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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.01.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-01-31
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940131021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894013102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894013102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-01
- Tag1894-01-31
- Monat1894-01
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Rertamc» mucr dom RedartlonSsrrich (4g«» Ipalteni ÜxF, vor den Famiiiennachrichlea (Ü gespalten) 40-H. türdtzere Schristen laut unserem Preis verzeichnis: Tabellarischer und Zissrrnsatz nach höherem Tarif. vrtra-Beilagen lgesalzt), nur mit -er Morgen-Ausgabe, ohne Posibeförderung ./« 60.-, mir Poslbesörderuug 70.—. TlnnatfMkschluß fnr ^azeigev: Abend-Ausgabe: Bonniltag« 10 Uhr. Marge n-Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Sonn- und Festtags früh ",S Uhr. Bei den Filialen und Annabmestellen ;e ein» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet« an di« Erdevitia» zu richten. Druck »d Verlag pan T. Polz in Leivzlg. ^56. Mittwoch den 31. Iamrar 1894. 88. Jahrgang. und vr. Elemm, »in nalionalliberaler Abgeordneter auS der Pfalz, wo diese Steuerreform sebr populär ilt, ha« denn auch bei derBeraibung der Tabaksteuer ehrlich anerkannt, daß kein Poli tiker in diesem Augenblick auf solche Forderungen zürück- kommen dürfe, vr. Miguel Hai am Montag die Ungang- barkcik diese- Weges noch einmal überzeugend kargcthan, wie er denn überhaupt mit seinen Darlegungen Glück gehabt hat. Glück nicht hinsichtlich der Steuerreform, aber koch bei dem Nachweis der Nolhwcndigkeik, wenigsten« die Kosten deS neuen HeereSgeseyeS aus eigenen Einnahmen des Reiches zu beschaffen. In diesem Betracht ist noch nickt aller Tage Abend. Allmählich nähern wir uns jetzt dem Zcitpuncte, wo man die Einbringung des russischen HaiidelSvkNrag» im Reichstag erwarten kann. Man rechnet hieraus in der zweiten Hälfte tcS Februar. Es wird damit rinc Entscheidung berantrcten, so bedeutsam und folgenschwer für unser ganzes inneres politisches Leben, wie sie seit langer Zeit nickt da- gewcsen. Es lassen sich beute »ock schwer Untersuchungen darüber anstelle», ob der Vertrag im Reichstage durchdringen wird oder nickt. Daß der Widerstand aus agrarischer Seite na^claffen hätte, ist bis jetzt nicht zu bemerken. Die Ver suche, auf dem Wege innerer Zugeständnisse die Stimmung im ccckservativ-agrarischcn Lager zu verbessern, sind bisher noch nickt von sichtbarem Erfolg gewesen. Die Aussicht aus die Aufhebung dcö Idenlilälsnachweiseö hat keine sebr nachhaltige Wirkung erzeugt. Bezüglich der WäkningSfrage und der gleitenden Leala der Zollsätze herrscht mit Recht auch bei Freunden der aus diesem Gebiet erhobene» Forderungen die Ucberzeugung, daß ein erheblicher praktischer Erfolg dabei nicht herauSkommen werde gegenüber den unüderwintlichen sachlichen Schwierig keiten. Auch die vorgeschlagenc Errichtung der preußischen LandwirlbschaftSkammern stößt aus unerwartet starke Bedenken, nickt nur bei den, Eentrum und den National- liberalen, sondern auch bei einem großen Theil der Eonscrvativen. Man befürchtet eine allzu bureaulratiicke und großgrniidbesiverliche Vertretung der lantwirlhscha-l- licken Interessen. ES ist nicht anzuiicbmeu, daß alle bi je Fragen eine starke Einwirkung auf die Entschließungen ul,-.' den russischen Handelsvertrag ausüben werden. Andererse^ ist eü aber auch sebr zweifelhaft, ob vo» der Mehrheit des rumänische» Handelsvertrag- sich noch erhebliche Bestand- tbeile absplittern werden. Die Haltung starker Bruchiheile großer Parteien ist noch so zweiselbast, daß jeder Versuch, die Entscheidung Voraussagen zu wollen, scheitern muß. Nuo ebenso undurchsichtig sind die Folgen, welche eine etwaige Ablehnung dieses Vertrages nach sich ziehen würde. Sie könnte» nach verschiedenen Richtungen sehr kritischer Art sein Der Feldzug, den die französische Presse ununter brochen gegen Italien, insbesondere auch gegen den ita lienischen Erekit fübrt, bat. in Verbindung mit ton barbarischen Metzeleien von AigueS-MorlcS und dem jeder Rechtspflege Hob» sprechenden Verbiet des Schwurgericht- von Angoulöme tie Sompatbitii der Franzosciisrennde in Italien wesentlich abgesch., acht. Vcachtciiswertb ist in dieser Hinsicht, Laß rie Auflage des in Mailand erscheinenden sranroseufreundlicheu „Secolo", die sich früher täglich aus etwa 200 ooo Exemplare belief, aus etwa ein Viertel dieser Höhe zurückgegangen ist. Man braucht allerdings nur die Pariser Blätter zu lesen, um fick zu überzeugen, daß die Antipatbien der Italiener durchaus berechtigt sind. So veröffentlicht der .Figaro" nachstehendes Telegramm aus Rom: „Der Vertagung der parlamentarische» Session wird der»» Schluß und vielleicht sogar die Auslösung der Deputirlenkammer folge». Trispt will di» Diktatur ausübe» und, »m zu diesem Ziel» zu gelange», wird er damit beginne», da« Parlament zu uiikerdrttckrir. Die geichickt aufgrdauschteu <!) siciliamschen Affaircn und di« viubenörungen von Massa-ijarrora werden ihm gestalten, leichter zu seinem Iiele zu gelangen Diejenigen selbst di» betiauptrten, bah Trispi Nicht medr derselbe sei» würde, der er während seiner ersten Diciatur gewesen ist, erkenne» a», daß sie sich getäuscht baden." ES verdient betont zu werden, daß gerade die Pariser Blätter es waren, welche die Lage aus Ticilien als trostlos darslellten, nunmehr aber mit aller Bestimmtheit behaupte», Erispi habe die Situation in pessimistischer Weise schildern lassen, nni seine Dictatur vorzubereiten. Au« diesem Bei-» ballen geht deutlich hervor, wie unbequem EriSpi gerade den Franzosen ist, und wenn dinzugcsügt wird, daß man sich in dem neuen Eonseilpräsidenlen getauscht habe, so beweist die« nur, daß die Franzosen gehofft batten, nickt medr de» thatlrästigen Ministerpräsidenten von ehemal- an das StaatS- ruder Italiens zurückkehren zu sehen. Der BcseHung Timbuktnü durch die Truvpe de- fran zösischen Obersten Beniner wohnt eine koppelte Be deutung bei, eine colonialpoliltsche und eine handelspolitische. Beide« weiß man nirgend- besser zu würdigen und, wo es sein muß, auSeiiiauvrr zu hatten, at« in den,ringen englischen Kreisen, wo man e« als eine Lebensfrage für das britische Reich betrachtet, sich in dein Well tauf um die culturelle Erschließung Binnen- asrikas durch eine concurrirenkc Nation nickt überholt zu sehen. England ist denn auch, obwohl die Glabstoneische Politik gerade in coloniale» Dingen sebr zurückhaltend ist, nickt müßig geblieben. Es bat die gegenwärtige» spanisch marokkanische» Differenzen dazu benutzt, »>n in aller Stille eine weitere Handelsniederlassung in der nordwestlichste» Ecke Asrikaü, am Eap Iuby, zu errichten, mit der aus gesprochenen Absicht, aus den von dort auöstrahlcndcu Karawauensiraßcn allmählich immer weiter lanbeiuwärls sich erstreckende handelspolitische RccognoScirungen zu unternehmen. Daß auch Timbuktn in den Bereich dieser handelspolitischen Spekulationen einbczogen wurde, kann nicht Wunder nehmen. Der Umstand, dag Timbukt» innerhalb der französischen Macklsphäre belegen ist, crswcinl den Engländern nicht als Hinderniß, ihren Hanbelrinteiessen ton einen neue» Mitlelpunct zu schaffen. Aber selbst wenn es den Franzose» gelänge, die Ausiühruug de- Projektes der Sahara-Eisenbahn Algier - Timbuktu so sehr zu beschleunigen, daß dadurch de» merkantilen Plänen, welche zur Begründung der erwähnten englischen Handels Niederlassung aus Eap Iuby sühnen, mit Bezug ans Tiu, buktu e>» Riegel vorgeschoben wurde, so bleibt dock »och immer die gewaltige Wasserstraße des Niger, diese natürliche Verbindung TimbuktuS mit der Sec, und da der untere Theil des Strome- durch britisches Gebiet führt, so kann cs gar nicht schien, daß England aus die eine oder die andere Weise bei der Besetzung TimbuklnS durch sranzösische Eolo- niallruppen seine kommerzielle Rechnung findet. Die Studentenkrawalie an den italienischen Uni- versiiäken Neapel, Turin, Pavia und Padua baben einen weit schlimmeren Ebaralicr gebabl, als cS Anfangs schien. Weil die Prolcsle gegen eine unbequeme Neuerung in den Testir- Vorschrislen nichlS gesruckirl babc», find, um nur daraus zu- rückzukvmmen, mehrereHiinkertNeapclcrSturcuten allerFacul täien vor den robestcuAuSschreiiuugen nickt zurückgcschreckt Nach gewaltsamer Unterbrechung der Vorlesungen baben sic Bänke, Tafeln, Katheder und Bilder im U»»versilakshvj ausgebäusl »nd unter Gejohl in Brand gesteckt. Die Tbüren der verschlossenen Hörsäle wurden zertrümmert und die Fenster «'»geschlagen; was nicht nick- und nagelfest war, wurde von den Wänden berabgerissen. Die zahlreiche Polizeimannschaft, die sich in gewissenhafter Ackiung der „akademische» Privilegien" daraus beschränkte, auherbalb de« Athenäums Wacke zu halten, mußte trotzdem für ihr nnerbcten-S Erscheinen büßen. Tie Musen söbnc schlugen sämmtliche Fensterscheiben des oberen Stockwerk« rin und warfen die Glaslrümmer ans die Schiitzleute binab. Natürlich waren die Versuche einiger Professoren, sowie des RcelorS, die Rübe hr.zusleUcn, vergeblich. Einige der Un sinn,gslc-n unter bcr jobleiiden Rotte wollten i» den Hörsälen selber Aeurr anlegcn »nd auch die Bibliothek nickt ver schonen-, doch ließ die Mebrzahl die« nicht zu. Als dann die Feuerwehr den Brand im Hose gelöscht batte, war der Rector so freundlich, mit de» Polizeicoiiimissaren zu parlameniiren, damit nian den Helten des Tage« freien Abzug gewähre. Und so geschah es. Als sie jedoch aus der Straße den Tumult sortietzen wollten, wurde ikiic» cndgilliq das Handwerk gelegt. — In einer Zeit, in der die italienische Halion an den sittlichen Ernst, die Selbstbeherrschung und da« vorbildliche Verhallen der führenden Elasscii die höchsten Anforderungen stellen muß. ist die Wahrnehmung, daß die künftige Elite de- Volke« mit den gewaltihäiizen, gesetzverböbnenden Elementen der VolkS- heso Hand in Himd geht, in hohem Grave betrübend. Das »cne sertzischeMinisterinm war mit einemBrr- mittelungS- »»d Versöbnungsprogramm vor das Lank getreten, aber kaum, daß cS die Geschäfte vierzebn Tage geführt, ist der Zwieipalt zwischen der Krone und de» Navi raten schärfer und schärfer geworren. Der „Odsck", das Re gierungsorgan, von gestern schleudert förmliche Kriegs erklärungen gegen da« Ministerium Simitsch und den Exkönig Milan, welche tie Versicherungen der Radikalen, sie wollten aus gesetzlichem Wege bleiben und sich allen antidynaslisäien Tenteuzen sc'» ballen, i» etwa« eigen ibümlichem Lichte erscheine» lassen. Die Begnadigung der früheren liberale» Minister bat die Rarioale» aber offenbar noch mebr erbittert, als die Rücktebr Milan «. Sic crllären den UkaS, welcher Avakuuiowilsch un" seine Eollegen ihrer Rache entrückt, für e»ie direkte Bersas'ung--ve.letzul!g. während sich andererseits der UkaS selbst aus die Ber- sassung beruft. Allgemein ist man in Serbien der An sicht, daß rie Niederschlagung de« MinistcrproceiieS nur rer erste Schritt zur Berufung cmcS liberale» E abinettes sei. Sollte sich der König thatsächlich zu eine»! solchen Schritte entschließen, so würde das nicht nur tie Rabiealeii zum erbittertsten Kamps aus der ganzen Linie ansta clu, cs würde auch die Fortschrittspartei tcr Krone entfremden und in die L/pposilion rränqen. Ten deutbar ungünstigsten Eindruck aber würde die Rückkehr der liberalen Führer zur Macht in Rußland mache», denn ma» weiß dort nur zu gut, daß die gemäßigte Partei vo» jeher starke Sympathien für Seslerreich gehabt hat und argwöhnt, daß Letzteres bei den gegenwärtigen Wirren seine Hand im Spiele babc. Schon jetzt ergreift da« „Journal de St. Pölers bvura" in dem Zwist zwischen dem König und de» Radikalen die Partei der Letzlercu. Es bezeichnet in Uebereinslimmung mil dem Manifest der radikalen Abgeordneten die jüngsten Ereignisse, t. b. das Vorgehen des König«, als Verfassung« widrig und den Eindruck derselben als einen peinlichen und sügl binzn, der Weg, welchen die serbische Regierung ein geschlagen , scheine voll Gefahren zu sein Diese Gesabren sind gewiß vorhanden, aber sie werde» dadurch, daß man m Rußland die Radikalen ermnnlcrt, nickt verringert. Im Gegeiitheil, wird diesen eine iiioialische Unterstützung von Petersburg zu Tbcil, so werden sie sich nur um so kampj Politische Tagesschau. * Leipzig. LI. Januar. Da kein Zweifel mebr darüber obwaltet, daß die vom Reichstage in eine Eommission verwiesenen Steuervor lagen der verbündeten Regierungen wenigstens so beschnitten werden, daß sic nicht mehr erbringen, als zur Deckung der Kosten der Heeresrefvrm und de« durch die Handelsverträge bervorgeruseiien Einiiabme-AussallS nötbig ist, so krischt der Reichstag, bei Lichte besehen, jetzt leeres Streb, wenn er in langen Beratbungfn die Finanzreformvorlage erörtert, welche doch von der Voraussetzung auSgebl.daß dieS tcuervorlagen ohne große Veränderungen durchgehen. Die verbündeten Re gierungen haben freilich Interesse daran, daß auch tieFinanz- resormvorlage gründlich bcraihenivird. Sic bätten diese Vorlage schon längst zurückziebe» könne», wenn sie nichl vor dem ganzen Reiche hätten klarstellcn wollen, wer die Dcrant- workung für die voraussichtlichen Finanzcalamitäien der Einzelstaaten zu Nagen bat. ReichSregierung und Finanz- minister befinden sich zur Zeit in derselben Lage, in der Fürst Bismarck wiederholt gewesen ist: sie sehen sich genötbigt, ihre „Quittung" vom Reichstag zn verlangen. Und cs sieht zu erwarten, daß sich diese Quittung für manche Partei, die letzt die finanziellen Existenzfragen des Reiches und der Bilndesstaate» sebr onvnliöroiuoul abtbun zu dürfen glaubt, sich in eine» Schuldschein verwandelt, der ihr in kurzer Zeit von unwilligen Wählern präsi-nkirk werden wird. Vor allen für das Ecnlrnm. Ta ist rö Herr lOr. Lieber, der überzeugend darihut, daß es so nicht mehr weiter geben kann, um zu dem Schlüsse zu kommen, daß Alles beim Alten bleiben müsse. Herr Lieber findet die Zeilvcrhäliiiissc für Mehrbelastungen nickt angethan, und in der Thal ist cs, wie auch IOr. Miguel anerkannte, in dieser Periode der wirth- schaftlichen Depression eine barte Nolkwendigkeit, Steuern zu erhöhen oder neu einzusühren. Aber tie Nolkwendigkeit ist herbeigefnbrt und zwa> unter Mitwirknng dcS Reichs tages, der durch das Militairgeiey ein AuSgaben-PluS und durch die Handelsverträge ei» Einiiabmen Miniis genehmigt bat. Und schont Herr Lieber etwa die Steuerzahler? Im Gegen- ibeil, er belastet sie als solche, während die Sleueipolitik der Regierungen, von der bald prrisgegebenen Besteuerung deS Weines, der Quittungen, Frachtbriefe n. s. w. abgesehen, die Ucbernabme der Mehrbelastung in daS Belieben des Einzelnen stellt. Die wirldschaftlicke Depression inackt sich doch nicht etwa in einer ideellen Rcickssphäre be- merkbar, sic wird von dcn Rcichsangchörigc» in ibren Bundesländern empfunden, nnb dort will sie Herr Lieber ignoriren, indem er die Notbwen di gleit einer Ver mehrung der direkten Steuerlasten schafft. Und da bei — kennzeichnend für die Aufrichtigkeit seiner Politik — überschreitet der „Mußpreuße" die Eompetcnz de- Reiches und mischt sich in die Steuergesetzgebung der Einzelstaaten, er, der in einem Albem großes bnntckpoliiischeS Gewickst aus den Widerstand de« Heriii v. Miilnackit in einer Angelegen heit legt, in der dieser Minister selbst die Eomvetenz de- Reiches ausdrücklich ancrkaimt bat! Hätte Gras Posadowsly den in der direcren Steuergesetzgebung „rückständigen" Staaten, zu deden Bayern gehört, die Reform ihres Stcurrwesenö »ahcgelegt, so unterliegt cs keinem Zweifel, daß 10,-. Lieber fick, beeilt hätte, auf einer Proiestversammluiig in Aschassen- bürg oder Würzburg die „Berliner »nilarischen Tendenzen" zn deuuneirc». Nichl um eine- Pscunigs Bruchtheil werth- voller ist übrigens das Verlangen »ach direkten RcichS- Ileucrn. Sie sind zur Zeit, selbst wenn die bundeSrechllichen Bedenken gewisser Ein^elsraalen zu besiegen wären, wegen der Verschiedenheit bcr Gesetzgebung absolut undurchsührbar. FsrriHetsi,. Ellida äilström. Sj Roman von H. Palmü-Paysen. NaStrul «ertöten. „Keinen Scherz, Bodo, ich bin nicht da;» aufgelegt." „Pardon, Tante — ich sehe cS." „Weißt Du, wer hier war?" Frau von Bracht lachte höhnisch aus, „sv eine Art Eousinc von Dir." „Daö ist mir neu, eine Eonsine, eine so reizende Eousme zu haben." „Die — Tänzerin ist, ja." „Scherz, Tante." „Sieh' mit an — scherze ick?" Herr von Brackt wurde ernst. Taü zuckende, vo» beißen, rvthlichen Flecke» der Erregung gezeichnete Gesicht der alten Dame verricth deutlich genug ihre Gei»ülbssti»i»ili»g. Es trat rinc Panse ein Herr von Brackit schien nickt vsrgreisen z» wollen und wartete aus Erklärungen Er besaß scharf au-geprägte GesickkSlüge. die ihn älier als dreißig Iabre, die er zählte, erscheine» ließen. Sein blonder, spärlich behaarter Kops mit de» scuinalen, listigen, turch einen Kneifer schallenden Auge» saß aus hageren Schultern. Er t-csaß ein längliches, unsrischeS Gefickt mit graugelhlickt»i Teint. Die sich clivas auswärts ziehende L tcrlippe deS gewbbnliche» Munde« zeigte in der Mitte eine Veriiesuiig, ähnlich einer Hasenscharte, welche der blonbc, in langen, weiche» Ente» abwärts fallende Schnurrbart nickt ganz verbergen konnte. Beim Sprechen blitzten weiße, häßlich geformte Zähne, die etwas vom Naaetbicr an sich lrnge», darunter hervor. „Bodo, die Person muß sortgeschassl werden", sagte plötz lich die alte Daino, wie aus einem wirren Getankengange heran«, „sic muß hier au« der Stadt fort. Meinetwegen d»rch Geld, durch Intriguo oder — eS kann gleich sei», wo durch, nur fort, fort!" „Wenn das möglich zu machen ist." „Cie besaß die Dreistigkeit, mir eine Scene vorznschau- spirlrrn, Bodo. Sprach von einer Verwaisten, Heiiiiathlosen, von Diedrick « Kinvc, wie von einer zweiten Person, und meinte sich dock nur selbst." „Also Dietrich ist todt?" kragte Herr von Brackt hastig, „warm, wo?" Die alle Dame zuckte mit den Achseln und erzählte daS Erlebnis; der letzten Stunde. „Da- ist ja eine ganz romantische Geschichte und deshalb nicht recht glaublich, Tante." „Eine gräßliche Geschichte — eine Blamaqe für uns." „Vielleicht ist cS nur aus Erpressung abgesehen — glaubst Du, daß Dietrich die Person damals gcheirctthel hat?" ,E« war seine Absicht, warum sollte er sonst sein Erbe preisgkgeben habe»?" „Ich hätte mir den Brief geben lassen, Tante, und daS dreiste Mädchen ansgeforscht, ick hätte eS mir gar nicht merken lassen, daß ich ihr i» die Karten schaute — indessen sic wird wieder komme» und dann werde ich mit ibr svrechen. Wer weiß, ob sie nicht irgend ein abeiileuerhasteS Frauen zimmer einer Komötiaiiientruppc ist." „Es ist Dicdrick'S Kind — ein Blick belehrte mich! Die Augen so blau und das blonde Haar, ob!" Ein weictwS Ge fühl wallte in ihr auf, ihre Angr» feuchtete» sich, aber sie schämte sich dessen, beschirmte dieselben mit ihrer Hand und sagte raub: „Wäre er nie geboren I" „Qder", schaltete der Nesse, Herr v. Bracht, mit einem forschenden Blicke ein: „Hättest Du ihn nie verstoßen." Da erhob sie das Haupt. „Und erlebte ich dasselbe noch einmal", sagte sie Kart, „so tbätc ich auch dasselbe wieder. Sein Tod schmerzt »»ch nicht — er erlöst mich." „Qb kiese Nachricht aus Wahrheit beruht? Vergiß nicht, daß Du cS mit Koinödianlciipack zu ihn» hast." „Gewiß nicht, aber ick kenne auch »i«i»eu Sohn, eS wäre daS Letzte, was der Verstoßene ldäle, daß er —", sic stöhnte und machte eine abwehrendc Handbewegung — „sprechen wir nickt mehr davon." „Ich will Erkundigungen cinzicben, Tante, rege Dich bis dahin nickst uiiiiötliig ans", beschwichtigte Herr von Bracht. „DaS magst Tu tbun." „Soll ich mit Werner sprechen und dieser mit seinem Onkel? Als Intendant ist er allmächtig, bestimmt die En gagement«, die Eontracte; solche Personen sink ja ganz in seiner Hank Und wen» taö Eine und Andere nicht hilft — eS giebt »och Mittel genug, so Einer Len Aufenthalt hier un erträglich :u mache». Eine Tänzerin, die nicht gefällt, ist cntlassrn. Man spitzt den Mund und pfeift — wa« will sic macken " Frau v. Brackt hörte zerstreut zu. „Bodo", sagte sie in dem ihr eigenen, rauhen, bestimmten Ton, „über die Schwelle dieses Zimmers darf nichts von dem, was wir heute erlebt haben, dinanS kommen. Was einst geschehen, ist der Vergessenheit längst anheim gefallen Auch nicht der beste Freund darf — soll eingcweiht werden in diese Familienangelegenheit. Ich überlasse daS Nächst liegende Deiner Klugheit, Deinem praktische» Sin». AIS nicm adoptirtcr Cohn »»v Erbe wirst Du das Richtigste u»V Zweckmäßigste schon lieranssiiideli, unser» Namen von der Echmach dieser Veiwaiitlschaft rein zn halten wissen." Cie seufzte schwer aus. „Was kann ick alte, vielgeprüfte Frau tbun — auSvarre» und dulden, daS ist mein Loos seit bald zwanzig Jahre»." Herr v. Bracht sprach tröstend auf sie ei», ebne daß sich aus seine,» kühlen Antlitz eine seine» Worten entsprechende Theilnabiiie zeigte. Tieie Fainilienangclcgenhcit hatte ilm ja zn dem gemacht, was er mar, z» rinem viel beneideten Erben, zu dem Guts herrn von Illenstcin. 4. Capitel. Unterdessen hatte der MielbSwagcn, der das so verletzend behandelte Mädchen in die Stadt zurückbringen sollte, eine beträchtliche Strecke deS Weges znrückgclcgt Tie Gegend breitete sich flach und einförmig vor dcn Augen auS. Hier und da bastele noch der kürzlich gefallene Schnee auf dem Tache eine« vereinzelt daliegcnten GeböslS, oder zwischen den Hecken, die den Weg von den Acckcrn abgrenztcn, sonst sah Alles braun und dürr aus. Ab und zu blitzte wohl die Sonne einmal über die gesurchicn Felder, wen» der Wind die dakinsliehcntcn Wollen auSkinaiiderriß: das kam unk ging aber so schnell wie Lachen und Weinen ans einem Kinbcr- antlitz. Ellida Silström saß still da. Härte und Lieblosigkeit wirken auf ein unverdorbenes Gemülb wie ein harter Stüt aus weichem Wach«. Sie lasten Spuren zurück. Sie lonnic überdies oft recht nachdenklich sei», die liebliche Ellida trotz aller Heiterkeit ihre« sonnigen Wesen«. „Wenn ich eS wäre, die arme Verstoßene", dachte sic bei sich, „ick» wollte gar nichts mit dieser derben Fra» zu tbun baben. O, lieber arbeiten wie eine Magd, als an tie verschlossene Thür eines Herze»« klopfen! Wa- die Mutter wvbl sagen wird. Arme Mutter! Es war doch gescheit, daß ick mich aus eigene Füße gestellt habe. Ob sic nirincn Brief schon hat? Ob sie böse wird oder sich fügt? Sie muß sich fügen. Mil nennzebn Jahren ist man kein Kind mehr. Und sie kriegt mich so schnell auch nickt wieder zurück Und wenn dock,, nicht ohne Kranz und Lorbeer, die nur Wert!' für mich haben, weil sie sich darüber freuen wird. Ach, wäre cS erst so weit!" Ter lebhaften Phantasie dieses Mädchens schwebten bei diesem Gedanken plötzlich die glänzendsten Bitter vor Auge» S>c sab sich aus bell erleuchteter Bühne einem grogen Publicum gegenüber. Sic sab sich tanzen, bewegen in de» vielgcüdtcn Tanzspiclen ihrer Kindheit, so leicht und wonnig wie daheim im Saale ihres geliebten Pflegevaters, dessen Iheucrstc, beite Schülerin sie gewesen. Und liebe Worte tönte» in ihrem Ll>rc »ach: „Ellida, süßes Kind, wenn Tu ans die Bühne lämst, Tu würdest die Welt von Tir rede» machen — Tn bist eine Fee, eine Else — Tn tanzest nicht. Tu schwebst, Tn stiegst kabin, leicht wie der bezchwiligte Vogel i» den Lüsten — ick säbc Lorbeer und Kränze i» ui, gezählten Menge» zu Tcincn Fützen, wen» Tn nickt ver dammt — vcrt.iiiiiiil wärst, so s.igtc er, zn einen, verlassenen, alltäglichen, nüchterne» Leben." Räthselbasle Worte. Warum sollte sie nicht wie Andere, wie er in der Kunst lebe» und weben, warum sich scheue», vor die Oeffeittlickleit zn treten? Zaubcrglcich sollte sich »nn il» Leben ander- gestalte», so wie der alte Mann, wie sie selbst cs sich i» aller Still« ersehnt. Ja, die Mutter sollte ihre Kränze und Lorbeeren haben, da« war auögkinachl. Tie erste Blume, der erste grüne Zweig, tie aus die Bühne siegen, würden nach Schwede» geschickt, gehörten ihr, damit sollte dcr großen Liebe ihre« Herzen- ge huldigt werden. Ellida Silslivi» lachte in sich hinein. TuS sah so sonnig auS wie der goldene Strahl draußen, der eben über die Felder huschle. Tic besaß ein liebliches Lackeln, das ihrem Gcstchtchcn eine Art Verklärung gab. Aber wenn sie lachte, sah sic drollig au«, tan» zeigten sich leicht zwei Grüb che» in den Wangen, und was spaßka;! auSsah: da« NäSchcn zog fick cm wenig krau«. Tic tickten bräunlichen Wimpern deckicn dann noch mehr tie Auge», und man sühlte sich ver such!. mitzulachen, wenn man auch nicht wußte, worüber. Tic Stunde WcarS flog schnell dabin. Die Stadt war erreicht, und dcr 'Wagen hielt nun vor dem altmodische» Hause in dcr Vorstadt. Ellida bezahlte den Idntscher und betrat den Garten. Nciigicrigc Kindergesichlchtii lugte» durch die Fenslerschrlbcu deS Erdgeschosses, verschwände» aber plötz lich. als das Mädchen ihnen znnickze. Im Haneklur spielte ein alleiliedsleS, etwa sechsjähriges Kind mit einer Puppe, die im Wägelchen lag. Das kleine Mädchen war so in sein Spiel verliest, Laß es tie Emtrelend« zuerst gar nickt br- wirkte.
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