02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.01.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-01-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940130020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894013002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894013002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-01
- Tag1894-01-30
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Aber bei der Zerfahrenheit, die jetzt im Centrum herrscht und im preußischen Adgeorknelenbausc scharf genug zu Tage getreten ist, wird man die Behauptung, die Centrum-sraction de« Reichstags habe die von Herrn vr. Lieber verlesene Erklärung „einstimmig" beschlossen, nur so zu verstehen haben, daß zu der betreffenden Versammlung sich lediglich Gesinnungsgenossen de- Herrn Lieber eingesunken batten. Und auch die von dieser Versammlung beschlossene Erklärung ist schwerlich ganz wört lich zu nehmen, sonst würde der Führer der Partei nicht Ver weisung der Vorlage an die Commission vorgeschlagen habe». Ueberdies tritt das leitende Blatt der CentrumSparlei, die „Germania", dem Gesetzentwürfe, der bekanntlich ein zunächst aus sünf Jahre bemessene« Lerkällniß zwischen den Malricular- beitragen und den Ueberweisungen sestlegen will, keineswegs schroff ablebuend gegenüber, sondern macht positive Gegen vorschläge. Die „Germania" ist allerdings der Ansicht, für die Einzelstaateo sei wenig damit gewonnen, daß ibnen für die nächsten sünf Zähre jährlich 40Millionen aus ber ReichScasse zu- gesührt werden, da das Geld der Bevölkerung der Einzelstaalen erst durch neu aufzulegendr ReichSttrucrn abgewonnen werden müsse. Ta sei es doch besser, daß die Einzelstaalen da« Geld, welche- sie zur Deckung ihrer Ausgaben nötbig hätten, sich durch eigene Steuern beschaffte». Andererseits bringt die .Germania" in Vorschlag, dauernd festzustellen, daß die Niatricularbeiträge für da- Reich die Höbe der Ueberweisungen auS der ReichScasse an die Eiuzelstaaten nicht übersteigen dürfen, mit anderen Dorten, daß da« Reich jährlich den Betrag der Matricularbeiträgc, der über die Ueberweisungen hinaus zur Deckung der Ausgaben er forderlich ist, durch eigene Reichssteuern decke. Die Franckenstein'sche Klausel, die die „Germania" unter keinen Umständen preisgebe» will, bliebe dann unverändert bestehen — wenigstens der Form nach. Wen» es Herr» Miquel lediglich um eine Auseinandersetzung zwischen Reich und Einzelstaalen und nicht um die Beschallung von vierzig Millionen neuer ReichSsteueru, die »ach fünf Zähren zur Deckung einer neuen Militairvorlage verwendet werden könnten, zu lhuu sei, so müsse der obige Vorschlag auch ihm ge nügen. Praktisch läuft der Bor,chlag der .Germania" für das EtatSjabr 1894/95 daraus hinaus, daß an Reichs- steuern das Doppelte der Summe zu beschaffen wäre, welche erforderlich ist, um das im ElatSvoranschlag vorban- dene Deficit zu decken. Denn die Summe, um welche die Matricularbeiträge im Etat höher sind als die Ueberweisungen, beträgt 64 Millionen Mark, während nach der jetzigen Ord nung des Finanzwesens die Einzelstaalen 6,2 Millionen Mark mehr als im laufenden Zahre erhalten, dagegen um 39,5 Millionen Mark höhere Matricularbeiträge an das Reich abzusührcn haben, das sactischc, durch neue ReichSsteuern zu deckende Deficit also nur 33,3 Millionen beträgt. Der Vorschlag der.Germania" ist also entgegenkommender, alS die „Erklärung" de« Herrn vr. Lieber und läßt vermuthen, daß der Letztere daS letzte Wort sür die CommissionSberatbung sich ausspart. Da- Schlußresultat dieser Berathung bängt freilich ganz wesentlich von dem Verlaufe der Commissionsberalhuiigen über die Stempel-, Tabak- und Weinsteuer ab. Es Ware daher besser gewesen, den FioLnzreformplan vorher zu beratben, da er die allgemeine Grundlage der einzelnen Steuer- Vorlagen bildet. Wirb sein finanzieller Inhalt ganz oder dock znm größeren Tbeile hinfällig, so bat er vorläufig keinen rechten praktischen Zweck Daß der innerlich gesunde Plan damit sür immer abgethau sei, glauben wir heule weniger als je. Daß in der freien Schwell nach dem Vaillant'sche» Boinbenattentare der Anarchismus keinen Freibrief mehr hat, mußlen in ziemlich empfindlicher Weise die Tbeilnedmer an der am letzten Sonntag von Arbeitern „aller Nalicnen unk aller Parteien" in Zürich veranstalteten Vollsversanimlung ersadren, die der Revoluiion in Sieitien und Massa-Carrara >brc Sympathie allzu tciuonstraliv bezeugte. Das große Wort führte der Haupt, precker der Deutschen, der Anarchist Bender, der sei» Müthchrn an den Ausbeutern des Volkes gehörig kühlte und sich den elastischen Satz leistete: „Die italienische Regierung ist eine Spitzbubenbande, wie auch die Regierung anderer Lander eine solche ist." Da Bender auch an dem Siurm auf daS italienische Eonsulai ideilzenommen Halle, wurde er liebst vierzeb» Anderen ver haftet uud sicht hoffentlich einer eseinplarischcn Bestrafung entgegen. Die Schweizer Polizei — ein Thcil derselbe» kam eben vom Begräbniß eine» College» und griff im Traucrkleid, den Cylinterbul ans dem Kopse, c>» — machte, idree Leben« selbst nicht sicher, mit dem Gesindel wenig Federlesen«, e« hagelte Säbelhiebe, und dir sich heslig sträubenden Berdafteien mutzten durch den Koch gezerrt werden, da sie ander« nicht folgte». Charakteristisch ist, daß ein Weib es war, da« unablässig die aufrührerijche Baiibe zu neuen Epcessen anspornte. Be dauern muß mau, daß die ganze Demoustralivn aus die Hetze veu: scher „uiiabbäiigigerSociaUstcn" zurückzusübren ist.Daueini drückt ihnen die Hand der wie nirgend« sonst disciplinirtcn Polizei einen Dämpfer aus und sic suchen darum im Aus lande ihren Wahnwitz an den Mann zu bringen. Zetzi haben die Schweizer ihnen all Iiomiuvw kemonstrirt, daß sür Raub- lhierc auch Lorl Knüttel gewachsen und Säbel geschussen sind, und daß der Schweizer Bürger eben so wenig wie der amerikanische gewillt ist. duich die anarchistische Propaganda der Tha» fich in seiner Ruht stören zu lassen. So schreibt die „Neue Zürcher Zeitung" zu dem Scandal: „Die Anarchisten habe» bei uns eineu Aiisung damit gemacht, ihre Theorie» aus Len BersamnuungsiLien auf die Straße zu »rage» und Las Wort in die Thal umzujetzeu. Damit dürfte die Geduld der Bürgerfchast und der Behörden erjchöpft sei», und es wird wohl Mit den Audeilörer» kurzer Proceh- gemocht weiden. Wir vertrauen auf die Energie der ««»tonalen und eidgenü»l>chkn Be- Hörden, daß sie dielen ersten Versuch, den Frieden unserer Straßen zu stören, »niiachsichliich ahnden." Bekanntlich bat sich bereit- BunbeSanwalt Scheib aus Bern nach Zürich begeben, um die Untersuchung zu leiten, und vom BundeSralh dürste eine Reibe in Zürich wodnhafter Ausländer, wie Ronncmann, Binder, Otto Wichers, von Gog, wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit ausgewiescn werden. Zn Frankreich macht die Begriffsverwirrung, die schließlich die einfachsten Gebote des Gesetze» und der Ver nunft zu überwuchern droht, iininer bedenklichere Fort schritte. Was im Lause der dritten Republik in dieser Hinsicht Alles möglich geworden ist, lebrt u. A. auch der eben vor dem Schwurgericht des Seiiiedeparlements abgehandclte Proceß gegen Len Nedaclrur Cbarnay, Verfasser de- ganz offen den Anarchismus verherrlichen den „Soldatenkatechismus", eines Machwerks, dessen ausgesprochene Tendenz auf systematische Zerstörung aller moralischen Grundlagen der Armee hinausläuft. Und dabei ist der Verfasser diese« Pamphlet«, der Alles besudelt, woran da« Herz eine- ebr und valerlaokliebenden Soldaten hängt, keineswegs ein beliebiges mauvai-j sujot, sondern ein ebemaliger Präseclurrath, Beamter im Ministerium de« Znnern und gegenwärtig — Nescrveoisicier in der Artillerie. Der Mann wurde zu ftchSmonaligcr Gesängnißstrase und seine Schmähschrift zur EonsiScalion unk Vernicklung rerurlbeilt; sür seine Gesinnungsgenossen innerhalb und außer halb der Armee aber wird er zum „Märtyrer" und sür die Fortsetzung des von ibm begonnenen Werkes werden Letztere schon Sorgt tragen. Es ist eben, wie wir wietcrboll bcrvor- zubeben Gelegenheit balle», weilen Kreisen der franzö sische» Nation das Verständiiiß sür Gesetzlichkeit »nv Ordnung so vollständig abhanden gekommen, daß sie mil ihre» gegeiiidkiligen Gesi»i»in't» noch geradezu para- diren. Wie bäne es fönst der Oaiästor des Palais Bourben fertig bringen können, dem Communisten Tbivrier, rer trotz der Alisforterung, die Deputirleiilammer zu verlasse», durch bewaffnete Hand batte hinaus gebracht werde» müssen, beim AuSlriu au» dem Hauie der Bolksverlreiuna, deren Würde er soeben mit Füßen getreten, corkial die Hand zu drücken! Rur rücksichtslose Strenge und eiserne DiSeiplin kan» den Fortschritten des UcbelS vielleicht noch Einhalt lhun, vielleicht auch nicht. Die Nachricht, daß General DoddS als neuen König von Dahonikh den Bruder Bebanzin'S auszerusen hat, erregt in Paris ziemlich großes Aussehen. Man findet allgemein, daß Frankreich, um zu einem solchen Ergebnisse zu gelangen, nicht eine große Zahl tapferer Solbalen und Millionen halte zu opfern brauche», und ist recht verstimmt darüber, baß General DotbS, der sich bis jetzt als der große Sieger und llnterwerscr von Tabomey feiern ließ, sich kamst begnügt, Behaust» durch seinen Bruder zu ersetzen, der am Ende vielleicht auch nickt viel bester ist, als der bisherige König. Auch in de» amtlichen französischen Kreisen ist man von dicsemSchrittc teS Generals, der bekanntlich unbeschränkle Vollmacht batte, »icklS weniger als erbaut. Man finket es geradezu lächerlich, daß Torrs Abomcy, das hundert Kilometer von der Küste cnlseriil liegt, wieder zur Residenz de» neuen Königreichs, das man allgemein als abgelban betrachtete, erhoben hat. Der General DoddS Kat sich bei seiner Abmachung mit dem neuen König von Daboniey nur auSbetungen, i» Abomcy einen starken militairischen Posien zur Unterstützung des französische» Residenten zu unterhalten Auch da» wird in Pari« nicht gebilligt, da eine solche Besatzung sehr viel Geld kosten wird und man ebenso gut den Sitz der neuen Regierung »ach AUada batte verlege» können, daS von der Küste vollständig beherrscht wirb. Die Verstimmung in Paris ist um so be greiflicher, als General DoddS nun schon seit Zabressrist in Dahomcy fortwährend „siegt", ohne die Augelegenbeit eigentlich recht vom Flecke zu bringen, und man sagt sich jetzt, daß man Loch vielleicht besser daran getba» batte, mit de» zu WinterSansang in Paris eingelrosfenenGesandten Bebanzin'S zu unterbandeln, als sic frierend von Tbür zu Tbür zu schicken. Gegenwärtig ist Madagaskar, wo bedeutende sranzösischc Znteressen aus dem Spiele sieben, das Losungswort, und auch TimbuktuS wegen Kat man den Kops voll, so daß man eS für hoch a» der Zeit hall, mit dem kostspieligen Tahomey endlich zu Rande zu komme». Man hatte sich schon so kindisch daraus gefreut, den russischen Gästen de» König Behanzi». den „Haifisch" und „Menschenfresser", gefesselt verführen zu können, und gewisse Kreise trugen sich schon mit dem Ge danke», Oberst DoddS, den „Helden" von Dahomcy, in die Flißtapscu Boulanger'S trelc» zu sehen, und nun — ist die ganze Tahoincyfragc daran, abermals zu versumpft»! Die längst und zwar mit einer gewissen Spannung er wartete, nunmehr in Form einer Mcßredc de« Papste« erschienene Kundgebung des Vatikan« über die Lage in Ztalien bat in jeder Beziehung enttäuscht. Bon einer eindringlichen Ermahnung an die Ausrührer, zur gesetz liche» Ordnung zurückzukehren, ist darin nicht- zu finden^ zum Glück sür^ Ztalien bedurfte eS solcher Mahnung vom päpstlichen Stublc ker überhaupt nicht mehr, da Erftpi, Morra k, Lavriano und Heusch den Sturm bereit« vorher beschwichtigt batten. So kommt die ganze Actioo, die, recht zeitig i» Angriff genommen, vielleicht mit dazu Kälte bei tragen können, eie hochgcbcnden Wogen der Leidenschaft zu beruhigen, um Monate zu spät. Tie Papstrede läuft über haupt ans eine ,. Fructisicirung" der unerfreu liche» Lage ZtalienS zu Gunsten der Kirche, hin aus, die als alle», im Besitz de» Wunderheilmittelt) für sociales Elend befindlich bingcslellt wird. „Es fruchtet nicht«", sagt der Papst, „zu verhetzten, daß der vorsätzlich herbeigttsührte religiöse Ruin de» Weg zum sittlichen und materiellen Verfall öffnet. Nicht alle», die Gerechtigkeit, sondern auch der politische Verstand lassen e« räthlich erscheinen, den verkehrten Weg zu verlasse», die Würde der Religion der Vorfakren wieder herzustellen und sich mit Vertrauen und obne Argwohn demjenigen zu nähern, der von Gott daS Großmeifleramt der Religion über tragen erhielt, denn die Worte de« Leben«, die der Papst besitz!, baben auch die Kraft, da« sterbliche Leben glücklich zu geilalten." Nu», vorläufig ist die Cardinalfrage die. wie die Finanzen ZtalienS z» saniren sind, ob aber eine Rückgabe Roms an de» heilige» Lluhl, denn aus diese spielt der Papst a», im Stande wäre, den HeilungSproceß einzuleitcn, bieibt doch sebr fraglich. Wie blutige Selbslironic klingt der freilich ganz ernst zemeittlc Satz, daß Rom 'sich im Gegensatz zur jetzigen Zeit cbcmals. da- beißt natürlich zur Zeit der Papsttacrrschast, eines gesicherten Wohlergehens erfreut habe. Der Bischof von Rom sollte doch nicht vergessen, daß noch Zcbntausende unter den Lebenden weilen, die von dem „gesicherten Wohl- ergeben" Roms vor dem 2«>. September l870 fürchterlich ««Zeugnik abzulcge» vermöchte». Ausfallend ist d»e Wendnng, daß, während im übrigen Zialicn wieder Ruhe und Ordnung einzukehrc» beginnt, in der Papstredc behauptet wird: „Unterdesfcu aber leidet Rom . . . ." E- ist ojficiell mit besonderem Nach druck wiederholt betont worbe», daß der Geist de« Aufruhr« bi« jetzt von der Romagna und der Hauptstadt ZtalienS fern» geblirbe» sei, u,:o die Thalfacheu baben diese Behauptung nicht demeutin. Wenn jetzt die Einwobnerschaft Rom«, dir sich bisher zufrieden gezeigt, au« dem Mund« des „heiligen Vater«" ersäbn, sic erfreue sich keine« sicheren Wohlergehen-, so «st da» keine Mahnung zum Frieden, wie man sie von dieser Stelle erwarten sollte, sonder» eher das Gegcnthcil. Zn den Berrtnigtc» Staaten begegnet man ziemlich all gemein der Ansicht, daß es zu einem ernsten Conflicte zwischen dem Präsidenten Cleve land und dem Bunde«- renale kommen werbe, denn de« Erstcren Reforinidrcu gefallen den Senatoren nicht, die sich als die eigentlichen Regenten des Lande«, de» Präsidenten aber nur als daü Werkzeug zur Ausführung ihrer Wünsche be- trachlcn. Der Senat hat die Mehrzahl wichtiger Er nennungen Clcvcland'S unbestätigt liegen gelassen, er macht großen Lärm wegen der Hawaii-Angelegen heit und wird auch sicher die Tarifvorlage so abändern, daß il,r Zweck verloren gehl, oder sie gar ablehnen. Leider steht es mit der Gesundheit des Herrn Eleveland nicht mehr so gut wie früher, und darunter leidet auch seine Energie. Ein Sieg desselben über seine Widersacher ist Llli-a Silström. Lj Roman von H. PalmL-Payseu. «»«dreck verdorr». „Ah, NUN kann ich mich orientiren. Unsere erste Tänzerin ist eine Schwedin, ja, ja." Cr sann nach. „Heißt sie nickt Silström?" „Zch glaube, das ist ihr Name." „Zck erinnere mich jetzt genauer, sie ist erst auf Probe engagirt. Es soll sich erst zeigen, ob sie hier gefällt, lieber ihre Vergangenheit, ihre Person, ihren Charakter weiß ich nickt», kann aber Erkundigungen darüber einziehen." „Wenn Tu sie veranlassen, beeinflussen könntest" — be merkte der Professor nochmals. Der Intendant zuckte mit den Achseln. „Da wird sich nicht« machen lassen. Versuchen will ich e« gern. Es scheint mir unpraktisch, so weit vom Theater entfernt zu wohnen." „Nicht wahr?" siel der Andere ein. „Willst Du schon gleich Rücksprache nehmen? Sie wird gewiß zu Hause und zu sprechen sein." Der Zntendant schüttelte lächelnd den Kopf. „Daß sie für mick zu sprechen ist", betonte er lächelnd, „daS bezweifle ich nicht, privatim habe ich indessen nicht» mit solchen Damen zu lhun, erledige derartige Angelegenheiten in meinem Bureau im Theater. ES soll morgen schon geschehen." Dabei zog er ein Notizbuch ans seiner Tasche, kritzelte einige Worte binein, und somit war dir Sache abgelban. Man redete von anderen, zuletzt von meist wissenschaftlichen Dingen. Der Zntendant hörte den Professor Delpondr, mit dem er seine schönsten Zugendjahre, die Studienzeit, verlebt, gern von seinen Zntereffen reden. Die begeisterte riebe zur Natur und deren Wissenschaft kebrtr in solchem Moment da« innerste Wesen diese« sonst schweigsamen, still für sich lebenden Naturforscher« heran«, dessen Person von nur Wenigen gekannt war, ob gleich seine in die Welt gesandten, geistvolle», vielgelrsrnrn Schriften in den Gelebrirnkreisen besondere Beachtung und böchste Anerkennung gesunden. Zn solch' seltener, traulicher Stund« de« Zusammensein«, wie diese, da beschwingte sich jörmlich s«i» Mund, da glänzten die blauen, t»dlich sroh- blickenden Augen, und e« trat in frischer, wohlthuender Weise sein ideale« Denken hervor. Da« erschien dem erfahrenen Weltmannc, dem sich der Materialismus, die Hohlheit und Halbheit der modernen Gesellschaft täglich aufdrang, wie ein Trunk au« klarem Quell in der oft erstickenden Almosphäre seines Berufes. 2. Capitel. Sie besaß die Leichtigkeit eines Vogels, ihr Gehen konnte man Schweben nennen, es schien, als hätten bie Füße, diese kleinen, zierlichen Füße Ellida Silström S überhaupt kein Ge wicht zu tragen, als könnten sic beim Hintreten keinen Halm und keine Blume knicken, als wären sie einzig nur zur Ver vollständigung deS feinen GlicderbaueS eines unendlich lieb lichen Menschenkindes geschaffen. Ein Maler hätte sich sür die Gestalt einer Bajadere kein edleres Körpermaß ersinnen, keinen vollkommeneren Körper wünschen können, als dieses Mädchens zarte, biegsame Glieder. Aber den Kopf — hätte er ihr nicht gegeben, vielleicht die Linien, denn Stirn und Nase gaben vereint mit den sprechenden, leicht gelkeilten Lippen und dem wunderschön geformten, zart abgerundeten Kinn ein reine« Profil, aber den Ausdruck gewiß nicht. Seelcnsckönbeit steht über der körperlichen. Hier war weder die übersprudclndc, an Keckheit streifende Lebenslust, noch der siegeSgewiffe, zündende, selbstbewußte und selbstgefällige Blick einer lächelnden, tanzenden Bajadere zu finde». Hier batte die wundersame Bildnerin Natur mit ihrem feinsten Griffel ganz andere Zeichen niedergeschrieben. Der Schmelz der Unschuld, ein Hauch von Poesie vermag ja selbst unvollkom menen Gestalten Anmuth zu verleiben, wie viel mehr einem Geschöpft, da« trotz einiger kleiner Mängel beinahe schön zu nennen war. Man vergaß diese über dem verklärenden Schimmer, den eine sanfte, heitere Seele, rin klarbcwußirr Wille über dieses Angesicht auSgoß. Ein kritischer KUnstlcr- blick hätte vielleicht die Stirn ein wenig zu hoch gesunden, die sichtbar wurde, wenn der Wind einmal mit dem welligen Blondhaar spielte, und die paar Sommersprossen, die sich keck auf den Rücken der geraden Nase gesetzt, monirt. Auch die Augen mit dein ungewöbnlich Naren Weiß waren solchem Mäkler vielleicht nicht groß genug erschienen, denn sie drückten sich in einer Angcwobnbcit leicht zusammmen und die dichten, bräunlichen Wimpern verdecklen sie auch rin ganzes Tbeil. Blickte diese« Auge aber auswärts, wer dachte da noch an da« Eine oder Andere. w«r entzückte sich nicht an der inner lichen Sprache de« so schönen Blicke« l So war denn Ellida Eilst, Lin für den Geschmack de« Einen kaum berchtenSwerlh, für den Anderen eine liebliche Schönheit. Sir selbst aber dachte am allerwenigsten an den Eindruck, den ihre Person bcrvorries. Sic war eine Blume, die der Wind an- fernem Lande berübergetragen in ein fremdes Erdreich, eine Blume, die keine andere Bestimmung kannle, als zu wachsen und zu bliiben, einzig zur Freude der Mensch heit. WaS war sic und wa« wollte sie? Sic stand einer alten, sie küdl musternden Dame gegen über in dem pomphaft anSgesiattetcn Gemache eines jener vornehmen Herrenhäuser, die inmitten mehrerer Güter niiftrn der Residenz die einsame Gegend belebte». Draußen wartete der MieibSwaacn, der sie hierher gebracht. .Und Sie wünschen?" fragte die Dame in einem Tone, der so viel hieß als: eile Dich, ich habe nicht viel Geduld! „Gnädige Frau", antwortete daS Mädchen in gebrochenem, doch ziemlich fließendem Deutsch, „mit ein Paar Worten ist da», weshalb ich gekommen, nicht zu sagen. Eine Mission führt mich zu Zhnen." Tie alte Dame zuckle die Achseln und sah sehr gelang weilt drein. „Ich weiß nicht", fuhr daS junge Mädchen bescheiden fort, sie batte den ihr angeborenen Platz nicht angenommen, da die Dame deS Hanse- vor ibr stehen geblieben war, .ob Sie der Name, der mit meinem Auftrag i» Verbindung steht, erschrecken oder erfreuen wird." Die Dame znckle leicht zusammen. Sie hatte rin kalte» Gesicht mit ganz schmalen, blinzelnden Augen, die kurzsichtig zu sein schienen, denn sie zog die Lorgnette bervor und blickte sich die Sprechende nun erst genauer an. Eine zuckende Be wegung flog von Neuem über isir Antlitz, dann versteinerte e« fick gleichsam. „Zch wüßte keinen Namen, der mich erschrecken könnte," sagte sie und ging langsam dem Fenster zu, dort sich um- wcndcnd, im Schalten desselben stehen bleibend, „kommen Sic doch zur Sache, Fräulein." DaS klang kalt und bochmüthia, und stimmte den Mutb deS Mädchens ein wenig herab. Bewegt und eiwaS unsicher sagte e«: „Ach, gnädige Frau, wie fange ich eS an, in meinem mangelhaften Deutsch da« rechte Wort für eine gute Sache zu finden." Zhre Augen richteten sich ängstlich aus den bunt- beinusterten Teppich zu Füßen, denn der Anblick der eisig dastebenre» Frau verwirrte sie. „Zch besitze eine alle Freundin und Wohlil äterin in Stockholm, diese ist e-, die mich zu Zhnen hierher geschickt hat." . „Ab," machte die Dame, „warum so viele Worte — Sie wünsche» eine Unterstützung. E« soll mir nickt daraus ankommen, wenngleich Sie uud auch die Genannte mir ganz unbekannt sind. Zntessen —" „Gnädige Frau —", da« junge Mädchen verstummte unter glühendem Rolb, saniinelte sich dann wieder und sagte schnell: „Darum bandelt c« »ch nicht, nicht um Almosen, o, »cm — ick soll um Liebe, ui» Erbarmen bitten." „Sie sprechen in Rälkseln", warf die Tame scheinbar gleichgiltig bi», aber ibre Kniec singen an zu zittern und die hagere, blutleere Hand ordnete nervös unruhig etwa« am „^Reine Person kommt hier nicht in Betracht, gnädige Frau, ich kenne nicht einmal die Arme, der ich daS Wort reden soll. Es ist ei» junges Mädchen, eine Waise, eine Zhnen sebr nabe siebende Person, die hcimaiblos geworden ist. Ach, gnädige Frau, »ebnien Sie daS arme Mädchen an ihr Herz, m den Schooß Zhrer Familie aus, wohin eS gehört." Diese einfachen, innig gesprochenen Worte übten eine furchtbare Wirkung auf die Dame des Hause- auS. Aber sie war Hofdame gewesen und daher Meisterin in der Be herrschung ihrer Gefühle. Kalt, unnahbar blieb sie stehen. Nur die wachSgelbe Farbe ihre« Gesichtes, der kurze Ath«»l verrielbcn ihre Betroffenheit. „Wie beißt Zbre Wobllbäterin?" fragte sie, den Faden de- Gespräche« scharf abschiicidenk. „Ellida SÜström, wie ick." „Wo wobitt sie, waS ist sie?" fragte sie weiter. „Frau Silström lebt in Stockholm, sie ist alt und kränklich geworden, einst aber war sie eine große, gefeierte Schau spielerin." „Ah", machte die Dame mit einer verächtlichen Lippcn- bewcanng. „WaS war den» ihr Mann?" „Ballclmeisler am königlichen Theater, er ist jetzt todt." „Und Sie —" die blinzelnden Augen der Dame richteten sich durchbohrend aus die Sprecherin — „sind Sir etwa auch Schauspielerin?" „Nein — ich bin — ich bin noch nicht« — ich bin daS verhätschelte Pflegekind der beiden Alten." „Und haben )eit Jabren da« Gnadenbrod derselben ge gessen, ohne sich ibnen verdient machen zu können, nicht wabr?" Der tief verletzende Ton aller dieser Fragen jagte immer von Neuem brennendes Rolb m die Wangen de- Mädchen«. Der Stolz bäumte sich in ibr auf. War sie hierher gekommen, um für sich etwa« zu erbitten, oder um Rechenschaft über ihr
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