02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.08.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-08-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940817022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894081702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894081702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-08
- Tag1894-08-17
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Durch die Post bezogen für Teustchlaud und Oesterreich: vierteliäbrlich 3» 6.—. Direct« tägliche Kreuzbandiendung int Ausland: monatlich 7.50. LieMorgen-Ausgabe erscheint täglich '/,7Ul>r. di« Adeud-An-gabr Wochentag- 5 Uhr. 8r-artion un- Erpeditioa: AahannrSgaffr 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochea geöffnet voa früh 8 bis Abends 7 Uhr. Filialen: ktt« Mn»«'« Sortim. (Alfred Hahnl. UnivrrsitätSstrafie l, L-uiS Lösche. Rathariaeustr. 14, Part, und Aönigsplatz 7. Abend-Ausgabe. 'tioMtl-TagMall Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- nnd Geschäftsverkehr. «n,eigen.Prei» die «gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter dem Redactionsstrich llga« spalten) bO^j, vor den Familieuuachrichte» (6 gespalten) 40 »z. Gröbere Schritten taut unserem Preir- verzeichulb. Tabellarischer und Ziffern!»- nach höherem Tarif. Extra-veNagen (gesalzt), «or mit der Morgen-Au«gabe, ohne Postbesörderung >t 60.—, mit Postdesdrdernng ^l 70.—. Ännatsmeschtuß für Anzeigen: Abeud-Au-gabe: Bormittag- 10 Uhr. Marge »-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Sonn, und Festtags früh '/,9 Uhr. Vei deu Filialen und Anuadmestellea >e eia« halbe Stuud« früher. Anzeige« sind stets an die Exprditta« zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig ^-419. Freitag den 17. August 189-1. 88. Jahrgang. politische Tagesschau. * Leipzig, 17. August. Wir haben vorgestern an dieser Stelle auf eine Aus lassung hingewiesen, welche die „Kölnische Zeitung" an den Besuch des Kaisers bei der chcuialigen Kaiserin der Franzosen, Eugenik, knüpfte. Wir muffen heute auf diese Auslassung zurückkonimen, weil sic eine» Passus enthält, der nicht unwidersprochen bleiben darf. Das rheinische Blatt, das schon wiederholt den neuen (5urS und seine Steuer männer auf Kosten des alten und seiner Steuerer zu verherrlichen gesucht hat, sagt nämlich, der Kaiser sei zur Kaiserin Eugenie gegangen als „ Vertreter eines neuen Geschlechts, das nicht nach kriegerischen Lorbeeren strebt". In Frankreich wird man nicht er mangeln, diese Aeußerunz als das Gcständniß aufzusaffen, daS frühere Geschlecht habe nach KrieaSruhm gestrebt, und der Krieg von 1870,71 sei der Ausfluß dieses Ehrgeizes gewesen. ES ist nicht erfreulich, ein deutsches Blatt auf einen derartigen Lapsus aufmerksam machen zu müssen. Der „Kölnischen Zeitung" ist doch Wohl nicht unbekannt, daß der deulsch-sranzösilche Krieg ausschließlich dem französischen Bedürfniß entsprungen war, die neugewonnene Macht stellung Preußens zu vernichten. Ten Ruf „rovanoko pour 8aäo«a" wird die „Kölnische Zeitung" doch nicht schon vergessen haben. Die Geschichte der Hohenzollcrn-Candidalur, die den Vorwand für den Krieg abgab, hat inzwischen sogar manchem Franzosen daS Eingeständniß abgerungcn, der Zusammenstoß sei von Frankreich herbeigesührt worden. Adolf Thiers hat dies übrigens sofort anerkannt, indem er in der Abgeordnetenkammer dem Krieg widerrieth. Eö wäre dies sinnlos gewesen, wenn der Friedensstörer daS nach kriegerischen Lorbeeren strebende Deutschland gewesen wäre. Niemand im französischen Parlament hat auch Thiers entgegcngchalten, Frankreich habe die Entscheidung, ob Krieg, ob Frieden, nicht in der Hand. Wilhelm I. wird von Keinem an Friedensliebe übertroffen, geschweige an Abneigung gegen Kriege, deren Quelle die Ruhmsucht wäre. Solche Personen und Wahrheiten sollte der Byzantinismus doch unangetastet lassen. Wenn im klebrigen die „Köln. Zig auf den Besuch des Kaisers wie aus daS Zusammengehen Deutschlands und Frankreich- in der Congo-Krage und in der griechischen Bankeruttangelegenheit großes Gewicht legen zu dürfen glaubt, so wird im Gegentheil die Meinung laut, daß diese Dinge federleicht wiegen gegen die Stimmung des Zaren. Diese liefert den Schlüssel zur Erklärung der augenblicklich verhältnißmäßig vernünstigcn Betrachtungsweise der Franzosen. Am 3l. August werden 30 Jahre verflossen sein, seitdem Ferdinand Lassallc aus dem Leben schied. Seit Jahren pflegt die Socialdemokratie diesen Tag durch Massen auSslüge zu feiern; so wird eS auch diesmal sein, aber Heuer wird am 2. September eine allgemeine Nachfeier statt finden, die einem bestimmten Zwecke dienen soll. Da« Lcdanfest, wie überhaupt jede patriotische Feier, ist den Socialdemokraten von jeher ein Greuei gewesen. Eine Anzahl Protestversamm lungen gegen die von cvmmunalen Körperschaften erfolgten Bewilligungen von kleineren Summen zur würdigen Begehung dieses Tages hat di: Socialdemokratie bereits veranstaltet, jetzt soll nun der todte Lassallc Herbalten, um gegen das Sedanfest zu Felde zu ziehen. In Volksversammlungen soll an diesem Tage gegen die „sich immer mehr bemerkbar .nachende Völterverhetzung protcstirt werden". Im Grabe würde sich Lassalle, der durchaus national dachte, umdrehen, wenn er erführe, welchen Mißbrauch die Nachbeter der Herren Liebknecht und Singer mit seinem Namen zu treiben beabsichtigen. Aber daS ganze Unterfangen der social- demokratischen Hetzer ist so recht charakteristisch für ihre niedrige Gesinnung; eS zeigt eben, woran wir nie gezwcifclt haben, daß ibnen jedes nationale Empfinden abhanden ge kommen ist. UcbrigcnS wird der zweite September zeigen, wie viel Leute hinter den bezahlten Agitatoren st-hen; wir glauben, ihre Schaar wird trotz aller Agitationen eine kleine sein, und die Protestmeetings gegen daS Sedanfcst werden inS Wasser fallen, denn nicht Alle, welche einen social- demokratischen Stimmzettel in die Urne werfen, sehen die Sedanseier als eine Schmach an. Wie weit »Itramontaner Fanatismus sich versteigen kann, zeigt ein Artikel deS Amsterdamer „MaaSbodcn", der an läßlich der Ermordung Carnot'S unter der Ueberschrist „Traurige Verwandtschaft" u. A. ausführt: „Carnot und Casino, so entsetzlich eine solche Erklärung auch klingen möge, haben die Verwandtschaft der Missethat ... Es mag dort sein, von einem Verstorbene» nichts Gutes sagen zu können, allein die großen Lehren, welche die Geschichte giebt, lassen nun einmal kein Stillschweigen darüber zu. Und bann fragen wir ohne Anstand: Wenn alle Mörder uns große» Abscheu einslößen, weil sie Gott und ihr Gewissen beleidigt haben, war denn Carnot während seines ganzen Lebens etwas Anderes? Ist cs uns Katholiken vielleicht unbekannt, wie der Stifter des Christenthums im Evangelium ebenso heftig, ja, noch viel heftiger gegen Den, der Aergernitz giebt, gegen den Mörder der Seele zürnt, als gegen Len Mörder des Leibes? Ist kein schrecklicheres Wehe über Obrigkeiten ausgesprochen, die es versäumen, mit gutem Bet- spiel voranzugehen, als über die niedriger Gestellten? Und endlich, wird die Schmach, welche den Gesalbten GotteS aus der Erde, d. h. seinen Bischöfen und andern geweihten Stellvertretern, angethan wird, in der heiligen Schrift nicht ein himmelschreiender Greuel genannt? Aller dieser Misscthatcn hat sich Carnot schuldig gemacht. Wer auch in Frankreich seiner Pflicht gemäß des Sonntags in den Tempel ging, um für sein Vaterland zu beten — der katholische Carnot hat dies nie und nimmer gelhan. In Lyon hat ihm der dortige Bischof die letzte Oelung gegeben, aber sehr kurze Zeit vorher hatte derselbe katholstche Carnot die Maßregeln gegen diesen Kirchen- sürsten, dem man sein Gehalt sperrte, bestätigt; ja, als Carnot seine letzte Reise machte, die ihm der Himmel aui Erden noch ge- stattete, wurde er, der nie nach der Kirche ging, aus dem Wege nach dem Theater ermordet! Ja, es hat etwas Verletzendes, daß solche Obrigkeiten einen Mörder hinrichte» lassen, der zu ihn-n sage» kann: „Ihr beleidigt Gott aus Eure Weise ebenso gut, als ich aus die meinige; habt Ihr Eure freien Ideen, so habe ich sie auch: Ihr seid mein Genosse im Bösesthun, ja, Ihr mordet selbst die Seelen!" Also Earnot war ein viel größerer Miffelhäter als der Anarchist Eascrio! Diese Behauptung mit sammt ihrer classischen Begründung verdient doch vor der Vergessenheit bewahrt und niedriger gehängt zu werden. ES kann jetzt nicht mehr daran gezweifelt werden, daß belgische Handelsgesellschaften amEongo ganz ungenirt den Ncgerhandcl treiben, während der Eongostaat im Interesse der Civilisation und auf Grund der Brüsseler Gcneralacte gegen die Araber zu Felde zieht, um dem Sclaven Handel den Garaus zu machen. Erst vor Kurzem wurde be richtet, auf wie elende Weise die von den belgischen Congogescllschasten ausgcsandte Hodister'sche HandelSexpe- dition endete. Fast alle Theilnrhmer wurden ermordet, und mehr als 500 000 Francs verloren die Gesellschaften. Heute erfährt man durch den VerwaltungSches dieser Expedition, Pauwelö, acicnmäßig die vollführten Handelsoperationen, welche geradezu verblüffend sind. Gekauft wurden 88ll Kilo Elfen bein für 122 840 Fr. Dazu kommen die Transportkosten bis zur Küste und nach Antwerpen, wie die Ausfuhrzölle m Höhe von 43 639 Fr., so daß daS Elfenbein 166 470 Fr. kostete, das Kilo also 18,90 Fr. Verkauft wurde das Kilo in Ant werpen mit 10 Fr., so daß ein Verlust von 78 370 Fr. den Gesellschaften erwuchs. Ebenso wurde der Kautschuk, welcher bis Antwerpen über 5 Fr. kostet, bis unter 4 Fr. verkauft. Um so flotter ging der Sklavenhandel. Vom 6. April bis 15. Juni 1892 kaufte ein Expeditionsmitglied ncuuzehu Sclaven für Stoffe im Wertbe von 207,93 Fr.; am 4. Mai verebrte diesem Mitglied«: ein Häuptling einen Sclaven als Geschenk. PauwelS selbst bat in Folge Befehles vom 10. April bis l8. Mai 1892 5l Sclaven — 19 Männer und Kinder, 32 Weiber — für Stoffe im Wertbe von 207,93 Frc. gekauft, also mit 4 Frc. per Kopf. Da 26 dieser gekauften Sclaven dcsertirtcn, so mußten die übrigen an der Kette arbeiten. PauwelS fügt hinzu: „Engagirt zu werden nach dem Eongo, um Handel zu treiben, und ge zwungen zu sein, Mcnschenfleisch zu lausen, das ist stark." Es ist nur zu bvffcn, daß jetzt, wo diese scandalösc Thatsachc fcststeht, die Eongoregitrung energisch einschreiten und dem von den belgischen Gesellschaften am Eongo betriebenen Menschen handel ein Ziel setzen wird. lieber die Ziele der russischen Politik finden sich merk würdige Ausschlüsse in der angcsebencn Petersburger Wochen schrift „Nedclja". Nach diesem sehr offenherzigen Blatt hätte Rußland vor Allem dahin zu streben, daA seine Grenzen von kleineren, aber unabhängigen «Staaten umgeben seien. Gegenwärtig leide daS russische Reich unter dem Druck der großen Mächte, deren Nachbarschaft Kriegs opfer fordere, die von Rußland kaum zu ertragen seien. Würden nun an Stelle dieser großen Mächte einzelne kleinere mit einander concurrirendc Staaten trete», dann könnte Rußland abrüsten und sich friedlicher Arbeit widmen. Jetzt endlich sehe man die Feblerbaftigkeit der früheren Politik ein. Rußland müsse mit seinem ganzen Gewicht auf die Entstehung und Erhaltung kleiner, unabhängiger Staate» bedacht sein, um sich eine ruhige und ehrenhafte Lage zu sichern. Dieses Losungswort russischer Politik würde von allen nach Freiheit strebenden kleineren Völkern mit Be aeistcrung ausgenommen werden, und stall Verdacht und Vorsicht, aufrichtige Anhänglichkeit an Rußland erwecken. Nach dem Zerfall der europäischen Türkei — nun erscheint daS wahre Ziel der neuen russischen „Friedenspolitik" — werde die Reihe an Oesterreich-Ungarn kommen und der Proceß zur Bildung neuer Organismen beginnen. Noch deutlicher enthüllt sich der innere Kern dieses friedfertigen Chauvinismus, wenn die russische Zeitschrift meint, daß auch die Zerbröckelung deS heute »och nicht auSacbaulcn Deutsche» Reiches nicht unmöglich sei! Diesen Proceß muffe Rußland mit alle» Kräften unter stütze», da die Unabhängigkeit der kleinen Länder unzweifel Haft Rußland zu gute kommen werde. Dieses neue, erweiterte Programm des PanslaviSmus wird besonders in Frank reich großen Anklang finde», wo man mit Vergnügen bereit wäre, Hand in Hand mit Rußland das Protcctorat über die zertrümmerten Staaten Mitteleuropas zu übernehmen. Die ossiciöse russische Presse wird diese Zcrtrümmcrungspolitik zwar strikte ablcngnen, aber man thul doch gut, die Aus sührungcn der „Nedclja" im Gedächtniß zu behalten. ES klingt wie Hohn, ist aber Ernst, was die russische Presse jetzt über eine Aussöhnung mit Bulgarien schreibt. So meint der „Swjct", in letzter Zeit greise in Bulgarien immsr mehr die Ueberzeuaung Platz, daß Fürst Ferdinand, der seine ungesctzmäßige Negierung mit dem Blut der besten bulgarischen Patrioten befleckt habe, unter normalen Verhältnissen nicht Herrscher Bulgariens bleiben könne, sondern im Interesse deS Landes nnd des eigenen Herrscherhauses zu Gunsten seines Sohnes abdanken müsse. Die bulgarischen Patrioten glauben, weder Rußland, noch die westeuropäischen Mächte würden gegen den minderjährigen Prinzen etwa- einzuwenden haben, ür den eine „verfassungsmäßige" dreigliedrige Regentschaft eingesetzt werden soll. Dann werde der kleine Prinz in bulgarischem Geist erzogen und mit der Zeit rin wirklicher Vertreter der bulgarischen Interessen sein. Große Hoffnungen ctzen hierbei die Bulgaren auf die Mutter, die Gcmahjin Ferdinand s, die Bulgarien lieben gelernt habe. Bei der Erziehung müsse der Aussicht deS Regenten die leitende Rolle cingeräumt werden, die Regentschaft aber aus Leuten tadel losen Rufs, z. B. dem Metropoliten Element, bestehen. Der „Swjet" meint, wenn eS der russischen Regierung möglich wäre, ich von ihren klaren Erklärungen über die Ungesctzmäßigkeit des Fürsten Ferdinand loSzusagcn, dann wäre eS wohl im Interesse Bulgariens, dem Plan mit dem jungen Prinzen den Vorzug zu geben vor der Lage, die durch die Anerkennung Ferdinands geschaffen werden würde. Früher oder später müsse Fürst Ferdinand doch vor daS Volksgericht treten, das ihm Mordthatcn und Plünderung der StaatScassc nicht ver zeihen könne. — Diese Sprache ist tief beschämend für den Fürsten Ferdinand, der nun die Früchte seiner Versöhnungs versuche, um derentwillen Stambulow fallen mußte, erntet. Dies und die blutigen Zusammenstöße, welche im Innern deS Landes zwischen Russensreundcn und Russenfeindcn be gonnen baden, sind ein düsterer Hintergrund für den fest lichen Glanz, mit welchem in Sofia soeben der siebente IabreStag der Thronbesteigung des Coburgers begangen worden ist. Die Entwickelung der Dinge in Marokko wird von den spanischen Politikern keineswegs ohne Sorge beobachtet. Englands Bemübungcn, in Fez daS verlorene Terrain zurückzugewinnen, sowie der AuSbruch von Unruhen unter den Riscabylen, erslllle» das Madrider Cabinct mit dem wohl nicht unbegründete» Ärgwob», daß England em doppeltes Spiel treibe, und haben dem Vernehme» »ach bereits zu einer Annäherung der spanischen an die französische Marokkopolitik geführt. Auch die Absicht Englands, den Hasen von Gibraltar durch geeignete baulcchnische Anlagen in seiner KricgSbrauchbar- keit zu erhöhen, bat in Spanien ziemliches Mißfallen erregt. Endlich kommt »och hinzu, daß durch englische Vermittelung ein reger Wafftnschmuzgcl nach Marokko staltsindct. Madrider Blätter erbeben Klage über die vollständig unzureichende Küstcnpolizei in den marokkanischen Gewässern und verlangen von den an der Ausrechlerhaltung des dortigen üt»t»3 gua inleressirtcn Mächten, daß sic von ihrem Reckte der Durch suchung verdächtiger Schiffe den auSgiebmstcn Gebrauch machen. Die Existenz und die Integrität Marokkos würden bei Fortdauer des jetzigen Waffenschmuggels ernstliche Gefahr lausen. Die wi rthschaftl iche Lage Persiens bat mit Schwierig keiten zu kämpfen, welche ibr aus der Eifersucht der Russen und Engländer erwachsen. Die an daS mittelasiatische Rußland stoßenden persischen Grcnzprovinzen tauschen die russischen Einfuhrartikel gegen die eigenen LandeSproducte ein, welche dadurch dem heimischen Markte verloren gehen, bczw. keine Objecte mehr für britische HandclS- speculationcn abgebcn können Daher die Klagen britischer Handelsagenten und EonsulatSbeamter in Persien wegen deS angeblichen Rückganges der Kaufkraft des Volkes und der wirthschastlichcn Hilfsquellen PcrsienS. Dieselben sind offen bar stark tendenziös gefärbt. Wahr ist eS, daß der fast gänzliche Mangel an brauchbaren Eommunicationswegcn deu Aufschwung von Handel und Verkehr sehr zurückhält. Persien erzeugt ungeheuere Mengen von Weizen, Gerste, Ro sinen, Mandeln, welche nur darum aus dem Welt märkte keine Rolle spielen, weil durch die Schwierig keiten deS Transports die Fracht- und andere Spesen einen zu FrnNletsii. in Sein Weib. Roman frei nach dem Englischen von Emil Bernfeld. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) XIII. Er hatte sich auf einen Stuhl dem jungen Mädchen gegen über niedergelassen und beobachtete sie schweigend. Er sah, wie sie die Augen schloß und ihr Kopf mail zurücksank, ihre Hand schlaff an ihrer Seite niederste!. Sie war ohnmächtig oder doch so gut wie in einer Ohnmacht besangen. Er sprang auf, füllte ein Glas mit Wasser aus der Karaffe auf dem Tische und trat zu ibr. Ihren Kopf sanft cmporichtcnd, netzte er ihre Stirn und Schläfen mit dem erfrischenden Naß und unterstützte ihr Haupt mit seinem darunter geschobenen Arm, daß es aus demselben ruhte. Ein eigenthümliches, zartes, beseelendes Gefühl durchrieselte seinen ganzen Körper. Er betrachtete dieses liebliche Gesicht, diese Fülle welligen, goldblonden Haares, diese schlanke, zierliche Gestalt und sah, daß dieses Mädchen schön war, eine reizende Erscheinung — welcher Zufall sie auch in dieses Zimmer geführt und zur Mitwisserin seines Geheimnisses von dem verborgenen Eingänge halte werden lassen; eine gewöhnliche Dienerin konnte eS nicht sein, und von diesem Engelsantlitz hatte er nichts BöseS zu fürchten — diese- Gesicht, daS nur Milde, Güte, Wahrheit und Seelenreinhcit zeigte, konnte nicht Falschheit und Tücke bergen. Sie erholte sich, öffnete ihre Augen und wehrte ihn sanft ab. Er trat zurück, zog einen Stubl zu sich heran »nd ließ sich neben ihr nieder. Ihm war, als suhle er alle Härte und Bitterkeit in seinem eigenen Herzen schmelzen und daS Licht der Dinge in seinem Äuge ein anderes werden. DaS vervebnite, düstere Gemach schien von einer freundlichere» neuen Atmosphäre erfüllt und Alle- um ihn her nahm einen Ekaraktcr an. den e» nie zuvor gehabt. Wie verhaßt war ihm seine Rückkehr hierher gewesen — batte er nickt vielleicht Unrecht gethan, so zu empfinden? Er sübltc sich einen Augenblick versucht» seine Hand freundlich aus de» Scheitel deS jungen Mädchen- zu legen, wie man den Wunsch hegt, eine schöne Blume, die man vor sich sieht, zu berühre« oder liebkosend die Hand eine- kinde- zu ergreifen. „ES wird Ihnen jetzt besser", sagte er gütig im sanftesten Ton seiner wohlklingenden «Stimme. „Sie werden bald wohl genug sein, zu mir zu sprechen. Ist Ihnen bekannt, daß ich ein wenig Arzt bin? Ich sah, daß Sie sich erholte», ich würde sonst gcnöthigt gewesen sein, MrS. Clarke zu Hilft zu rufen. Wollen Sic mir einen Moment Ihre Hand geben, daß ich Ihren Puls fühle?" Eine schmale, weiße, kalte kleine Hand glitt in die seinige, die er ihr entgcgenstrcckte. Er fand, obwohl der Puls stürmisch schlug, daß doch kein Grund zur Beunruhigung mehr vorhanden war und, während seine Finger warm daS zarte Handgelenk umschlossen, sich die Erregung allmählich sänftigtc. „So, daS ist recht, Sie werden ruhiger", sagte er nach einigen Augenblicken ermuthigend. Jetzt werden Sie sprechen können. Nun sagen Sie mir Ihren Namen." „Jane Brown", antwortete sie kaum hörbar. „Jane Brown, gut. Sind Sie nicht fremd hier? Ich kenne den Namen nicht, und ich erinnere mich nicht, Sie schon geseben zu haben." Falconer ließ widersthrbend ihre Hand los, die sie schüchtern zurückzog. „Ich bin fremd hier", entgegnete Jane leise, indem sic sich mühsam zu fassen begann. „Ich wohne seit einiger Zeit im Dorf, bei der Frau Ihres Dieners — Mrs. Brown." „Sieh da, bei MrS. Brown. Eine gute, wackere Frau. — Und wollen Sie mir nicht sagen, weshalb Sie hierher kamen, nach Old Hall?" „MrS. Brown sagte mir, daß Mrs. Clarke hier sebr beschäftigt wäre, daß eS ihr an Leuten fehle. Ich habe sehr viel freie Zeit und so kam ich her, um ihr ein wenig zu helfen." „Ah!" Falconer glaubte, den Grund der Erregung des jungen Mädchen« plötzlich zu verstehen nnd sein Gesicht ver düsterte sich. „Sic haben gehört, daß keine- der furchtsamen Mädchen in diesem Hause bleiben will, und der Schrecken in diesem unheimlichen Gemach hier — ' „Nein!" unterbrach ihn Jane mit sanfter Festigkeit. „Ich habe keinen Schrecken empfunden. Man hatte mir gesagt, daß die thörichtcn Mädchen sich scheuten, hier zu weilen, und die- war der Grund, weshalb ich kam. MrS. Clarke hatte Niemand, den sie beauftragen konnte, diese« Zimmer ein wenig in Stand zu setzen, und so übernahm ich eS." „Ah!" ries Falconer noch einmal aus. „Vortrefflich. Sie haben Ihr Werk sehr gut vollbracht, da« Zimmer ist ein andere« geworden. — Und Sie werden nicht wrederkommen?* „Darf ich cs nicht?" fragte Jane schüchtern. „DaS war eS nicht, was ich sagen wollte", entgegnete Falconer. „Ich sprach nur meine Vermuthung aus, daß Sie nicht die Absicht kegten, öfter zu Mrs. Clarke'S Hilfe berzu- kommen? Er blickte forschend, unsicher auf sie und zögerte einige Momente. „Es würde mein Wunsch sein, daß Sie eö thäten", fügte er plötzlich hinzu. „ES war eben daS, was ich beabsichtigte", sagte sie bescheiden. „Ich wollte Mrs. Clarke bitten, mich zu ihrem Beistand anzunehmcn." „DaS ist reckt von Ihnen", rief Falconer sichtlich erfreut aus. „Wahrhastig, ich kann Ihnen nicht genug Dank dafür wissen! DaS Hau« bedarf über die Maßen der Sorgfalt einer zweiten weiblichen Hand — und zumal einer solchen besserer Art! Sie sind bereit, überhaupt aus Old Hall zu bleiben?" „Ich meinte, ich wollte täglich a»S meiner Wohnung Herkommen und MrS. Clarke, so lange sie meiner bedarf, bei ibrer Arbeit unterstützen." „Oh nicht doch! DaS Ha»S hat Raum genug und cs ist kein solches Arrangement erforderlich. MrS. Clarke wird ein Zimmer für Sic zurecht machen oder zwei, wenn Sie deren bedürfen." „Ich würde cs vorziehen, mein kleines Heim bei MrS. Brown zu behalten und täglich hierherzukommcn", versetzte Jane leise. „Wie Sie wünschen." Falconer begriff, daß sie die Stellung einer eigentlichen oder gewöhnlichen Dienerin zu vermeiden wünschte, und fühlte sich verwirrt von ihrer Erscheinung wie von ihrem ganzen Auftreten. Sie hatte sich um die Function einer Dienerin beworben, erbot sich zur Arbeit einer solchen und machte doch durchaus den Eindruck einer Dame, in ihrem Acußern, ihrem Wesen, ihrer wohlgepflegten, zarten Neinen Hand wie an ihrer gebildeten Ausdrucksweise und Sprache. „Ich fürchte säst, daß ich einen Fehlgriff begangen. Sie um Ihre Beihilfe zu bitten", fubr er unsicher fort. „Ich glaube wirklich kaum, daß die Stellung eine für Sic geeignete ist. Darf ich —" er zögerte einen Moment und blickte ver legen aus sie. „Darf ick voraussetzen, daß Sie die — die Bedingungen mit MrS. Clarke verabreden werden?" „Ich werde eS thun", versetzte Jane ruhig. Falconer fuhr verlegen mit der Hand durch sein krauses Haar, noch immer so unklar wie möglich über da«, was er denken sollte. „Hm, in der That", sagte er, „ich hoffe, daß Ihne« MrS. Clarke nicht zu ungeeignete Arbeit übertragen wird, und sollte eS dennoch geschehen, dann wollen Sie mich davon in Kenntnis; setzen." „ES bedarf dessen nicht; ich danke Ihnen. Ich bin an häusliche Arbeiten gewöhnt und Mrs. Clarke ist sehr gütig gegen mich " „Gut den». Ich freue mich aufrichtig über diese ge wonnene Hilft. — Und hm — bitte, noch Eine-, Miß Brown!" Jane batte sich erhoben, um mit einer schüchternen, be scheidenen Verbeugung das Zimmer zu verlassen, als sie bei seinen letzten Worten inncbielt und fragend auf ihn blickte. Er trat auf sie zu nnd legte einen Moment sanft und ruhig, mit leichtem, kaum bcmerkarcm Druck seine Hand auf ihre Schulter; sein Auge schaute in das ihre, tief forschend, Ver trauen suchend und Vertrauen bietend. Ein leises Beben durchlief ikrc Gestalt bei seiner Verübrung, und er zog seine Hand zurück, als fürchte er, sie beleidigt oder erschreckt zu haben. „Sic wollten etwas sagen!" bemerkte sie verwirrt. „Ja!" bub er ernst, seine Stimme etwas senkend, an. „WaS ich sagen wollte, ist Folgendes: Meine Lebenserfah rungen haben mich leider nicht gcwöbnt, meinen Mitmenschen zu vertrauen; allein ich sehe in Ihrem Gesicht, in Ihren Augen etwa-, das "er unterbrach sich und blickte sie abermals einige Secunden schweigend an. „Genug", fuhr er ernst und ruhig fort, „ich vertraue Ihnen. Sie baden durch Zusall hier ein Geheimnis; entdeckt " Ihr Auge richtete sich fragend auf daS Bücher Rcposi- torium. „Ganz recht, das ist eS", bestätigte er. „DaS Gcheimniß dieser Thür war bisher nur mir bekannt. Sie könnten mir durch Enthüllung desselben viel Leid anthnn; eS ist von größter Wichtigkeit für mich, daS eS unentdeckt bleibt. Bis vor einer Stunde lag die« nur in meiner Hand, jetzt theilrn Sie daS Gcheimniß mit mir. Wollen Sie schweigen?" „ES wird ein Geheimniß bleiben, zählen Sie darauf!" versetzte sie fest. Falconer suhlte sich seltsam bewegt und überzeugunzSvoll versichert von dem ruhigen, klaren Blick, mit dem sie seinem Auge begegnete, von dem Klang ihrer Stimme, dem Ausdruck ihre- schonen, ikm frei »nd offen zugewendeten Gesichtes. „Ich glaube Ihnen!" sagte er einfach. „Haben Sie Dank!" Er fühlte, in diesem jungen Wesen lag Wahrheit und Treue, an der zu zweifeln, Lasierung gewesen wäre.
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