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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.06.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-06-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940602023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894060202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894060202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-06
- Tag1894-06-02
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Der socialdemokratische Kandidat Gcrisch siegte gegen den »ationalliberalen Candidaten der OrdnungSparteicn mit einer Slimmenmehrheit von ca. 1900 Stimme». „Diese Niederlage" — so schreibt man uns auö Plauen — „ist dem Anwachsen der socialdcmokratischen Stimmen aus dem Lande und der Abgabe vieler deutschsrei - sinniger Stimmen für den Socialdemokralen zuzu schreiben". In der Thal ist ohne einen Zuzug von „deulsch- srtisinnizer" Seile das Anwachsen der für Herrn Gerisch abgegebenen Stimmen seit der Hauptwahl am 24. Mai nicht zu begreifen. Jedenfalls hatte bei dieser Wahl die Social- remokratie ihre eigentlichen Anhänger bis aus eine geringe Anzahl bereits herangezogcn, so daß ihr nur noch Werbung in denjenigen Kreisen übrig blieb, die nach dem Borbildc des Herrn Eugen Richter die Socialdcmokralie theoretisch be kämpfen und praktisch unterstützen und die, wie die demokratische .yranks. Zlg." sich au-drückt, „durch ihr Stillschweigen sehr inülich eine Neutralität proclamirten, die eher dem social- kmolratischen, als dem »ationalliberalen Bewerber Hilfe rechest". Aber jedenfalls ist cs diese Hilfe nicht allein, die den Wahlkreis der Socialdemokratie überlieferte. Daö „An wachsen der sociatdemokratischeu Stimmen auf dem Lande", ron dem unser Gewährsmann in Plauen schreibt, kommt sicherlich nicht aus das Kerbholz der Teutschfrcisinnigen, die m den ländlichen Bezirken keine» Einfluß besitzen. Wenn in diesen Bezirken die Socialdemokratie Fortschritte gemacht hat, so fällt die Hauptschuld zweifellos zum weitaus größten Theilc jener Agitation des „Bundes der Lanbwirthe" zu, die mit dem Anträge Kanitz dem sociatdemokratischeu Princip eine ungeheure Concession machte und den Agitatoren für die Wahl Gerisch'S eine schneidige Waffe in die Hand gab. Die besonnenen Milglieder des Bundes im Wahlkreise, die von vornherein die Ein mischung der Bundesleitung in die Wahlangclegenheit zurück wiesen, haben nicht wieder gut machen können, was der Antrag Kanitz verschuldete. Sie haben nun mitzutragen an den ,folgen der Wahl eines Socialdemokraten, in dessen Händen die conservativen Interessen des Kreises sicherlich am schlechtesten gewahrt sind. Aber auch die ganze Zersplitterung bei der Candidalenausstellung ist mitschuldig an dem Schluß- »gebniß. ES klingt ganz schön, wenn die Parole ausgegeben wird: „Getrennt inarschiren und vereint schlagen." Aber eS bleibt niemals beim getrennten Marschiren; immer kommt eS zwischen den verschiedenen Ordnungsparteicn zu Kämpfen, die dem vereinten Schlagen die Kraft oehmen. Der in die Stichwahl gelangende Candidat ist meist bei denen, die ihn am Ende wählen sollen, so dis- Frnillrt-n. Ver Liebe und des Glückes Wellen. 8> Roman von M. v. Eschen. Nachdruck «krdolm. (Fortsetzung.) Und davon plaudert Gerda oft, wenn sie zu Hilde in das Giebelstübchen kommt. Wenn dann die unermüdlich fleißige Hille von der Arbeit aufschaut zu dem Mädchen herüber mit den glänzend frohen Augen, dem seligen Lächeln und dem frischen rotben Mund, das ganze Gesichtchcn durchleuchtet von wonniger Gluth, dann kann es passircn, daß die junge Künstlerin ganz gegen die Grundsätze der Tante Annette «rmeint» eS müffc doch etwas Wunderbares sein um die Macht der Liebe, da sie den ziemlich unbedeutenden Zügen diese- kleinen, zierlichen Geschöpfes einen so unwiderstehlichen Reiz zu verleihen im Stande ist. " . * Der Winter nahte seinem Ende und mit ibm die Cam pagne. So hat einmal eine geistreiche Frau auS der vor nehmen Welt die Saison für die jungen Damen genannt. Sie hätte den Begriff weiter ausdehnen dürfen, denn waS wird nicht auch alles von andern«noch während einer Saison er stritten und erstrebt! So ist eS denn kein Wunder, wenn sich gegen Las Ende derselben die Anstrengungen der daran velhciligten verstärken, die bittern Empfindungen der Ver lierenden mehren. Auch in des Präsidenten HauS butte sich manche- intensiver gestaltet, hatten sich die unangenebmen Scencn gebäuft, deren kiel scheinbar so glatt und liebenswürdig dahingleitende Kamilienleben überhaupt nicht ermangelte. Der Posten des Oberpräsidentcn ,n der Provinz . . ., aus de» man im Stillen gehofft, war anderweitig vergeben worden. Natürlich trug der Präsident daran die Schuld; man habe aicht genug Gesellschaft gegeben, meinte Fra» Ina. „Abcrrrr Du wolltest e« nicht anders" — da- galt ibrem Gatten, der durchaus in dieser Sache eine andere Anschauung hatte und, »a« daS Gcsellschaftzcben anbclangte, erklärte, man habe c- toller getrieben als je, und er sei am Ende mit seinem Gelbe «nd seiner Kraft. Recht erbarmnngßwertb müde lebnte er sich dabei eben DM « de» Stuhl. Die Tochter, auch Gerda, in dem Punct Sonnabend den 2. Juni 1894. 88. Jahrgang creditirt, daß er die Flinte ins Korn Wersen kann. Im 29. sächsischen Wahlkreise ist es nicht anders gewesen; die Einigung der Ordnungsparleien ist zum Bortheilc der ge schlossenen sociatdemokratischeu Wäblermassen und ihrer „deutschsreisinnigen" Helfershelfer zu spät und nach zu hef tigen Kämpfen erfolgt. Die Lebrc, die man empfangen, ist bitter. Hoffentlich wird sie wenigstens in Zukunft beherzigt. Die preußische Presse beschäftigt sich vorwiegend mit der abgclaufenen Laiidtagssesfio», der von keiner Seite viel Gutes nachgerühmt wird. Nicht einmal die Conserva tiven, die doch die meisten positiven und negativen Erfolge zu verzeichnen haben, sind mit dem Erreichte» und mit der Regierung zufrieden. Am meisten ist die „Kreuzeitung" darüber erregt, daß die Negierung nicht resolut und consequent auf eine conservativ-klerikale Coalition sich gestützt bat. Dem Grasen Eulenburg wird Lader folgender Rath ertheilt: Wenn wir auch aus die Ergebnisse der abgelansenen Session nur mit getheitten Empfindungen zurückblicken können, so basten wir doch an der Ansicht sesi, daß das Abgeordnetenhaus i» seiner litzigkii Zusammensetzung wohl in der Lage ist, im Einverslündniß »nt einer zielbcwufitkn Regierung Positives zu schaffen. Gelingt es dieser erst, sür eine einzige Borlage von hervorragender Bedeutung sich von vornherein eine Mehrheit zu sichern, und zwar eine Mehrheit, die der Vorlage auch wirklich ans vollen: Herzen geneigt ist, so werde» auch in anderen Fällen die Mehrheit-- bildnngen mit Leichtigkeit erfolgen. Die Ltaalsregieruiig möge nur mit einem Boiksschulgesetze aus christlicher Grundlage den Vc'.such machen und dabei mit dem Gedanken brechen, das, ein wichtiges Gesetz ohne Zustimmung dlrgemähigt liberale» Partei überhaupt nicht zu Stande kommen dürfe. Die Mehrheit wird sich daun, wie die Erfahrung bei der letzten kirchenpolitijchc» Vorlage gezeigt Hot, von selbst finden und damit der Boden für positives Schassen geebnet sein. Man muß hieraus schließen, daß die „Krcuzztg." und ihre Freunde, um der Regierung eine feste kierikal-conservative Coalition zur Beifügung stellen zu können, Ja und Amen auch zu der neuen Polenpolitik sagen wolle», die so ganz nach dem Herzen dcS CentrumS und des in diesem Puncte daS preußische Ministerium leitenden Ministers de- Auswärtigen ist. Sic hat soeben eine neue Frucht im kirchlichen AnitS- blallc für die Erzdiöcese Guesen-Posen gezeitigt, daS in seiner neuesten Nummer einen Erlaß des Erzbischofs an die Geistlichkeit in Betreff des polnischen Sprach unterrichts in den Volks schule n enthält, in welchem den Parochialgeistlichen aufgegeden wird, die betreffenden Eltern von der Kanzel herab darüber zu belehren, daß sie ver pflichtet seien, Anträge bei den Lehrern wegen Zulassung ihrer Kinder zum polnischen Sprachunterricht zu stellen. Die Geist lichen sollen den Eltern hierbei behilflich sein und diese darauf aufmerksam machen, daß dieser Unterricht unentgeltlich sei und keine Lasten sür sie im Gefolge babe. Da die Regierung den pojnischen Sprachunterricht im Interesse dcS Religionsunterrichts für nothwcndig erachtet habe, so seien die Verwalter der Parcchien um so mehr verpflichtet, ihre» Parochianen die durch den Ministerialerlaß vorgeschriebcnen Formalitäten zu erleichtern und dieselben vor Beginn eines neuen Schuljahres wiederholt darüber zu belehren, waS sie sür das Wohl ihrer Kinder zu tbun verpflichtet seien. Wie rührend ist dieses Hand-in-Hand-Arbeiten der Regierung und des polnischen UltraniontaniSmuS, »nd wie muß der wackeren „Kreuzztg." daö Herz lachen bei dem Gedanken, daß sie zu einem positiven Weiterarbeiten aus solcher Grundlage mit bei tragen kann! Die ungarische Krise hat eine unerwartete Wendung genommen. Noch gestern Morgen waren die Anhänger der Civilehc-Vorlage der festen Hoffnung, Ministerpräsident vr. Wekerle werde, nachdem er drei Mal in stundenlangen vas Kind ihrer Mutter, zuckten die Schultern; Frau Ina jedoch hob den Kopf: „Man muß den Kindern Opfer bringen" — daS klang ordentlich erhaben, und mit siegessichcrm Be wußtsein fuhr sie fort: „Wer nicht wagt, nicht gewinnt." „Ob man gewinnt?" warf er ein. DaS war beleidigend: Frau Ina und Tilli sind empört, Gerda lacht. Dann schnell wie der Wind kniet sie »eben dem Vater, schlingt die weichen Arme um seinen Nacken, schmeichelnd: „Nicht so pessimistisch, Papachcn. Schopenhauer ist ja ein kleiner Junge gegen Dich." Und ob er auch mit ihr ein HUbnchen hatte pflücken wollen, seine Hand fährt eben nur liebkosend über das seidenweiche Haar. „Wenn unsere Mädchen erst vcrheirathet sind", sagt die Präsidentin — die Mädchen sind daran gewöhnt, diesen belicatcn Gegenstand oft recht undelicat von Mama behandelt zu bören — „Donach, daS ist tvirklich nur eine Frage der Zeit." ,^Wenn nicht eine Frage überhaupt? — Papa ist beute unausstehlich skeptisch und wahrhaft brutal oppositionell." „Wenn Du ihm nur ein wenig mehr entgegenkommen wolltest . . „Nein" — der Präsident ist heute entschieden gereizt, denn eS entfährt ihm nur so: „Ja, bildet Ihr Euch denn ein, ich habe meine Stellung nur inne, um die Herren, je nachdem es Euch beliebt, für einen Posten zu empfehlen. Erst soll ich Windig protegiren; nun liegt Jbr mir mit Donach in dem Ohr. Man hat doch Charakter und thut seine Pflicht" „Aberrr" — Frau Ina ist außer sich, auch Tilli giebt ihre Mißbilligung zu erkennen. Allein Gerda verliert die Laune und die Liebe zu ihrem alten Papachcn nicht, kisno, piano — die rosigen Hände streicheln seine Wangen — „nicht so böse werden, HerzcnSväterchen. mußt immer hübsch lieb und gut bleiben, sonst weine auch ich. Und rothe Augen machen Läßlich, Papa. Gerda aber muß bübsch sein und vergnügt." Lächelnd lehnt sic die runde Wange an seine Schulter, schelmisch schmeichelnd, siebt sie zu ihm auf: „Lieb und aut, keine schlimmen Reden batten, brrr. . ." Bon der Anniuth deS Mädchens gewonnen sieht der Prä sident einen Moment, die ganze Familicncalamität vergessend, aus sie bin. Gerda ist sein Liebling. Aber gerade darum fällt eS ihm auch wieder ein, WaS zu sagen seine Pflicht ist. „Auch mit Dir muß ich ein Wort reden, Mädchen", beginnt er erost. „Die — dir Spielerei" — e» blieb wohl der Audienzen mit dem Kaiser beralben, am Abend als Sieger »ach Pest zurückkebreü, allein »och der gestrige Abend brachte bie telegraphische Meldung, daS Ministerium Wekerle habe seine En tlasjung eingereicht, dieselbe sei a »ge »ommen and der BanuS von Kroatien, Graf Khuen Hcdcrvarv, mit der Neubildung des CabinelS betraut worden. Nach den eigene» Aeußerungen Wekerle'S ist die Ursache der Deinissio» in der Forderung des Cabineis zu suchen, der Monarch möge der Regierung die Ermächtigung erlbeilen, daß wenn in weiteren Berathiingcn des MagnatcnhaiiseS die obwalten den Differenzen nicht auSzuglcicben seien, Vas Eabinct zu er klären berechtigt sei, daß ei» Pairschub erfolgen werde, eine Forderung, welche Kaiser Franz Josef nicht gewähren zu dürfen glaubte. Hält man hiermit de» Umstand zu sammen, daß der vom Kaiser erkorene neue Ministerpräsident Graf Kbucn-Hcdervary nur unter der Voraussetzung in die Lücke getreten ist, daß „das ganze Programm der bisherigen Regierung völlig intact ausrecht erhalten bleibe, und daß die kirchenpolilische Reform im Sinne der Regierungsvorlage sofort durchgesübrtwerdc", daßaber andererseits der liberale Aristokrat Kbucn-Hedervary im Oberbaus« bei seinem Eintreten sür die Civilche geäußert hat.er stimme dafür, nurweildie Sache „schon so weit gerieben" sei, im klebrigen bulbige er einem „gemäßigten" Fortschritt: so kommt man wohl der Wabrbeit am nächsten, wenn man annimiiit, daß daS Widerstreben des Kaisers nicht so sehr dem Kern der Sache, als vielmebr der Persönlichkeit des die Principicn der Eberecblö- vorlage mit schwäbischer Hartnäckigkeit, bürgerlichem Selbst, bewußtsein und fortschrittlichem Ungestüm dem zu milderen Formcn und Compromissen geneigten Monarchen gegenüber vcr- theitigcnden vr.Wekerle gegolten hat, und daßKbuen-Hedervar«, wenn er auch daS Wesentliche der Vorlage ausrecht erbalte, doch zu neuen Verhandlungen mit den Gegnern derselbe» sich werte bereit finden lassen. Sehr bezeichnend ist in dieser Beziehung, daß auS der Umgebung Wekerle'S stammende Nach richten bemerken zu müssen glauben, derselbe babe Khuen- Hekcrvarn der Krone nicht vorgcschlagen. Die Conipronnß- wünsche, die, wie zuverlässig verlaute», der Kaiser vr. Wekerle kundgcgebcn hat, sollen aus folgende drei Puncte binaus- koinmcn: Es soll auf den vom Abgeordnetcnbausc ab- gelchiilen Antrag des Grasen Apponyi (Nationalparlei) zurück- gegriffen werde», tcmzusolgc dieNichteinbaltunz deS bei der Ver lobung geleisteten Versprechens einer der Civiltrauung folgeirden kirchlichen Trauung einen ScheidungSgrund zu bilden babe. Ferner beißt cs. daß für active MilitairS auch die kirchliche Trauung alSobligatorisch declarirt wcrdensoll. Außerdem soll in daS Gesetz der seinerzeit auf Wunsch deS Kaisers Wilhelm I. in daS deutsche Ebezcsetz ausgcnommenc Paragraph eingesügt werden, der den Standesbeamten verpflichtet, die Getrauten daraus aufmerksam z» machen, daß sie sich auch kirchlich trauen lassen sollen. Es liegt auf der Hand, daß die beiden ersten Puncte das Princip der Eherechtöresorm nicht unberührt lasse». Ob Khuen-Hedcrvary auf ein solches Compromiß eingchcn zu können glaubt, ohne von dem „Sinn" der Vortage abzuweichen, wird sich ja bald zeigen. Gewonnen wird da mit sicherlich nicht-, denn nach unzweideutigen Aenßerungen von klerikaler Seile wird man nur der Form wegen aus Compromißverhandlungcn eingehen, schließlich aber gegen jeden Vergleich stimmen, da man entschlossen ist, der liberalen Weltanschauung, welcher das „bürgerliche RcvolutionSministcrium" Wekerle, dieses „Falschspieler-Cabinet", in Ungarn die Bahn gebrochen, auch nicht einen Schritt rnt- gegenzukommen. Mittlerweile ist vr. Wekerle inPest der Gegen stand großartiger Ovationen seiten- der Bevölkerung, eS zeigen sich die Anfänge einer gewaltigen, ticsgebenden Bewegung, welche das Ungarvolk ergreift, das in seiner überwiegenden Mehrheit dem Liberalismus huldigt und sich niemals unter das Joch Roms beugen wird. Ob eS Khuen-Hedervary gelingen wird, ein Ministerium zu Stande zu bringen, ist noch ungewiß, daß die hochscklagcnden Wogen patriotischer Begeisterung süt die liberale Sache in Ungarn vr. Wekerle in vielleicht sehr kurzer Zeit wieder auf seinen so tapfer behaupteten Platz zurücktragcn werde», hat dagegen viel Wahrscheinliches für sich. Wenn auch die sraiilösischc Turpin-Sensation sür jeden vernünftigen Menschen abgetban ist, so schließt da koch die Wahrscheinlichkeit nicht auS, daß die Geschichte in der französischen Presse noch eine Weile breit getreten wird, von den regierungsfeindlichen Parteien auch weiterhin gegen das Ministerium, specicll gegen den Krieg-minister aus- gebeutet u»o vielleicht nochmals vor die Kammer gekrackt wird. DeSbalb ist eS nicht überflüssig, den Wortlaut der Erklärung des Generals Mcrcier in der Kammersitzung vom 9l. Mai wiederzugeben. Der Minister sagte: „Im Jahre 1885 gab Turpin dem KriegSininisterium aus zehn Monate das ausschließliche Reckt, nach seinem Verfahren Pikrin. säure herzustellen. Er erhielt dafür »ine Viertelmilliou und da« Kreuz der Ehrenlegion. In den Händen der Kriegsverwaltung wurde aus dem Pikrin das Melinit. Nach Ablauf der zednmonatigen Frist flickte Durch» fein Patent an auswärtige Regierungen zu verkaufen. Er bot ihnen aber nicht die ihm gebärende Pikrinsäure an, sondern das ihm nicht gehürendc Melinit. Er betrog die fremden Regierungen, indem er ihnen weismachen wollte, feine Pikrinsäure fei da« de- rnbmte Meiinil der iranzösiichen Krieg-Verwaltung; er betrog auch diese Verwaltung, indem er sich sür den Eigenlhümer des Pikrinpatent« ausgab. während er dieses schon früher an die Panklastitgesellschafi abgetreten hatte. Die Panklastitgesellschast hat denn auch Turpin auf Herausgabe der vom Ministerium einpsaugeiien Viertelmilliou verklagt Das Gcheimniß des Melinits hat Turp», nie besessen, trotzdem bot er es Deutschland an, das mittelst eines schreiben-des Militairattachss in Paris vom 24. März 1887 ab lehnte, weil der geforderte Kaufpreis übertrieben war. Tnrpin's Mitschuldiger Trips»« stahl Berichte au« dem Krieg-Ministerium. wurde aber von Turpin selbst angezeigt. Turpin bat also Jeden verratken, auch seinen Spießgesellen. Mit einem solchen Menschen dursten wir uns nicht eiiilasseu. Tie Regierung ist überzeugt, daß e« sich um einen Erpresjuiigsversuch handelt." Ter Minister verlas ein Schreiben von dem Präfeclen deS Departements du Nord, wonach Turpin seine Erfindung an eine belgische Gesellschaft abgetreten habe, und schloß, diese Erfindung bedrohe in keiner Weise die Zukunft de« Landes Wenn «s sich um eine ernste Erfindung bandle, werde Frankreich diese stets zu erlangen suchen, klebrigen« giebt Turpln einem Berichterstatlrr gegenüber zu, baß der Verkauf ftiner„bcrühmten"ErfindunganDeutschland noch nicht erfolgt sei, und er verräth, daß eS sich um eine Bcr Wendung verflüssigter Gase als Ladung handle. DaS wäre eine Wiederanswärmung dcS mit Recht m Vergessenheit aerathenen Giffard'schcn GewebrrS mit einem Tropfen flüssiger Kohlensäure «IS Ladung. Turpin will die Erörterungen in der Presse und im Parlament vorübergehcn lassen, bevor er sich in die Beantwortung der wider ihn erbobcnen Angriffe cinläßt; er sei empört, daß man ihn einen Bcrräthcr nenne. Die Budgetpolitik deS englischen CabinctS gebt im Unterbause anscheinend heftigen Stürmen entgegen. Bei der ersten Lesung dcS Budgelcniwurf» gelang e« dem Scbatzkanzlcr Sir William Harcourt nicht ohne Mühe, eine noch obendrein ziemlich schwache Slinlincnmebrheit scstzubalten, da die vor zugsweise streitigen Puncte erst in der zweiten Lesung, der eigentlich entscheidenden, an die Reihe kommen. Diese be stellen in der Schaffung einer neuen Grundlage für die Erb schaftssteuer, ferner in der progressiven Einkommen steuer «nd i» der Bier- und Branntweinstcucr- crböhung. ES ist nicht unmöglich, daß das Cabinet bei einem dieser BerbandlungSthcmata in die Minderheit versetzt wird, mildeste Ausdruck — „mit Fersen muß ein Ende haben." „Ja doch" — er hält die Kleine fest, die eben dabei ist. zu verrathcn, daß doch auch etwas von dem mütterlichen Tem perament auf sie übergegangen war. „Ja doch", und nun koinint eS: daß man über sic redet; daß der Graf sie nicht heiratben kann, weil der Familienbesitz eine ebenbürtige Ebc verlangt — was aber Alles schließlich keinen anderen Erfolg erzielt als daß, nachdem der armen Gerda ein paar eckte dicke Kinderthränen über die Wangen nur so heruntcrgcvollt sind, sie mit dem Köpfchen nickt wie ein Kind, das bei seinem Willen bleibt. Und der Präsident versteht: noch einmal macht er seine Meinung geltend: „Du compromittirst Dich nur Kind", schließt er, „und verscherzest Dir eine andere Partie. Ein Mädchen wie Du bars sich nicht so wegmerfcn." „Unsinn, Papachen!" — Gerda bat ihre ganze Laune wicdergefnnden und schwenkt ans dem Absatz herum. Tie Präsidentin zankt, daß Freddy so wenig von der ersten Liebe eines jungen Mädchens und eines Mannes wie Fersen'-, so viel aber von dem Neid und dem Geklalsch der Leute hält. Tilli, um des BaterS Vorliebe sür die Schwester zu strafen, spottet spitz: „Na, WaS daS Verscherzen angeht, arme Mädchen heiratben so leicht nicht." Nun läuft aber doch dem vom Kampf mit seinen Damen gereizten Manne endlich einmal die Galle über: „Wenn Ihr daS wißt, warum seht ibr Euch nicht nach etwas anderm um? Warum sucht Ihr Euch nicht einen Berus wie Hilve und überlaßt Alles andere dem lieben Gott? Dann wäre eS eine Freude, Töchter zu haben, während . . ." der Prä sident war mit großen Schritten in dem Zimmer auf und ab gegangen, plötzlich saßle er nach der Seite, stöhnte und eilte bmauS. Ein wenig erschrocken sahen die Damen drein. „Abrrr, daS kennt man schon." — Die Präsidentin setzte sich zurecht wie Jemand, der weiß, daß er sich durch dergleichen nicht irre machen läßt. Auch Tilli rührte sich nicht; Papa wurde wirklich so rück sichtslos, er vergaß ganz, wa« er ihnen schuldig war. Eifrigcr aber doch bearbeitete sie den braunen FricS auf ihrem Schooß, gleichsam als wolle sie sich damit fester aus dem Fleck und bei ihren Gedanken halten. Auch Gerda blickte einen Moment grollend drein, dann rieb sie sich die Augen und stürmte dem Vater nach. Sie kam gerade noch recht, um Hilden brizustebeo, welche, dem Präsidenten aus dem Gauge begegnend, ihn in sein immer geleitet hatte, wo er in den Armen der jungen kädchcn in eine tiefe Ohnmacht verfiel. Kaum, daß die Präsidentin von dem Unfall erfahren, war auch schon der Arzt zur Stelle — der Diener hatte seinen Wagen vor dein nächsten Hause haltend getroffen. „Ist eS gefährlich?" fragte sie niit schlotternden Knieen, schnell im Geiste llbersebclid. waS ein solcher Verlust für ibr HauS, ihre Stellung, die ganze Familie bedeute. „Nein." — Der Geheime SanitätSrath erklärte, daß eS nur eine ungewöhnliche Abspannung bcr Nerven sei, die allerdings ein paar Tage Ruhe und Schonung nothwcndig machen werde. „Gott sei Dank" — Frau Ina hob mit Seelcnstärke das Haupt; sic batte eS ja gewußt» der liebe Gott mußte ihnen solch eine Prüfung erlasse». „Zu dumm", meinte Tilli. „Aber Sie könnten doch nicht gut bei Kötding'S absagen." Diese reichen Leute, welche eist eben in die Gesellschaft gekommen, seien so empfindlich, stellie sic der Mutter vor. Fräulein Tilli ließ sich so leicht um keine Festlichkeit bringen: Hui ra ä l» porck xu place Und gerade dieses Diner ergab eine so gute Gelegenheit, etwas liebenswürdig mit Windig zu sei». — Der Baron war bei Ködding'S nicht bekannt. Außerdem machte sie es möglich, ohne auszufallen, Herrn von Donach H welcher sich auf den Abend sür eine Singprobe angcsagt hatte, in einer neuen Toilette zu empfangen, welche der jungen Dame entzückend stand. Hilde nnd Gerda waren um den Kranken geblieben Je näher aber die Stunde dcS Diner- rückte, je weniger konnte die letztere eine gewisse Unruhe verbergen. „Geh nur, geh", meinte Hilde, „ich bleibe da." „O nein" — Gerda rang eS sich sichtlich ab — „Du, unser Gast" „Aber ick weiß, waS dich lockt" — Hilde lächelte. „Du darfst mir den Papa schon anvertrauen." „Du bist ein Engel" — stürmisch »mhaiste Gerda die Freundin — „und ich bin verliebt!" „Ich wollte, ich könnte auch einmal etwas sür Dich thun. „Adieu, Papachen", flüsterte fle leise über den Schlummernden gebeugt, „Tu bleibst in guten Händen." Und obne im Mindesten mebr daran zu denken, wa» er von ihr verlangt, daß auch dir Sorge um sie, der Streit mit ibr sein Theil an jener Krisis trug, schlüpft» sie au- dem Zimmer. E- war um viele- später, als der Präsident au« seinem Schlafe sichtlich gestärkt erwachte. Es hätte ihn rigrntkich
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