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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.05.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-05-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940516028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894051602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894051602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-05
- Tag1894-05-16
- Monat1894-05
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Tic Eöngrcßlhcilncbi»cr waren, wie schon gestern ein kurzer Bericht gemeldet hat, von drei Deutschen begrüßt worden, von Herrn Singer NamcnS seiner RcichSiags- sraclion, von Herrn Legten im Namen der Deutschen und von dem Berliner Millarg im Aufträge der Berliner Ge iser kscha sie». Darauf erhob sich der Engländer Pickard und erklärte, ohne Singer'- Rede hcrabsctzcn zu wollen, müsse er erklären, daß ihm die beiden letzten deutschen Reden besonders gefalle», weil da der Arbeiter zum Arbeiter geredet habe. Herr Pickard fügte hinzu, daß er nicht E lasse» gegen (5 lassen Hetze», sondern nur das Recht der Arbeiter schützen wolle. Eine schärfere Zurückweisung und Kritik, als sic in diesen Sätzen liegt, konnte ein soeben als Gast willkommen geheißener Redner der deutschen Social- leniokralie unmöglich angeteiben lassen. Ihr Ekarakter als Arbeiterpartei wird zuerst angezweifelt und dann mit der Andeutung, daß sie nicht so sehr die Verbesserung der Lage der Arbeiter anstrebe, als politische Machtzwccke durch Bcr beding zu erreichen suche, geradezu bestritte». Für die deutsche Socmldemokratie ist die Elaste und die Schärfung deS ilan.ugcgcnsatzeS Alles, die wirthsckaftliche Hebung nichts, 'a WohlsahrtScinrichlungen für die arbeitenden Elaste» wirken ans sie wie ein rolhes Tuch auf den Stier. Und unn tritt in der Haupt- und Residenzstadt deS social- demokratischen Tirccloriums ein englischer Arbeiterführer aus und bringt die Schürung dos Elassenkasscs in einen klaren Gegensatz zu der Sorge um das Arbcilcrwobl. Er nezirl die Grundlage, ans der sich die deutsche Sccial- demokratie crklärtcrmaßen aufbaut, und gicbt sich nicht einmal die Müde, zu verhehlen, daß er die deutsche social- temokralische RcichStagssraclion und ihren „berühmte»" Sprecher vo» seinem Arbeiterstandpunck für minderwcrtkig dält im Vergleich zu zwei wenig bekannten Persönlichkeiten, eenen er den Arbcitercharaklcr zuerkcnncn darf. Piguant aber nebensächlich ist dabei der Umstand, daß der Betroffene seine Rolle als Proletarier-Vorsehung mit dem Rückhalt an einem Vermögen spielt, an dessen Bildung einem gerichtlichen Urthcile zufolge eine Praxis beiheiligt war, die auch Nicht-Socialtemokratcn bei uns Ausbeutung nennen. Sehr beachtcnSwerlh ist hingegen, baß der eng lische Arbeiterführer auf Kosten Singers den Beruf gerate deS Herrn Legten zum Arbeiterführer bcrvorbcbt. Lcgicn in als der tüchtigste »nt energischste Befürworter einer kräftigen Förderung des GcwerkschaflSwcscns durch die social- dcmokralischc Partei aus dem letzten sccialtcmokratischcn Eongrcß in einen ostcncn Gegensatz zur Parteileitung gc- ralkcn und ist späterhin der Gegenstand heftiger, mit viel Glück und Geschick zlirückgewiesencr Angrisse des Herrn Bebel gewesen. Das handelspolitische Provisorium mit Spanien ist gestern abgelaufcn und »och heute ist man nicht darüber rnüerrichict, was für ein Zustand nun eigentlich cintritt. TaS einzig correcte Verfahren ist, daß jetzt unser autonomer Zolltarif gegen Spanien in Anwendung kommt, bis die Eortcs ikrc Zustimmung zu dem Vertrag gegeben haben. Ob die Rcichsregieruiig in dieser Weise vcrsäkrt, ist »och nicht ganz klar. Aus osflciöscn Andeutungen konnte man auch schließen, sic würde sich im Vertrauen daraus, daß der Reichstag an gesichts der schwierigen und verwickelten Lage später (In demnität für die Verfassungsüberschreitung crtheilcn werde, mit irgend welchen Erklärungen auS Madrid begnügen, welche das Zustandekommen des Vertrages in nahe Aussicht stellen. Jedenfalls ist es nnbegrcislich, daß die deutsche Industrie noch nicht weiß, waS für Zölle von beute an erhoben tverdcn. Eine solche GeschästSbehantlung verstehen wir nicht mehr. Eine ungemein energische Sprache ist es, welche die ungarische Presse wegen der Ablehnung der Eivilebc führt, und selbst der vorsichtige, osficiösc „Pestcr Lloyd" spricht von der „Frechheit" gewisser Kreise, von der herausfordernden Sprache Roms und seiner journalistischen Herolde. „Taö ungarische Volk habe nickit darum sein Herzblut für die nationale Freiheit und Unabhängigkeit verzollen, um nach Sprengung der absolutistischen Fesseln und nach Be gründung seines selbstständigen Staalswcscns das Joch römischer Fremdherrschaft auf sich zu nehmen." Es wird von Beseitigung des Oberhauses gesprochen, und eS ist nicht zu verkennen, daß ein Zug durch das ungarische Volk geht, der den Klerikalen und den Hoskreisen zu denken geben sollte. Namentlich der studirendcn Jugend bat ein in patriotischen Kundgebungen sich äußernder Unwille gegen die Gelüste der reaclionairen Parteien sich bemächtigt. Alles dies ändert aber vorläufig die Lage nicht, und man hat sich lediglich an die mit großer Spannung er warteten Erklärungen zu ballen, welche Ministerpräsident Wckcrke in der gestrigen Abcndconfcrcnz per liberalen Partei abgab. Er führte, wie uns telegraphisch gemeldet wird, u. A. aus, daß die Regierung die Ewilchevorlage gegenüber dem Votum deS Oberhauses unverändert aufrecht erbaltc. Sie stütze sich hierbei auf die große Mehrheit des Abgeordneten Hauses, sowie auf die cinmüthige Haltung der öffent lichen Meinung. Sie werde den Gesetzentwurf noch mals dem Abgeordnetenhaus«: verlegen und nacktem von Neuem über denselben abgestimmt sei, trete an die Regierung die verfassungsmäßige Pflicht heran, jene Garantien zu suchen und jene eonstitutioncllen Maßregeln zu ergreife», welche die Annahme deS Entwurfs durch das Oberhaus sicherten. Die Regierung werde, noch bevor die Vorlage zum zweiten Mal an das Oberhaus gelange, die betresfenten Vollmachten von der Krone erbitten. Er sei überzeugt, die liberale Partei werde, wie bisher, die Regierung in dieser Be mühung unterstützen. (Lang anhaltende Eljcnrusc.) Unter großem Enthusiasmus wurde sodann die cinmüthige Unter stützung der Regierung durch die liberale Partei beschlossen Vor und »ach der Conserenz brachten die Studenten und die Bürgerschaft den Ministern und der liberale» Partei große Ovationen dar. — Hiernach ist nur soviel sicher, daß Wckcrle von den« Monarchen die Zustimmung zur abermaligen Vor lage deS Eivilebegesetzes im Abgeordneten- und im Magnaten bause erballen bat. woran bei der streng constitulioiicllen Stellung Franz Josef s nicht zu zweifeln war. Das Eine aber genügt schon, um erkennen zu lassen, daß die Haltung derjenigen Hofwürdenträgcr, welche die Vorlage zum Falle brachten, vo» der Krone absolut nicht beeinflußt war, daß vielmehr der König von Ungarn seine Stellung zu der Ehercsorm nicht geändert bat, und diese Stellungnahme war eine zu stimmende. Wenn die der Reform feindlichen Magnaten geglaubt ballen, aus der Haltung deS Grasen Kalnoky auf eine in letzter Stunde eingctrctcne Acnderung in den Ansichten deS Monarchen schließen zu können, so wird Ministerpräsident Wckcrle, »och bevor die Vor lage abermals an das Magnatcnhaus geht, vom König die Garantie verlangen, daß ein, übrigens jetzt schon officicll abgelcugncter, Ucbcrgrisf des österreichische» Ministers des Auswärtigen in interne ungarische Angelegen heilen nicht zum zweiten Male vorkommt, und diese Garantie wird ihm schwerlich verweigert werde». Haben die oppositionellen Magnaten aber einmal ersehen, wie scbr sie sich in der Gesinnung der Krone getäuscht haben, dann dürfte ihr Eifer, dem Strom der Zeit sich noch einmal entgegenzustemnicn, wesentlich erlahmen und die Annahme der Ehcrcchtsvorlage im Oberhaus gesickert sein. Besonders bezeichnend nach dieser Richtung ist der Verlaus einer Magnaten-Evnsercnz, welche unmittelbar nach der Abstimmung im Oberhaus«: in der Wobnung deS Grasen Nikolaus Moriz Estcrkazy abaehalten wurde. An dieser Eonsere»; haben etwa dreißig Mitglieder deS Ober hauses tbeikgenvmmen. Dieselben verpflichteten sich, auch ein zweites Mal gegen daS Ehcgesetz zu stimmen und für dio Verwerfung desselben alle zulässigen Mittel auszubieten, cs sei denn, man gewinne Anhaltepuncte dafür, daß auS höheren politischen Rücksichten an maß gebender Stelle ein anderer AuSgang als wün- schenswcrth erachtet werde. Nickt minder zutreffend ist es, daß mehrere Mitglieder der Magnaten-Opposilion bereits die Erklärung abgegeben haben, daß sie durch Ehren wort verpflichtet waren, sich bei der ersten Abstimmung den Gegnern der Eivilehe anzuschließen, für eine zweite Eampagne jedoch nickt verpflichtet sind und sich der Abstimmung enthalten wollen. Während der jüngsten Häkeleien der franzöfischcn Re publik mit dem Vatican hat im Ecntrum von Paris in aller Stille eine seltene protestantische Feier statt- gesunde». Aus der Ruc Blanche, die hinter der Eglise de la Trinitö ansleigt, liegt gegen die Mitte zu ein kleines HauS mit einem stillen Garte». In diesem Garten hatte sich letzter Tage eine kleine Gruppe von Mitgliedern der deutschen Eolonie versammelt und vor dieser Zuschauerschaft wurde die Grund steinlegung der deutschen protestantischen Kirche vollzogen, deren Bau nun bald in Angriff genommen werden soll. Der deutsche Botschafter Gras Münster that die üblichen drei Hammcrschlägc, und der ganze festliche Aet ries bei den An wesenden eine ernste und gehobene Stimmung hervor. Dieses Ergebniß, von dem man im deutschen Reiche mit Interesse Kunde nehmen wird, ist zunächst der Rührigkeit eines EomitöS zu verdanken, das unter der energischen Leitung deS ersten SecretairS der deutschen Botschaft in Paris, Herrn von Schocn, steht. Schon lange hatten sich die protestantischen Mitglieder der deutschen Eolonie eine tc-gene Kirche gewünscht. Die protestantischen Andachts- Übungen mllffen zur Zeit in einem völlig ungenügenden, niedrigen und dunklen Saal der Rue Royale abgchalten werden. Während deS Gottesdienstes dringt das Geräusch der Teller herein, die in einem benachbarten Restaurant abgewaschen werden. Trotz aller dieser Mißstände muß dio Gemeinde hier jährlich 1000 Francs Miclbe zahlen. Um nun die zum Kirchenbau erforderlichen Gelder aufzu bringen, leitete daS Eomitö eine rübrige Agitation ein und ließ fleißig die Sammelbüchse hcruingchen. Die Baukosten für eine Kirche mit 5.10 Plätzen waren auf 100 ooo Francs veranschlagt, bei aller Einschränkung und Bescheidenheit. Die Pariser dciitzsche Eolonie steuerte bei, aus Deutschland stoffen Gaben ein, die deutschen Fürsten bcthciligten sich, der deutsche Kaiser spendete 20000 Francs. So war man bereits vor einiger Zeit in der Lage, zum Ankauf eines Terrains zu schreiten. Der Bauplan ist bercilS fertig, aber noch fehlen zur Vollendung deS Werkes 120 000 Francs. Für deren Aufbringung rechnet man insbesondere aus die Thcilnahmc der in Deutschland wohnenden Protestanten. In Preußen wird schon im Lause dieses Monats eine Kirchencollccte für das Unternehmen veranstaltet werden und auch andere Landeskirche» dürften demselben ikre Beihilfe nicht versagen. — Die beiden evangelischen Gemeinden in Paris werden, uni dies beiläufig zu erwähnen, von drei Pastoren geleitet, von denen zwei m den Bororten, in La Billette und Vaugirard, wohnen. In La Billette und St. Marcel bestehen zwei zur Gemeinte gehörige Schulen, welche im vergangenen Jahre von 170 Kindern besucht wurden. Aus La Billette ist ein deutscher „Samariter-Verein" tkätig zur gegenseitigen Unterstützung im KranbeitSfallc. Ferner eristirt ein deutscher Männer- und IUnglingSvrrein Rue de Bondn, sowie ein Heim für deutsche Mädchen Rue Brochaat. Die italienische Kammer hat während der drei letzten Tage, also über die Psingstseiertage, die Berathung über das Hecrcsbudgct fortgesetzt. Sie hat mit 199 gegen 111 Stimmen beschlossen, die Erklärungen der Regierung zur Kenntniß zu nehme» und die Specialdebatte zu beginnen, bat sich mit 119 gegen 111 Stimmen gegen den Antrag Prinetti erklärt, gleich beim ersten Eapitel des Budgets eine namhafte Position zu streichen und stimmte mit EriSpi, als derselbe nach wie vor auf der Beratbung der Finanz- refornicn nach der Erledigung des Budgets, wenigstens deS KricgsbudzetS, bestand. Nach der bisherigen Haltung der Kammer scheint die Erhaltung deS Matus quo der niililairischcn Organisation Italien- gesichert und damit ein Problem gelöst, dessen Schwierigkeiten noch bis vor Kurzem selbst der bewährten Regierungstechnik eines EriSpi zu spotten schienen. Der tiefer liegende Grund, we-balb die Kammer- mehrkeit trotz ihres zweifellos vorhandenen Widerstreben» schließlich immer wieder einlenkt, wird wobl in der zu treffenden Erkcnntniß gesunden werden müssen, daß- die Mackt der realen Verhältnisse den italienischen Politikern cffcctiv keine Wahl läßt, als zwischen dem moralischen Bankerott deS Königreichs Italien oder dem conseguenten Wciterversolgcn der seit den Tagen Victor Emannel's und Eavour'S cingeschlagencn Bahnen unter Ausbringung der materiellen Opfer, deren das Land fähig ist. Für die erste Alternative will die Mehrheit die Bürde der Verant wortung nicht tragen, daraus ergicbt sich dann die logische Folge ganz von selbst. Mit Genugthuunz darf man e» begrüßen, daß die von den Gegnern CriSpi'S befürwortete Verminderung der zwölf Armcecorp» um zwei abgelebnt wurde, nickt weil der Dreibund Italien diese Opser für seine Armee anfzwingt, sonder«», weil Italien im Interesse seiner «elbstcrhaltnnjz gerüstet sein muß. Die Behauptung EriSpi'S, daß es nrcht der Dreibund sei. der Italien die Haltung von zwölf Armcecorp- auferlege, ist durchaus zu treffend. Seitens der Dreibundmächte ist keinerlei Zwang in dieser Richtung geübt worden; aber es liegt zweifellos im Interesse Italien-, seine LeistunjzSsähigkeit aus militai- rischem Gebiet unter allen Umstanden zu erhalten, so lange die gegenwärtige Eonstellation in Europa fort- dauert. — klebrigen- darf nicht verkannt werden, daß die Majorität, welche bei dem Beginn der Einzel- beratkung für daS Ministerium EriSpi eintrat» bei weitem nickt die imponirendc Zahl früherer Entscheide ailswieS, und nach der Absentirung einer größeren Anzahl von Mitgliedern der Opposition am Dienstag, welche die Beschlußunsahigkeit des Hauses berbeisührte. zu schließen, scheint man sich aus eine ObstructionSpolitik der Gegner de- EabinetS gefaßt machen zu müssen, so daß EriSpi immer »och schwer zu kämpfen habe» wird, che er deS endlichen Sieges ganz sicher sei» kann. Allein der zielbewnßte Wille und die Gewandt heit des Premierministers, sowie der unentrinnbare Zwang der Bcrbälinissc werden zweifelsohne für einen glücklichen AuSgang des großen nationalen Reformwerkcs sorgen. Die öffentliche Meinung Englands bat den Rücktritt Mundella'S als Präsidenten de-HandelSamtcs durckgcsctzt Feurlletsir. Lm feindlichen Leben. 151 Roman von I. Lchwäbe. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Den Vater sah sie nicht viel; er war den ganzen Tag über nickt zu Hanse. Er verwaltete die großen Vorräthe der Hütten werke, nickt die Vorrälbc von gewonnene»! Metall, sondern von allerlei anderen Dingen, die beim Betriebe verwendet werden: Holz und Nägel und altes Eisen — wer wußte, was sonst Alles noch? Auch einem Eonsumvercin stand er vor. Er ließ sich mit vielem Stolz „Herr Verwalter" nennen und kam sich augenscheinlich sehr wichtig vor. — Herr ren Bergen zablle ibm einen kleinen, aber auskömmlichen Gehalt, mit welchem er aber nickt gut bauszuballcn schien, denn die Mutter klagte bitter, daß sic nie Geld von ibm bekommen könne. Die arme Mutter sab so sehr gedrückt und emgeschücktert aus. Sie Kälte eS wohl sehr gern gesehen, wenn Rose daheim geblieben wäre, aber ob es ginge, wenn sic sogar nichts verdiente? Sehr erschrocken war die bescheidene Frau, da Rose ihr von Erwin erzählte. Sie hielt cs nicht für möglich, daß ein wirklicher Hauplman» ein so einfaches Wesen, wie ikre Tochter bciratbcn werde! — Rose las ibr aus einem seiner Briefe ror. Sie zuckte zweifelnd die Schultern: „Ja, das sind so Redensarten, Kind! — Gleich und Gleich, da- ist daS Beste, »iw nicht zu koch hinaus! Dein Vater will auch immer zu koch hinaus. Er wird sich noch ums Brod damit bringen! «sage ihm nichts, ich bitte Dich flehentlich! — Nicht auch daS »ocb' Ich babe genug zu sorgen!" Rose schüttelte verwundert den Kops ob dieser Rede, der längsten, welche sie von ihrer Mutter gehört, und dann be obachtete sie, auf welch' vertrautem Fuße doch der Vater mit den Bergleuten verkehre, deren Vorgesetzter er doch in vielen Tinzen eigentlich sein solle. Sie sah sie oft in Gruppen bei sammen sieben und den Vater lebhaft redend und grsticulircnd »litten zwischen ihnen und sie körten ibm estrig zu und antworteten el'enso eifrig als er sprach. Den Herrn l>r. Franz von Bergen aber grüßte er immer so ironisch respectvoll. Ja, her Herr Vr. Franz von Bergen — ihre erste Lieb«! Sie sab ihn bereits am Ersten Tage mit der blaffen, kränklich auSsebcndcn unschönen Gattin am Arm, die wie eine schwere Last an ihm hing, die er niicht allzu liebenswürdig zu tragen schien. Auf seiner Stirn lag eine liefe Falte und seine Augen suchten alles andere eher, als seine Frau. Nach Glück sahen weder er noch sie auS, und er hielt dock Rcickthum für Glück. Auch das Kind sah sic, ein winziges, blasse- Etwa- im weißen, gestickten, langschlcppciidcn Kleide mit langen, flatternden Bändern und sic hörte sein eigensinniges Schreie». — Aber die Herrschaften bewohnten ein reizendes Schlößchen, welche« inmitten herrlicher Anlagen, nickt allzu fern von den Hüttenwerken am Waldesranke und gleichsam von diesem beschützt da lag — warum konnte nicht das Glück dort wohne»? Auch Nvse'S neue- Heim lag am Waldcsabhang, ei» winziges, bescheidenes Häuslein nur, welches ihr jedoch ganz traulich und heimlich erschien; war sic dock eine so glückliche Natur, sich, oft den ibatsäcklichen Verhältnissen zuni Trotz ganz behaglich und heimisch zu fühle»! Und dock nannte sic jcyt nur ein ganz kleines, weist getünchtes Dackkämmerchen ibr eigen, mit äußerst bescheidener Einrichtung — die Dienstmädchen der Baronin würden sich bedankt baden für solche Wobnung. Aber welch' eine entzückende Aussicht batte inan von diesem Stübchen aus! Saß sie am offnen Fenster und schrieb oder las, so sah sie links die Hüttenwerke, rechts die Villa, geradeaus den Tagebau, wo die Erze von obcnbcr gewonnen werden und in prachtvollen blauen und grünen Adern den Berg durch ziehe». Da klopft und pocht und rollt cö unausbörlich, zuweilen aber erschüttert der ganze Berg in fürchterlichem Getöse — dann wird gesprengt. Der Vater batte eS ibr versprochen, daß sie die Hüttenwerke sehen solle und vielleicht auch mit einem Steiger tief in die Erde hinein. Wie freut sie sich darauf. War eS nicht wieder ein ganz neues Leben um sic her, ein interessantes Leben, dem sic täglich andere reizvolle Seiten abgcwann? Dem Tagebau gegenüber liegt die Altstadt, hoch oben aus dem Berge; zwei uralte Kirchen sieben, weil in« Tbal bincin- schauen», an seiner schroffsten Stelle. Zn ihren Füßen bat sich die Neustadt bingcbaut; friedliche Ackerbürger wobncn kort und einige kleine Beamte, die Rose wie ein Wunder anstarrten, da sie zuerst in ihrem Gesichtskreise erschien. War das die Tockter de« alten Müller und seiner einfachen Frau? Wie eine Prinzessin erschien sie den guten Leuten und Rose lachte über das Aufsehen, da« sie überall erregte. — Dann aber bieß eS Besuch« machen, bei der Frau Hüttenmeister unv der Frau Schichtmeister und der Krau Obersteiger. Sie sprachen von der letzten großen Wäsche, von den ungezogensten Kindern, von der sonntäglichen Predigt und von dem all gemeinen Herrcnmangel im Städtchen, wodurch eS gar so schwer werde, die jungen Mädchen unter die Haube zu bringen — Fräulein Müller babe doch nicht die Absicht, hier zu bleiben? Dann aber suche sie schleunigst Bekanntschaft auf eigene Hand, auf Wegen und Stegen, in Wald und Feld. Sie kletterte in den Bergen umher und fand entzückende Partien. Sie saß in tiefer WaldeSnacht träumend auf altem mooS bewachsenen Stamm, zu ihre» Füßen ein murmelnder Bach, über ibr rauschende Acstc, zwitschernde Vögel und der Gold- gucll der Poesie ging in ihr aus, wie nie zuvor. Sie sandte sie alle an Erwin die kleinen Lieder und Geschichten — sie flogen ihr hier nur so zu. Und nun das Glück, eine verständniß- volle Seele zu haben, die zu ihr gehörte, der alle ihre Gedanken gehörten. O, wäre er mit ibr hier im Walde, im dunkeln geheimnißvollen Walde in dem der Sommcrwind so melodisch rauscht! — Und des Abends, wenn der Mond durch die gefiederten Zweige schaute, dann wanderte sie hinaus, weit hinaus aus einsamem, lichtschiinmerndem Pfade und sang sich die Seele frei. Sie mußte eS bald bemerken, sie hielten sie für etwa- verrückt, vielleicht sogar für sehr verrückt und sie gingen ibr ein wenig scheu aus dem Wege. Auch die Mutter schüttelte bedenklich den Kops, aber der Vater lachte sic aus. Sic ahnten ja nicht, wie schön die Einsamkeit war draußen im stillen und doch so belebten Walte, wo der Sonnenstrahl zitternd die Blätter küßt und der Mond phantastische Lichter darüber binspielcn läßt. — Aber sie liebte ion auch, wen» dunkle Wetterwolken über ihn hinzogcn, wenn der Wind darin sauste, mächtige Töne erweckend, wie daS Brausen der Orgel, oder wildtosend dahin stürmend gleich dem wilden Heer! Sic liebte den Wald unbeschreiblich seit ihrer Kindheit schon und eS war ibr ein großer Genuß, ihn nach so viele» Jahren schmerzlicher Entbehrung, die sie in den engen Mauern düsterer Städte verbracht, nun so sorglos durchstreifen zu können. „Laß' sie nur ruhig gehen", sagte der Vater, da die Mutter sich ängstlich zeigte, „e« thut ihr kein Mensch etwas — dazu haben die Leute viel zu viel Respect vor mir! Räuber und Mörder giebt es außerdem nicht hier in der Gegend." Und so ging sie denn, so oft eS ihr behagte, so viel Zeit sie batte, und sie hatte ja noch viel Zeit. Sie nahm sich ein Buch mit oder Schrcibgeräth und sann und la» und schrieb da draußen. Di« Bücher lieh sie sich zumeist vom Herrn Pastor, der, ein gar guter, alter Herr, ihr freundlich entgegcn- kam; auch Erwin versorgte sie damit, und er schrieb ihr so entzückend liebe Briefe, die sie immer mit sich umhertrug und die sie wieder und imnicr wieder lesen mußte und welche sie täglich mehr erkennen ließe», welch' einen Schatz sie an ihm habe. Er arbeitete bienenfleißig, so schrieb er ibr. unv er hoffte daS Beste; er forderte auch Rose zu weiterer Arbeit aus, ob wohl ihre Sacken noch immer nickt gedruckt worven waren. — Aber das ging nun leider nicht länger mehr so. Di« Mutter batte eS ihr sehr ernsthaft gesagt, — sie mußte ver suchen, Geld zu verdienen. So schrieb sie denn an Ebristel Werner, ihr Arbeit au» einem großen Tapisseriegesckäsl zu besorgen. ES ging zwar die Sage, daß dergleichen Arbeit furchtbar schleckt bezahlt werde, indcß was wollte sie macken? InS Gcschästsleben wollte sic nicht zurück — daS konnte sic doch auch Erwin nicht anihun, und hier gab eS absolut nicktS zu thun. Auch möchte sic so gern noch ein Weilchen bei der Mutter bleiben, sie hatte so gar wenig von ihren Kindern gehabt. — Versuchen wir eS also mit der Tapisscriearbeil! Und sic versuchte eS. Drei Nocken lang saß sie still und stickte. Keine Zeile geschrieben außer an Erwin und die Bezahlung so schlecht — bei angestrengtester Arbeit kaum fünfzig Pfennige am Tage! Und doch besser als nichts, und es wäre Mancher vielleicht sehr froh, wenn er nur so viel verdienen könnte! Gab eS dock so viel Armuth in der Gegend! Wenn man nur helfen könnte! Ta- aber ist der größte Fluch der Armuth, nicht Kelsen zu können, wo man so gern möchte! Und war eS denn nur die Armuth allein, welche so er drückend aus diesen Menschen lag? Gab r» nicht noch Weit größere- Elend aus Gottes schöner Erde? 17. Sie batte sich weit hinaus gewagt, bis dicht an das nächste Dorf. Ta. wo der Fluß tosend über da- Wehr schießt» wo schlanke, hockgewachsenc Buchen die dichten Tannen ablösen und wo an feuchter Schlucht üppige Farrenkräuter wuchern, da fand sie sie. Wie tokt lag sie im hoben Waldgrase bingestreckt. ta- seinc zarten, duftigen Häupter über ihre blaffe-Stirn neigte; still schlief das Kind in ihrem Arm und lächelte im Schlaf. Rose ries sie an; si« hörte e« nickt. Sie lies »um Bach« hinab, tauchte ihr Tuch in da» klare Wasser und kehrt« zurüit» ihr dir Stirn damit zu netzen.
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