02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.06.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-06-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940630023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894063002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894063002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-06
- Tag1894-06-30
- Monat1894-06
- Jahr1894
-
-
-
4814
-
4815
-
4816
-
4817
-
4818
-
4819
-
4820
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
^, ^«»«sholt: dt«1»ljibrltch^I4ät0; MltMlsiGN' MgUch« Snfiell»», t»« H«tHL »Ich dseHost bezog« ftr Deiüschlmib n»b Oesterreich: »irrteuLbrlich >4 «.—. Dtukt» tüglich» -rruzbandienduug in« «»«lanb «o-atltch ^l ?.S0. Me»««, «»Igebe nckchei^tüglich '/,7Uhr. dt» «LLHLe «ochentag« ü Uhr. Abend-Ausgabe. Ne^lctt«« «ch LnarM»»: 8. Tweblaü ist Wochentag« »»»uterbrochen »o» früh 8 bi« Abend« ? Uhr. LN» Mo«»'« GMt«. (Alfred Hntz»), Universitittstzrabe 1, 8<Utd Ljsche, Kslhariurnstr. 14. Part, »ad König-Platz 7. Anzeiger. Legan für Politik, Localgeschichte, Handels- and Geschäftsverkehr. «a-etge»»Vrei- die «gespaltene Petitzeile SO Mg. Reklamen unter demRedactiontstrich (4ßs- Walten) SO>4. vor de» Familirunochrichten l« gespalten) «0^. Größere Schriften lant unserem Preis» verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Sr tra-Bet lasen (gefalzt), unr mit der Moriiea-Au-aabe. oha« Postbesürderuag 80—, mit Poftbesörderuag ^l 70.—. 2tun«ltzmeschluß für Änzeizen: Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Sonn- uad Festtag« früh '/H Uhr. Bei den Filialen uad Annahmestelle» je eine halb« Stund« früher. >n»etgen find stets an dir Expeditia» zu richten. Druck »ad Verlag von L. Pol, tn Leipzig Sonnabend den 30. Juni 1894. 88. Jahrgang, Zur gefälligen Beachtung. Unsere Expedition ist morgen Tonntag, den 1. Juli, Bormittags nur bis /-9 Uhr geöffnet. Lxpeällton 0e8 L-elprlxer 'raxedlLttes. Politische Tagesschau. * Leipzig, 30. Juni. Dir habe» gestern darauf hiagewicsen. daß zwar auf dem Wege internationaler Abmachungen gegen das weitere Umsichgreifen der rcpoluttonaircu und anarchistischen Be wegung nicht viel auszurichten sein werde, daß aber regel mäßig abzuhaltende internationale Polizeicongresse doch manche fruchtbare Anregung geben und eine Art von Control« über die Thäligkeit der Polizei in den einzelnen Reichen berbeiführen könnten. Einem ähnlichen Gedanken begegnen wir heute in der »Nat.-Lib. Corr.". die ein .besseres Jneinandergreifen der Polizeibehörden bei den Ueberwachungen der Revolution-Partei und dem Einschreiten dagegen" als wünschenswerth bezeichnet. Ein solche« bessere« Jneinandergreifen wird sich eben nur durch die Einführung internationaler Polizeicongresse er zielen lasten. Wir hoffen daher, daß man dem Gedanken näher treten und wenigstens einen Versuch zur Verwirklichung desselben machen werde. Da« Wirksamste aber werden auf alle Fälle die einzelnen Staaten selbst mit inneren Maß regeln thun muffen. Es wird in allen Culturländern die Frage zu erwägen sei«, ob die vorhandenen Gesetze und Ein richtungen genügen, die staatliche Ordnung und den öffent lichen Frieden gegen wahnwitzige Miffrtbaten zu schützen. In den meisten Ländern wird man zu der Ueberzeuaung kommen, daß die- nicht der Fall ist. Urberall find hie Gesetze und Ein richtung«» «es «ine Bewegung Meschnstken. der man bisher immer noch geneigt war, einen verhältnißmäßig harmlosen theoretische« Charakter zuzuschreiben, was mit jedem Jahre weniger zutrifft. Niemand will eine Beschränkung berech tigter Freiheiten des Volkes, aber dazu gehören nicht die Au-wüchse und Mißbräuche, die keine Schonung verdienen. Die bürgerliche Freiheit ist jetzt nicht in Gefahr, aber eS gilt, der Zuchtlosigkeit und Auflehnung gegen alle Ordnung streng entgegeazutreteu. Man rede nicht von Ausnahmegesetzen; die Anarchie mit dem Dolch und der Bombe hat solche auch. Mit einer sentimentalen Scheu gegen Parteien, die den bürgerlichen Frieden und alle Rechtsordnung bedrohen, die volle Wucht der Staatsgewalt anzuwenden, ist heutzutage nicht« mehr gethan. Daß man das in England selbst m amtlichen Kreisen einsiebt, geht aus unserer gestrigen Mit» theilung aus einem englischen Berichte über die Sprengstoff- Attentate de« vergangenen Jahre« hervor, denn dieser Bericht rührt von amtlicher Stell« — Ler Llajestv's lu- spectors ok Explosives — her. Dies« Änspectoren sind Staats beamte, zu deren Obliegenheiten u. A. auch die sorgfältige Beobachtung und Registrirung aller durch Sprengstoffe, sei eS zufällig, sei e«, wie bei den Anarchisten, absichtlich herbeiaeführten Katastrophen gehört und welche alljährlich der Regierung einen genauen Bericht einzureichen haben. Der auf die einschlägige» Ereignisse deS vergangeuen Jahre« Bezug habende Bericht handelte zunächst von den heimatblichen, dann von den ausländischen Unfällen — aeciclouts —, endlich von den ausländischen Verbrechen — kuroigu outrsges. In dem Bericht ist, wie wir ergänzend noch hinzusügeu wollen, mit Gcuuzthuung als .ein Schritt auf dem rechten Wege" vermerkt, daß das Bombenattrntat in der französischen Dcputirtcnkaminer zu einer erheblich strafferen Anziehung der Zügel deS französischen Strafgesetze« gefübrt babe, während Spanien seinerseits Kraft Artikel« XVII der Verfassung in Barcelona die aus Respectirung der persön lichen Freiheit berechneten gesetzlichen Bestimmungen suSpendirte, so daß die dortigen Behörden seitdem in der Lage sich befinden, verdächtige Individuen zu arretiren, ohne erst den Umweg der vorgeschriebenen Formalitäten machen zu müssen. DaS officielle Parteiorgan der dentsche» Locialde«okratie, da- Wochenblatt .Der Socialdemokrat", herauSgegebrn von dem ReichStagSabgeordneten Schippet, schreibt über die Ermordung Carnot'S: .ES wäre charakterlose Feigbeit nach oben, wollten wir nach der Art der bürgerlichen Presse in billige Entrüstung über den .Mordbuben" au-brechcn und den Politiker, der in blindem Eifer auf eigene Faust an der heutigen Gesellschaft mit dem Eisen herumcurirt, einfach als einen verächtlichen mora lischen AuSwurf und nicht als ein bedauernS- wertbeS Opfer elendester Verhältnisse behandeln. Es wäre Heuchelei, wollten wir auch hier uur die Hand der Polizei und ihrer agents provocateurs er kennen. (!) Aber eS wäre gewissenlose Verblendung und Feigheit nach unten, wollten wir nicht einsehen und e- osfen herauSsagcn, daß alle diese .Thaten" — über deren Motive mau denken mag wie man will — sich in ihrer Wirkung gegen die Arbeiterklasse wenden, schlimmer wie die schlimmsten Anschläge, die je die Feinde der Arbeiter ersannen." Dazu ist kein Commentar erforderlich. Der österreichische Kaiser reist heute nach Trient, wo er sich zwei Tage aufhalten wird. Die Bevölkerung von Südtirol knüpft an diesen Besuch die Hoffnung, der Monarch werde sich den Pestrebuugeu de« .Landes nach Srlstver- Ndalt«»g geneigt zeige» vttd ^ werde nunmehr ein ent- scheidender Schritt in dieser Richtung geschehen. Wir sieben, wie wir scbon andeutcten, den Wünschen Welschtirols nicht unsympathisch gegenüber, und auch das Eabinet Windischgrätz ist ihnen geneigt, weit geneigter jedenfalls, als cs da« Ministerium Taasfc war; allein eS kann bei der Empfindlich keit, die dem Kaiser Franz Josef gerade nach dieser Richtung eigen ist, leicht Alle« verdorben werden, wenn die Forderungen nach Autonomie, wieeSbiSher geschehen, in einer Weise übertrieben werden, die jede- Cabinet kopfscheu machen muß, namentlich wenn man an der Formulirung: vollständige nationale, administrative und politischeTrennung SübtirolS von Nordtirol, fcstbält. Es genügt den Südtirolern nicht mebr, daß an der Spitze der Verwaltungsbehörde in Trient ein höherer Beamter steht und daß dieser, mit besondere» Vollmachten auSgestattet, einen weit größeren Wirkungskreis hat, als die gewöhnlichen Bezirkshauptmannschaften; eS genügt ihnen nicht, daß die Amtssprache bei dieser und allen Behörden Südtirols die italienische ist und daß der nationalen Entwickelung im Amte wie in den Schulen die größte Freiheit ringeräuml ist, — sie wollen, daß die Verwaltung und die Gerichlspflege in ihrem Gebiete von der Stalthalterei und dem Oberlandesgericht in Innsbruck vollständig unabhängig seien und daß in Trient eigene provinzielle Centralstellen dieser Art errichtet werden. Ja noch wahr; sie stellen auch die Forderung uach Errichtung eine- Südtirolcr Landtage- in Trient. Die Erfüllung dieser Forderungen würde die Zweitheilung Tirols bedeute», an welche um so welliger gedacht werden kann, al« bei den im Trenlino ab und zu austretenden irredcntistischen Tendenzen durch eine solide LoStrennung de« Südens von dem Norden Tirols der elftere geradezu für eine Annexion an das benach barte Italien vorbereitet würde. Eine solide ist bei der gegenwärtigen allgemeinen politischen Lage allerdings nicht zu" besorgen, könnte aber, wenn die Gruppierung der Mächte einmal eine Acndcrung rrfübre, immerhin jenseits der Grenze ans die Tagesordnung gesetzt werden. Diesseits der Grenze ist eS gegenwärtig bekanntlich der Klerus, der die leb haftesten iLNinpalbien für da- geeinigte Italien zeigt, während der italienische KleruS drüben dem königlicde» Italien und der Regierung desselben feindlich gegenüberslebt, ww die- ja auch den Intentionen des Vatikans entspricht. So wenig das Wiener Cabinet den Südtirolern — unter solchen Um ständen — im Hinblicke auf die nationale Krage Zugeständ nisse machen kann, so entgegenkommend zeigt sich dasselbe gegenüber allen Wünschen, die auf Verbesserungen der Administration abzielen. In dieser Richtung könnte denn auch die Kaiserreise den Südtirolern thatsächlich einige Vor- tbckle bringen, und wenn eS z. B. für das dortige Schul wesen und da-Bauwesen förderlicher wäre, daß dasür eigene Centralstellcn in Trient geschaffen wurden, so ist es immer hin möglich, daß in der Folge ei» LandeSschulralh und ein Landes Baudepartcincnt für Südtirol in Trient eingesetzt werden. Durch ein solche- Entgegenkommen erscheint der österreichischen Regierung die Hoffnung berechtigt, daß die Südtiroler auch die von einem Tbeile ihrer Deputation bisher eingcschlagene Abstinenzpolitik aufzeben und sich vollzählig in dem Tiroler Landtage einfinden, um an dessen Beralhungen und Arbeiten Theil zu nehmen. Die bei der Neuwabl eine« Präsidenten der sranzöstschen Republik übliche Demission de« Ministeriums schien sich Anfang« zu einer Ministerkrise gestalte» zu wollen. Der Premier deS CabinetS Dupuy hatte sich bekanntlich neben Perier als Candidat für die Präsidentschaft der Republik ausstellen lassen, war aber mit einer auffallend kleinen Minorität durchgesallen und hielt eS daher für seine Pflicht, dem neuen SlaatSoberhaupte seine formelle Demission als ' eine thatsächliche zu bezeichnen. Casimir Perier richtet« zunächst sein Augenmerk auf Burdeau, de» Finanz minister in seinem am 22. Mai gestürzten Cabinet, mit dem er durch die gleiche Gesinnung verbunden ist. Burdeau hat die Verleumdung, er sei bestochen worden, um für da« Privilegium der Bank von Frankreich einzutreten, siegreich in einem Processe zu Boden geschlagen und sein Name hat einen guten Klang, weil er die große Conversion im letzten Winter glänzend durchsührte und da- Budget um viele Millionen verbesserte. Burdeau ist jedoch krank und hat gebeten, von seiner Person abzusebcn. Nunmehr drang Casimir Perier in Dupuy, von seinem Entschluß abzngeben und die Bildung deS CabinetS zu übernehmen. Wie uns der Draht meldet, wird Dupuy dem dringenden Rufe deS StaatSchefS wahrscheinlich Folge leisten und mit seinen übrigen College» im Amte bleibe»,während Burdeau daSPräsidium berKainmer an» geboten werden wird. Dupuy würde sich sonach mit der zweiten Rolle im Staate begnügen, für die er sich, wie überhaupt, so besonders im gegenwärtigen Augenblick, der eine Ber söhnung der gemäßigt radicalen Elemente mit den RegierungSrepubllkanern nicht nur nahe legt, sondern als sehr wohl möglich erscheinen läßt, ganz vor züglich eignet; er qualificirt sich auch deshalb am Besten als Ministerpräsident neben Perier, weil er ihm ein energischer, unerschrockener und kampsgeübter Genosse in den Entscheidungsschlachten gegen die Socialisten und Anarchisten sein wird. Uebernimmt Dupuy thatsächlich da« Präsidium, so beweist er auch, daß ihm Alle« fern ge legen hat, als den Gekränkten zu spielen und in Opposition gegen seinen glücklicheren Rivalen zu trete«, — eine Insinuation, der wir von vornherein rntaegengetrrten sind. Eine andere Frage freilich ist eS, ob Dupuy nicht eine empfindliche Einbuße an seinem Prestige dadurch erlitte» bat, daß er sich entschloß, neben Casimir Perier für die Präsidentschaft der Republik zu candidirrn und so die Stimmen der Opportunisten zu tbeilen. Etwa« mag von der Nieder lage allerdings an ihm hängen bleiben, allein er verfügt doch immer noch über einen großen persönlichen Anhang in der Kammer, und für die Mehrheit derselben wird Wohl schließlich die Rücksicht auf Dupuy'S unbezweifelte Qualifikation gerade für diesen Posten den Ausschlag geben. Zudem würde Dupuy, wie überhaupt das ganze Ministerium, in Casimir Perier eine sehr kräftige Stütze haben. — Wenn wir noch vor der Wahl Casimir Perier « die Hoffnung an-sprachen, eS werde ihm gelingen, da- Vcrhältniß Frankreich» zu Deutschland wieder freundlicher zu gestalten, so erscheint diese Hoffnung »m so begründeter, al< der neue Präsident deutsche Erziehung genoffen hat, al« mithin sein Vater deutschen, Wesen nicht adkold gewesen sein kann. Pericr'ü Erzieher hatte, wie der »Dresdner Anzeiger" in Erinnerung bringt, in der sächsischen Residenz lange Zeit al« Lehrer und Erzieher der Jugend, und zwar als am könig lichen Cadcttenbause angestellter und seiner Zeit rühmlichst bekannter Professor gelebt und gewirkt. Seine Wittwe, Frau Professor Struve, lebt »och in Dresden; auch sie ist im Hanse Perier, dem sie längere Zeit angehört hat. keine Fremde. — Wa« die Erm o rdung Car not« anlangt; so scheint sich unsere von vornherein gehegte Ansicht, daß Cesario, oder richtiger wohl Caserio — beide Schreibweisen laufen noch neben einander her — Mitglied eine- aiiarchistischen CoiuileS ist und durch da- LooS zur Ermordung de« Präsi denten der französischen Republik bestimmt wurde, durchaus zu bestätigen, ebenso die Vermuthung, daß man einer inter nationalen Verschwörung gegen verschiedene StaatSlenkrr aus der Spur ist. Mit der Ernennung de» General« Poenaru zury rnMittiFche» KriegSm inister und mit den dieser Er- nennung vorangangenen Veränderungen in der Generalität ist die mit dem Streik der Cavallerir-Officiere an die Oeffenl- lichkeit getretene rumänische OfficierSkrisiS kann al« codgiltig erledigt betrachtet werden. Ter feste Wille des Ministerium« Catargiu-Carp. die ArmeediSciplm auch in den obersten Kreisen des OfsicicrcorpS zur unbedingten Geltung zu bringen, hat schließlich den Sieg über alle Bedenken davon- getragen. Die national liberale Opposition, welche während der Zeit ihrer zwölfjährigen Herrschaft dir gesammte Gene- ralität und alle wichtigeren OssicierSstcllen in ihr partei politisches Interesse bineinzuzicde» bemüht war, ist begreif licherweise mit diesem Ergebnisse keineswegs einverstanden. Doch spricht der Eifer, mit welchem sie >etzt ebenso argen die Veränderungen im Stande der höhere» StabSofficiere und der Generalität loSziebt, wie sie ja seinerzeit auch für die streikenden Cavallerie-Lfficiere gegen die Regierung Partei ergriffen hatte, nur für die Berechtigung der Regierung«, absicht, die Uedertragung parteipolitischer OppositionS-Geluste in da« LsficierScorpS unter keinen Umständen zu dulde». So hat unter Anderm DivisionS-General Falcoianu, der frühere Kriegsminister de« national-liberalen Regimes, welcher seiner bisherigen Stellung al« Grneralstabs-Chef enthoben und zum Armkecorps-Commaudaoten eroannt wordea war. die von ihm vor der diScipliumißigeu Uebernahme seine« FerrNlat»«. Die alte gute Zeit. Line Erzählung au» Riedersachjen von Greg. Samara». 13j Nachdruck «rrbotm. (Fortsetzung.) Der Dechant sprach mit Hilmar lateinisch und citirte Horazische Oden, wobei er sich so sehr in die klassische Zeit zurückversetzte, daß er dem Diener sein GlaS reichte, um es rum zweiten Mal mit Chambertin füllen zu taffen und dabei feierlich sagte: „vepromo quackrimum Kabln», 0 Tkaliarcke, worum äiota." Und dann lachte er herzlich, als der Diener ihn erst groß ansah, dann aber, die Gebärde» mehr al« die Worte ver stehend, dennoch sein GlaS mit dem Purpurwein füllte. Drr Tbierarzt erzählte längere Geschichten von merkwürdigen Hserden, an welche sich wunderbare Ereignisse knüpften, die mit den Erlebnissen de» Herrn von Tronken um die Ehre der Glaubwürdigkeit streiten konnten. Hilmar amusirte sich ganz außerordentlich über die so »ri-nelle Gesellschaft, au» welcher ihm der Hauch einer alten, allmählich versunkenen Zeit entaegeawehte und welche doch die unzeffkörbare Fröhlichkeit der Jugend in sich trug. Er war sehr zzlfrirden, daß die Hebung seiner UuiversitätSjahre ihn m de» Stand setzte, den alten Herren, welche ihm manche« Glas zubrachtrn und ihn auf die Prob« zu stellen schienen, Stich hslte» zu können, wodurch er besoader« in der Achtung de« Her« von Tronken ganz außerordentlich stieg. Wie alle frohen und glücklichen Stunden, welche da« Menschenleben bietet, in die Vergangenheit hiuabsinken, so nah« auch da« Diner im Amt-Hause zu Anaersum unter höchster Anerkennung und Zufriedenheit der Gäste und zur stolze» Genugthuung de« Obrramtmann« sein Ende. Man «rh»b sich, »m in den Nebenzimmern den Kaffe« zu trinke« und dir L'Hombre - und Whisttisch« zu arrangirea. Pfeife» wurde« gebracht. Der Oberst von Tronken, dessen Gesicht die leuchtendst« Nnance seiner Färbung erreicht hatte, schlürfte mit großem Behage» «in Stzitzgla« alte» Ratafia«, jene« vortrefflichen Kirfchtranntwein«, deffen Krnntuiß der heutige» General»« M »ersnr» ^W»nge» ist. Hilmar hatte einige Bonbon« und Confituren in eine Tüte gethan und dazu einige Blütheu von dem Tafelschmuck gelegt. „Hier", sagte er zu dem Dechanten, »wollen Sie die« an Fräulein Anna mit einem freundlichen Gruß von mir bringen, damit sie auch eine kleine Erinnerung an unser Fest bat, da« mich trotz seiner Vortrefflichkeit doch unsere gemüthlichen Abende in Landersen nicht vergessen läßt." »Sie denken an Alle«, mein lieber Baron", rief der Dechant, »da bin ich doch warkaftig gar nicht darauf ge kommen, von den schönen Dingen, die un« hier geboten wurden, auch etwa- nach Hause mitzubringen. — Freilich", fuhr er fort, die kleine Tüte mit etwa« unsicherer Hand in die Tasche seine« Rockes steckend, »bei Ihnen ist da« noch etwaS.AndereS; da« Gedächtniß ist stark in der Jugend. voueo vireuti canities »best moros». Wenn man alt ist, geht e« abwärts; denn bei mir heißt eS bald: ?alliäa mors aequo xulsat pecie pauperum taderuas kegumqus tnrres." Lachend trat der Obrramtmann heran. »Wenn hier lateinisch gesprochen wird", sagte er, »dann kann ich nicht mebr mit, da steh« ich weit hinter meinem Auditor zurück. — Für Euch, rovereuälssimo, freue ich mich aber, daß Ihr den jungen Herrn da habt» um einmal rin gelehrte« Zwiegespräch zu Hallen, wozu Euch sonst in Eurem Landers«» wohl kaum Gelegenheit geboten wird. Apropos, unterbrach er sich» bei Laudersrn fällt mir ein, ich dabe gestern von der Landdrostei die Ernennuna Eure« Förster- Marten zum reitenden Förster erhalten, in den nächsten Tagen wird ihm seine Bestallung zugehen — er ist ein braver und tüchtiger Mensch — r« ist mir lieb für Euch, daß Ihr ihn da im Ort behaltet." ,O", rief der Dechant, »da« freut mich auch in der Thal sehr, der wird gewiß seinen Dienst vortrefflich versehen, und dabei ist er bescheiden, versteht ausgezeichnet mit den Bauern nmzugrhen und Alle« freundlich fertig zu machen, ohne sich etwaSzu vergeben." »Wißt Ihr wa«, alter Dechante", sagte der Obrramt mann, der bei besonder« heiterer Laune seiaen Freund mit de« vertraulichen altdeutschen »Ihr" anzuredrn pflegte, »da« wäre so etwa« für Eure Nichte, di« Ihr in Eurem guten Herze» zu Euch genommen habt — da« Mädchen ist hübsch «nd still und bescheiden, da« wäre «ine allerliebste Frau reitende Försterio und sie hätte eine schöne Versorgung und einen bravrn Mann, und ich glaube, der Marten wurde auch nicht angeführt sein, da solltet Ihr Euch einmal auf- Ehe stiften legen." Der Dechant schmunzelte vergnügt und listig. »Ehcstifter.", sagte er, »da« ist nicht meine Sache und nicht meine« Amtes — die Eben werden im Himmel geschloffen, und wenn « der liebe Gott will, so wird er e« auch wohl ohne mein Zuthvn zu Stande bringe»." Er schmunzelte noch vergnügter, blinzelte mit den Augen und machte em Gesicht, al« ov er nur mit Mühe ein Ge- hrimniß zurückbalte, da« seinen Lippen entschlüpfen wollte. Hilmar fühlte e« wie einen Stich in seinem Herzen, er gab sich im Augenblick keine klare Rechenschaft, wa« ihn so bang und schmerzlich berührte. Frau reitende Förster!» und Anna, diese« anmuthig zarte, so feinfühlig und so poetisch angelegte Wesen, da« war «in gar zu schriller Mißklang, gegen den sein ganze« Gefühl sich empörte. DaS Gespräch wurde unterbrochen. Der Oberst von Tronken hatte sich bereit« an einen Spieltisch gesetzt und neben sich einen kleineren Tisch mit einer Bowle von Hilmar « Punsch stellen lassen, den er» wie er sagte, noch einmal ernstlich probiren müffe. Er rief den Oberamtmann und forderte dann Hilmar auf, mit von der Partie zu sein. »Ich muß sehen, mein junger Freund", sagte er, »ob Sie auch hier sattelfest stad und so gut mit den Karten umgehen können, wie Sir da« Punschbrauen verstehen — wa« meinen Sie? — Aber einen Whist mit gar zu elendem Point mag ich nicht spielen." »Ich stehe ganz dem Herrn Obersten zur Verfügung", er widerte Hilmar, seiaen Play am Tisch einnehmend, indem er wir mechanisch die Karten abhob; denn er war noch ganz mit dem kurzen Gespräch beschäftigt, da« er soeben gehört. E« wurde ein ziemlich hoher Satz frstgestellt und die Partie begann, während zu gleicher Zeit die übrige Gesellschaft «heil« an anderen Spieltischen Platz nahm, tHeils sich unterhaltend uad plaudernd aus die Sopha« und Lehnstühle niedrrließ. wobei e« aber Alle nicht untrrließen, Hilmar « Punsch, dem Beispiel de« Herrn von Tronken folgend, einer neuen und gründlichen Probe zu unterziehen. Sogar der Superintendent, dem der Tbierarzt in einer Eck« eine lange Reihe sehr merk würdiger Geschichten erzählte, verschmähte e« nicht, ein Glä«cheu nach dem anderen von dem köstlich duftenden Getränk zu leeren. Der Lieutenant Kreiser hatte sich neben seiaen Chef gesetzt und gab demselben, deffen Scharfblick durch den Puasq zu weilen etwa« getrübt wurde, seinen Rath. .Natürlich", sagte dann jede«mal der Oberst, wenn sein Adjutant ihm etwa« zuflüsterte. »Da« versteht sich ganz von selbst, e« kann ja gar nicht ander« sein, ich wollte eben die Karte spielen." Und der Lieutenant verbeugte sich bescheiden, al« wenn er sich wegen seine- überflüssigen VorgreifenS entschuldigen wollte. Hilmar spielte zerstreut, aber da er gegen den Obersten verlor, so stellte ihm dieser wiederholt da« laute Zeugniß au«, daß er auch auf diesem Gebiet sattelfest sei und fiw ganz gewiß noch einmal zu einem vortrefflichen Wkistspieler au-bilden werde, und al« endlich die Stunde de« Ausbruch« da war und nach dem letzten Robber Hilmar gleichgilNg einige Louisd or bezablte, da wurde der Herr von Tronken ganz gerührt und wünschte dem Oberamtniann feierlich Glück, daß er eine» so ausgezeichneten und hoffnungsvollen jungen Mann unter seinem Commando babe. Die Wagen fuhren vor. Beim Abschied zog der AnitSratb Grundmann den Ober amtmann einen Augenblick auf die Seite. „Mein lieber Freund, sagen sie mir ehrlich", flüsterte er ihm zu, „woher waren die Karpfen ? Sie wissen, ich interrfsirc mich für die Fischzucht und möchte gern wissen, wo man solche vortreffllichen Thiere züchtet» die wirklich beinahe bester waren als meine eigenen." Der Oberamtmann zog ibn nock weiter zur Seite und flüsterte ihm mit wichtiger Miene ins Ohr: »Ich babe sie au« Polen kommen lassen, mein lieber AmtSratb." Der AmtSrath sah ihn groß an. »Alter Schäker —" sagte er mit gezwungenem Lache» und stieg murrend in seinen Wagen. Hilmar trug dem Dechanten nochmals Grüße für Anna auf in so natürliche»!, unbefangenem Ton, wie er e« vermochte. »Ich muß morgen nach Bergholzhausen zu meine« Later« Geburt«tag". sagte er, »sowie ich zurück bin. werde ich sehen, wie e« bei Ihnen geht." Der Dechant schüttelte ihm herzlich die Hand und schritt, auf seiaen Rohrstock gestützt, rüstig davon. Der Thierarzt war noch zuletzt geblieben und schloß fich Hilmar auf dem Heimwege an, da sein Weg an deffe» Wohnung vorüber führte.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Keine Volltexte in der Vorschau-Ansicht.
- Einzelseitenansicht
- Ansicht nach links drehen Ansicht nach rechts drehen Drehung zurücksetzen
- Ansicht vergrößern Ansicht verkleinern Vollansicht