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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.08.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-08-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940804027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894080402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894080402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-08
- Tag1894-08-04
- Monat1894-08
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Es geniigt zu ihrer Characteristik vollständig, wa» un» von unserem ss. - Mitarbeiter unter dem gestrigen Datum au» Berlin geschrieben wird: „Der Mühe, einen abermaligen Erguß der „Nordd. Allg. Ztg."' über Officiösität entgegen zutreten, sind wir enthoben, obwohl sich die Ausführungen dcS Regierungsblattes zum größten Theile gegen uns richten. Die Arbeit ist von den heutigen Berliner Morgenblättern bereits besorgt und zwar durchweg von Organen, die ein sehr hohes Maß von Wohlwollen sür den Grafen Caprivi besitzen. Sehr begreiflich. Die »täppische", »unschickliche" und »ungeschickte Art" — wir citiren hier —, in der daSBlatl „seine" Sache führt, ist im höchsten Maße compromittirend sür die Persönlichkeit, die als ihr Auftraggeber angesehen wird. Das Häuslein Derer, die in den neuesten aussehenerregenden Leistungen der »N. A. Z." eine Privatarbeit erblickten, ist seit vorigem Sonntag wie Butter vor der Sonne zerschmolzen. »Bestellte Arbeit" — mit diesen Worten giebt ein deutschsrei sinniges Organ dem ounmehr allgemeinen Urtheil Aus druck, daß man rS mit einem unerhört heftigen Borstoß eines College» de» Finanzministers gegen diesen zu thnn hat.*) Die an un» gerichtete gegenthcilige Versicherung wird mit einem Hohn ausgenommen, aus dem das ofsiciösc Blatt ersehen kann, daß wir mit unserer Einschätzung seiner Unabhängigkeit und Ueberzeugungstreue nicht allein stehen. Der neueste Artikel der „N. A. Z." ist, und dies allein konnte uns veranlassen, uns mit ihm zu beschäftigen, eine Fortsetzung der Angriffe auf vr. Miquel. Wo wir cS allzu scharf gefaßt, macht das Blatt eine — wir citiren bekanntlich — höchst täppische RückzugSbewcgung, um im Uebrigen mit etwas anderen Worten dieselben *) Zum Ueberfluß citiren wir da» Urtheil eine» Caprivi-BIattes xc-r' di« „Frank. Ztg.": „Die „Nordd. Allg. Ztg." will e» Nicht gelte» lassen, daß ihre Philippika über Preßtreibereien aus de», Miquel'schen Lageraegen den Reichskanzler dem Finanzminister selbst gegolten habe. Wenn sich jemal» eia« Deckadresse klar er kennen und au» dieser Erkenntuiß ein Schluß auf de» eigent lichen Adressaten ziehen ließ, so war e» hier der Fall; das bewies sofort di« allgemeine Uebereinstimmung, die in der Prejse über den Charakter der Beschwerde und Rüge herrschte. Mit dem Versuch, den eigenen Worten eine harmlose Deutung zu geben, und glauben zu machen, es habe den Sack, aus den «S losgeschlagen, auch wirklich gemeint, wird da- offiziöse Blatt wohl kein Glück haben; die Mittel, mit denen er unternommen ist, verdienen sammt und sonders das Prädicat: untauglich." Feuilletsn. Sein Weib. Roman frei »ach dem Englischen von Emil Bernseld. Raddruck verboten. (Fortsetzung.) Der Detectiv Mr. Adamson brach endlich das Schweigen. »Ich habe die Protokolle durchgesehen", sagte er, die Papiere in bestimmter Ordnung vor sich zusammenlegend. »WaS Ihre eigenen Aussagen betrifft, meine Herren, so ziehe ich e» vor, daß Sie mir dieselben mündlich wiederholen, da ich noch einige Fragen zu stellen haben werde. Herr Doctor Newbott» haben Sie die Güte zu beginnen." Der dicke Polizeiinspector Mr. Richards ließ einen leisen Seufzer der Erleichterung hören, daß die Sache, die ihn schon den ganzen Tag über in der Hitze des SommertagcS von seinem kühlen, schattigen Heim fern hielt, endlich wieder weiter ging und sich ihrem Ende näherte. Doctor Newbott, der während der Lectüre des DetectivS ungeduldig und nervös mit einem Bleistift gespielt batte, den er zwischen seinen Fingern gleite» ließ, wie ein Gymnastiker mit einer Turn stange, an der er seine Körpergelenkigkeit zeigt, legte denselben nieder, blickte einen Moment mit seinen scharfen, durch dringenden Augen auf den Detectiv und ließ sie dann wieder gedankenvoll im Zimmer umherschweifen, wie er zuvor gethan. Mr. Everett und Sam rührten sich nicht. vr. Newbott war ein Mann von etwa« über fünfzig Jahren und mußte früher einmal ein hübscher Mann gewesen sein. Zar Zeit war er grauhaarig, von hagerer Gestalt und anscheinend hinfälliger Constitution. Sein Gesicht zeigte eine ungesunde, gelbliche Färbung, schlaffe Haut und schroff hervor tretende Backenknochen; da» Auge, obwohl rasch und scharf blickend, war «ingesunken wie von Krankheit oder von der lleberarbeitung eine» müden Gelehrten; seine Züge schienen inneren Mißmuth oder körperliche» Leiden zu vrrrathrn. »Wünschen Sie, daß ich vom Anfang an berichte?" fragte er lässig in Antwort auf die Aufforderung Adamson ». „Vom heutigen frühen Morgen an" — bemerkte dieser. Der dicke Mr. Richard-, zufrieden, daß wenigsten» die Langweile unterbrochen wurde, setzte sich bequemer i» seinem Lehnstuhl zurecht und blickte mit der Bemükung, Interesse zu verrathru, auf vr. Newbott. Der Anwalt Mr. Everett ver harrte «»beweglich. Er saß, die eine Hand in die Brust Anklagen vorzubringcn. Die Deckadresse bleibt natürlich die der „Parteigänger" de» Finanzministers, aber in Bezug ans diese wird bereits eine Einschränkung gemacht, indem von einem »unausgesetzten Bohren und Intrizuiren gegen den Reichskanzler aus einem norm mäßig nahe stehenden Lager" die Rede ist. Wen» man von einem „outrirten Lob (des Finanzministers)" spricht, »daS in einer sür den College» des Gefeierten verletzenden Form ge boten worden sei", und wenn man gleich darauf ein norm- mäßig dem Reichskanzler nabcstchcndeS Lager als den E»t- stebungSort der „ärgerlichen Erscheinungen" bezeichnet, so bat man bereits auf den Schein verzichtet, einen Anderen als den Finanzminister zu meinen. Die an der „N. A. Z." komische Anmaßung, der Presse „Sclbstdisciplin" zu em pfehlen, braucht demnach nicht zurückgewiesen zu werden, die Presse spielt hier nur die Rolle einer Altrape. Und die Aufforderung zurückzugeben wäre grausam: SelbstdiSciplin ist eine Tugend, welche Character voraussctzt, und dieser ist der Commentatorin der Wiener Steckbriefe bei der von ihr in den letzten Tagen provocirten Erörterung von allen Seiten, wie billig, abgeiprochen worden. Indessen bedars es auch bei der „N. A. Z.", da sie publicistisch nicht sui suris ist, nicht der SelbstdiSciplin. Aber die DiSciplin, der sie untersteht, sollte im Interesse der Erhaltung cinigermaßcn geordneter RegierungSvcrhältnisse schärfer gehandhabt werden." Der kirchenpolitische Kampf in Ungarn ist augen scheinlich in ein neue» Stadium getreten, welches das nicht am wenigsten merkwürdige unter allen biSberigen zu werden verspricht: in das Stadium des Kampfes zwischen dem niederen Klerus und dem Episkopat. Die Bischöfe werden zwar, da die Sanction der vom Reichstage beschlossenen kirchenpolitischen Gesetze noch auSsteht, noch einen letzten Ver such machen, um die Krone zur Verweigerung der Sanction zu bestimmen, aber sie versprechen sich nicht viel von diesem Schritt und eö hat den Anschein, als ob sie ihn nur unternähmen, um eben gethan zu haben, was sie für ihre oberdirtliche Pflicht erachten, und um weiterhin mit der Regierung in Frieden auszukommen. Daß Fürst-PrimaS Vaßary eS abgelehut hat, dem Cabinet Wekerle noch länger fruchtlose Opposition zu machen, haben wir schon erwähnt. Auch jetzt hält er an seiner staatSmännischen, äußerst nüchternen und vernünftigen Beurtheilung der Lage fest, allein cö ist fraglich, ob er die Zügel noch in Händen hat. Die Aussehen erregende, geradezu zur Empörung gegen die bischöfliche Autorität auffordcrnde Sprache, welche daS Kampforgan der ungarischen Katholiken, der „Magyar Allain", sübrt, ist augenscheinlich die Antwort auf die versöhnlichen Ansichten des PrimaS. Unter dem Titel: „Autorität der Bischöfe" schreibt daS Hetzblatt: ,Zn unserer Kirche giebt «S nur eine Autorität, gegen welche Niemand Stellung nehmen darf, nämlich die in Lachen des Glaubens und der Moral. Diese Autorität ist der Papst. In politischen Fragen ist selbst das Ansehen des Papstes kein der- artiges, daß eine entgegengesetzte Ueberzengung sich unbedingt vor ihm beugen müßte, wenn diese Autoritäl mit dem Gewissen der Gläubigen collidtrt. Der Papst aber wird nie eine Entscheidung treffen, daß die ungarischen Katholiken sich zufrieden geben und eine Verletzung ihrer Dogmen ruhig hinnehmen sollen; und wenn sich ein solcher Bischof fände, so sollte er Pönitenz leisten und den durch seine lügnerische Autorität angegriffenen Institutionen Satissaction geben. Es wurde nichts schaden, die katholische Kirche von solchen ungetreuen Verwaltern und klein- müthigeu Talmi-Aposteln durch eine kanonische Untersuchung zu säubern. Wir werde» Grund haben, gegen einen solchen Bischof oder Erzbischof die Entsendung eines apostolischen Legaten nach Ungarn zu erbitten. Wenn sich vielleicht ein Bischof sände, welcher glauben sollte, daß man ihn nicht gehörig achte, so wird der ehler kaum bei den Gläubigen zu suchen sei», sondern bei dein ischos selbst. Tenn offen gesprochen, weder Kleingläubigkeit, noch gulmüthige Faulheit, noch Indolenz und Ignoranz in katholischen Fragen ist geeignet, das Ansehen mancher Bischöfe zu begründen und zu sichern." Man braucht über diese Sätze nur einen Augenblick nach- zudenkcn, um zu finden, daß damit jede Autorität in der Kirche, auch die des Papstes, geleugnet ist. Den» wenn der Papst nur in Sachen des Glaubens und der Moral, nicht aber auch in den politischen Fragen autoritativ entscheidet, dann kommt eS praktisch in jedem einzelnen Falle darauf an, ob er als Glaubenssache oder als politische Frage anzusehen sei, nnd da hierüber nnr das Gewissen der Gläubige» entscheiden soll, so ist sactisch dieses sogenannte Gewissen durch gar nichts beschränkt, auch nicht durch die Autorität dcS Papstes. Der »Magyar Allam" weiß und muß wissen, daß der Papst eben diese gefährliche und die ganze Kirche aus den Angeln hebende Lehre aufs Entschiedenste verwirst und sich mehr als einmal dagegen ausgesprochen hat. Der Fürst-Primas hat diese Sprache durchaus mißbilligt und die Begründung eines eigenen Organs zur Bekämpfung der inner» Revolution in rer katholischen Kirche Ungarns in Aussicht gestellt. Dafür werden ihm die gemeinsten Motive für seinen FriedcnS- schluß mit dem Staat untergeschoben. So soll er den zum Grauer ErzbiSthum gehörigen ausgedehnten Grundbesitz, den seine verkehrte Bewirthschaftung mit Schulden in der Höhe einer Million belastet habe, an den Grafen Geza Battbyany auf 30 Zabre um 400 000 fl. jährlich verpachtet, hierzu aber nicht die ersordcrliche Zustimmung der ungarischen Regierung erbalten haben, so lange er an der Spitze der Opposition gestanden. Man babe Monate lang verhandelt, bis endlich der PrimaS, mürbe gemacht, den Kamps gegen die kirchcn- politischen Gesetze aufgegebcn und damit sich die Einwilligung der Regierung zur Verpachtung seiner Güter erworben habe. Diese unglaubliche Geschichte ist ihrer Erfinder würdig! Wie zu erwarten war, hat der Pracetz «egen Caserio mit der Verurt Heilung des Mörders zum Tode geendet. Darüber, ob Caserio au- eigener Initiative gehandelt, oder ob er da» Werkzeug eine» anarchistischen ComplottcS gewesen, ist keine Klarheit geschaffen worden. Der Angeklagte blieb dabei, er habe keine Mitschuldigen, allein eS hat den An schein, daß daS Londoner Anarckistcncomitö sich deö Fana tismus und der Beschränktheit Cascrio'S bedient babe, um den längst geplanten Mord an dem Präsidenten der französischen Republik auSzuführen. GroßmaniiSsucht hat bei Cascrio'S Anschluß an die anarchistische Sectc und bei seinem blutigen Streich gegen Carnot offenbar die Hauptrolle gespielt. »Ich kann nicht sagen lassen, daß ich nur ein Schüler gewesen", „Niemand darf sagen, daß ich nur ein Arm gewesen, dessen Andere sich be dient", ruft er entrüstet aus, um seinen Rubin, eine der „Größen" des Anarchismus zu sein, sich nicht schmälern zu lassen. Den größten Einfluß scheint aus den anarchistischen Bauernjungen Caserio der nach der Schweiz geflüchtete Mailänder Advocat Gori gehabt zu haben, der ihn in die anarchistische Doctrin cinwcihte, und man kann nur mit dem Verthcidiger Cascrio'S bedauern, daß man die eigentlichen Urheber der Unthat, die in höheren gesellschaftlichen Sphären zu suchen sind, al- Caserio, die Theoretiker dcS Anarchismus, nicht treffen kann. Tie französische Presse bringt natürlich seitenlange Berichte über den Proccß und giebt nicht nur die frechen und cynischen Antworten des anarchistischen Mordgesellen wieder, die im Kreise der »Genossen" die Runde machen und sie zu neuen seines zugeknöpften schwarzen OberrockeS geschoben, die andere mit dem Unterarm vor ihm auf dem Tisch ruhend, mit den niedergeschlagenen Augen schweigend auf die unbeschriebenen Papierblätter vor sich starrend, still und ohne sich zu rühren. Er war ein kleiner, aber kräftig gebauter Mann von einigen vierzig Jahren, besten GesichtSaüsdruck Verschlossenheit und besten Mund und Kinn Willenskraft und rücksichtslose Festig keit verrieth. „Ich wurde beute Morgen ein Viertel nach sccks Uhr durch Isabel, das HauSmädchen, ausgesordert, eiligst nach Old Hall zu kommen", begann vr. Newbott. „Sic theiltc mir mit, ihr Herr, der alte Mr. Thrale, liege todt und blut- überfloffen in seinem Arbeitszimmer. Als ich das Hauö erreichte, kam mir Sam Brown aus der Küche entgegen, bestätigte mir die Meldung des Mädchens und händigte mir den Schlüssel zu dem Arbeitszimmer ein. Wir schlossen auf und gingen zusammen hinein. Ich fand die Fenster und die Laden derselben geschlossen und daS Zimmer unvollkommen erleuchtet durch eine einzelne Lampe, die, dem Erlöschen nabe, aus dem Schreibtisch brannte. Mr. Tbrale saß an dem Tisch, vornübcrgcsunkcn, so daß der Kops auf dem Tische ruhte, beide Arme vor sich über die Platte deS Tisches auSgestrcckt. Ich ließ mehr Licht anzündcn und unter suchte den Körper, ohne seine Lage zu ändern. Er war todt — er mußte e» nach den Zeichen, die ich wahrnahm, bereits seit mehreren Stunden sein. Auf dem Fußboden unter dem Tisch bemerkte ich eine große Lache Blutes, weniges davon auch auf dem Tische selbst zu den Seiten deS Kopses. In Anbetracht dieser besonderen Umstände, die auf eine Blutthat deuteten, unterließ ich eS, nachdem ich mich von dem Tode deS ManneS überzeugt, irgend etwa- Weitere» vorzunehmen bis zum Eintreffen de» Polizei-InspectorS Mr. Richards und ließ Alle« im Zimmer unangerührt." „Waren Sie im Stande, sich von dem eingetretenen Tobte zu überzeugen, ohne dir Lage de« Körper« zu verändern?" „Unbedingt. Ich konnte die Hand, den Pul» ansühlen, den Kopf ein wenig emporheben — das genügte. Der Mann war todt. Seit Stunden, es konnte kein Zweifel sein." „Sehr wohl. Dann kam Mr. Richard» zu Ihnen. Mr. Richard», wollen Sie so gut sein und hier Ihre Aus sage Horen lasten?" „Ich traf in Old Hall gegen sieben Uhr ein", begann der dicke Polizri-Inspcctor deS ländlichen Bezirke», „gerufen von dem Stallburschen, dem Ncd oder Edward von Old Hall, der zu Pferde ankam, ganz außer Athem war und mir dir verwünschte Geschichte mittheilte, die hier vorgefallen sei. Ich nabm einen Wagen und fuhr her — Du meine Zeit, ich glaube, mich hätte der Schlag gerührt, wenn ich zu Fuß Kälte hier her rennen sollen — 's war schon eine Gluth- hitze, so früh am Tage cs auch noch war! Als ich hier ankam, traf ich Sam Brown in der Thür, aus mich wartend — die anderen Domestiken batte er sämmtlich in der Küche eingcschlosscn, wie er mir sagte — mit ihrer Bewilligung, damit sie Alle bcisammenblicbcn und Keiner weglief oder Dummheiten machte in der Sache, 's war sehr vernünftig gehandelt von dem Sam, nian muß eS ihm lassen! Ich glaube, der Mann könnte Constabel werde», wenn er den Stall ausgcben wollte. Aber freilich, 'S ist n mühseliges Amt, die Polizei — puh! Na gut also. Samuel Brown führte mich ins HauS, wo Doctor Newbott aus mich wartete. Wir traten miteinander in daS Arbeit- zimmer. Ich fand die Sache dort so. wie Doctor Newbott auSsagte, den tobten Mr. Thrale, die Lampe auf dem Tische, die Fensterladen geschlossen. Ich ließ diese öffnen, und dann hob ich mit Doctor Ncwbott'S Hilfe den Körper deS Tobten empor und wir untersuchten ihn." „Halt; Dank! Doctor Newbott, bitte, geben Sie uns den Bericht über den Todtenbesund. Sie fanden als Todes ursache — ?" „Eine kleine Wunde in der Kehle deS Verstorbenen, an scheinend von einem Stich mit einem spitzen, scharfen Instrument verrührend. DaS Halstuch des Tobten war abgelegt und hing über die Lebue seines Stuhles. Es war nicht von Blut befleckt, was bekundet, daß es vor der Verwundung de« Halse» von demselben entfernt worden sein mußte. Mr. Richards machte mich auf diesen Umstand aufmerksam und fragte mich, ob mir daS nicht sonderbar erscheine." „WaS antworteten Sie?" „Daß essie sehr einfache, natürliche Erklärung deS Um stande» nahe liege. Erstlich war cS in der voraufgegangenen Nacht ungewöhnlich schwül gewesen, unv die Annahme lag sehr nahe, daß der Verstorbene, im dumpfigen Zimmer, be, den geschloffenen Fenstern und der wärmenden Lampe am Schreibtische sitzend, da» Halstuch um der Hitze willen ab gelegt, um sich« bequemer zu machen. Zweiten» war eS aber auch die Gewohnheit des Verstorbenen, daS Halstuch jeweilig abzubindcn, wenn er sich im Zimmer befand. Er litt an einem Herzübel und in Folge besten ruweilcn an Blut andrang nach dem Kopse und Athemnoth, in welchen Fällen er. zumal wenn er da» Herannahen diese» lästigen Symptom» Unthaten anspornen werden, sondern folgt dem Mörder auch in ausführlichen Schilderungen seines Lebenslaufe» bis in die rübestc Kindheit, veröffentlicht allerlei nichtssagende Briese und Aeußerungen dcS Verbrecher-unv läßt seine ganze Familie in allen Zweigen und Neben,weigen aufmarschircn. so daß daS Publicum fortan über die CalerioS weit bester unterrichtet ist, als über die berübnitestcn Männer deS Lande«. ES ist dasselbe Treibe» wie früher, die BourgcoiSpreffe, vom „TempS" und den „Döbatö" bis zum „Intransigeant", macht den An archisten eine bessere Reclame, als diese eS auch ohne Maul- korbgcsctz könnten, und man fragt sich, wozu eigentlich da» Anarchiskengcsetz von« 29. Juli da ist. Keine seiner Bestim mungen ist angewandt worden; statt die Beurtheilung dem Strafrichter zuzuthcilen, findet sie vor den Geschworenen statt, und nicht einmal von dem Recht, die Veröffentlichung der Verbandlungen zu untersagen, hat da« Gericht Gebrauch ge- macht. Nur die Wiedergabe deS von Caserio verlesenen, inhaltlich nichts Neues, nur die bekannten Phrasen und prahlerischen Rodomontaden enthaltenden „Glaubensbekennt nisses" ist verboten worden, aber WaS die Presse bi» jetzt geleistet hat, genügt vollständig, in den anarchistischen Wirr köpfen den Wabn zu festigen, daß sie sich trotz Anarchisten- aesetzeö und Polizeimaßregeln auch kllustigbin mit Dolch und Bomben „Weltrudm" und die „Märtyrerkronc" erwerben können. Der Preis, den ein solcher Fanatiker dafür cinsetzt, ist gering: ein verfehltes und verspieltes Leben, das alle Quellen erschöpft bat und dem nur noch der Selbstmord bleibt. Er wählt um so lieber die Form eines anarchistischcn Verbrechens, um sich aus der Welt zu schassen, weil sic de» Unbekannten und Verachteten plötzlich in das Licht der Geschichte rückt. daS ibm »m so Heller leuchtet, je mehr die Unthaten sich bäusen und je höher sein Opfer steht. Wenn die französische Gesellschaft meint, sie könne sich nun ans ihrem Anarchistengesetz ruhig schlafen legen, so wird cö nicht auöbteiben, daß sie mit einer schrecklichen Täuschung erwacht. Wird sie sich aufraffcn? Als der Staatsanwalt sagte, die Anarchie würde unterdrückt werden, wenn Jeder seine Pflicht thäte, sah ihm Caserio in- Gesicht und lächelte — spöttisch. Die bisherigen Ereignisse auf dem chinesisch-japanischen Kriegsschauplätze können kaum eine andere als einleitende Bedeutung beanspruchen. ES ist zwischen den Gegnern zu Vvrpostcngescchten, sowohl aus der See als auf dem festen Lande gekommen — von ernsteren, am wenigsten von ent scheidenden Schlägen kann einstweilen noch keine Rede sein. China bat zur Sec die erste Schlappe erlitten, während Japan zu Land den Kürzeren gezogen, durch einen „entscheidenden" Sieg aber die Scharte wieder auSgewetzt baden soll. Beide Mächte concentrircn jetzt ihre Land- und Seemacht, und zu wirklich ausschlaggebenden Wasfengängen soll cS erst noch kommen. WaS die europäischen Machte anlangt, so ist die englische Regierung über ihre Stellungnahme noch zu keiner festen Entschließung gelangt. Sie hat als Richtschnur ihres Vorgehens den Grundsatz strenger Neutralität proclamirt, mit der Einschränkung jedoch, daß sie gesonnen sei, die etwa gefährdeten britischen Interessen daselbst nachdrllcklichst zu schützen. Japan hatte auch nicht« Eiligeres zu thun, als zu erklären, daß eS die britischen, wie überhaupt die ausländischen Interessen rcspccliren werde, so lange dies mit dem Zweck des Krieges nickt collidire. Es sind daS auf beiden Seiten Clauscln, die nicht« besagen wollen, solange die bona ticles den leitenden GesichlS- punct der diplomatischen bezw. militairischcn Action bildet. Aber jeder Moment kann einen Zwischenfall bringen, der alle guten Vorsätze über den Haufen wirst. Es sei zu empfinden glaubte, um sich freier zu fühlen, daS Halstuch abzulegen pflegte." „Halten Sie cS sür möglich, daß der Verstorbene sich die Wunde» die ihm den Tod brachte, selbst zugesügt hat?" Der Arzt zögerte einen Augenblick mit der Antwort. „Ich kann von meinem ärztlichen Standpuncte auS nicht ander» sagen", b»b er dann an, „als daß, wenn auch für den Criminalistcn die Möglichkeit eines Selbstmordes nickt absolut ausgeschlossen erscheinen mag, sür den Arzt doch die aller äußerste Unwahrschcinlichkcit eines solchen vorlicgt. Zunächst ist die Wunde an so richtig gewählter Stelle und in so zu treffender Richtung beigebracht worden, um den fast sofortigen Tod zu verursachen und dem Verletzten jedenfalls unverzüglich jede Möglichkeit zum Schreien oder dergleichen zu nehmen, daß die» fast mit Sicherheit eine ausführende fremde Hand bedingte. Auch gewinnt cS beinahe den Anschein, als müsse diese Hand eine gewissermaßen sachkundige gewesen sei». Ich gebe zu, daß die Möglichkeit nicht unbedingt wegzuleugncn ist, ein bloßer Zufall könne dies Alles bewirkt, die Hand dcS Verstorbenen so wunderbar sicher und richtig geführt habe»; allein sür wahrscheinlich oder auch nur leicht annehm bar wird kein Arzt diesen Umstand erklären. Zweitens spricht für den Arzt gegen die Annahme eine» Selbstmordes die Charakteristik der Wunde. Dieselbe rührt von einem Stich her, nickt von einem Schnitt. Selbstmörder durch- schneiden sich die Kehle, wenn sie zum scharfen Messer greifen, um sich zu tödtcn, aber sie stoßen sich nicht das Messer in den Hals. DaS thut die fremde Hand, die nnr einen Augen blick zum schnellen Handeln hat. nicht die eigene Hand, die. dem Entschlüsse des eigenen Willens folgend, ihren Zweck sicherer erreichen will, als dies durch einen raschen, ungewissen, leicht fehl gehenden Stich geschieht. — Es bleibt dritten- noch die Fragwürdigkeit dcS Instruments, mit dem der Selbstmord, wen» ein solcher vorläge, auSgesührt sein müßte. ES ist allerdings ein Messer neben dem Tobten auf dem Tisch gesunden worden und dieses Messer war auch mit Blut befleckt. Allein eS war dieö ein geringe» Quantum Blut, da» aus dem Tische zu dem Messer hingeflosscn, sonst zeigte der Stabl keine Spuren desselben, und dieser Stabl war überhaupt keine Waffe, kein eigentliche» Messer, kein Gegenstand, dessen man sich zur Aus führung einer solchen Tbat bedienen würde, sondern eia barmloscS stählernes Instrument, wie eS auf Schreibtischen üblich ist, zun, Oeffnen von BriefcouvertS — zwar scharf an der Spitze, aber ohne wirkliche Schärfe an beiden Seiten der
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