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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.03.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-03-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940322023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894032202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894032202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-03
- Tag1894-03-22
- Monat1894-03
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Die österreichische Regierung rerließ ein wenig da- frühere Lnstem und suchte durch einige Eoncessionen die Stimmung des ungarischen Volkes zu kämpfen, das Eentur- nnd Polizeiwcse» ward ein weniger drückendes und man gestattete den Magyaren eine freiere tleußerung in Wort und Schrift. Diesen Wandel benutzte ker speculative Buchhändler und Buchdrucker Länderer ren FiiSkal in Pest zur Gründung einer Leitung. Er erhielt taS Privilegium dazu und euaagirte Kossuth als Redakteur. So cntstand das „Pesti Hirlap" (Pester ZeitungSblall), eine Zeitung, kie bald im ganzen Lande gelesen und in allen Hauptstädten Europas genannt wurde, Kossuth war ein geborener Journalist, mixonirend durch seine Kennlnisse, eifrig, jederzeit schlagfertig, sein Stil blendend, voll Glutb, Phantasie und Kraft. Zn seinem blühenden Stil wußte er die magyarische Sprache ui verjüngen, und genial ergänzte er die Lücken des nriomS. Tie Zeitung war ein Ereigniß und gewann sehr bald 10 000 Abonnenten. Die Opposition und rx liberale Partei hatte au ihr ein Organ, dessen Nacht so schnell wuchs, daß der Ecnsor trotz der wiederholt Wien anlangcnden und stets verschärften Weisungen daö enrnal nicht mehr dämmen konnte. Es wurden oft ganze Ägen gestrichen ober die Artikel bis zur Unkenntlichkeit ver bummelt. Kossuth aber schrieb unverdrossen neue, und seine Gönner und Freunde thatcn legale Schritte, um den Ueber- iriffcn und der Willkür der Wiener Polizei entgegenzutrctcn. Diese drohte dem Verleger mit Einziehung der Eoncession und lein Redacteur mit Entfernung von seinem Posten, aber die ,trennte der Regierung belehrten sic, daß dieser Schritt das Uebel nur noch mehr verschlimmern und alsdann in den LomitalSsälen seinen AuSgang sinden würde. Die Magnaten und die conscrvativc Partei Ungarns erschraken vor dem kühnen Ton, den Kossuth in seinem Journale anschlug, und rer der Gewalt, mit der seine Publikationen das Volk fort rissen. Sie gründeten ein Journal, welches Kossuth aus gleichem Felde und mit gleichen Wafscn bekämpsen sollte. TaS neue Blatt erschien unter dem Titei „Budapesti Hirlap" und wurde von dem Grafen Dcssewfsy retigirt. Run begann rin geistiger Wettkamps um die heiligsten Interessen deS Landes und tes Volkes. Die Blasse der Leser schwur aus das Wort Kossuth's, kie gemäßigtere Partei dagegen ward Ankängerin des neuen aristokratischen Journals, zumal da dasselbe geschickt redigirl wurde und geistreich und überzeugend geschrieben war. Die Angriffe, welche Kossuth vom Grasen Dessewffn und auch vom Grafen Stephan Szöchünyi zu erleiden batte — der Letzt genannte veröffentlichte mehrere Slreitbroschüren gegen den zesürchtetc» Agitator —, dienten nur dazu, Kossutk zu nock größerem Ruhm zu verhelfen, und La auch Graf Ludwig Battbyanlsi sich seinem Organe anschloß, wurde das „Pesti Hirlap" sehr bald daS Panier der gesammten Opposition, die überall bei den Wahlen den Siez davonlrug. Die Re gierungspartei erhielt eine Schlappe nach der andern. Kossuth wollte schon damals als Eandidat für den Reichstag auf- treten, aber die oppositionelle Magnaten-Partei hielt ihn vor läufig noch von diesem Schritte zurück u»d benutzte ihn nur als Agitator. Ein Zerwürfnis; mit den Verlegern Länderer und Hcckcnast bewog Kossuth, von der Redaktion des „Pesti Hirlap" zurückzutrcten. Die Beamten der Statthalter« in Ofen und die Wiener Hof-Kanzlei machten ihm Hoffnung, er werde die Erlaubniß zur Gründung eines neuen eigenen Journals erhalten. Selbst der RcichS-Palatin und der Reichs-Kanzler gaben ihm die Zusage, sein Gesuck höheren OrlS zu unterstützen. Nur ein Mann war so ehr lich, dem Petenten offen zu sagen, daß er nun und nimmer auf die Genehmigung seines Gesuches rechnen dürfe, und dieser ehrliche Mann war — Fürst Metternich. Kosiuth hatte in dieser Angelegenheit uni eine Audienz beim Fürsten nachgesncht und sie bewilligt erhalten. Der allmächtige Minister hörte den gewandten Redner ruhig an und ant wortete darauf in seiner glatten böslichen Weise ohne Um schweife, okne Bemäntelung, ohne diplomatische Kniffe und Vertröstungen: „DaS beobachtete System der Regierung könne keine Agitation unterstützen, wie sic der Leiter des „Pesti Hirlap" begonnen habe." AnS der liberalen Partei, die in allen ihren reformatorischen Schritten den Geist der Mäßigung bekundete, entwickelte sich gar bald eine wcitcrgchenke, radikale, an deren Spitze Kossuth stand, der 1847 als Eandidat für das Pester Eomitat in den Reichstag gewählt wurde. Kossuth's Forderungen waren weitgehende. Er forderte für Ungarn eine selbstständige Rationalregierung, Gleichberechtigung aller Stände, Preß frciheit, Schwurgerichte, ein verantwortliches ungarisches Ministerium, Wehrpflicht der Soldaten nur innerhalb des ungarischen Reiches, gänzliche Befreiung des Bauernstandes von allen ungebührlichen Lasten, eine allgemeine Steuerpflicht, den Erlaß aller Beiträge zur österreichischen Staatsschuld. Auch auf praktischem Wege suchte Kossuth für die Ver besserung ungünstiger nationaler Verhältnisse zu wirken. Die Stiftung des Industrie-Vereins, des SchutzvercinS zur Be günstigung inländischer Produkte, die Begründung der ungarischen Handelsgesellschaft, die Rcgulirung der Pester Spar kasse und viele andere Einrichtungen sind sociale Schöpfungen des Kossutb'sche» Fleißes. Alle Anstrengungen der gemäßigten Partei, Kossuth zu einer Versöhnung mit Oesterreich zu be stimmen, schlugen fehl, und die WicnerMärzereignisse des JabreS 1818 drängten die österreichische Krone zur Nachgiebigkeit und führten zur Erfüllung der Kossutb'schcn Pläne und For derungen. Ungarn erhielt ein selbstständiges Ministerium unter dem Grafen Ludwig Battbvanni und Kossuth ward sein Finanzminister. Mit großem Scharfsinn ging derselbe an die Aufbesserung der Finanzen, um im Falle eines bevor stehenden UnabhängigkcitSkampseS Geldmittel flüssig zu haben; zugleich suchte er durch Wort und Schrift die Mitglieder der gemäßigten Partei für seine freiheitlichen Ideen zu erwärmen und für sich zu erwerben, und seine Worte sielen aus einen fruchtbaren Boden. So klug und berechnend die Politik Kossuth's auch sein mochte, in einem Punkte machte ihn sein unbegrenzter Rationalstolz kurzsichtig: er ignorirle und ver letzte die Interessen der übrige» Nationen, welche seit Jahr hunderten mit Ungarn verbunden waren, — die Kroaten, Ratzen, Serben. — und ging sogar so weit, die Anerkennung ihrer Nationalität zu verweigern. Es erhob sich ein Sturm der Entrüstung, und im September deS JabreS 184!» er klärten sich die genannten Nationen im Einverständniß mit der österreichischen Politik und ergriffen auf Geheiß deS österreichischen Kaiserhauses unter Führung ihre- BanuS Jellachich die Waffen gegen Ungarn. Die Er mordung deS kaiserlichen Abgesandten, Graf Lamberg, durch den siebenbürgischen Studenten Komloßn auf der Brücke zu Pest (28. September I818> und weitere schmachvolle Vorkommnisse drängten den Kaiser zur Aushebung deS ungarischen Reichstags. DaS königliche Rescript vom .4. Oktober verordnet u. A.: „Alle vom König sanclionirtcn Beschlüsse sind unziltig . . . Alle in Ungarn und seinen Nebenländer», sowie in Siebenbürgen liegende Truppe» und bewaffnete» Krieger sind dem Oberbefehle deS BanuS Jellachich untergeordnet . . . Das Königreich Ungarn ist den Kriegs- gesetzcn unterworfen. Ter Ban von Kroatien ist zum könig lichen Eöiiimissar ernannt ... er hat alle Befugnisse eines Stellvertreters der königlichen Majestät" . . . Der Würfel war gefallen. Ungar» war unter daS Kriegsgericht gestellt und jak sich zwei mächtigen Feinden gegenüber. Die in Wie» au-gcbrocheiic Oktober-Revolution erfüllte daS ungarische Volk und seine Führer mit stürmischer Hoffnung und Heller Begeisterung. Kossuth's denkwürdiger flammender „Ausruf an die Ungarn" drang in die entferntesten Winkel deS Landes und stampfte gleichsam Soldaten aus dem Boden. Ezeglcd allein stellte 12 000, Szegekin sogar 14 000 Streiter; Freikorps entstanden, ihnen allen voran die Bataillone der Nationalgarde (HonvedS). Kossuth entwickelte als Präsident an der Spitze des Landcsvertbeidigung-auSschusscS bei der Organisation der Truppenkörper einen wahren Feuereifer. Doch wurde der Enthusiasmus der ungarischen Bevölkerung sehr bald durch die Hiobspost bcrabgcstimmt: Wien ist durch Windischgräy und Jellachich gefallen, die Revolution ist unterdrückt, das ungarische Heer bei Schwechat (40. Oktober) zurückgedrängt; Fürst Windisckgrätz rückt zur Unterdrückung tcü Aufstandes mit seiner Armee über Karlöburg, Ungarisch - Allenburg, Wiesclburg und Raab gegen Pest heran! Aus klugen Rath deS ungarischen KriegSministerS McffaroS zogen sich am 41. Dc- cember 1848 die ungarischen Truppen von Pest in die Niederungen der Tbeiß zurück; der Sitz der Regierung ward in das Innere des Landes, nach der Stadl Debrcczin verlegt, nnd am l. Januar 184!» ward Alles auS Pest weggcsührt, was irgend von Werth war: die Pressen und Papiervorräthe fiir die Banknoteusabrikation, die öffentlichen Eassen, alle Waffen, Unisormstücke, Munitionsvorräthe, selbst die Loko motiven und Wage» der Eisenbahn gingen über Szolnok »ach Debreczin. Fünf Tage später hielten die Kaiserlichen ihren feierlichen, glänzenden Einzug in die Hauptstadt Ungarns, und die kaiserlichen Oberseldberren Fürst Windischgrätz und der Banus Jellachich erließe» sofort folgende Proklamation: „An die Ungar»! 1) Jedermann, der mit was immer für einer Waffe gefangen genommen wird, ist augenblicklich durch den Strang tiinzurichtcn. 2) Jene Ortschaften, auö welchen vereint mehrere Einwohner sich erkühnen, von der k. k. Armee Eouricre, Transporte und einzelne Eommandantcn anzugrcifen oder ihnen aus welch immer für eine Weise zu schaden, werden der Erde gleich gemacht. 4) Tic OrtS- obrigkcitcii bürgen mit ihrem Kopse für die Ausrechtbaltung der Rübe." Ter Minister Batthyanyi wurde zwei Tage später gefangen genommen und in den Kerker geworfen, Kossutk, der in der Nackt vom 4. zum 5. Januar geflohen war, ward vogelfrci erklärt, und sein Nimbus begann in dem Maße zu blassen, wie der Rubni seines Rivalen Arthur Görgev, der sich durch sein militairischcS Genie — das Kossuth vollständig abging, — im Fluge zum Oberbefehlshaber der ungarischen RevolutionS-Armcc autgeschwungcn batte. Von Natur stolz und ehrgeizig, unzugänglich, frostig, berechnend, unlenksam bis zum Starrsinn, war sein Gemllth jeder Begeisterung verschlossen und ließ ihn für die Sacke deS Vaterlandes ohne Enthusiasmus. Er nahm nur Dienste in der ungarischen Armee, ui» Earriöre, um sich einen glänzenden Namen zu mache». Er sab scheel auf den Ruhm Kossuth's, dem cr seine Wabl verdankte, und agitirle heimlich und offcu gegen dessen Verfügungen, Maßnahmen und Pläne, die dahin ginge», jedes Band zwischen Ungarn und der babsburglscken Dynastie z» zerreiße» und seinem Vaterlande die vollste Unabhängigkeit zn gebe»; und diesen Wunsch — der ihm bis zu seinem letzte» Atbemzuge der heiligste war — wußte cr damals zu rcalisiren. Im Einverständnisse mit dem ReichSralbe wurde am 14. April 181!» sein Antrag zum Beschluß erhoben, das Haus Habsburg des Thrones für verlustig und Ungar» für eine Republik zu erklären und zwar, weil Oesterreich die Hilfe Rußlands zur Unterdrückung Ungarns hcrbcigerufen habe. Der Act der Unabhängigkeit- crkiärung, — sic umfaßte 44 Paragraphen — fand' ln der große» Kirche der Rcsvrmirtcn in Debreczin statt. Tausende und aber Tausende auS allen Tbcilcn deS Ungarlandes waren hierzu berbeigeströmt. Paragraph 1 dieser Erklärung, die von Kossutk verlesen wurde, lautet: „Ungarn samml dem damit gesetzlich vereinigten Siebenbürgen und allen dazu ge hörigen Theile», Länder» und Provinze» wird als ein freier, selbstständiger und unabhängiger europäischer Staat öffentlich erklärt. AuS Paragraph 2: Dieses ... Habsburg Lothringer Haus wird von der Herrschaft über Ungarn, den dazu ge hörenden Tbcilcn und Länder» im Namen der Nation auf ewig ausgeschlossen, entsetzt und von dem Genüsse deS LandcS- bodcnS und aller Bürgerrechte verbannt. So wie derselbe auch hiermit deS Thrones verlustig, ausgeschlossen und ver bannt, im Namen der Nation erklärt wird . . ." Zugleich mit der UnabkängigkeitSerklärung ersolgte Ludwig Kossuth's Ernennung zum verantwortlichen Regierungspräsidenten. Am 1.',. Mai schwur cr als solcher den Eid auf die Unabhängig keit nnd am 4. Juli kielt er seinen feierlichen Einzug in Pest. AuS de» Memoire» der Baron», Wilbelmine v. Beck, die dem Regierungspräsidenten Kossutk während der Zeit der Erhebung Spioiidienstc leistete, wissen wir, daß sich der ungarische ReichSrath damals ernstlich mit dem Gedanken beschäftigte, „die ungarische Krone einem Eoburger Prinzcu (Ernst von Sachsen-Coburg- Golha) zu übertragen." politische TagesschlM. * Leipzig, 22. März. ES giebt dock schleckte Menschen unter den Zeitung- schrcibcrn und ihren Hintermännern, Jntriguaiitcn der schlimmste» Art! Wer das etwa noch nicht gewußt hat, erfährt cS heute durch die „Kreuuettung", deren Kennerschaft ebenso über allen Zweifel erhaben ist, wie ibre Loyalität. Heute enthüllt daS Blatt mit tiefer Entrüstung eine schnöde Jntriguc, die den Zweck verfolgte, dcn Finanzniinister I»r. Miqnel an höchster stelle zu compromittircn. Am Montag Abend war »ämlich in ker „Berl. Börsen-Zeilung" zu lesen: „Man schreibt uns: Morgen findet beim Finanzininisier Ur. Miguel ein Diner statt, zu dem der Kaiser sein Erscheinen zugesagt hat. Man ist cS gewohnt, daß der Monarch ühntiche An- lässt benutzt, »in seinen Ansichten in einer weithin vernehmbare» Weise Ausdruck zu geben. Auch morgen erwartet man bemerke»-, werlhe Aeußerungen des Kaisers, namentlich darum, Westes de» Anschein hatte, als habe sich die Stellung Miguel s »ach oben ein wenig verändert. Wir dürfen aus Grund guter Informationen sagen, daß dem gerade morgen rin Ende gemacht werden wird. Die Berdachligung deS Finanzmiuistcrs, als strebe cr darnach, Reichskanzler zu werden, mußt« an maßgebender Stelle um so mehr a» Wirkung verliere», als es gleichzeitig von dcn Gegnern Miguel s diesem als Vorwurf entgegen gehalten wurde, daß er zu alle» Negiernngsmaßregel» seine Zilsliminung gab, selbst zum Schul, gesktzentwurs des Grase» Zedlitz. Eines oder das Andere ist nur ----- FeiiiHetsir. Ellida Silllröm. 41! Roman von H. PalmS.Paysen. Nachdruck Verbote». (Fortsetzung.) Wie sic so gesenkten HuuptcS sich von der verlassenen Viibne abwcndct, um durch dcn langen Gang in ihr Zimmer zu gelangen, mit dem traurigsten Gefickte von der Welt, da kreuzt der Intendant in Hut und Mantel nochmals ihren Leg. „WaS — der Professor sckon fort — und Sic so traurig'? — Nach einem solchen Ehrentage sollten Sie sich die Stimmung dadurch nicht trüben lassen", redet cr sie sarkastisch an. Ellida bebt energisch ihren Kopf. Es giebt Augenblicke, in denen ihr ein unbegreiflicher, wenn nicht verwegener Muth kommt, diesem Mächtigen entgegen- zuireten. Ihr blaues Auge kann in solchen Minuten einen io festen, stolzen, durchdringenden Blick annchmcii, daß man ersah, ihre Geduld und Sanftmutb kannten auch Grenzen. Die höhnischen Worte reizten und schmerzten sie. „Traurig", sagte sic, „bin ich dadurch nicht, schlimm, wen» iib mich von Launen lenken ließe. DaS glauben Sie auch selbst nickt. Traurig bkn ich nur dann, wenn man mir ernstlich «eh thut." „Und das hat der Unglückselige eben getban?" „Nein", sie sab ihn feit an, „nicht der Professor — Sie!" „Kann ich Ihnen webe thun? „Wie oft." „DaS ist mir etwas Neues." „Mir etwas Gewohntes." „O — o, was Sie sagen. So hätte ich Ihnen eben Weh ge,Han?" „Sie fragen noch?" „Und wodurch?" Eine Sekunde zögerte sie mit der Antwort» dann schon »icht mehr. „Das ganze Haus, der Höchste wie der Geringste, hat sich «ir freundlich beute Abend gezeigt, nur Sie nicht". „Ach, Sie wollen ein Lob." ( „Nein, was Bessere», ein einziges gutes Wort — das war 2h»eu zu viel — wa« nützte nun der fröhliche Muth." ES klingt ein Schluchzen hindurch. Sie will an ihm vorbei und fort, da sagt er ganz weich und mild: „Liebes Kind, eS war ja nicht so böse gemeint — hier meine Hank, verzeihen Sic mir. Aber einen Glückwunsch bringe ich nicht über die Lippen — warum nicht, ja, das kann ich Ihnen nicht sage» — Sic würden mir entweder böse sein, oder mich auS- lachen — und daS schickt sich nicht für eine prima bull,'rinn." DaS klingt halb wie Scherz, halb wie bitterer Ernst. Sie sehen sich Beide stumm in die Augen. Vielleicht erräth der Eine deS Anderen Gedanken. Gesprochen wird nichts mehr. Dieser eine Blick, dieser eine Hänkekruck, und sie trennten sich. 54. Capitel. Die Vorstellung ist spät zu Ende gewesen. Auch Herr von Brackt hatte derselben bcigcwobnt und verließ, sortzczogen von dem Strom der Menge, das Theater, bestieg seine» vor dem Portal harrenden Wagen und ließ sich von den schnellen Pferden, deren Hufe der Glätte wegen geschärft waren, im schnellen Trapp auf sein Gut hinauSfabren. Im Herrcnbause brannten noch Lichter. Trotz der späten Stunde ward der finster Dreinschauende doch erwartet. In dem großen überheizten Gemache saß die alte, hagere Dame vor dem flackerndem Kamin, Knie und Füße in eine Prlzdecke gehüllt, denn eS fröstelte sie trotz der fiebernden Spannung, in der sie sich augenblicklich befand. Vor ihren Augen die Lorgnette ballend, blickte sie nach der sich öffnenden Thür und laö aus den Mienen des Hereintretendcn, noch ehe derselbe ein Wort gesprochen, was sie zu hören gefürchtet hatte. Sie wollte fragen, aber ihre Stimme schien ru versagen, denn sie brachte kein eizigeS Wort hervor, als sie dir Lippen öffnete. Ein kleiner Pinscher war den, rintretenden GutSderru eut- gegengesprungen, aber rob bei Seite geworfen worden. „Ein verfluchter Abend", stieß Herr v. Bracht zwischen den Zähnen hervor, in der wüthenden Stimmung den Guten- Abend-Gruß und jede Höflichkeit vergessend — „sieh mich an, Tante, und Du wirst wissen, weSbalb ich ibn verflucht nennen muß. Berzeih' diese Sprache, ich bin aber in einer Stimmung, daß ich Alle» zertrümmern möchte, was mir gerade in die Finger kommt". „Mäßige Dich, Bodo, Du machst mich noch nervöser als ich bin. Sie bat gefallen — natürlich — und wird angestellt — und —" ibre Stimme versagte wieder. Sie batte ibren hageren Oberkörper weit vorgebeugt und sah ihren Neffen mit unangenehm verzogenem Gesichte an. „Gefallen? Das Wort sagt nichts — die Leute waren einfach verrückt. Wenn daS Orchester nicht dazwischen ge legen, ick glaube, sie wären auf die Bübne gesprungen und hätten ihr —" er stieß ein ironisches Gelächter an« — „die süßen Füße geküßt. Die Verhimmelung war geradezu wider wärtig. An Sträuße und Kränze batte natürlich kein Mensch gedacht — nach dem FiaSco —, beim letzten Act aber flogen trotzdem noch welche aus die Bübne, wahrscheinlich aus den Nächstliegenden Kaufläden bcrbcsorgt. Na. unk der Skandal im Theater, dieser ohrenbetäubende Beifallssturm — wie bereits gesagt, es war nicht zum Anhörcn und auch nicht — zum Ansehen." „Und gezischt wurde gar nicht?" fragte die alte Dame mit trockener, beiserer Stimme. „Ich machte cinmal den Versuch dazu hinter dem Taschen tuch — zu hören war davon nichts, und Vorsicht überdies geboten —, ich glaube, die verrückte Maste hätte mich an die Luft gesetzt, am liebsten gelyncht, wen» sich meine hoch verrätherischen Gedanken offenbart hätten." Herr v. Bracht, der sich seiner Tante am Kamin gegenüber gesetzt hatte, stand aus und wechselte seinen Platz. Hände und Füße fanden nirgends Ruhe. Nervös die Lippe beißend, nahm cr eine ihm in die Hand geratbene Zeitung, ballte dieselbe zu einem Knäuel und warf ihn iu die auf flackernde Gluth. „Waren denn Deine Freunde nicht dort, diejenigen, die sie damals so energisch auSgepsiffen hatten?" sagte Frau von Bracht mit zuckender Lippe. „Die mir bekannten Officiere vom Regiment . . . waren au-gebliebcn, der in sie vernarrte Bildbauer verreist, der Eine oder Andere just verhindert, und wär's nicht der Fall gewesen — wären sie auch gekommen, gezischt hätten die sicherlich nicht wieder. Da» war vorher abgemacht. Sir sind Alle in sie vergafft. ES saß ihr ein ganz parteiloses Publicum gegenüber, dessen Beifall eben keine Grenzen mehr kannte. „Ihre Anstellung ist also gesichert?" „Ganz obne Frage." „Sie wird hier bleiben, die Residenz nicht verlassen." „Höchst unklug und unpraktisch, wenn sie da» tbäte", höhnte Herr v. Brackt, „so also werden wir sie nicht loS. DaS FiaSco — ihr Sturz aus der Bübne. ihre Krankheit, die geistlose, anfechtbare Kritik — der Scribifap hätte sie damals geschickter auffetzen muffen —, dir geoffenbarten Jnlrigue», AllcS dicS hat der Person mehr genützt, alS geschadet." „Schrecklich", Frau von Brackt erhob sich nun auch und ging mit leisen Sohlen erregt im Zimmer auf und ab. Herr v. Brackt stocherte mit einem Schüreisen mcchanisch im Feuer Kerum ES entstand eine Pause. „Wären wir kier nicht ansässig, liebte man nickt die Scholle Erde, aus der schon unserer Väter Wiege stand" — sagte sie dann mit bcisercr, kurzalhmiger Stimme —, „Bodo, ich zöge auS dieser Gegend fort." „WaS »ützen die unauSsührbarcn Vorstellungen!" cnt- gegnete cr bart. „Weißt Du denn keinen Rath? Geld öffnet doch sonst Tbür und Thor — freilich, sie wird jetzt Geld genug ein bcimsen — durch ihre schamlosen Künste — o, Mensch — Sohn, der Du in der Erde schlummerst, welche Schanke halt Du Deiner Familie angelba» durch diese Horath!" stieß sie in bervorbreckender Heftigkeit bervor. Daß eS in ihrer Macht gelegen, »ach ihrem Sinne sich eine glückliche Familie heranzuziehen, in Frieden und Liebe, daß ibre lieblose Härte da- junge Mädchen in die fremden Bahnen gestoßen, das vergaß sie. Sie hatte ihre knöchernen Hände fest zusammengepreßt und mit einer Bewegung der Verzweiflung in die Höhe gehoben. Herr von Bracht ließ sich durch den Ausbruch dieser plötz licken Anfwallung, die ihm vielleicht nichts Neues >var, keines weg- rühren, er blickte nicht cinmal auf, schwieg beharrlich und starrte gedankenabwesend in das Feuer. Frau v. Bracht blieb nun vor ihrem Neffen stehe». „Sag', Bodo, glaubst Du, daß sie noch nicht geplaudert hat?" Er zuckle die Achseln. „Ich sagte Dir bereit« schon, Tante, daß mir der junge Hochstedt in seinem Benehmen gegen mich oder vielmehr be züglich seiner Bemerkungen über dir Tänzen» auffällig er scheint. Und eben dieser ist eS, der sich einer gewissen Gunst ibrerseitS ersrcut. Nun kennst Du ja Hochstedt, der bleibt nicht auf halbem Wege stehen. Es giebt keinen leichtsertigere» Frauenheld wie ihn. Ist cr erst ganz vertraut mit ihr — wie zum Beispiel mit der Nolda — so küßt er ibr da» Gc- beimniß von den Lippen ab, wenn — das nicht vor ibm schon ein Anderer getban hat", siiglc er mit einem cvnischcn Lachen hinzu; „daß sic eine Bracht ist, kann sie jeden Sag beweise«." „Aber Du sagtest ja — Du meintest —" Herr von Bracht blickte aus.
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