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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.05.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-05-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940512023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894051202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894051202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-05
- Tag1894-05-12
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bedauernden Hehl«* und verbreitete sich dann auf Grund seiner eigenen Erfahrungen und Beobachtungen über de» wirthschaftlichen Werth dieser Inselgruppe und di« . dabei io Betracht kommenden deutschen In teressen. Dieselben übrrtreffrn erheblich die aller andern Rationen. Der Handel und der Grundbesitz ist ganz über wiegend in deutschen Händen. Die Arbeiterfrage ist für tropischen Ackerbau mustergiltig gelöst. Natur und Bodenbeschaffruheit sind günstig, die Leistungen aller wirthschaftlichen Factoren steiarrungSsahig. Die Kosten der Eolonialverwallung könnten leicht vom Lande selbst aufgebracht werden. Die Ansprüche Deutschland» sind vom Staudpunct der wirthschasilichen Interessen und de» historischen Rechts begründet. Warm hob der Redner di« ^»triotischen Verdienste de» deutschen Eonsul» Theodor Weber hervor. Sehr bitter be- urtheilte er dagegen die Samoa-Acte von 188». »elch« «in dreigrtheilte» Protectorat der Regierungen «on Deutschland, Großbritannien und Nordamerika »»erstellte, mit der Zeit aber zu immer unerträg- Lcheren und unhaltbareren Zuständen geführt bat. Diese Zu stand« sind, wie der Redner durch einige drastische Beispiele belegte, der Großmächte unwürdig und dem Land und Volk selbst verderblich. Eine emsige Macht müsse die Schuyherr- schast au-üben uud daraus habe Deutschland den größten Rechtsanspruch. Wie die Neuordnung der Verhältnisse zu bewirken sei, konnte der Redner natürlich noch nicht angeben. Er weinte ab«r, Amerika sowohl als auch England erkennten die Uuhaltbarkeit de» dermaligen Zustandes an und es sei daher auf irgend welche Verständigung zu hoffen. Er Wieck auch auf die Abtretung der Hawaii-Inseln an Lwarika und der Tonga -Inseln an England als mögliche Compensation» - Gegenstände hi». Mit einem warmen Hinwei» aus die wichtigen wirthschastlichcn und natioaialen Interesse», die für Tstutschlaiid hierbei aus dem Spiele stehen, schloß der Redner. — Inzwischen wird bestätigt, dasi mehrere deutsche Kriegs schisse aus der Fahrt: nach Samoa begriffen sind. Man darf daraus das Bertrauen schöpfen, daß auch die ReichSregicrung die Pflicht auerkermt, die deutschen Interessen oortselbst kräftig zu wahre». Der Schweizer Bunde«ra»h hat bekanntlich die drei Anarchisten Dedrck au» OpredeS in Böhmen, Hooß aus Bremen und dessen Bruder, welche alle drei in Bern in Arbeit standen, ausgewiesen, weil sie gelegentlich der letzten Maifeier schwarze Fahnen mit anarchistischen Auf schriften herumgetragen hatten. Bei dieser Ausweisung wird min, zum ersten Mal, daS Verfahren eingcschlagen, daß die AnSzuweisenden nicht mehr befragt werden, nach welchem Staate sic abgeschobcn zu werden wünschen, sondern sie werden einfach an de» Staat abgeliefert dezw. an die Grenze desselben verbracht, dem sic an gehören. Dieses Verfahren dürfte wohl einem großen Theil der anarchistischen Wühler scbr »»bequem werde», weil sie in der Regel in ihrem eigene» Vaterlaude belastet sind und die Auslieferung an dasselbe für sie von bedenkliche» Folgen sein kann, sobald sie von ibrcr Polizei aufgegrisscn werde». Bisher zogen säst alle AuSgewiesenen vor, nach England zu gehen, wo sie ruhig weiter wühlen konnten. Allein »i letzter Zeit scheint auch England diese Sorte Leute satt zu bekommen und machl Anstrengungen, sich dieselbe» vom Halle zu halten. In noch energischerer Weise wird dies von der Schweiz geschehen, sobald das i»> Wurfe liegende Anarchistciigcsctz von den eidgenössischen Näthc» und in letzter Instanz vom Volke angenommen sein wird, das bekanntlich sehr scharfe Be stimmungen gegen anarchistische Umtriebe und Verbrechen enthält. Schon gegenwärtig ist eine von mehr als 20 000 Unterschriften bedeckte Eingabe an die eigenössischcu Räthc im Umlauf, mit aller Strenge gegen die Anarchisten vorzugehen und jeden Ausländer, der sich als Anarchist bekennt oder dessen Zugehörigkeit zur anarchistischen Pro paganda nachgcwiescn ist, ohne Weiteres abzuschicben. UeberdieS wird in den meiste» Städten, namentlich in den Grenzstädten, seit einiger Zeit eine viel schärfere Aussicht über die Eingewanderten auSgciibt als bisher und Individuen ohne AuSwriSpapiere die Niederlassung verweigert, und die selben, sofern sie sich anders nicht genügend auSweisen, von der Polizei über die Grenze geschafft, und zwar an die Grenze ihres HeimathlandeS, gleichviel, ob ihnen die« paßt oder nicht. Tie Zahl der Anarchisten in der Schweiz ist größer, als man gemeiniglich annimmt. Noch vor Kurrom sollen allein in Bern sich 80 Anarchisten aufgehalten habe», und doch ist dort die Zahl derselben verschwindend klein gegenüber Zürich und Gens. — Der Berliner „Vorwärts" begleitet die Meldung über den Beschluß deS BundcSrathS, alle Anarchisten in Zukunft in ihren HeimathSstaat abzuschieben, mit einem höchlichst erschrockenen: Ist'S möglich ? und macht seinem Aerger dann in folgendem Ergüsse Lust: „Anarchisten" dem HeimathSstaat autliesern. heißt einfach sie in'» Gesäug» iß uud an'» Messer liefern. Run kann man ja freilich sage«, „Anarchisten" sind keine politischen Verbrecher, aber wenn auch da« soaeuanat« anarchistische Uombenwersen unzweiselhast ein ge meine« «erbrechen ist. so sind doch di« meisten Leute, die sich Anarchisten nennen, durchaus keine Bombenwerser. Und wer wird heute nicht alles „Anarchist" genannt? Uud geht daS Bestreben der gesammten Uberal-reactiouairen Presse seit Jahre«srisl nicht daraus hin, die Gla«rleih«tt von Anarchttmu« und EocialiSmu» zu beweisen? Sin solcher Entschluß der Bundesregierung wäre einfach die Volk, ständig« Aushebung de» Asylrecht» für „politische Ber- brecher . Und daß der BundeSrath so ttef gesunken sei, können wir vorläufig doch nicht glauben". Der „Vorwärts" wird aber doch daran glauben müssen, denn der Beschluß de« BundeSratheS findet den ungetheilten Beifall deS SchweizervolkeS, und die« hat für die Social demokraten, denen ihre eigenen ungerathenen Kinder, die Anarchisten, solche Sorge machen, nur ein mitleidige- Lächeln. Der Tod de« französischen Generals Ferron macht die Ernennung eines neuen ComniandeurS an der sran« zösisch-italienischen Alpengrenze nothwendig, und die in der französischen Presse über diesen Gegenstand gepflogenen Erörterungen beweisen aufs Neue, wie Alle« in Frankreich nach wie vor sich ui» die militairischc Haltung Deutsch land gegenüber dreht. Dem Anschein nach hat der Mililair- gouverneur von Lyon und Eommandeur des ll. Armee corps, General Voisier, die meisten Aussichten, in den durch das Ableben gerron'S erledigten Platz einrurücken. Zwar werden auch andere Persönlichkeiten in Vorschlag gebracht, so namentlich General Iainout, welcher das an der deutschen Grenze cchelonnirte 0. ArmeccoipS, und General Negricr, welcher das benachbarte 7. AruieecorpS befehligt, allem cö ist nicht gerade wahrscheinlich, daß man die ge nannten beiden Generale aus Stellungen entfernen sollte, die von der vsfcnllichen Meinung des Landes zu den aller- wichligslci, und verantwortlichslcn mililairiichen Eoiumando- stetlen gerechnet werden, deren Obliegenheiten in vollem Umfange zu genügen ei» ganz specielleS Studium aller ein schlägigen Verhältnisse zur Voraussetzung hat. Niemand zweifelt daran, daß sowohl Iamvnt wie Negrier ihre Stelle an dev italienische» Grenze bestens auSsüllen würden, aber ob man gleich einen vollwichtigen Ersatz für den einen oder andern in den bisher von ihnen versehene» Posten würde schassen können, daS ist die Frage. In der öffentlichen Meinung verknüpft sich das Vewnßtsei» der Sicherheit im Osten gegen Deutschland mit de» Persönlichkeiten der seit Jahren dort commandirenden Generale. Dieses Bewußtsein würde einen Stoß erhalten, wenn ohne Beweggründe zwingendster Art ein Personen wechsel an der Spitze deö 0. oder 7. Armeccorpö vor sich ginge. Ohnehin wird die für einen nahen Zeitpunct in Aussicht genominenc Verdoppelung des 6. ArmcrcvrpS durch reisende Veränderungen in der Armeeeiiiiheiluug zur Folge aben und eventuell die Berufung Iamonl's sowohl als Negrier'S zu höheren Funclioiicn iiiit sich bringen, deshalb dürfte inzwischen au dem dortigen i-tatim guo schwer lich gerüttelt werten. „Mögen die beide» Generale" — schreibt ein auch im Auölande viclgelcsencs Pariser Blatt — „von de» Eomnianteurslelle» des »>. und 7. Eorps abbernscn werde», um spcciclle Missionen zu erhalten — sehr Wohl. Aber diese speciellen Missionen dürfen sie aus kein anderes Gelände führen als das ist, was sic seit so manchem Jahre studiren und mit dessen defensive» wie offensiven Hilsöqncllen sie sich in so bewunderungswürdiger Welse vertraut gemacht haben." In vielen französischen Städten wurde in den letzten Tagen die kürzlich erfolgte Seligsprechung der Jungfrau von Lrlcaua gefeiert und die Arrangeure der Feier waren überall die römischen Kleriker. Man macht eS der Regierung zni» Vorwurf, daß sie sich die Ieanne d'Arc-Feier, die eine nationale Feier sein sollte, von den Klerikalen entwinden ließ, obwohl sie, gestützt ans den von de» beiden Kammern gebilligten Antrag des Senators Joseph Fabre, berechtigt war, die Feier zu einem nalioualcn Eriniicrungssest zu gestalten. Dieser Tadel wird nun noch mehr Be rechtigung erlangen, da auch der Graf von Paris sich der Jungfrau von Orleans bemächtigt hat, um durch die Erinnerung an diese historische Erscheinung die roy.i listi > ch c Sache zu fördern. I» seiner Antwort aus eiuc Ergebenheit« Adresse der royalistischen Jugend schrieb der Prätendent nämlich Folgendes: „Ihr Platz ist bei diese» Feste» bezeichnet. TaS Andenken a» die große Befreierin gehört allen Franzosen; eS muß sie in einem gemelnsame» Gedanken der Vaterlands liebe vereinigen. Aber man darf nicht zugeben, daß ihre über natürliche Senkung durch den Parteigeist des katholische» und royalistischen Charakters beraubt werde, den sic selbst ihr bcimaß Tc-Hatb geziemt eS ganz besonders Denen, welche ebenso fest an ihren monarchistischen Uebcrzciignngc» als an ihrem religiösen Glauben halten, einen öffentlichen Antbeil an den Huldigungen zu »ehinen, die ihr dargebracht werden." Gleich andere» Journalen spottet der „TempS" über diesen Versuch des Grasen von Paris, die neu erwachte Bewunderung und Verehrung Ieanne d'Arc'S sür seine eigenen Partei-Interessen auSzubeuten. Nack dem der General Voulanger seine Hoffnungen getäuscht hat, »rill rer Prätendent sich von der „guten Lothrinzerin" in» Schlepptau nehmen lassen. Deutsches Reich. tz Berlin, ll. Mai. Am 9. d. M. tagte im Anschluß an die Eonjerenz der Eentralstelle sür Arbeiter-WvhlsahrtS- einrichtungen ,m Archilcktcnhausr in Berlin unter dem Vorsitz de» Wirklichen Geheimen Rath», StaatSsecretalr« a. D. vr. von Iaccbi, eine von der Eentralstelle eingeladene Ver sammlung zur Besprechung der Frage, welche Wege einzuschlagen seien, um den in letzter Zeit zahlreich entstehenden Bau- genosstnschafteli und sonstigen Bauunternehmungcn zu Gunsten der ärmeren Bevölkeiung Eapital in entsprechender Höhe und zu mäßigem Zinsfüße zuzuführen. An der Be sprechung belheiligten sich Vertreter des ReichS-VersicherungS- amtcS, der Ministerien für Handel und Gewerbe und der öffent lichen Arbeiten, die Vorstände der Alter«- und InvalidilätS- Versichcrung-anstalten Hannover, Schleswig-Holstein, Sachsen- Anbalt, Königreich Sachsen, Großherzogthum Hessen, der Vorsitzende der PcnsicnScaffe für die Arbeiter der preußischen StaatSeiscnbahnverwaltung, ferner Angebörigc von Baugenossenschaften, u»V Männer aus dem praktischen Leben, welche auf diesem Gebiete schon zuvor ihr be sondere« Interesse bekundet und Erfahrungen gesammelt haben. Tie Verbaudlungen ergaben die allseitige An erkennung der Bedeutung namentlich der Baugenvfsen- schaslen sür die Arbeiter Wohnungsfrage und der Nothwcudizkeit, denselben, wie auch andere» derartigen Unternehmungen durch Zuführung von Bau - Darleben unter günstigen Bedingungen über die bestehenden Schwierig keiten binwegzuhclscn. Tie PensionScasse sür vic Arbeiter der SiaatSeisenbabnverwaltung bat, wie au» de» Mittbcilungen ihres Vo>sitzenden. Reg.-RatbS Krcck, hervorging, i» Folge einer vom Eiscnbabnminister gegebenen Anregung bereits eine sehr erhebliche Wirksamkeit entsaltel, ebenso eine Anzahl der Alters und InratititälSansialtcn, in erster Linie, Dank der Tbätigkcit ihres Bo>sitzenden, LanteSratdS l)r. Liebrecht, die Hannove rische Anstalt. Wie bekannt, bietet hierfür das NeickiSgesetz vom 22 Juni >880 die Handhabe, da eS bestimmt, daß mit widerruflicher Gestaltung de« EonimunalverbandeS, beiw ber Eeiitralbel orte des Bundesstaates, sür welchen die Anstalt errichtet ist, das AnstallSvermögen biS zu einem Viertel in anderen als der Regel nach vorzeschriebenen zinstragenden Papieren oder in Gruntstiickcn angelegt werte» kan», beziehungsweise Grundstücke über die inündelsichere Grenze hinaus belieben werde» können. Der Directvr deü Reichs- vcrsichcriiiigSamlcS, Gaebel, trat mit großer Wärme sür eine solche BeMiligung der Vcrsichcruiigsaustallen an der Lösung der WomiungSsrage ein. Eine entsprechende Bereit willigkeit wurde von den anweseiidc» Vertretern dieser An stalten von Neuem bekundet. ES läßt sich hoffen, daß auch bei den Instanzen, welche eine solche Bereitwilligkeit bisher abgelebnt oder minder bethatigt habe», diese Berbantlnngen eine fördernde Anregung geben. DaS Gesammtergebiiiß der Eonserenz wirb möglichst bald in einem besondere» Hefte der „Schriften der Eentralstelle für Arbeiter - WohtsahrlScinrich- liiiigen" (Berlin, Earl Heyiiianu's Verlag) veröffentlicht werden. * Berlin, ll. Mai. Tie „Post" schreibt: „DaS Ergebniß der Ersatzwahl in Schlochau-Klatow bestätigt nur zu sedr die Richtigkeit der Warnung, welche wir aus Anlaß der Wabl in Mescritz Bonist an die Anlisemilcn in Bezug aus ihr Vorgehen in Wahlkreisen mit national gemischter Be völkerung gerichtet habe». Auch in diesem Wahlkreise hat ihre Actio» lediglich dazu gesührt, daß es anstatt des sonst stets im ersten Wahlgange sicheren Sieges deS dcntschen und conservativen Eaudidaten zu einer Stichwahl zwischen diesem und dem polnischen Eaudidaten kommt. Allerdings liegen die Aussichten sür die Stichwahl hier insofern ungleich günstiger, als in Bonist-Meseritz, als der conservalioe Eandidat im ersten Wablgange mehr Stimmen erhalte» hat, als die zuerst ge trennt ausgetretenen, bei der Stichwahl aber sicher zusaimncu- gebendcu Polen und EentrumSwählcr zusammen. Wenn daher die Antisemiten in der Stichwahl, wie anzuiichmen, ebenso loyal sür den conservativen Eandidaten eintreten, wie >» Banist Meseritz sür den Kreicouservativen, so erscheint der AuSgang der Stichwahl nicht zweiselhast. Trotzdem ist eS im Interesse des Wahlkreises zu bedauern, daß die Antisemiten sich nicht davon fern gehalten haben. In unserer mit Wablen obnebin scheu sehr heiingcsuchten Zeit ist eine nochmalige Wahl an sich schon ein nicht zu unterschätzendes klebet. Ungleich bedenklicher aber ist eS, daß die Befürchtung einer Lockerung der Einigkeit innerhalb der deutsche» Wähler auch für die Zukunft besteht. Das wäre selbst in eiucm verhällnißmäßig so wenig von den Polen gefährdeten Kreise imnierhiu eine Gesakr. Wir können daher aus Grund der auch hier gemachte» Erfahrung nur dringend vor der Wiederholung deö Versuche» warnen, in die national ge mischten Kreise einzudringen; namentlich da, wo diese vcn Deutschen und Polen hart umstrilten sind, ist sür die Aulisciuitcn ein Erfolg nicht zu erreichen. Die einzige praktische Wirkung, welche ihr Eingreifen haben kann, ist die Zersplitterung der deutschen Stimme» zu Gunsten der Polen, wodurch bcsiensallS eine Stichwahl nothwendig wird, aber auch der Erfolg überhaupt verscherzt werden kann. Daß daS vom dentschnaiionalen Staudpunct im höchsten Grade unerwünscht ist, wird nicht zu bestreiten sein, allein es ist auch kaum erfindlich, wie eine solche Wirkung im Interesse der Antisemiten selbst liegen würde. Den Deulsch- freisinnigc» blieb eS, wie i» Bomst-Meseritz. Vorbehalten, mit einer Eandidatur, welche etwa 200 Stimmen aus sich ver einigte, der Lächerlichkeit zu verfall«»." — Kaiser Wilhelm wird, einem hiesigen Blatte zu folge, Anfang Juni zum Besuche de« König« Christian von Dänemark sich nach Wiesbaden begeben. Der tor, erwartete König von Griechenland hat seine Reise wegen d< Erdbeben verschoben. — Di« von einigen Blättern gemeldeten Gerüchte über eine, demnächstigen Besuch de- Kaiser« aus Schloß Urvilte haben den letzten Togen der Ankündigung «iue» Besuch« der katjerin der kaiserlichen Kinder Platz gemacht. Hierzu wird der „Strahl. Post" aus Kürzel unterm 9. ds. geschrieben: Im kaiserlichen Schlvjji ist von alledem nichts bekannt, und die Ttiatlache, daß zu «c sang dieser Woche zugleich mit der Inangriffnahme der Bauarbeiten zur neuen evangelischen Kirche auch mit baulichen Veränderungen m Schlosse begonnen wurde, läßt gewiß nicht ans einen nahe bevorslthenden Besuch deS Schloßherr» oder seiner Familie schließen. — Einer Meldung der „Voss. Ztg." zufolge tritt die Eommission sür das bürgerliche Gesetzbuch >» zwei bis drei Wochen in die Bcrathung des 5. und letzten Buches de- bürgerlichen Gesetzbuches, de« Erbrechts, ein, und wird dies spätestens bis zum April 1895 vollendet haben, so daß dann nur noch die Beratbung deS EinführungSgcseyes unr eine etwaige summarische Nachprüfung der 5 Bücher übrig bleiben, welche, wie zuversichtlich anzuiievmen ist, im Sommer, spätestens im Herbst desselben Jahres beendet sein werden. — Nack dcni „B. T." wurde der sür Rechnung des Aus wärtigen Amtes zu Eolonialzwecken erbaute Dampfer „Rusiji" aus der Fabrt nach Lslasrika durch Eollisiva schwer be schädigt. Er ist in Suez eingelaufen. — Wie wir erfahren, wird der am nächsten Montag in Mainz zusanimentretende katbvlische Lehrerverbanr Stellung nehmen zu dem Schreiben, welches am 28. Januar d. I. vom Hauptvorstand an den Abgeordneten vr. Lieber gerichtet worden ist. — Cullusminister vr. Boss« hat sich aus Urlaub begeben. — Die LberlandeSgerichts-Räthe Kreis auS Naumburg a. S. und Skonietzki au« Königsberg i. Pr. lind zu Geheimen Jnsist. Rathen und Vortragenden Rathen im Justiz-Ministerium ernaiun worden. — Tie Berliner MazistratScommissioa zur Vor bereitung der Steuerreform gemäß dem neuen Eommunal - Abgaben - Gesetz bat beschlossen, dem Magistrat zu empfehlen, die MiethSsteuer vom l. April l89ä ab gänzlich fallen zu lasse», dagegen die bisherige städtische Hauesteucr, zeitgemäß als allgemeine Grünt stücksteuer resormirt, beizubehallen, staatliche Grund- uud Gebäude - Steuer also nicht zu erbeben. Ucber die Einsührung einer sogenannten Umsatzsteuer beim Besitz Wechsel von Immobilie» wurde die Beschlußfassung einstweilen ausgesetzt. Von der Einführung einer selbstständigen, nach besonderen Grundsätzen zu veranlagenden Vauplaysteucr soll Abstand genommen, dagegen sollen Bestimmungen, durch welch: solche Grundstücke wegen der Wertherböhung stärker bcrau- gezogen werde» können, in da« neu zu entwerfende Steuer- Regulativ ausgenommen werden. Uebcr die Erhebung der Gewerbesteuer nnd den Procentsatz de« Zuschlages zur Ein koinmeusteiier bleibt die Beschlußfassung Vorbehalten. * Danzig, ll. Mai. 250 an den Wällen beschäftigt: Erdarbeiter legten die Arbeit nieder. Einschließlich der Bauhandwerker streiken jetzt 2200 Mann. * Magdeburg, lt. Mai. Die hiesige Abtheilung der Deutschen Eolonialgesellsckast nahm zur Samoa frage eine Resolution an, dir mit dem Satze schließt: „Tie hohe ReickSregierung bitten wir, bei der bevorstcbenden notbwcndigen Neugestaltung der politischen Verhältnisse die Erklärung der deutschen Schutzherrschast herbeisührcn zu wollen". * Weimar. 11. Mai. Tic hiesige Abteilung der Deutschen Eolonial gesellschaft hat beschlossen, eine Eingabe an de» Reichskanzler zu richten, in der dem feste» Vertrauen zur kaiserlichen Regierung Ausdruck gegeben wird, daß sie „die ganz zweifellosen A»svrllcke Deutschlands aus Samoa und Tonga im Bewußtsein ihres Recht- unbeirrt mit Umsicht und Thatkraft wahren wird". * Offen, tO. Mai. Die Bergarbeiter, die katholischen Knappcnvcreine» uud christlichen Arbeitervereinen angebören. haben Protest eingelegt gegen das einseitige Vorgehen de- socialdemokratiscke n V erg arb eite rverbandeS, einige seiner Mitglieder als Vertreter der gesammten Bergleute zum internationalen Bergarbeitcrcongreß zu senden. Der Protest ist, der „Rh. Wests. Ztg." zufolge, von 29 Vereinen an genommen worden. * München, II. Mal. Der Prinzregent reist heute Abend zu mehrtägigem Aufenthalte »ach Wien. Oesterreich-Ungarn. * Mührisch-kstrau, ll. Mai. Tic Ruhe ist im Laufe de» TazeS nickt gestört worden. Der Streik wird fort gesetzt. In dem Hubertschacht in Hruschau ist ein geringer Theil, im Hauplschacht in Orlau sind 70 Procent der Beleg schaft eingesahrcn. In Karurin sind 2 Bataillone Infanterie eingetroffen, morgen kommt eine Schwadron Dragoner. Ter Streiksührer Kolarz ist verhaftet worden. * Mährisch-Dstran, l2 Mai. (Telegramm.) Im ganzen Revier herrscht Ruhe. Tie Verhaftung de« Arbeiterführers um «men Posten von einem politischen Blatte bemühe er sich eisrigst, er habe auch da bereit« die beste Aussicht — ob sie ihm chr Glück aus so bescheidenem Grunde anvertraucn wolle? Sie aber dachte cm dir Behauptung der Baronin, daß er ein Ausgeben seine« Berus«» schwerlich ertragen werde, sic erinnerte sich, vielfach gelesen zu haben, daß kein Mann der Erde seinen Berus um seiner Liebe willen ausgeben soll, und sie sagt« r» ihm zagend mit leiser Stimme. „Aber ich liebe Dich ,a. Rose", sagte er einfach und schlicht; giebst Du mir nicht auch Alle«, Dich selbst. Dein ganze« liebe« Selbst, wenn Du mich liebst! Giebt es nicht tanseno Wege, ans denen ich meinem Vaterlande dienen kann ? Wollen wir unsere Lieb« in de» Schmutz alltäglicher Berechnung ziehen, Lose?" Er sagte r« mit leisem Vorwurf. .verzeihe". bat sie, „ich liebe Dich mehr al« mein Leben, uad ich will ja nur Dein Glück!" „Ta lasse Dich da« Andere nicht kümmern! Vertraue mir «>»d sei mein!" „S»d die Baronin — „Wird nun vorläufig gar nicht« erfahren." „Si, jagte mich fort, allsogleich, wenn sie um unsere Liebe Wüßt»!" „Ich glaube e« selbst. Und sie thut mir fast leid. Dennoch — ich liebe Dich, Rose!" „Mir ist da« genug — ich frage nicht« nach dem Gerede der Leute." „Und wa« reden die Leute?" „Du habest sie einst geliebt und — sie liebe Dich neck, und es sei höchst sonderbar, wenn Du sie nicht mehr liebtest!" „Und Du?" „Ich glaube Dir! Alle« Andere kümmert mich nicht. — Rur — werde ich mir ganz falsch Vorkommen und sie — sie liebt Dich wirklich!" „Roch wenigc Wochen. Rose — dann mag sie e» wissen! Sie lhut mir wirklnd leid. Wie leicku verzeiht sich Alle«. wenn man glücklich ist! Nun aber müssen wir in die Welt zurück — da drüben seht man plaudernd zum Souper. Legen wir also unsere Gesichter in gleichgiltige Aalten, als aiaaen wir un« gar nicht« an! Nicht so strahlend lächeln, mein Fraulein!" „Nicht so schelmische Augen, mein Herr — wa« sollen die Leute denken! Niemand kennt Sie jo heiler, meui gestrenger Hprr!" Sie te-tt leicht die Hand auf feine» Arm und schritt a» seiner Seite durch die Reihen der lebhaft herzudrängenden Gäste. Er aber führte sie in aller Seelenruhe einem jungen Referendar zu, von dem man ihm gesagt batte, daß er der Tischnachbar dieses Fräulein Müller sein werde. Sein Platz war wie gewöhnlich neben der Baronin und er plauderte mit ihr so angeregt, so lebhaft, so heiter — die Baronin kam auS dem Erstaunen gar nicht heraus. Und am äußersten Ende der Tafel saß Rose so zerstreut und so hastig lebhaft und doch mit so still glückseliger Miene — Ware Frau Baronin nicht ganz und gar von de« HauptmannS Liebens würdigkeit bestrickt gewesen . Nu» sah sic plötzlich aus — »ein, dieses Fräulein Müller kokcttirt nun auch mit diesem dummen Referendar — wie lächerlich, sich ihretwegen auch nur einen Augenblick Gedanken gemacht zu haben! Und sie nickte Rose ganz vergnügt zu. 15. Da« waren glückliche, sonnige Tag«. Er liebt« sie und kein göttliche« oder menschliche« Gebot hatte da« Rech«, sie zürnend au« dem Paradies ihrer Liebe zu verweisen. Auch die Baronin nicht; sie hatte ihn ja einst aufgegeben, um de« reichen Maune« willen. — Nein, sie konnte «bin ohne Vorwurf angehören, und sie vertraut« ihm rückhaltlos wir ihrem Gott. — Sie sahen sich nur selten allein, flüchtige glückselige Minuten, und wenn sie nun reiste mit der Baronin, vielleicht in wenig Tagen schon, da wollten sie sich fleißig schreiben, be»»lich, ganz heimlich. Und zuweilen schrieben sic sich jetzt schon, und sie schickte ihm oftmals Verse, reizende, kleine, süße, duftige Lieder — wie sie ihn entzückten! Er trug sie immer in der Taichr mit sich herum — wie würden die Kameraden gelacht haben, wen» sie e« gewußt hätten! Aber e« wußte ja Niemand, e« ahnt« ja Niemand, selbst dir Baronin nicht; sie nahmen sich so sehr in Acht! Lin Händedruck, ein flüchtiger Kuß, ein unerwartete« Zusammen- treffen — genug oe« Glücke«, uni Tage lang davon zu träumen! Sie waren ja so sicher in ihrer Liebe und sie waren sich geistig so nahe in >eder Sccunde — wa« wollt« da selbst eine kurz« Trennung sagen ? Sie saß im Wohnzimmer der Baronin mit einer Hand arbeit beschäftigt — anch die Baronin wußte ihre Handarbeiten zu schätzen, wie vordem Fra» HaSpe. Frau Baronin la« — so tonnte sie nach Herzenslust ihren Gedanke» nachhängen, ihren sonnigen Gedanken. Da bracht, ihr d«r Diener drei Briefe „LH>, G» si» nur gleich", sagte die Baronin gnädig, „mich stört eS nicht, und Sie sind wahrscheinlich sehr neugierig, den Inhalt zu erfahren!" Und neugierig schien Frau Baronin auch, denn sie schaut gar scharf nach den Briese» herüber — wenn sie mir die Handschriften genau lesen könnte! „Von wem?" fragte sic, ei» wenig nachlässig und lehnte sich dock behaglich im Sessel zurück, als erwarte sie, daß Rose ihr die Briese ver lese» werde. „Eine Verlobniig-anzeige", lachte Rose, da sie da« erste unverschlossene Couvert zur Hand nahm. „Wer?" fragte die Baronin trocken. „Ah — Atme Winter — Herr Banqnier Ferdinand Meyer — die große Partie! — Ja, wenn man so schön ist, wie Aline Winter, kann inan auch al« Ladenmädchen eine glänzende Partie machen! Wie stolz sie sein wird!" „DaS alberne Ding!" meinte die Baronin verächtlich. Aber wollen Sie nicht weiter lese»? — Haben Sie nicht noch einen Brief schon eingesteckt?" Rose schaute die Baronin einen Augenblick verwundert an; ein leiser, ganz leiser, kaum bemerkbarer Spott huschte um ihre Lippen, dann sagte sie ruhig freundlich: „Nein, e« waren nur drei." „Aber da — dort in Ihrem Schooße!" Stolz erhob sich Rose und hielt die drei Briefe weit aus einander zwischen een schlanken Fingern. „Bon wem Rose, von wem ? Sie wissen, ich interessire mich lebhaft sür Alle-, wa« Sie thu» und erleben — auch sür Ihre Freundschaften." „Ich weiß c«, gnädige Frau", sagte sie ernst. „Sie be weisen «< mir alle Tage, und wüßte ich nicht, daß e< louter Liede und Güte ist. mit der Sie mich umgeben, so würde ich denken verzribcn Sie, Sir wissen, ich fürchtete früher iminer gleich in meiner Freiheit beeinträchtigt zu werden. — Aber wenn Sie gestatten — der zweit« Brief ist von Dora Hochbeim." „Dir verrückte Eonsine? Gefällt r« ihr immer »och in einer Sphäre, die Sic doch unerträglich fanden?" ,E« scheint so, denn sie spricht sogar von Glück." „Was schreibt sie?" „Unser Leben ist kurz", schreibt sie. „und wir haben nur die« eine Leben; wenn wir da«, wa« e« un« an Glück bietet, von uns werfen, so haben wir da« Glück gar nicht verdient." — Ein« traurig« Pbilasophie!" „Eine jachr veraünftig« Philosaphi«" sagt« di« Var,in mit MachdnXt» „ich hätte der Serspainlle» Loufin« smffel Beruunjt gar nicht zugetraut; nur muß da» Glück wunderbar auSsehen, daS sic da unten gefunden hat." „Sebr wunderbar", sagte Rose tiefnachdenklich nnd nahm rasch den dritten Brief zur Hand Es war der dickste ve» allen. Eine kleine häßliche, säst unleserliche Handschrift, drei, vier Bogen dicht beschrieben; mit leiser Wehmuth vertieft sich Rose in die engbeschriebene» Blätter »nd Frau Baronin fragte mit keinem Wort nach dem Inhalt. „Alles grünt und blüht und duftet um mich ber", schrieb Miezchen Kerbel, der Buchenwald, „wie schön er ist in seine», frischen, grünen Gewand! Ich sehe ihn von meinem Fenster au«. Die Tannen in nächster Nähe schieben zartgrüne Nadel spitzen, der MooSIeppich zu ihren Füßen leuchtet in satter Farbe, dir Wiesen sind so frisch und bunt, im Garten blicht der Flieder noch und schon die ersten Rosen — Alles. Alles eilt sich, mich noch einmal zu grüßen, und wie bald neigt über meinem Grabe eine Trauerrose ihr Haupt und treibt Blütben um Blüthen, die ibre Schönheit dem alten, abge legten, irdischen Körperkleid Deiner kleinen Freundin verdanke»" Kein Gedanke, daß sie selbst im Grabe ruhen könne, kein Zweifel an einem sofortigen Wciterleben! „Glaube doch nicht, daß ich mich unter die Erde zu denken vermöchte, ick, die ich die Sonne so liebe! Wenn ich gestorben bin, werde ick nur frei von meinem gebrechlichen Erdenkörper, in welchem die bessere Hülle sür das andere Leben schon ent wickelt ist. Glaubst Du nickt, Liebste, daß mein Erdenlörper nur deshalb so rasch zerfällt, weil der andere schon so reichlich entwickelt ist, glaubst Du e« nicht?" „Ich glaube Dir, Mieze, ich glaute Dir", flüsterte Rost leise nnd bewegt. „WaS glauben Sie?" suhr die Baronin dazwischen, die sich nur scheinbar wieder in ihr Buch vertieft, trotzdem tie kleinen krausen Schriftzüge einen sehr beruhigenden Eindruck aus sie gemacht. „Ich glaube an die Wahrheit von Miezchen'« Philosophie," sagt» Rose ernst. „Auch Philosophie!" spottete di« B«ron>». „Welch inter essant« Freundinnen Sie haben! Uad wa« philosvphirt sich dies« Mieze zusammen?" lS-rtst»«« «Ggt.)
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