mir selbst . . jetzt, da ich den Frieden gesunden, Hab' ich auch den Mulb ge wonnen, die Freundsckast unserer Kindbeit, unserer ersten Jugend zu erneuern. Sieb, ick habe Unsägliches gelitten, aber eS ist vorüber! Ich habe Dich der Untreue beschuldigen müssen . . und dies zerriß mir das Herz. Eifersucht . . o nein, daS ist etwas Anderes! Nicht mit verbittertem Haß sab ich, wie sick Dein Herz der alten Liebe wieder zuwendrte . . ich gönnte Dir jedes Glück der Welt; aber es wurde mir weh dabei zu Muthe. Doch wie sollte ich mich nicht fügen in ein vorbestimmtes Sckicksal? In kummerschwereil Augenblicken erschien mir mein Genius .. ach, er hatte nicht Mitleid, nicht Erbarme» mit mir; er zeigte mir die Wege, die ich wandeln muß. Er zwana mich auf den breiten Stein zu gehen, wo Ihr i» zärtlicher Liebe verweiltet; ich sah Dich von dannen reiten und sie den Bergbang binabwandeln. Er zeigte mir in der Stnrmesnachl de» Grasen sinnlose blutige Thal . . da schrak ich zusammen, denn sie mußte das Band zwischen ihm und Marie lösen, früher oder später. Einem feurigen verschlingenden Moloch wirft man Kinder, aber keine Bräute in den Arm. Die Glocke schlug Mitternacht . . da war die Todtenuhr unserer Liebe. Und wieder zwang mich mein Cchutzgeist, zum Begräbniß des Baron« zu kommen; ich mischte mich dort unter die trauernden Frauen de« Ge sindes, und jener geheime Wille, grausani und unerbittlich wie er ist, weil er sich im Reich der durchsichtigen Wahrheit bewegt, nötbigtc mich auck an das offene Grabgewölo« zu treten, wo ick Euch erblickte in liebender Umarmung. E- war kein Ausdruck deS Zornes, der Eifersucht, daß ich den Ring zu Euch berunterwarf . . der Geist gebot e» mir — fort mit jeder Lüge, die ein verhaßter Zwang uns auferlegt l Tie Wahrheit macht unS alle frei." „Vergieb, Nora! Mich erfaßte grenzenlose« Mitleid mit dem unglücklichen verwaisten Mädchen." „O alle Liebe ist Mitleid, um so mehr, je wahrer, je inniger, je hcrzbezwingender sie ist. Mitleid ist die Liebe des Allerbarmeiiden zu seinen Geschöpfen . . und wie könnte e< anders sein, da sie alle in der dunkeln Erdenhülle wandeln, untertban dem ganzen Jammer, den diese mit sich bringt, und dem u»enlsliekbaren Zwang, der uns an diesen lichtlosen Planeten fesselt? Ich tadle Dich nicht . . ich rechte nicht mit Dir, Enrico. Du kennst Dick selbst nickt . . Du lügst Dich hinein i» ein Empfinde», an das Du glauben möchtest. Ich kenne Dich besser ; mir bist Du durcksichtig; denn ich habe den Blick, der ins Innere siebt, wenn inein Genius mich be gnadigt. Du hast Deinen Ring zurückerhalten . . gieb mir den »«einigen wieder . . machen wir rin Ende mit dieser Notblüge unserer Liebe." Enrico zögerte .. so edel schön erschien ihm da- Mädchen im Lichte weicher Rührung, in der ihr starre« und fremde» Wesen jetzt dahinschmolz. War sie nicht werth, von ihm geliebt zu werden, und hatte er an dieser Liebe nickt gefrevelt?" „Es ist nickt blo« um Deinetwillen", sagte sie, „Du würdest eS vielleicht für Großmntb kalten, daß ich Dir Deine Freiheit wiedergcbe, «nd mein Geschenk zurückweisen. Nein, ich will offen sein. Und diese Offenheit sei die letzte schöne Frucht vom Baume unserer Liebe, der in einem Paradiese seine Krone entfaltet hat. Ja, Enrico, in einem Paradies., dazu war mir die Erde geworden durch Deine Liebe! Wunder» Vögel sangen von allen Zweigen, und Blülhengewind
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