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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.05.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-05-31
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940531024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894053102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894053102
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- LDP: Zeitungen
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-05
- Tag1894-05-31
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BezugS-Prei» M »« H«y»t»0>«dttio, od«r d« i» St«d»> tairt »»d de» Borortra enm ,ttr» Aut- -°dri!kllk,«bgeb»lt: vierMjsE bei Pveim-liaer täglich« Ziis, l»,g ins b^O. Durch die Poihnezoqen für t«»tfchla»d «d Oestrrrrich: leuirliädelich L—. Direct» tägliche -re« »ndieiioung i»s Luslmd: «oratltch vie-7^0. Dt, M°rge»-«»sgab« «scheiß ' h'/,? Uh«ü di» «be»d.»usgabe Woche, ^ b Uhr. Uekrti», m»d LrpeM-«: A»tz«noes,aGr 8. Dte Srpedttio» ist Wochentags unuuterbroche» geMet N— früh 8 bis Lbeuds ? Uhr. vtt» »le»«'« Tsrtt«. lkllfrrd UniverfilStSstrah« 1, L-^is r»sche. techerioenstr. 1t, p«t. und Dtaigtdlatz 7. Abend-Ausgabe. Anzeiger. Lrgan för Politik, Localgeschichte, Handels und Geschiistsverkchr. AnzeigenPreiS die 6 gespaltene Petitzrile 26 Psg. Reklame» uut« demRedacttoasftrich (tg«> fpalle») SO^j, vor den Aamiliranachnchte, (6 gespalten) 40/>j. Gröbere Schriften laut liniere» Preis, ««zrichniß. 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Der ainspruch, welchen das Deusche Reich gegen das zwischen dem Congostaate und Großbritannien ge schloffene Abkomm en erhoben hat, wird fast in der gesammtcn deutschen Presse als ein weiteres Symptom deS neuen Geistes angesehen, der seit einiger Zeit in der deutschen Eolomal- polilik sich spüren läßt und zum ersten Male in der ganz unerwartet energischen Vertretung des deutschen Stand- funcles in der Samoa-Frage in tue Erscheinung getreten ist. freilich giebt man sich keiner allzugroßen Erwartung Uder den Erfolg des Einspruchs hin. So schreibt die Münchener „Xllgem. Ztg ": „Das Uebcreinkommen vom 8. November 1884 bietet zwar unsrer Ansicht nach nicht die genügende Voraus setzung für ein deutsches Veto gegen die Bollriebung des neuen Eongv-BertragS: weder das Äecht der Meistvegünsligung, daS dem Deutschen Reich eingeräumt ist, noch die Bestimmungen für den Fall eines Besitzwechsels, welche etwa erworbenen deutschen Ansprüchen ihre weitere Geltung garantiren, scheinen uns dazu auszureichen. Immerhin aber könnte aus dem Artikel 8, in welchem daS Deutsche Reich die Grenzen deS Eonzo-Staates anerkennt, ein gewisses Recht zum Einspruch gegen eine willkürliche Veränderung dieser Grenzen abgeleitet werden. Nun läßt sich freilich einwenden, daß eS sich nicht um dle Abtretung irgend eines GebictSthcils an England bandle, sondern lediglich um eine „Verpachtung", und hinter diesem staatsrechtlich schwer zu fassenden Begriff werden sich die Eontrahenten Wohl zu verstecken suchen. In ihren thatsäch- üchen Wirkungen kommt aber zweifellos die Verpachtung einer Gebietsabtretung gleich, und eS war also jedenfalls nicht loyal, die an den Grenzen dcSCongo-Staatcs interessirten Mächte durch ein solches Abkommen zu überraschen und sie vor ein kait uccnmpli zu stellen. Ob eS noch Zeit ist, sich gegen die erstickende Umarmung zu wehren, mit welcher nunmehr England unsere oftasrikanischen Besitzungen zu umfassen sucht, wie Frankreich unser westafrikanisches Gebiet, dürste fraglich sein. ES wird sich wohl leider wieder einmal zeigen, daß seit 1890 daS „Zu späte Lufsirhen" daS hauptsächlichste Merkmal unserer aus wärtigen Politi. geworden ,st. Einen Bundesgenossen haben wir freilich bei unserm Einspruch gegen den Vertrag: Deutsch land sieht sich seltsamerweise einmal in einer internationalen Action an Frankreichs Seite, doch will uns diese Eombination auS manchen Gründen nicht als eine sonderlich viel Erfolg verheißende erscheinen." Nach unserer Ansicht verspricht eine diplomatische Einwirkung aus den König von Belgien den meisten Erfolg. Mit dem deutschen Reiche auf gutem Fuße zu bleiben, muß ihm mehr am Herzen liege», als England zu einem Danke zu verpflichten, der sich schwerlich in Thaten umseht. Aus eine Eonserenz eS ankommcn zu lasten, würde sich vielleicht empfehlen, wenn Fürst Bismarck noch im Amte wäre. Die Verhandlungen der preußischen kandwirthschaft- lichen Konferenz werden allem Anschein nach zunächst nur die ungeheueren Schwierigkeiten hervortrctcn lassen, welche sich einer eingreifenden Abhilfe des landwirthschaftlichen Notbstande« cntgegenstellen. Greifbare Vorschläge sind bisher kaum bervorgetrelen, die Verhandlungen bewegten sich mehr in allgemeinen Betrachtungen über die neuerdings so viel erörterten Fragen der übermäßigen Verschuldung deS länd lichen Grundbesitzes, der Aufstellung einer Verschuldungsgrenze, der Organisation des ländlichen CreditwesenS, einer Be schränkung der VererbungSsreiheit. Die Versammlung war aanz überwiegend der Ansicht, daß in diesen Fragen in der Thal der eigentliche Sitz der kranken Zustände in der Land- wirthschast zu erblicken und der Boden gegeben sei für eine wirksame hilfreiche Reform der Gesetzgebung. Von den Getrcide- zöllcn war biSbcr kaum die Rede. Aber eS ist viel leichter, aus Wunde Stellen mit dem Finger hinzuweisen, als richtige, nützliche und anwendbare Heilmittel zu finden. Da muß man eben den weiteren Verlaus der Agrarreform ab- warten, die bereits von der Regierung auSgearbeitet und demnächst wobl auch die neuen Landwirthschastskammeri» beschäftigen wird. Am Zurückhaltendste» und Unsichersten über die Möglichkeit einer wirksamen Hilfe aus diesem Wege sprachen sich die an der Versammlung theiluchmenden prakti schen Landwirthc aus, weit energischer und zuversichtlicher die Männer der Wissenschaft und der Theorie. ES herrscht gegenwärtig in den weitesten Kreisen die Anerkennung, daß unsere Laudwirtbschaft, und zwar nicht nur der große, sondern auch der mittlere und der kleine Grundbesitz, sich in schwerer Bedrängniß und Gefahr befinden, uns jedes zweckmäßige und durchführbare Mittel der Ab' Hilfe kann von vornherein auf wohlwollende Auf nahme rechnen. Es ist auch nicht richtig, dem Staat und der Gesetzgebung ohne Weiteres die Befähigung abzu- sprechen, gegenüber mächtigen gegebenen Tbatsachcn wirk sam einzugreifcn. Wir haben schon viele große und segensreiche, mit staatlich-gesetzgeberischen Mitteln be wirkte Reformen auf allen wirthschastlichen Gebieten, und nameutlich dem landwirtbschastlicben, im Laufe der neueren deutschen Geschichte erlebt. Schöpferische Geister finden auch hier vielleicht den richtigen Weg. Aber bei den sehr schwierigen und verwickelten Verhältnissen, die hier nach den verschiedensten Seiten hin in Betracht kommen, ist ein vorsichtiges und besonnenes Vorgehen freilich noth- wendig. Jedenfalls kann eine gründliche und sachliche Beleuchtung dieser Verhältnisse und der zur Abhilfe vorgeschlagenen bisher noch etwas nebelhafte» und ver schwommenen Pläne nur nützlich wirken. DaS neue französische Ministerium, über dessen definitive Zusammensetzung und formellen Amtsantritt di« Meldung inzwischen erfolgt ist, wird von den Par>'»r Blättern gemäßigter Richtung mit großer Tyuwathie begr.-fT. Insbesondere wird consratirt, daß sämmtlicke Mitglieder des selben in der SyndicatSfrage für daS Ministerium Perier gestimmt haben. Es soll damit wohl ein indirekter Finger zeig für die von dem neuen Eabinct einzuschlazende Ver kaltungSlinie gegeben resp. versucht werden, dasselbe als eine continuirliche Fortsetzung des dcinissionirlen EabinetS bei der öffentlichen Meinung einzufllbrcn. Wäre dem in der Tbat so, waS wir schon als wenig wahrscheinlich bezeichnet,:», dann dürsten die Tage auch der zweiten Ministerpräsidcnlschaft Dupuy'S höchst wahrscheinlich gezählt sein, denn daß er der Mann sein sollte, Hindernisse zu über winden, an denen Easimir Perier scheiterte, ist kaum anzu- nehmen. UcberdicS ist auch Tupuy schon einmal von den selben Elementen gestürzt worden, wie sein AmtSvorgänger, und wird, durch die Erfahrung gewitzigt, Alles thun, um nicht unter erschwerenden Umständen nochmals von dem gleichen Geschick ereilt zu werden. Alles thun, kommt im gegenwärtigen Falle Dupuy'S wobl so ziemlich auf dasselbe hinaus wie NichtStkun, denn jede positive Rc- gierungSpolitik, die nicht im Vorhinein deS Beifalls der Radikalen und Socialdcmokraten gewiß ist, verbietet sich heutigen TagcS von selber. DaS Einzige, waS selbst nach Ansicht der ertremen Elemente keinen Aufschub verträgt und deshalb zu Ende geführt werden muß. ist die Erledigung deS Budgets; was die Ausgaben betrifft, so wird der neue Finanzministcr Poincarö in die Fußstapfcn seines Vor gängers Burdeau treten, dafür aber wird er, wie eS heißt, rin rectificirtes Einnahmcbudget vorbercitcn, unter dem man sich so ziemlich alles Mögliche denken kann. Die politische Actio» tcö EabinetS Dupun müßte, wen» er und seine Eollegcn die Zeichen der Zeit richtig zu deuten wissen, in der Entfaltung einer meisterlichen Untbätigkcit bestehen, welche den Zeitraum biS zum Termin der Präsitenlc»- wabl mit »»verbindlichen Kundgebungen ausfüllt, da eine wirklich inhaltsvolle Politik, und wäre sic »och so geschickt den Bedürfnissen deS Landes angepaßt, doch Mangels auS reichenden Rückhalts an der Nation im Sande verlausen würde. — Inzwischen tritt der Wechsel deS Ministeriums gegenüber der Turpin-Angelcgcnheit völlig in de» Hintergrund. Der Melinit-Erfinder turpin soll im Gefängnis; eine KriegS- wasse von furchtbar zerstörenden Eigenschaften erfunden, die selbe erst dein französischen KricgSminisieriuin, und, dort ab- gcwicscn, Deutschland aiigcboten haben. Die Blätter regen sich über diese Enthüllungen schrecklich aus, sie nennen Turpin Eorivlan, Vcrräther :e. und rathcn ihm liebevoll, sich todtzuschießen. Gleichzeitig erklären sie aber die französische KricgSvcrwaltung für die Hauptschuldige. Ruhigere Leute sehen die ganze Sache anders an. Nach ihnen wäre Turpin geistesgestört, leide an Größen- und Ver folgungswahn und bilde sich alles Mögliche ein; vielleicht handle cs sich auch um einen unsinnigen Erpressungsversuch gegen die französische Kriegsverwaltung. Der Abgeordnete Lehcrisse will in der Kammer über die Turpin-Angelcgcnbcit eine Anfrage an die Regierung richten, und damit wird wohl auch diese „Sensation" vorüber sein. DaS englische Eabinet Rosebery ist bekanntlich nicht allein durch die Meuterei der Irländer und Waliser, so» Lern nunmehr auch durch den Abfall der Arbeiter- Fractiou im llnterhause bedroht. Der Führer der Arbeiter- Abgeordneten, Keir Hardie, bat dieser Tage im Londoner Viertel Islington eine Rede gehalten, welche als eine Kriegs erklärung an die Liberalen betrachtet werden muß. Seme Partei, sagte Keir Hardie, glaube an sociale und wirth- schastliche Reformen. Tie unabhängige Arbeiterpartei werde den Liberalismus ebenso heftig bekämpfen, wie daS Tory- thum, bis sie den Liberalismus ebenso mürbe gemacht, wie die Iren «S für ihre Wünsche gctban. Dann erklärt« Redner, der Hauptangriff sei gegen die liberale Partei ge richtet. Diese Worte des Führers riesen Widerspruch hervor und ein Störenfried ward an die Lust gesetzt. Dann fuhr Keir Hardie fort: 2.'» «»00 Männer und Frauen, die der Partei angehvrtcn, legte» jede Woche einen Pfennig ihres ehrlich verdienten Lohnes auf den Altar der ZukunstSpartei nieder. DaS seien Menschen, die eS ehrlich meinte», die wüßte», waS sie wollte», und sich weder durch Tory-Gold noch durch libe rale Vorspiegelungen kaufen ließen. Damit war die Rede zu Ende. Der Höllenlärm, welcher diesen Worten folgte, brachte die Versammlung aus Rand und Band — ein schlimmes Vorzeichen für das Schicksal, dem daS Ministerium Rosebery, wenn nicht Alles trügt, entgegengeht! Der russische Generallieutenant Schclkownikow ist an Stelle des verstorbenen GcnerallieutcnantS Schmidt zum Befehlshaber der an der schlesischen Grenze mit dem Hauptquartier in Radom stehenden 7. Infanterie-Division ernannt worden. Ter jetzt KO Jahre alte General bat, eine seltene Ausnahme, den größten Thcil seiner Dienstzeit in der Front und in der Linie zuzebracbl und zeichnete sich schon 1803 bei Unterdrückung deS polnischen AnsstandeS und im letzten Kriege atS RegimentS-Eommandeur auS. Da er vor etwa Jahresfrist zum Befehlshaber einer Local- Brigade in Kiew ernannt wurde, so glaubte man seine Laufbahn damit beendet. Doch der Oberbefehlshaber in Kiew, der bekannte General Dragomirow, will ihm sehr wobl, und hält General Schclkownikow, einen rauhen KriegS- kegeii. für ganz besonders geeignet zum ssampf gegen deutsche Tapferkeit, und so bekam er diese im Kriegsfall sehr wichtige Division. Wenn bei dein neuen Grenz-DlvisionScommandeur daS Könne» dem Wolle» entspricht, >o könnte man sich im Kriegsfall auf große Leistungen gefaßt machen. Er ist ein glühender Anhänger jener durch Furcht, Schrecken und Grau sauikeii wirksam sei» sollenden Kriegführung, wie sic namentlich die russischen Rcitergcnerale erstreben. — Mit fieberhafter Eile wird gegenwärtig inRußland an dcmWeiterbau dersibirischeu Eisenbahn gearbeitet. So erfährt der „St. PeterSb.Herold", daß ein russisches Syndikat schon jetzt Dampfer in den Ver einigte» Staaten von Nordamerika bestellt, um, sobald die große sibirische Eisenbahn entsprechende Fortschritte gemacht bat, in Verbindung mit dieser einen Dampserkienst zwischen Wladiwostot und einigen Häsen der amerikanischen Westküste einzurichlc» Der „Ostasiatische Ll." meldet, daß über 170«» chinesische Kulis von Tschisu auS per englischen Damvser, der von der russischen Regierung gechartert worden ist. nach Wladiwostok gesendet worden sind, um dort bei dem Ban der sibirischen Eisenbahn verwendet zu werden. In wie weit die russische Regierung eine weitere Ein Wanderung von Nichtrusscn i» Sibirien gestatten wird, »»iß abgcwartct werde». Jedenfalls erhält die Sibi rische Eisenbahn erst tau» neben der militairischen Bedeu tung einen praktische» Werth, wen» das Land bevölkert unk eine Einwanderung nicht nur gestattet, sondern begünstigt wird. — Die für die Na ti o na l i si rung von AuS ländern eingesetzte Eoinmission bat unter Vorsitz deS Ge» beiiurathS von Plewe ihre Arbeiten soeben beendet, und der Gesetzentwurf liegt fertig vor. Auch dieses neue Gesetz zeigt noch Spuren der alte» Bestimmungen, wenn auch mit Ab Milderungen. So ist für die Ausnah.ne eines AuSländerS in de» russischen ^laatSvcrband ein zehnjähriger Aufenthalt in Rußland erforderlich, wesentliche Verdienste um den Staat. Schenkung größerer Beträge für wohltbätige Zwecke und ähnliche Tbatsachcn müssen vorliegen. Erheblich erleichtert ist dagegen die Aufnahme der Kinder in den StaalSverband, welche ausländischen Eltern auf russischem Boden gdboren worden, indem hierin jedes Hinderniß beseitigt ist. Ungehindert grschieht jetzt auch die Raturalisirnirg der Fremdländer, welche ein Amt im russischen Staatsdienst bekleiden, ferner dürfen von jetzt ab Bekenner anderer Eonfessicnen. als der griechisch-orthodoxen, bei dem Ministerium ecS Innern an- gestellt werden. Noch ist die in Bulgarien durch de» Rücktritt Stambulow'S geschaffene Kiisc nicht gelöst, und ihre Lösung ist i» der Tbat jo schwi:rig. daß eS dem Fürsten Ferdinand vielleicht jetzt schon nm die Zukunft deS Landes und der Dynastie bange wird. Minister Grckow, an den der Fürst sich zuerst wegen der Neubildung des EabinetS gewandt batte, hat auf dicfelbe verzichtet, unk zwar aus denselben Gründen, welche Stauibnlcw vcranlaßten, die Macht ans den Hände» zu geben, d. h. auch er bat nicht Lust, mit dem wachsenden Einfluß der Opposition aus den Fürsten vergeblich zu kämpfen und fick» auszureibcii. Findet der Fürst keinen ankeren Weg, als, wie eS scheint, sich den Stoiloiv »nv RadoSlawow in die Arme zu werfen, tan» zwingt er Slambiilow förmlich, »»» seinerseits in die Opposition gegen ein Eabinct zu trete», baS weder für die Würbe noch für die stetige Wcilcrcntwickeliing deS Fürsten» »humS Garantien zu bieten vermag. Nock, bat Slam- bulow die Sobranjc hinter fick', und baß auch die überwiegende Mehrzahl der Bevölkerung dem Bismarck Bulgariens i» uuwandclbarcr Dankbarkeit und Treue auhängt, haben die gestern in Sofia vor kein Schloß und ^eniHetsir. Der Liebe und des Glückes Wellen. Ss Roman von M. v. Eschen. NochdruL «»tot'». (Fortsetzung.) Helldorf hat daS Auge mit dem Kneifer bewaffnet. „DaS ist die Kleine, ha ha, Name wahrhaftig entfallen — geht einem zu viel durch den Kops. Hängt irgendwie mit Rettbcrg's zusammen, Nichte oder Cousine, so etwas dergleichen. Nicht ganz mein Genre, ein wenig, na, wie soll ich sagen, na, meinetwegen zu klassisch! — DaS ist immer der unverfäng lichste Ausdruck, wenn Jemand eS nicht gleich ganz correct zu bestimmen vermag; wer kann ihn corrigiren?" „Aber doch nett, sehr nett", fährt der Hauptmann fort, .außerdem meine Dame. Apropos, trifft sich samoS. Gut, daß ich daran renke. Muß nämlich um elf an die Bahn; Papa fährt durch. Die Geschichte hier wird länger dauern. Tbue mir den Gefallen und vertritt mich bei >hr, wenn ich nicht rechtzeitig wieder hier sein kann. Komm, ich stelle Dich vor." Und ehe sich Donach zu besinnen vermag, ob er nicht schon eine ähnliche Figur, eine solche Haltung gesehen hat, bat ihn Helldors durch den Saal gezogen und Fräulein Moran präsentirt. Dunkle Röthe übcrgicßt des Mädchens Wangen; aber auch dem Baron steigt das Blut inS Gesicht. „Wir sind uns bereit- begegnet", sagte er, ibr zuvor kommend, schnell gefaßt. „Sie sehen, meine Gnädigste, in der Tbat, ich habe Glück! „Begegnet, wo?" fragt Tilli, welche meinend, daß Windig unverschämt lange von Hilde festaedalten wirb und der Baron sich zuerst der Tochter seines Präsidenten hätte vorstellen sollen, schnell hinzugrtreten ist. E« war wie m einem Roman — Donach ist mit einem Mal in merkwürdig gute Laune gekommen und fühlt sick wohl wie rin Fisch in seinem Element. „Nun denn, zum Wieder sehen" — damit bietet er Hilde seine Hand. Fräulein Moran scheint da- nicht zu sehen, sie bat eben den Assessor etwa« gefragt und fübrt ibn mit sich fort, wir Fräulein Tilli boshaft bemerkt, woraus sie selbst den Ma- zor«t»h«rn> mit einem Bad von Liebenswürdigkeit überschüttet. Es ist reizend, daß er noch gekommen ist! Sie freut sich so sehr, ihn kennen zu lernen; sie hat schon viel von ihm gehört! Großartig, daß ein Mann, so unabhängig wie er, diese Arbeit auf sich genommen. Aber er hat recht, der Staatsdienst ist daS einzig Richtige für solch einen alten Namen! Dann, ob er tanzt — sie hat ganz vergessen, mit wem sie den nächsten Lancier engagirt ist. — Am Ende bat sie Eon- susioncn gemackt — und bleibt sitzen. Zum Sckluß, wo hat er denn Fräulein Moran kennen gelernt. Tilli ist eine brillante Erscheinung; ihre Figur ist schlank und elegant, wie geschaffen für Toilette; sie hat feine Züge, kluge Augen, einen matten, vornehmen Teint, ein Gesichtchen, wie es am besten für Abendbclcuchtung paßt. Gang und Haltung, jede Neigung des Köpfchens mit seinem Kronchen von braunem Haar, darin der nach der neusten Mode un umgängliche Halbmond von Perlen und Gold, sind vollständig correct und tadellos. Gleich correct und tadellos zuvorkommend ist die junge Dame gegen Jedermann, wo sie es als zum guten Ton gehörig oder für irgend eine» Zweck notbwenkig findet. Und wenn sie bei so viel Geschick und augenscheinlichen Vorzügen trotz ihrer sünfundzwanzig Iabre noch nicht an daS Ziel gelangt war. so lag daS diesmal wirklich nur in der Ungunst der Verhältnisse, welche jene» Ziel für junge Damen von ihrem Stande und ihrer Art immer mehr in unerreichbare Fernen zu rücken scheinen. Darum wollen wir eS ihr und ihresgleichen auch nicht allzu übel nehmen, wenn sie in einer Praxis geschult, wie sie meistens um sie her geübt wird, auch äußerlich nüchtern und praktisch werden, nach einer Partie streben, koste es WaS es wolle, und der bestmöglichen zwar! Denn nur so läßt sich halten, woran man sie gewöhnt bat, was ihnen deS Lebens Seligkeit scheint, gesellschaftliche Stellung, müheloser Glanz und Genuß! Der Baron ist keinen Augenblick im Zweifel, welchem Umstand ec diese Liebenswürdigkeit der jungen Dame zu danken hat. In seiner gegenwärtigen Stimmung blickt er jedoch nur amiisirt aus dieselbe herab. Und da er durchaus nicht« Verfängliche« darin siebt, erzählt er die kleine Begegnung im Walde, natürlich ohne seine Nieverlage am Schluß. „Ein eigentbiimlich originelle« Mädchen, Fräulein Moran", sagte er. mehr wie zu sich selbst. Ein lauernde« Aufbliyen der dunkeln Augen durch die dunkeln Wimpern hindurch streift sein Gesicht. Dann, wie von seinen Gedanken besangen, stimmt Tilli bei: „Ja, scbr, so daß c» zuweilen recht unangcnebm werde» kann! Wir haben eS mit ihr nicht immer leicht." — Die junge Dame lächelt, als wolle sie da« Wort entschuldigen, da«, wie be rechnet eS auch war, doch nur in unvcrzeiblicbcm Vergessen über die Lippen schlüpfen konnte. — „Papa wollte die Tochter eines Freundes auS der Studienzeit nicht zurückwcisc», als sic ibn bei u»S wobnen zu dürfen bat. Der gute Papa! Er hängt so sehr an all diesen alten Dingen. Nun, wir sind lieb und fügen uns. Hat doch Jeder" — wieder begleitet das gleiche Lächeln ein Wort, dessen scherzhafte Pointe sich Tilli nicht entgehen lassen kann — „hat doch jeder seinen Vogel im Kops." Ist eS ibr gelungen, den Baron zu amüsircn? Beinahe sicht eS so auS, denn lachend meint er: „Brillant, die Freundschaft ei» Vogel im Kops. Aber Sie baden recht, meine Gnädigste, mit Ihrem Bonmot. Die Freundschaft ist auch eine Illusion i'vrüue für den mo dernen Menschen." „Kn,»» cnigiie, Herr vcn Donach, Sie werden doch e>ner jungen Dame keine Vorlesung übcrFreundschast Hallen wollen?" klingt eS spöttisch dazwischen. „Windig hat eS für ratbsam gesunden, einmal nach Fräu lein Tilli ausznschauen. Zu Jugend und Anmutb gehört die Liebe." — Damit verbeugt sich der Assessor in einer Weise, die jedes Mißverständniß hinsichtlich einer Adresse seiner und r«,8» gegebenen Meinung ausschließt. Tilli findet, daß Herr von Windig sehr liebenswürdig ist; Donach findet ibn nur sehr jung. Und indeni er seinem College» scherzend aus die Schulter klopft, neckt er autmütbig, doch nicht ohne Ironie: „Lassen Sie sich Ihren Taufschein und das jn.i absvlvirt auf den Rücken schreiben, wenn Sie solch ein kindliches vreckn aussagen, lieber Assessor, sonst glaubt Niemand an Ihre Würde und die Weisheit der hochlöblichcn Regierung, welche Ihnen jene verlieben." Ein leichter Schlag deS rothen AtlaSfächerS streift de« Redenden Arm. „Sie glauben also nicht an Liebe? . ." „Auch ich habe meinen Vogel im Ko^s, gnädige- Fräulein, und noch einen mehr als gewöhnliche Sterbliche; ich glaube nicht an die Frauen." „Ab, daS ist stark!" — ein wenig außer Fassung gebracht, steht die gewandte junge Dame da. Cie weiß augenblicklich nicht recht, waS er damit meint. „Aber aufrichtig" — der Baron verbeugt sich mit ironischer Grandezza. „Em Ungeheuer an Aufrichtigkeit.* — Tilli lacht. Dann m«t kluger Berechnung wird sie plötzlich weich: „Sie sind rin Träumer, Herr von Donach", womit sie in dem Moment jedoch nichts weiter erreicht, als daß Sie ibn noch mcbr amiisirt zu habe» scheint. „Wieder ein Bonmot, meine Gnärigsie. Alle Achtung vor Ihrer Beherrschung der Situation. Man nuiß in der That ein Träumer sein, um un—gläubig — un—empfindlich" —- lächelt er im Stillen — „gegenüber so viel Liebreiz zu bleiben." Fräulein Tilli läßt sich dadurch nicht beirren, Jemand amiisirt zu baden, ist iniincr scbon ein kleiner Erfolg! Ein wenig schmollend, ein wenig schalkhaft und ein wenig kokett bester sie ihren Blick voll auf sein Gesicht: „Dann müssen Sic mir auch erzählen, wie da« Ideal Ihrer Träume auSschauI." „Ah, meine Gnädigste!" — nun lächelt er fein. — „Von Idealen und von Träumen redet man »nr zu zweien unb in der geeignete» Stunde; niemals in solch bunter Menge, bei elektrischem Lick't." — Er blickt ringSui», seine Augen blitzen in einem recht kalten Bla» — „Ta verschwindet, waS doch ini Grunde nur ein unbestimmter Begriff, für einen modernen Menschen eine ganz unerlaubte Unkenntniß der Tinge bedeutet." „Ha, ha, ba, köstlich!" — Auch Fräulein Tilli ist amiisirt; wer weiß, wie bald Sie gerade unter jenen Kronen zu einem Abtrünnigen von Ihrer bösen Ansicht werken", neckt sie ge winnend. „Dann aber erzählen Sic eS mir " „Gewiß, meine Gnädigste", — er zuckt die Schulter». — „Ich gelobe noch mehr und verspreche, daß ich mich da»», zur Strafe natürlich, nicht nur verlieben, sondern auch ver- heiratbcn will." ES wäbrt nicht lange, und eS ist bekannt geworden, daß Herr von Donach singt So etwa« läßt sich keine CSesellschafl entgehen Es bilsl ihm nichts, daß er fick' nicht begleiten kan», Tilli sitzt schon präludirend vor dem Flügel. Es tbut nicht-, daß er keine Noten bei sich bat. ein Stoß vergilbter Musikalien, der schon seit manchem Jahre die Sommergäste dicr während der Regentage in guter Laune erhalten hat. liegt schon bereit. Heidenröschen! Ob Tilli gewiß unter all ihren Schwestern am wenigsten einem solchen Röschen gleicht, sie ist entzückt. „Heidenröschen!" klingt cs im Chor, „wie reizend, o bitte, bitte!" An einer der Säulen lehnend stebt Hilde allein, unbeweglich in dem allgemeinen Begeisterungsstürme. Donach sieht herüber, ihre Blicke begegnen sich. Eia
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