Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.07.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-07-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940720023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894072002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894072002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-07
- Tag1894-07-20
- Monat1894-07
- Jahr1894
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Ve-«-r.PreiS ^ t« H«-t«lV»dition oder den im Ele.dt. »d den Borortc» errichteten AuS- ^Aestellen ab-eholt: vierteljährlich-Sl 4.50, 8t M»imaliger täglicher Zustellung ins »E,1 >» 5.50. Durch die Post bezogen für Tkvk'chland und Oesterreich: vierteljährlich - g.—. Direct» tägliche Lreuzbandiendung m» Ausland: monatlich 7.50. ^ellkorgen-AuSgabe erscheint täglich '/,7 Uhr, W Abeud-AuSgabe Wochentag- 5 Uhr. Ledartion »nd Lrpedition: A»h«nncS,afie 8. ehlkrpedttion ist Wochentag- ununterbrochen ^öffnet von früh 8 bis Abend- 7 Uhr. Filiale«: ttt« airmm » Eurtt«. (Alfred Hatz«), UniversitätSstraß« 1, LouiS LSsche. a^hariueustr. 14, part. und Sönlg-platz L Abend-Ausgabe. Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- «nd Geschäftsverkehr. Anzetgen Preis die 6 gespaltene Pcmzeile L0 Psg. Sleclamen unter demRedactionSstrich (4g»> spalten) 50-H. vor den Familiennachricht«» (6 gespalten) 40-H. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Zissernjatz nach höherem Tarif. Vxtra-Beilage» (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesorderuug 60.—, mit Postbesördrrung X 70.—. Ärmalfweschluß für Anzeigen: Abeud-AuSgabe: Vormittag- lO Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Soun- und Festtags früh ' ,9 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« Halde Stund« früher. Anzeigen sind stet- an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig ^-367. Freitag den 20. Juli 1894. 88. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 20. Juli. Gestern, am Jahrestage der französischen Kriegserklärung von 1870, übermittelte unS der Pariser Telegraph die Wieder gabe einer Aeußerung Casimir Pericr's, welche „trotz de- LreibundeS" für Europa friedliche Aspecten in den Vorder grund stellt. Anknüpfend an diese Wendung bringen die „Berl. NN." einen beachtenSwerthen Artikel, dessen Tendenz wir voll zustimmen und dem wir deshalb ungekürzt hierRaum geben. Das genannte Blatt schreibt: „Herr Casimir Perier ist erfahrener Politiker genug, um zu wissen, daß der Dreibund gar keinen anderen Zweck hat, als die Aufrechthaltung der für die heutige Lage Europas maßgebenden internationalen Verträge. Von den lrei Mächten des Dreibundes haben zwei mit der dritten barte Kämpfe durchfochten und die heutige vertragsmäßige Lage Europas beruht zum wesentlichen Theile auf den Ver wilderungen, welche die Machtstellung Oesterreich-Ungarns in dessen Kämpfen mit Preußen und Italien erfahren hat. Lchon dieser Umstand, daß drei ehemalige Gegner sich zu diesem Bünvniß zusammen fanden, welches zwischen Deutschland und Oesterreich nun bereits fünfzehn Jahre alt wird, beweist zur Genüge, daß eS sich dabei um eine lediglich defensive Einrichtung handelt. Ter Dreibund bedroht Niemanden, aber er vereitelt auch jede Bedrohung seiner Mitglieder. Dies weiß auch Herr Casimir Perier sehr genau, und deshalb ist die Einfügung der Worte .trotz deS Dreibundes" in seine beruhigende Versickerung wobl nur eine Vorsichtsmaßregel, die er seinen eigenen Landsleuten gegenüber für erforderlich erachtete. Europa ver dankt dem Dreibünde, in erster Linie dem deutsch-österreichischen Bündnisse, den Frievenszusland, dessen cS sich erfreut und der namentlich auch für Frankreich — trotz mancherlei UnsegenS — segen-voller gewesen ist, als selbst der glorreichste Krieg eS hätte sein können. Die Auffassung, welche die augen blicklich maßgebenden Kreise der Republik in Bezug auf Deutschland beseelt, hat aber auch in der Erklärung des KanimerberichterstatterS Baron Courcel über die Interessengemeinschaft Deutschlands und Frankreichs in Afrika einen verständnißvollen Ausdruck gefunden. Die „ Verständigung über gemein same dauernde Interessen" halte kein Geringerer als Fürst Bismarck im Jahre 1884 zur Zeit der Berliner Afrika- Konferenz versucht, und er hat damals bei allen verständigen Franzosen volle Erkenntniß gefunden. Baron Courcel, damals Botschafter der Republik in Berlin, ist für diese Frage zweifellos die competenteste Persönlichkeit in Frankreich; denn er bat im August, September und Oktober 1884 in Berlin und Varzin mit dem Fürsten Bismarck die Grundlagen für ein deutsch-französisches Ein vernehmen in Afrika geschaffen, während gleichzeitig in Paris Fürst Hohenlohe im Aufträge des deutschen Reichskanzlers mit dem Conseilpräsidenten Ferry verhandelte. Die weit gehenden Mittheilungen, welche, dem Pariser Journal „Tele- graphe" zufolge, Herr Ferry am 29. September 1884 dem Ministerratbe über die zugesagte Unterstützung durch Deutsch- laud in China und Egypten gemacht haben soll, mögen zum Theil auf publiciftischer Phantasie beruhen, der Kern ist nicht wegzuleugncn, daß damals die leitenden Kreise in Berlin und Paris den Zeitpunct für eine Annäherung beider Länder gekommen erachteten, obwohl seit dem Alsonso- ^Lcandal in Paris gerade ein Jahr vergangen war. Die iLtlinmung der Verständigung dauerte bis in den Herbst >886 hinein. Als Botschafter Herbette am 23^ November 1888 Kaijer Wilhelm I. sein Beglaubigungsschreiben über reichte, durfte er sagen: „Deutschland und Frankreich haben zahlreiche gemeinsame Interessen und werden, wie ich überzeugt bin, mehr und mehr in denselben den Boden für eine beiden Ländern vortheilhafte Verständigung finden." Kaiser Wilhelm l. erwiderte: „Sie haben meine Gedanken ausgesprochen, indem Sie sagen, daß Deutschland und Frankreich zahlreiche gemeinsame Interessen haben und daß sie i» diesen den Boden für eine den beiden benachbarten Nationen vortheilbafte Verständigung werden finden können." ES ist dies der Widerklang der näm lichen Worte, welche in der am 19. Juli 1870 an den Reichstag des Norddeutschen Bundes gerichteten Thronrede enthalten waren! Leider erbrachte der Winter 1886,87 und die folgende Periode zahlreiche Beweise deS GegenlheilS, und erst seit Jahresfrist scheint sich wieder ein Umschwung in der Stimmung Frankreichs bcmerlbar zu machen. Giebt Herr Casimir - Perier dieser Stimmung auch fernerhin mit Ernst und Entschlossenheit Ausdruck, so kann er sich damit ein unsterbliches Verdienst erwerben. Er hat sich im Jahre 1870 als tapferer Mann bewährt, und die gegnerischen Parteien werden daher seiner Friedensliebe KriegS- surcht nicht vorwerfcn dürfe». Vielleicht aber liebt er den Frieden deshalb, weil er den Krieg in der nächsten Nähe gesehen hat. WaS Deutschland anbetrifft, so bedarf eS keiner öffentlichen Versicherung, daß jeder ehrliche Annäherungs versuch Frankreich- diesseits der vollsten Sympathie begegnen wird. Aber eS dürfte gerathen sein, in der Abschätzung solcher Vorgänge einstweilen noch große Vorsicht zu beob achten. Die Interessengemeinschaft beider Nationen, so sehr sic in der Lage der Dinge begründet ist, kann erst dann zur vollen Wahrheit und zu einem Factor von dauernder praktischer Be deutung werden, wenn französische Staatsmänner nicht mehr zu befürchten haben, daß >eder Schritt der Annäherung an Deutschland für sie das unfehlbare Mittel zum Sturze und zum Verschwinden von der politischen Bühne darstellt. Als Gambetta im October 1881 den ernstgemeinten Ver such machte, sich dem deutschen Reichskanzler zu nähern und ihn von Leipzig auS in Varzin auszusuchen, ließ Fürst Bismarck durck den ihn dieserhalb sondirenden Freund antworten, daß er die persönliche Annäherung auS dem Grunde widerratben müsse, weil er Gambetta als eine der wenigen wirklich zur Regierung befähigten Persönlichkeiten für Frankreich erhalten zu sehen wünjche. Seitdem freilich ist die Republik um die Erfahrungen von dreizehn Jahren und um manche Enttäuschung reicher geworden; aber wir Deutschen haben zu prüfen, ob die Ver hältnisse wirklich schon soweit gediehen sind, daß ein für Deutschland freundnachbarlich gesinnter Präsident der Republik solche Ansichten öffentlich bekunden darf, ohne damit die Axt an die Wurzeln seiner Stellung z» legen. So lange wir diese Gewißheit nicht haben, bleibt der Rath in Geltung, welche» Fürst Bismarck im Jahre 1879, als eS sich um die Truppenvcrmehrung im Elsaß handelte, dem Feldmarschall Moltke gab: „Rechnen wir mit dem schlimmsten Fall, mit dem Ucbcrfall, und wir werden uns nicht verrechnen." Nachdem das englische Oberhaus den Gesetzent wurf Lord SaliSbury'S gegen unbemittelte Ausländer und Anarchisten in zweiter Lesung angenommen hat, ist derselbe zum Abschluß seiner parlamentarischen Laufbahn gelangt; gegenüber dem hartnäckigen Widerstande der Re gierung wäre cs bloßer Zeitverlust, ihn der ministeriellen Mehrheit deS Unterhauses zu unterbreiten. Aber es muß nochmals constatirt werden, daß die bissige Art und Weise, wie Lord Rosebery die Maßnahmen gegen die Anarchisten ablehnte, mit seiner eigenen Würde und der der Regierung und des Landes unvereinbar war. Sein ganzes Bestreben lief daraus hinaus, Lord Salisbury als einen Verleumder seines Vaterlandes zu brand marken, das er in den Augen der Welt als die Zufluchtsstätte von Mordgesellen herunterzusctzen wünsche. Statt Lord Salisbury dafür dankbar zu sein, daß er der Regierung eine Gelegenheit giebt, freiwillig, ohne einen Druck und ohne Panikbeweggründe ein Gesetz zu erlaffen, das andere Nationen längst besitzen, und dadurch den Vorwurf ver brecherischen AugenzudrückcnS zu entkräften, verfolgte er geflissentlich eine Straußpolitik, als ob eS bis jetzt keinem Briten jemals eingefallen sei, England als de» Schutz- Hasen der Anarchisten anzuscbcn. DaS Ausland hat längst über daS englische Asylrecht in Bezug auf die Anarchisten sein Urtheil gefällt, che Lord Salisbury seinen Entwurf cinbracktc; wenn aber Lord Rosebery deshalb die auswärtige Presse der Feindschaft gegen England anklagt, so hat er dazu die angesehensten englischen Blätter, wie „Times", „Standard" und „Daily Telegraph", zu fügen, die hinter den festländischen Organen in der Verurthcilung deS Asyl rechts für Mörder um kein Haar zurückstehen. Der Auf wand von Sophislik, den Lord Rosebery inS Feld führt, setzt geradezu in Erstaunen und erklärt sich höchstens auö der Ver blendung der Parteigegnerschast. WaS soll man beispeilSweise vonfolgenderSpiegelfechterci denken: „Gesetzt", so sagteer,„dle Anarchisten beabsichtigen Verbrechen gegen Personen außerhalb Großbritanniens; soll man sie deshalb von hier auSwcisen? ES isl ganz klar, daß sie niemand außerhalb Englands ermorden können, so lange sie hier bleiben; und daher zielt der Vor schlag Lord SaliSbury'S, sic auSzuwcise», daraus bin, ihnen die Gelegenheiten zu verschaffen, die sie wünschen!" Folge richtig müßten sich also die Anarchisten zu einer Abordnung zusammenthun, um sich bei Lord Salisbury für sein AuS- wcisungsgesetz zu bedanken und ihn zum Ehrenmitgliev ihres Bundes zu machen; anders läßt sich leider Lord Rosebery's Gedankcngang nicht vervollständigen. Wie verschieden lautet dagegen Lord SaliSbury'S kräftige Logik: „Wenn wir der einzige Staat sind. auS dem die Anarchisten nicht auSgewiescn werden können, so werden sie schließlich nach einem mathe matischen Gesetz alle hier zusammenströmcn." Rosebery's Nus als entschlossener, weitsichtiger Staatsmann ist nach seiner Bekämpfung des SaliSbury'schen Gesetzentwurfs wahr lich nicht gestiegen. Bleibt England daS Asyl der Anarchisten, so sind alle internationalen Vereinbarungen illusorisch. Gestern ist die französische Kammer in die Einzel- berathung des neuen Anarchistengesetzes eingetrete», und zwar waren cs nicht weniger als 289 Dcputirte, welche dafür stimmten und damit zu erkennen gaben, daß sie de» ewigen fruchtlosen Redckampses müde seien, den Radicale, Socialisten und Monarchisten immer wieder von Neuem begannen, um ihren Wählern gegenüber als Netter der Parleiehre sich auszuspiclen und persönlichen Ambitionen und Gehässigkeiten Genüge zu leisten. Ueberhaupt wurde di« Mehrheit, die sich auf Seite der Regierung stellte, mit jedem Tag größer, obwohl die Opposition in allen Tonarten über Gefährdung der republikanischen Freiheit zeterte und daS Gespenst der Neaction in abschreckendster Gestalt an die Wand malte, und obwohl alle Manöver der Verschleppung und der Obstruktion versucht wurden. So erhoben sich für die Erklärung der Dringlichkeit 279 Abgeordnete und schließlich stimmte die oben mitgetheilte imposante Zahl für Eintritt in die Specialdebatte. Unverkennbar wirkt der starke Eindruck der Ermordung Carnot'S noch nach, aber es ist ebenso unzweifelhaft die starke Hand der Regierung zu spüren, die die Zügel sicher führt und sich von dem geradeaus zum Ziele führenden CurS nicht abdrängen läßt. Wiederholt ist regierungsseitig feierlichst erklärt worden: Das Gesetz ist specicll auf den Anarchismus zugeschuitten und keine andere Partei wird darunter zu leiden haben, darum aber hat eS keinen Sinn, zu feilschen und Compromisse an zubieten in dem Kampf gegen eine Sorte Menschen, den all« Parteien gemeinsam zur Sicherheit des Staate» und der Gesellschaft führen müssen und wollen. Angesicht» der immer klarer zu Tage tretenden Sachlache, die eine Annahme de» Anarchistengesetzes al» kaum noch zweifelhaft erscheineu laßt, wird die äußerste Linke nunmehr wahrscheinlich endailtia auf die weitere Verschleppung verzichten. Das wäre ein Glück, denn die bisher anzemeldetcnvierzig Abänderungsanträge sorgen schonda- für, daß die Erledigung der Vorlage nicht zu rasch von Statten gebt. Ob die Regierung sich bereit finden lassen wird, dem Gesetz eine nur beschränkte Dauer zu geben, steht noch dahin. Wie verlautet, sei daö Cabinet entschlossen, auch in diesem Pnncte nickt zu weichen und werde die Vertrauensfrage stellen, falls daS Gesetz nur für eine begrenzte Zeit an genommen würde. Eine CabinetSkrisc ist, da viele Ab geordnete, welche das Gesetz principiell billigen, hinsichtlich der GiltigkeilSdaucr aber mit der Regierung nicht überein- stlmnicn, deshalb möglich, wenn schon nicht wahrscheinlich. Ter Korea Ltreitsall bat infolge der diplomatischen Be mühungen mehrerer Mächte an Schärfe zwar nicht zu- genonlincn, doch ist auch von einer versöhnlicheren Wendung der Angelegenheit bis jetzt eben nicht viel zu spüren. Es scheint, daß Japan mit seiner ans Korea «öffneten Action Zwecke verfolgt, in deren Erreichung eS sich nicht irre machen zu lassen entschlossen ist. Seine Vor bereitungen militairischcr wie maritimer Art deuten zudem daraus hin, daß eS ihm um bloße papierne Errungen schaften aus Korea nicht zu thun ist, sondern daß in irgend einer, je nach den Umständen zu inodisiclrenden, immer aber positiv wirksamen Art und Weise der japanische Machteinfluß aus Korea dauernd begründet werden soll. Vorläufig läßt man in Japan die Dinge an sick herankommen und verstärkt mittlerweile seine Machtposition auf Korea mit Eifer und Erfolg. Ter Zwischenfall mit dem eng lischen Gesandten tluit ebenfalls dar, daß Japan in Dingen, welche seine militairischc Action betreffen, keinen Spaß ver steht, und daß cS nicht gesonnen ist. sich von eincni Fremden, und wäre er ein britischer Consul, zu ungcnirt in dir Karte sehen zu lassen. Auch China hat neuerdings weitere Truppenverstärlunge» nach Korea entsendet, aber man scheint sich in Peking größere Vortheile von der diplomatischen als von der militairischcn Behandlung der Affaire zu versprechen, sei cS auö angehorener Abneigung gegen die Anwendung heroischer Mittel, sei eS, weil man vor den Consequcnze» zurückscheul, welche ein feind licher Zusammenstoß mit Japan für die künftige Entwicke lung der ganzen ostasialischcn Dinge nach sich ziehen müßte. Es gereicht Japan zum Vortheile, daß keine der Mächte, welchen die Fortdauer deS i»lntU8 «zu» nnto aus Korea un- zweifelhaft am genehmsten wäre, — China, England und Rußland — rechte Neigung bekundet, diesen ihren Stand punkt »achtzrsicklich zu »«trete«. Jede der genannten Machte hat ihre eigenen Interessen in Korea wahrzu- nehmcn und überdies noch daS Verhalten der concurrirendcn Mächte zu überwachen. Sie alle fühlen sich daher gewisser maßen gcnirt und durch das rasche, zielbewußte Vorgehen Japans überholt. Letzteres hat cs in seiner Hand, den Gang der Ereignisse zu bestimmen; so lange Japan temporisirt» wird die Koreafrage vor einer acuten Wendung bewahrt bleiben. Mit Hilfe des Druckes, den es aus den willenlosen König in Söul auöübt, kann eS Vieles unter Wahrung des äußeren Scheines der Legalität erreichen, wozu cö sonst viel leicht sich drastischer wirkender Mittel würde bedienen müssen. Daneben kann die diplomatische Action ihren ungestörten Fortgang nehnien. Zu einer forcirtcn Behandlung deS Falle» liegt jetzt für Japan kein Anlaß vor. Deutsches Reich. k Berlin, 19. Juli. Die „Krcuzzeitung" beruft sich, nachdem sie Herrn von Bennigsen als einen Gegner der BiSmara schen Politik charakterisier, zur Entschuldigung ihrer wider diesen Bestgehaßten geschleuderten Schmähungen auf Blätter wie die „Frankfurter Zeitung". Hiermit geschieht nicht dem hochverdienten nationalen Staatsmann, an den jener Schmutz nicht hcranreicht, wohl aber dem „Vorwärts" Feirillet»«. Die alte gute Zeit. Eine Erzählung auS Niedersachsen von Greg. Samarow. 30s Nachdruck rrrdolt». (Schluß.) „WaS heißt Ordnung, was heißt Frieden!" sagte der Fürstbischof, „daS alte Reich ist zerfallen, aber im ganzen Volke leht die Sehnsucht nach mächtiger Einheit, das sehe ich klar und da» fühle ich im Herzen mit als deutscher Edelmann. Neue schwere Kämpfe werten noch kommen nach außen und nach innen — der Kampf ist ja daS Vcrhängniß de- zum Lichte empor ringenden Menschengeschlechts — vielleicht wird auS diesen Kämpfen eine neue Kaiserkrone aussteigen, jubelnd begrüßt von allen deutschen Stämmen, und dann werden vielleicht manche weltlichen Throne ebenso verschwinden wie heute die fürstlichen Bischofssitze ihrer weltlichen Macht entkleidet werden. „Doch jetzt will ich ruhen, mein Freund, mich wird das alle» nicht mehr berühren, WaS die Zukunft bringen kann, — meine Zukunft ruht fest in dem Glauben an den Herrn, der Himmel und Erde gemacht." Herr von Ledebur küßte die Hand de« Fürstbischofs, und während dieser sich zu leichtem Schlummer in seinen Lehnstuhl zurücksinkcn ließ, eilte er geschäftig hin und her, um überall die gewohnte Ordnung wieder berzustcllen. Der Graf vou Bergholz fuhr mit seiner Gemahlin nach Bergholzhausen zurück, und noch an demselben Abend drängle es ihn, sein vou wundersam streitenden Empfindungen bewegtes Herz von der schwankenden, zweifelnden Sorge, die seiner ganze» Natur widerstrebte, zu befreien. Die Gräfin gab ihm Gelegenheit dazu, als beide im traulichen kleinen Theczimmer saßen. „Der Herzog bat lange mit Dir gesprochen", sagte sie, „ich freue mich dessen — mich reizt eS, wenn ich um noch her neidische» Flüstern höre, und wie liebenswürdig war e», daß er mit mir bei der Tafel auf Hilmar'» Wohl trank." „Er hat auch im Eabinet von Hilmar mit mir gesprochen. und von einer Sorge", erwiderte der Gras zögernd, „von einer neuen Sorge, die Dir noch fremd ist, die Dir aber dennoch nicht erspart bleiben kann." „Von einer Sorge?" fragte die Gräfin erschrocken, „ein Rückfall? Mein Gott, sollte noch einmal das Leben unseres Sohnes bedroht sein?" „DaS nicht", erwiderte der Graf, „eS ist etwa» Anderes, daS Dir vielleicht schlimmer erscheint." Dann erzählte er zögernd und unsicher, als ob er sich vor einer peinlichen Scene fürchte, Hilmar s Liebesgeschichte. DeS Herzogs Worte hatten ihn tief bewegt; er stand noch unter dem Eindruck inneren Kampfe-, ob»e daß ein fester Entschluß hatte durchdringen können, und er fürchtete, bei seiner Gemahlin allen den Ansichten und Gründen zu begegnen, die der Herzog ihm widerlegt hatte. Zu seinem Erstaunen hörte die Gräfin tuhig zu. Er gab ihr Hilmar » Brief. Sie la» denselben und eine Thräne trat in ihre Auge». „Und der Herzog?" fragte sic. Der Graf wiederholte alle», wa» der Herzog gesagt. „WaS hast Du beschlossen?" fragte die Gräfin weiter. „Ick kann", antwortete der Graf, „für den Vater nicht daS alleinige Recht in Anspruch nehmen. Auch der Mutter Segen ist ja nöthig, wo daS Glück auf Erden gedeihen soll, und auch die Mutter hat ihre Pflicht gegen da» Hau», dessen Namen sie trägt. Doch zuvor höre noch eins. Die Stunde ist ernst, da» Vertrauen, da» sie erfüllen soll, muß ganz sein." Er erzählte ihr seine eigene Geschichte und wie er die erste Liebe seines Herzen» dem Willen seine» Vater» und dem Glanz seines Hauses geopfert. Tie Gräfin bürte in tiefem Ernst zu, e» zuckte zuweilen wie ein bitteres Lächeln um ihre Lippen, aber immer ruhiger und milder wurden dann ihre Züge. „Du bist stark gewesen", sagte sie, als der Graf geendet, „aber auch hart, grausam hart." „Da» sagst Du mir?" rief der Graf. „Warst D» nicht hart, wie gegen jene Verlassene, so auch gegen mich, als Du mich zur kalten Einsamkeit verurtheiltest?" „Gegen Dick?" fragte der Graf. .Mußtest Du nicht wie ich, daß der Wille unserer Elter» uu» zusammenführte — hattest Du Liebe von mir erwartet oder verlangt?" „Eine Frau", sagte di« Gräfin mit «i»«m ^«drucke, den er noch nie an ihr gesehen, „verlangt Liebe niemals, ob sie sie erwartet, da« muß ihr Gcheimnitz sein, daß sie aber un glücklich ist, daß ihr Herz erstarrt und erkaltet, wenn sie die Liebe nicht findet, daS ist gewiß. — WaS hätte denn ein Weib noch sonst auf Erden?" „Gertrud — Gertrud", rief der Graf, ihre Hand ergreifend, „was sagst Du da — o mein Gott, wie öffnen sich meine Augen — welche Schuld habe ich auf mich geladen, größer als ich cS gedacht, als ich eS geahnt — ja, ja, auch hier ein verlorenes, verödetes Leben." „DaS war es", sagte die Gräfin, „aber da» ist cS nicht mehr und noch bleibt unS genug, um freundliche» Glück zu finden. — Haben wir unS nicht zusamniengefunden in ge meinsamer Liebe ru unserem Sohn? — Ist da» nicht auch eine edle schöne Blume, die noch lange duften und blühen kann und auch noch edle Früchte tragen?" „Ja, Gertrud, ja!" rief der Graf, die Hand seiner Gemahlin mit inniger Zärtlichkeit küssend, „o wie erschrecke ich vor mir selbst, da meine Augen sich zum Rückblick öffne»! — hier ein dem kalten Stolz geopferte» Herz und — jene Arme —" „Hier wird Gott Ersatz geben", sagte die Gräfin. „Da« Menschenherz erstarrt niemals so sehr, daß nicht ein freund licher Sonnenblick eS wieder erwecken könnte zu Wärme und Glück. Und unseren Sohn, der diese» Glück un» gegeben, der unS den warmen Sonnenstrahl de- Himmel» brachte, ibn sollten wir verurtheilcn zu gleicher Erstarrung, wie wir sie erduldet? An seinem Krankenlager da stand dieses arme Mädchen, da- seinem Herzen da» Glück bringen soll — auch sie sollten wir in ein ödeS, liebelecre- Leben verstoßen?" mein Gott", rief der Graf tief erschüttert, „und sie ist ja — ihre Mutter war e», die ich dem Stolz und dem Vor- urtheil der Welt geopfert —" „Ihre Mutter?" sagte die Gräfin, indem sie die Hände faltete und ihre Blicke wie verklärt ausschlug, „o dann ist ja der Fluch genommen, der aus unserm Leben ruhte, dann ist auch unS da» Wunder geschehen, da» so oft jedem Menschen leben unbemerkt sich naht, segnend, versöhnend und heilend. Der Geist jener Dahiugeschiedeuen muß ja versöhnend aus un» herabblickeu, wenn ihre Tochter in unser Hau» wiederkehrt, und ich, bei Gott, mein Gemahl, ich will ihre Mutter sein, die ganze Liebe, die in meinem Herzen erstarrt war und die jetzt wie in warmem Sonnenlicht wieder erwacht, soll ihr gehören." Der Graf sah sie in tiefer Bewegung mit warm leuchtenden Blicken an. „Die ganze Liebe?" fragte er mit herzlicher Innigkeit, „und für mich, Gertrud, wirst Du für mich nicht» mehr übrig haben?" Sie reichte ihm die Hand, lehnte den Kopf an seine Schulter, und als sie mit liebevoller Herzlichkeit zu ihm auj- blicklc, da küßte er ehrerbietig und zärtlich ihre reine, stolze Stirn. XVll. Als Hilmar die Reise vertragen konnte, fuhr er nack Bergholzhausen. nachdem er vorher seinem Vater geschrieben, daß er seinem Wunsche in schuldigen, Gehorsam Folge leisten wolle, daß er aber von seinem nach reiflichster Ueberlcgung und seiner Ueberzeuguog gemäß gefaßten Entschlüsse nicht abgeben könne und daher um Verzeihung bitten müsse, wenn er seinem Vater, dem nach wie vor seine ganze Liebe und Dankbarkeit gehöre, neuen Kummer zu bereiten gezwungen sei. Als er seinen Urlaub erhalten und sich von dem Obcr- amtmann verabschiedete, sah ihn dieser mit einem «igenthümlich listigen Schmunzeln an und sagte: „Ich wünsche Ihnen Glück, mein lieber Herr von Bergbolz, zu Ihrer ersten Ausfahrt nach Hause — möchtcn Sie dort alle» finden, was Ihr Herz wünscht und ersehnt." Hilmar seufzte schmerzlich, als er für de» guten Wunsch dankte, dem ja, wie er leider überzeugt war, keine Erfüllung in Aussicht stand. Der Oberamtmann klopfte ihm noch einmal auf die Schulter und sagte: „Auf Wiedersehen, mein Freund, ans Wicderseben!" Es war eine traurige Reise, als er so durch die winter lichen Felder dahin fuhr, ans dem Wege, den er zuletzt im frischen Jugendmutb auf seinem feurigen Pferde zurückgelrgt hatte, er zitterte vor der neuen schmerzlichen Auseinander setzung mit seinem Vater, der, wie er nicht zweifelte, alle« vufbicten würde, um ibn von seinem Entschlüsse abzubringen. Noch mehr quälte ihn die Sorge um Anna. Er hatte keine Nachricht von ihr erhalten und wußte «ich
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite