Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.05.1894
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-05-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940528015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894052801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894052801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-05
- Tag1894-05-28
- Monat1894-05
- Jahr1894
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
VezugS-PreiS Hau-tez-editioii oder den im Stadt» und den Vororten errichtete» All«- rllea «d-rholt: virrteljührlich oetmaliger tSgltcher Zuftell»»- tu« Xb^O. Durch die Post bezöge» für hlaud und Oesterreich: vierieliäbrlich Direkte tägliche -reuzbandieadung ck» A»«l»»d: monatlich 7.SO. Ued«clion «n- LrveLitio»: Z*tzannes,affe 8. Die Expedition ist Wochentag» ununterbroche« geötzuet »», früh 8 bi« Abead« 7 Uhr. Filialen: ttt« Nlemm'« Sartim. (Alfred Hah«j, Universitötsstraße I, Laqi« Lösche. tathariueustr. 1«, pari, und S«u1g»vlatz 7. Morgen-Ausgabe. Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Aazeigea-Prei» die -gespaltene Pctitzeilc 86 Pfg. dteclamea uuter dem Rrdaction-strich <4go» fpaltea) bO^, vor den FamiUeanachrichle» (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unterem Preis- »«rzeichnib. Tabellarischer und Zisjerasatz »ach höherem Tarij. Grtra-Vetla«r>i (gesalzt). nur mit de« Morgen. Ansgabt, ohne Posibesörderung 60.—, mit Posldesvrderuug -st 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Ndend-Ausgabe: Vormittag« 10 Uhr. Marge »»Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Sonn» und Festtags früh '/,S Uhr. Bei de» Filialen und Aniiahineslelleu je ein« halb« Stunde seither. U««eiDrn sind stet« an di« Er-editi" zu richten. Druck und Verlag von <k. Polz tu Leipzig. ^-267. Montag den 28. Mai 1894. 88. Jahrgang. Amtliche Bekanntmachungen. Bekanntmachung. Nachdem die öffentlich ausgeschriebenen Lchlentzenbauten in der vlumen- und in der Augusten-Stratze in Lcipjig-Mohlia ver» geben worden sind, werde» die unberlickiichtigt gebliebenen Bewerber hierdurch aus ihren bez. Angeboten entlassen. Leipzig, den 22. Mai 1894. Der «ath der Stadt Let-zig. 697. vr. Georgi. Colditz. 1°. Bekanntmachung. Die öffentlich ausgeschriebene Herstellung einer Schlentze 3. Elaste i» der Linbrnttrasze in Leipzig-Entritzsch ist vergeben worden. Tie unberücksichtigt gebliebenen Bewerber werden dr-halb aus ihren bez. Angeboten entlassen. Leipzig, am 22. Mai 1894. Der Rath drr Stadt Leipzig l». 2251/6S9. vr.- Georgi. Eolditz. daß er klein beigiebt und statt, wie früher vor seiner Gemeinde! bcr zu marschiren, hinter ihr herläust, wird die Zukunst lehren. Wenn cs wenigsten« der Wille der Gemeinden wäre, grobpolnisch zu werden! Tbatsächlich werde» die arme» Leut« meistens von einer Handvoll Fanatiker terrorisirt und es bedürfte nur eines mann haften Gegendrucks, uni die verderblichen Elemente zu beseitige» und Ordnung, Nationalitätsgefühl und Achtung vor der natürlichen ^ Autorität wieder z» befestigen." Je leichter und erfolgreicher da« Einschreiten gegen dir! Polonisirung de« deutschen Osten« wäre, desto böber steigert sich die Verantwortlichkeit Derer, welche die Dinge au« Rück sicht auf Da«, wa« in einigen Blättern mit „Polonaise* ^ bezeichnet wird, ruhig ihren Gang gehen lassen Politische Tagesschau. * Leipzig, 27. Mai. Während die dem Reichskanzler ergebenen Blätter an der Stellung deö preußische» Ministerpräsidenten rütteln, um, wie eS scheint, die Rückkehr de« Ersteren ans den Posten des Letzteren einzuleiten, bereitet sich da« Ernte»»» auf die kommenden Dinge dadurch vor, daß eS die ent slbwundene Einigkeit in seinen Reihen wieder hcrzustclle» sucht Zu diesem Zwecke fand am Donnerstag in Bochum eine große Heerschau des EcntrninS statt, in der Herr vr. Lieber mit seinen rbeinisch-westsälischen Gegnern sich wieder anfreundetc. Mil anbaltendeni Händeklatschen empfangen, gab er buchst lehrreiche Ansichten zum Besten, die den lebhaften Beifall seiner Hörer fanden. Er sagte u. A.: An erster Stelle aller Ausgaben stehe der Kampf gegen die Socialdemokratie. DaS Eentrnm allein (!) sei für diesen Feind gerüstet. Der Jesuiten antrag »erde wiederkebren, wenn auch der BundeSrath noch einmal und wieder einmal drein sage. Die Katholiken seien früher dagewesen, al« die Protestanten, und seien vollberechtigte Eobne de« Landes. Man habe da- neue evangelische Kirchengesctz gefördert, um auch die kirchliche Autorität in der OrdcnSsragc zur Geltung zu bringen (!) Das Berhaltcn der württcmbergischen Synode beim König bezüglich der Iesuitenfragc sei eine Anmaßung (!). Der Tag werde kommen, wo den Katholiken ihr Recht werde. Die Rückkehr der Jesuiten sei unerläßlich vom socialen Stand punctc, sie sollten helfen, die Gesellschaft und den christlichen Staat zu retten. (!) Am Abend fand eine gesellige Zu sammenkunft im katholischen Vcreiuöbause statt und bei dieser Gelegenheit gab Herr Lieber allerlei persönliche Bekenntnisse und Erklärungen über die Borgäuge im CentrumSlager. Die „Köln. Volküztg.* theilt darüber mit: „Er habe schwer gelitten unter Angriffen und kleinlichen Nörgeleien auS dem eigenen Lager. Sein Wirten für die katholische Sache, sein Eintreten für dieselbe diesseits und jenseits des Oceans habe gezeigt, wie theuer ihm dieselbe sei; aber trotzdem habe das bekannte Verhalten alter Freunde ihm ernstlich den Gedanken nahe gelegt, sich zurückzuziehen. Nicht, weil er der Meinung gewesen, Laß die Herren in all ihren Ausführungen Recht gehabt batte», sondern weil er die Sicherbeit verloren habe, ob er unter solchen Umständen noch mit Erfolg für die katbolische Sache lhätig sein könne. Er sei mit Herrn Lensing (der ihn zu diesen Bekenntnissen angeregt halte) einig, daß Jeder, der im öffentlichen Leben stehe, das Vertrauen des katholischen Volkes haben müsse. Daran habe eS ihm einen Augenblick zu mangeln geschienen; aber er hoffe, so glücklich zu sein, es wieder zu befestige». Falls ihm das nicht gelingen solle, werde er cs für seine unabweisbare Pflicht halten, durch seinen Rücktritt der Sache den letzten Dienst zu erweisen. Vertrauen überall müßten Tie haben, die in Berlin schwere Ent» scheidungen treffen, so zwar, daß sie nicht jede» Mal sagen müßten, weshalb sie so und nicht ander« gehandelt hätten. Schenken Sie mir Vertrauen, damit ich meinerseits das erschütterte Vertrauen und die alte Arbeitssreudigkeit wiederfinde. In diesem Sinne und in der Ucberzeugung, daß wir ohne Liese- Vertrauen, und wenn wir Engel von» Himmel wären, nicht« ver mögen, in diesem Sinne rufe ich: „DaS katholische Volk, es lebe hoch." (Stürmischer Beifall.) Der Abg. Fuchs erhob sich darauf, um die Verdienste Herrn Lieber - zu feiern, und so endete alles in Harmonie. Daß diese Harmonie nicht herzustellen gewesen wäre, wenn die Lcrsaminlung nicht unter dem Eindrücke gestanden hätte, daß in Berlin etwas vorgebe, woraus ein weiiigstcns äußer lich geeintes Centruin Capital zu schlagen Kossen dürfe, kann nach den früheren erbitterten Streitigkeiten im uitramontancn Lager keinem Zweitel unterliegen. Um so gespannter darf man darauf sein, welche» Ausgang die von der „Köln. Ztg* eingeleitrtc Action gegen da- Ministerium Eulenburg nimmt. In Lberschlksien mackt die Polonisirung reißende Fortschritte. Tie für die parlamentarischen Bedürfnisse de- ReichskanzlerS sorgende preußische Regierung scheint gegen das systematische Polonisiren der dortigen Deutschen erst vvr- geben zu wollen, wenn e» sich verlobncn wird, in Oppeln eine AnsiedelungScommission mit vielen Millionen zu etabliren, die den großpolnischen Bauern idrc verschuldeten und herad- aekommenen Besitzungen ibeuer abkauft und ibnen aus diese Weise da» Geld, da- sie für ibre Agitationen so opferfreudig aurzezeben haben, wieder erstattet. Dir »Schles. Morgenztg.' schreibt: ,,E« würde zu einem überraschenden Ergebniß führen, wenn fest gestellt würde, wie viele Perfonen deutschen Ursprung« und d-utlchen Namen» in Lberschtesien gar nicht mehr oder nur noch gebrochen denisch sprechen können. Nicht nur die Provinz Posen bat ihr» Ezumann «, Szule'» re., auch der Kreis Oppeln rühmt sich, einen Sroßpoloischen Agitator Namen« Reimann zu besitzen. E« wäre nur eine ehrliche Eonsequenz, wenn auch alle die Männer deutscher Abstammung, weiche die Unterdrückung der deutschen Rationalität t» ihrer deutsche» Heimath unterstützen, ihre Namen poloni« fire» wollten; ihr Deutschthum ist ihnen ja doch nichts »erth und di« Anderen wüßten sofort, mit wem sie r» zu Ihn» habe». Ob derjenige Theii der deutschen Land geistlichen, dem seine Pflegebefohlenen bei der letzten Wahl «ff«»«» widerstand geleistet haben, dadurch an Ansehen gewinnt, Der erste Eindruck, welchen da« Programm de« neuen nikdrrländtschen Ministeriums Roell gemacht bat, war ein sehr günstiger. Nicht nur die Freunde, sondern sogar die Feinde de» Eabinels erklärte» sich mit dem Programm einverstanden. Die Anhänger bcr Wahlreform waren fast entzückt darüber, daß die Negierung die Frage der Wahlrechtserweiterung alle» anderen vorangestcllt batte, waS eine rasche cnd.ziltige Lösung dieser schwierigen Angelegenheit erboffen ließ — und Blätter wie der „Standaart* und drr radicale „Ainsterdainnier" zogen aus diesen günstigen Anzeichen den kühnen Schluß, „baß die Censervativcn selbst dem Druck der Verhältnisse gewichen seien und daß der demokealischen Bewegung das conservativ- liberale Ministerium nicht habe widerstehen können"; kurz, die radicale Presse stimmte SicgcShyinnen an. Indessen dauerte cö gar nicht lange, bis sich Zweifel einstelltcn, und der Enthusiasmus über das ministerielle Programm sich ab kühlte. Bor Allem bemerkte man die großen Lücken des Pro grammS. Da war z. B. kein Wort gesagt von dem obliga torischen Unterricht, kein Wort über die allgemeine inilitairischc Dienstpflicht, und bald verstand man, daß das Ausgeben dieser zwei liberalen Forderungen der Preis war, um den die Regierung die Unterstützung der Katholiken zu gewinne» suchte, ohne welche sic einer Mehrheit in der Kamnier nicht sicher ist. Sodann bemerkte man, daß daS Eabinet sich mit der Absicht trägt, die Regelung der SliminrechtSangclcgenheit zugleich für dieKammer, die Provinzialständc und dieMuiiicipal- räthe durcbznführen. Natürlich wird ein derartig kolossaler GesetzeSvorschlag, z» dem noch nicht einmal die nötdigcn Studien gemacht sind, die Kammer während einer absolut unabsehbaren Zeit in Anspruch nehmen und die Kammer wird s. Z. nicht verfehlen, die Regierung für die Langsamkeit der DiScussion des ProjeclS verantwortlich zu machen. Die Regierung sucht, wie wir gleich nach dein Antritt des neuen Cabinets hervorbobcn, Zeit zu gewinnen und schiebt deshalb das Problem der Wablrcchterweiterung, vkne eS formell falle» zu lassen, auf unbestiinmte Zeit hinaus. Würde Roell dasselbe sofort vor die Kammer dringen, so würde er unbedingt darüber stürzen, denn was er bieten könnte, wäre den Lide ralcn noch vielen wenig, de» Eonsrrvativen aber schon viel zu viel. Indesjeu werden sich die Holländer bald an ihr neue- Ministerium gewöhnen und die Polemiken werden bald verstummen; daS liegt nun einmal im niederländischen Voll- charakter. Noch immer nicht ist das 33. Ministerium der fran zösischen Republik zu Stande gekommen, aber wenn nicht Alle- trügt, wird, was wir gleich al« da« Wahrscheinlichste l-c- zeichncten, ei» Eabinet Dupuy sich au- dein Ebaos ge stalten, da« der Rücktritt Casimir Pericr'S angerichlct hat. Noch gcsternNachmttlagberiesPrästkcnlCarnotdenVorgängcrPcriei's abermals ins Eiysöe und dieser übernahm eS, wie schon tele graphisch gemeldet wurde, aus dringendes Zureden Carnot'S, die Mittel ausfindig zu machen, durch welche die iniiiisierielle Krisis gehoben werken könnte. Bon vornherein stand fest, daß, wer auch immer mit der CabinetSbildung betraut werden würde, da« neue Ministerium eine starke radicale Färbung mit einem Stich in« Socialistische baden müßte; so würbe es in einem von Carnvt ansangs in Aussicht genoininenen ConcentrationScabinet unter Bourgeois der Fall gewesen sei», in welchem die radicalen Mitglieder ihre oppor tunistischen College» fortgesetzt »nt der Drohung ihres Rücktritts terrorisirt haben würben, so in einem Ministerium Pcytral, der den Opportunisten nur einen sornicUen Anthcil bei der Bcrlheilung der Portefeuille« zugcslanken hätte, so, wenn Brisson an« Ruder gelangt wäre, der ein re», raticalcS Ministerium gebildet haben würde, so unter den Anspielen Dupuy'S, der zwar am 2. December 1893 über sein nicht nur antisocialistischeS, sondern auch a»t>- radicalcS Programm stürzte, der aber Herrn Carnet diesmal selber gerathen hat, e» einmal mit den Radicalen zu versuchen, und von dem man weiß, daß er als ausgesprochener Realpolitiker auch anderen Strömungen Rechnung zu tragen weiß. Auch Tupny wird ja den „bürgerlichen" RaricaliSmuS nicht lange am Ruder zu halten vermögen, aber er erscheint doch inimer noch als der geeignetste Mann, um vermöge seiner Allüren niil den Mittrlgrnppe» daS Leben eines radicalen Cabinets länger als jeder Andere zu fristen. Wenn die ttattrnischc Deputirte nkammer kein raschere« Tempo anschlägt, kann der Juni und der Juli verstreichen, ehe die Sonnino'sche Finanzrrform aus dem parlamentarischen Redestrom aus» Trockene toinml: von den 80 und mehr zum Worte gemeldeten Rednern Hai sich bisher erst ein kleiner Theil vernebmen lassen, und bekanntlick» sind nicht weniger al« zwanzig Tagesordnungen angemeldet. Vielfach herrscht die nickt unbegründete Meinung, daß der Regierung Liese« schleppende VerhandlungSlempo gar nicht so unerwünscht sei, da CriSpi auch den Schein meiden möchte, als sei ihm daran gelegen, eine gründliche Erörterung der Finanzangelegcnbeit zu verhindern, da er die Ueberzeugung begc, je mrbr und eingehender die Kammer sich mit dem Studium der finanziellen Lage de« Lande« befasse, desto ge wisser sie zu dem Schlüsse kommen müsse, daß die Scniiiiio'- schcn Vorschläge den Steuerzablern nur da- absolut Notb- wendigr zuniuthen. Nebenbei versteht e« sich von selbst, daß, während in der Kammer die Debatte ihren geschästSordnungS- mäßigen Gang gebt, der Ministerpräsident nicht elwa die Hände müßig im Sehrohr ruhen laßt, sondern seine Unter handlungen mit den einzelnen parlamentarischen Gruppen sortietzt. Denn zn Concessioncn, welche nickt direct daS Wesen der vorgeschlagencn Finanzmaßregeln beeinträchtigen und umgcstallen, bat sich CriSpi wiederholt bereit erklärt. ES scheint auck noch nack, den letzten Blättermeldnngen, daß sogar die äußerste Linke ibre streng ablednente Haltung gegen über dem Sonnino'sche» Finanzprogramm nickt durchweg aufrecht erkalten dürfte. Ei» Pnnct, über den sie mit sick reden lassen würde, wäre z. B. die ZinSrcduclion, für welche sie eventuell zu haben wäre. Wenn dein so ist, so könnten die Stimmen der äußersten Linken in diesem Punctc den Wider stand der andcrweiten Gegner der bcreglcn Maßregel wett- iiiachen, so daß trotz der Opposition des Fünszebner A»S- schiiffcö und seiner Freunde die ZinSreduclion eine Mcbrbeit in der Kamnier für sich hätte. Schwieriger gestalten sich zur Zeit noch die parlamentarischen Aussichten der Grund- sleuererböhung. Indessen darf conslatirt werde», daß bis zur Stundc der Gang der Finanzdcbattc noch in keinem einzige» Puncte ein siir das Schicksal der Regierungsvorlagen direct ungünstiges Präjudiz geschaffen hat. Ter englische Premierminister, Lord Nosebery, hat, wie es scheint, gegenwärtig mehr Glück im Rennen als in der Politik. Seine Pferde laufen gut, seine NegicrungSmebr- bcit jedoch bat labmc Beine. Er ist am Mittwoch in New- inarkt Sieger geblieben und des DerbypreiscS nahezu sicher, in Westmiiisicr jedoch droht ihm Mißerfolg, und cs jicllt sich immer mehr heraus, daß er der Irländer und Waliser nichts weniger als sicher ist. Dieser Gefahr hat der Premier in seiner telegraphisch schon kurz slizzirtcn Birniinghanier Rede Ausdruck gegeben. Er sprach von der Politik und Stellung der Regierung, wobei er die gegenwärtigen Schwierigkeiten insbejondcre anck> der Tatsache zuschrieb, daß die liberale Partei a»S Gruppen bcstcbe, die zu Gunsten ihrer eigenen Interessen an die Regierung Anforderungen stellten, welche deren Programm imiiicr mebr erweitern. Eine» Versuch einer dieser Gruppen,die Regierung zu stürzen, nannte indeß der Premier eine selbst mörderische Politik. Dann sprach er von den beiden „kleinen" Spaltungen, welchen die Regierung gegenwärtig zu begegnen habe: der „alkoholischen" in Irland und der „kirchen- schiSmatischen" in Wales. Mit der erstgenannten meinte er den Widerstand der Parnelliten gegen die von Harcourt ge plante Erhöhung der Spirituoseiisteucr, mit der andern wies er auf die vier Waliser Abgeordneten hin, welche in der Kirchcn-EntstaatlichnngS-Fragc, deren endcziltigc Erledigung ibnen die Regierung zu lange hinzögert, un Einverständniß mit ihren Wählern gemeutert baden. Wäre eine dieser Spaltungen erfolgreich, schloß der Premier, den sein Humor voller Optimismus gänzlich verlassen zu bade» schein«, dann könnte wieder eine Tory-Regierung an das Ruder kommen Nach der Bewegung in conscrvalive» Kreisen scheint man dort für die Ausschußberathung des Budget« die besten Hoff nungen zu bcgcn und bereits den Angriffsplan gegen daS Cabmct fertig zu baden. Unter solche» Umständen kann die seit Wochen in Aussicht gestellte Auslösung des Parlaments über Nacht zur Tbatsache werden. Deutsches Reich. er Berlin, 26. Mai. Die Wein st euer ist, abgesehen von dem OmUungS- und Frachtbriesstempel, wobl das aus sichtsloseste Stcucrproject in der letzten Rcichstagösession und so sicher die Wiederkehr einer Tabaksabrikatsieuervorlage ist, so zweifelhaft erscheint cs, ob die verbündeten Regie rungcn aus irgend einen Borschlag zur Besteuerung des Wein« von Neichswegcn zurückkoinmcn werden. In Norddeutschland, wo der Wein, trotz de« in den letzten Jahrzehnten ganz außerordentlich gestiegene» ConsnmS noch ininier ein Luzusgctränk ist, könnten Diejenige», welche eine Berinchrung der eigenen Einnahmen tcS Reichs siir nnvernieitlich halten, eS nur bedauern, wenn sich eine Nutz barniachung diese« LurnSgennsse« für die RcichScasse ent giltig als undurchsübrbar erweisen sollte. Doch muß zuge geben werden, daß die a»S einer NeichSweinstcuer auch »n günstigsten Falle zu erwartende Einnahme zu gering sein würde, als daß »:a» deshalb da« Risico mißlicher Folgen von unabsobbarer Tragweite aus sich nehmen sollte. Einerlei aber, wie die Frage entschieden wird, daran muß jedenfalls sestgchaltcn werten, daß die Besteuerung des Weines Len Gemeinden frcizngeben ist, und c« ist deshalb mit Genug- thuung bcrvorzubebcn, daß Finanzininister Iw. Miguel in der Beantwortung der Interpellation v. Eynern am letzten Mittwoch ausdrücklich crllärt bat, die preußische Regierung werde dies Ziel weiter verfolge». Gegenwärtig ist die Besteucrnng tcS Weines de» Gemeinden nur in de» „eigentlichen Weinländern" und auch dort scbr nngleichmäßig gestattet. Die Forderung ist. daß ein gleichmäßiges Be steuerung-recht allen Gemeinden verlieben werde. Der Ein wand, daß jür kleinere norddeutsche Städte eine Besteuerung teS Wein« wegen des geringen Verbrauchs von solchem keinen Sinn bade, ist schon deswegen nicht stichhaltig, well nian gerate in Rorddcnlschland ans die Einsübrung einer coinmunalcn Bierstcucr vielfach lediglich an- dem Grunde verzichtet hat, daß die gleichzeitige Besteucrnng de« aus schließlichen Getränkes der Reichen nicht gestattet sei. Plan sicht also, daß von einer Beseitigung der reich-gesetzlich be stehenden Ungleichmäßigkeit tesWeinbesleucrungvicchts geradezu dir Möglichkeit einer rationellen Ausbildung des coniniilnalc» Gclränkesleiicrshsteins abkängt. Angesicht« der im nächsten Jahre bevorstehenden Umgestaltung des Coininunalslener wesen« in Preußen wäre eS sehr erwünscht gewesen, wenn jene reich-gesetzlichen Schranken bereit« vorder gefallen wären, »nt eS hätte sich die« auch Wohl erreichen lassen, wenn man den Reichstag nickt viel früher, al- erwartet war, in die Heimath entlasten hätte. Herr Miguel hat allerdings damit getröstet, daß die Gemeinden erst nach L rdnung ihre« Realsteuersystenis ihr etwaige« Bedürsniß nach indirekten Steuern ganz würden übersehen tönnen. UnS scheint indeß. daß doch Werth daraus zn legen wäre, wenn die volle Möglichkeit, sich über die Einsübrung von Getränke steuern schlüssig zu machen, schon vor dem l. April 189.', gegeben wäre, wie denn auck in nichtpreußischen Staaten manche Gemeinde diesen Zeitpunct sehnlichst erwartet. Man kann also an die verbündeten Regierungen nur da- dringende Ersuchen richten, den Reichstag al-bald nach seiner Wieder eröffnung mit der Erinöglichung der coinmunalcn Besteuerung de» WcinS zu befassen. n Berlin, 27. Mai. Daß die Fahrten der deutsche» Oceandamser in Bezug aus Sicherheit der Beförderung bedeutend bessere Garantien biete», als ihre ausländischen Concurrenten. ist bekannt und wesentlich mit der Grund, weSbalb die deutschen Schiffe auch vom ausländischen Reise pnblicuin mit wachsender Vorliebe aufgesiicht werden. Vor kommnisse wie das letzthin ans der Newyork-Tour zwischen dein britische» Schnelldampfer „Majeslic" und dein anicrikanischcn Conciirrenztampfer „Pari-" stattgcbabte Wettrennen dürften schwerlich dazu beitragen, die in vielen Kreisen gegen die Beiiutzuiig »icktdentscher Dampfer gehegte» Bedenken zu entkräften. Es wird berichtet, daß beite Dampfer tagelang mit vollster Maschincnkrast nebeneinander berliefen. bi« schließ lich der Amerlkancr e« ii-kirre, mit einer Schrägwendung dickt vor demBiig seineSGcgncrSvorüberzufahrc'n, und letzter» dadurch, um der Gesabr eine« ZiisamensloßcS zu entgehen, zu momentaner Verlangsamung de« Fabrteinpos zwang. Beide Schiffe führten zusammen über 2469 Menschen an Bord. Was hätte geschehen tönnen oder vielmehr müssen, wenn der „Majestic" nickt recht zeitig gestoppt oder der Führer des „Paris" sich in Schätzung der Fahrgeschwindigkeit und deö Abstandes beiter Schiffe geirrt hätte, mag sich ein Jeder selbst anSmalc». — lieber die Reickstagöwabl in Plauen i. Bogtl. schreibt bcr socialteniokratische „Vorwärts": „Heulen n»d Zähiicklapper» tont aus der bürger- chen Presse über das Ergebniß der Nachwahl i»> 23. snchfiichen Wahlkreise. „National-Zeitung" und „Kren,-Zeitung" halte» den Sitz für verloren. Unsere Genossen werde» alle Anstreiigungen machen, daß diesmal die Vorhersagungen unserer Gegner sich bewahrheiten." Hoffentlich werben die Anbängcr der OrdnnngSparteien zu gut wissen, was sie dem Reiche und sich selbst schuldig sind, um durch Lässigkeit den Wahlkreis an dio Socialdemo- kralic auSzuliofern. — Nach der vom „RcichSanzeigcr" veröffentlichten Ueber- ein knnst zwischen Deutschland und Großbritannien über die Einsübrung eines einbeitliche» ZollsvstcmS für Togo und da« Gebiet der Goltlüste östlich von Volta nnterlicgcn in dem gemeinschaftlichen Zollgebiete Spirituosen einem Zoll say von 2l -s per Liter, Tabak .',6 „s per Kilogramm, Pulver >',0 I per Pfund und Feuerwaffen 2 per Stück, Alle übrigen Einfuhrartikel unterliegen einem Einsiibrzoll von I Procenl des WertbcS. Eine besondere Tabelle sübrt die jenigen Gegenstände ans, welche vom Zoll befreit sind, darunter Salz. — Der znm 7. Juni einbcruscne Colonialrath wird augenblicklich dui ch folgende Personen gebildet: Geb. Rath v. Hanscinan», SlaalSsccrctair a. D. I>r. Herzog, Bankier v. d. Heydt, Assessor a. D. LueaS, StaalSniinister v. Hof- mann. Iw. Schreedcr, Tircctcr HcrnShcstn, Kausniann Adolf Woerinann, Kaufmann Tbormälen, StaalSsccrctair a. D. I>r. v. Iacobi, Tcmbcrr Iw. HcSpcrS, Fürst Hobcnlobe, Consul a. D. Vobscn, Geheimer Ober-Postratb Kractke, Rechtsanwalt Iw. Scharlach «Hamburg), Geheimer Com- mcrzicnralb Enge» Lange», Oberst von Palle,icup. Privat- gelehrter Paul Slaudiiiger, Ministcrialpräsidcnt a. D. Iw. von Grimm. — Der „ReickSanzeigcr" pnblieirt beute die Ernennung des bisherigen preusniche» Gesandten in München, Grasen z» Eulenbnrg, ;>»» deutschen alißkrordcnllichcn und bevoll mächtigten Bolichaslcr am österreichisch-ungarischen Hofe. — Bei dem Kriegsminisler Vronsart v. Echellendorsf fand Soiinabriid Nachmittag 6 Uhr ei» Liner statt, ,,» welchem a» die MilitairbevoUiiiitchtiglen uuv die Mililair-Vlttcichc-s der hier beglaubigten deutschen und ausländischen Müsioneii Einladungen ergangen waren. — Ter bayerische Gesandte am hiesigen Hose Gras v. Lerchen seld- Küsering ist nach Berlin zuriickgekchrl und hat die Geschastc der Gesandtschast wieder übernvuinic». Fürstbischof Iw. Köln, von Olmütz wird am bevorstehenden Dienstag (29. d. M.) in Verls» eintressen — Ter Geb. Legativnsrath v. Klderlkn-Wäckiter in der poli tischen Abthelliliig ves Auc-ivärtigen Vl»it-r hat einen Urlaub a»- grlreten. Nach Allans seines Urlaubs, wahrscheinlich zu Anfang Lrtober, wird er seine neue Stellung als Gcsaiidtrr bei den Ha»«c- siaüten und den großherzogl. mecklenburgischen Hosen kinnchmcii. — DaS Verbauen der Socialdemokratcn in der Durchführung der Bierspcrre erregt i» immer weitere» Kreisen berechtigten Unwillen. In Friedrichsbagen stellte eine sogenannte .Coniniission" der Sveialtcmokralen an ver schiebend Reslanratcurc das Ansinnen, ihre Keller nach boy- ccttirleni Bier nnlcrsiicken zn lassen. * Schwerin. 27. Mai. (Telegramm ) Ter Gros; Herzog ist mit den großherzoglichen Kindern heute Vormittag hierbei znrückgckcbrt. * Hamburg, 25>. Mai. Im Auftrag der österreichischen Negierung studiren augenblicklich zwei höhere ösier reich iic»>- Zollbeamlc die hiesigen Zoileinrichiiinge», speeiell de» Frei l oie», die Zvlliiiland.ager und die Zollabscrlignug, und zwar bebiiss Brr»cksichligi»ig bei der bcabsichligien Errichtung eines Frelhasciis in Triest. * Hannover, 26. Mai. Dem „Beri. Tagcbl." wird von b'cr berichtet: Ein an den Kaiser von priratcr Seite ge richtete« Iuiinediatgesiich, in welchem nin die Genehniigung der Errichtung eines Denkmals für den verstorbenen .König Georg V. von Hannover gebeten wurde, ist durch Leu Minister des Inner» abschlägig beschicden worden. * WirSbabe», 26. Mai. DaS kr onprinz licke Paar von Griechenland ist heuie Mittag zum Besuch des König- von Dänemark bicr eingetroffcn. * Mainz, 26. Mai. Es bestätigt sick, daß die der Spionage verdächtigen Franzosen, die Ingenieure George Boniincl und Eniilc-Bazellc ans Rbcims, wieder auf freien Fuß gesetzt worden sind. Die Untersuchung batte belastende Momente gegen die Beschuldigte» nicht ergeben, el-wobl sie sich sebr unvorsichtig benemnie» batten. Es muß inintcstcns als ein großer Grad von Leichtsinn und Unbcsonncnbcit bc zeichnet werden, wenn sick Ausländer mit einem Ainatcur- pbvtographen - Apparat aus das militairische Gebiet einer preußischen Festung begeben.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite