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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.08.1894
- Erscheinungsdatum
- 1894-08-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189408264
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18940826
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18940826
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Images teilweise schlecht lesbar
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-08
- Tag1894-08-26
- Monat1894-08
- Jahr1894
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.08.1894
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Bezug-Preis k» b« Hauptepyeditt»» «der de» I» Stadt bezirk »ad den Narorte» «rrtchtrtD >G» »avestellen ab geh alt: vterteljibrkfitziMt.SO »äl U»tich« Znüatt»»« tn» Hau» » 5.50. Du»h dj, Post hejq«« für Trotschlanb »nd vtsirrteich: vltrieWrlich E—. Ttreet» täglich« KreuzbandlenLil», tu» Ausland: »auatlich ^ 7.50. D^Morg«»^latzab« erscheint »glich '/,7U, di« «bntd-Hlüchidde Wochentag« 5 Uhr. « ,»», NeLerlio» «»- rrpeditts,: A»ha»«^»,«ß« 8. Tagtblaü Filiale«: Ott» Me««'» G-rtt«. (Alfred H«H«T Univrrsitättftrab» 1. L»»«s Lösche. tathariaeasir. I«. part. und König«plat V. Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. AnzeigerrPreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter dem RedactionSstrich (lg«' spaUea) 50^, vor den FamUiennachrichtr» (6 gespalten) 40-H. Größere Schriften laut unserem Preis» «erzrichntb. Tabellarischer und Ztssernsatz »ach höherem Tarif. Ertra-Veilage« (gefalzt), »ur mit drr Morge»->««aab«, oha« Postbesürüernug 60.—, »It Poftbr fördern ug ^l 70.—. Fmra-Mschluß str Anzeige«: Nb«ad->a»gab«: Bormittag« 10 Uhr. Marge »-Ausgabe: Nachmittag« «Uhr. Sonn« und Festtag« früh '/F Uhr. V«i d«u Filiale» uud Anoahmesiellrn j« ri»« halb« Stund« früher. Anzeige» fi»d stet« au di« Erpeditian zu richte«. Douk «d Berläg.vo, A. Pol» tu Leipzig ^« 435. Sonntag dm 26. August 1894. 88. Jahrgang. AmMche Bekanntmachungen. Bekanntmachung. Obgleich der (iiesuudhritlzustanL unserer Stadt «in durchau« günstiger und zufriedenstellender ist, so veranlaßt un« doch dt« That- jache, daß. abgesehen von vereinzelte, Erkrankung«» inuerhalb de« deutschen Reiche«, tu v«rschi«denen Gegenden Rußland«, samt« Oeslerreich-Galtzien« bi« tu di« muefte Zeit häufiger Cholera füll« vorgekommrn sind, in Berbinvuuamtt dr» Umstand, daß zur brvor« stehenden Messe ein s«hr großer Andrang von Fremden zu erwarten ist, auch in dies«« Jahr» ,» der Anordnung, daß jeder «ttva »ort»mm«»d« Fall einer choleraverdächtigen Erkrankung ungesäumt bei drr Rathswach« (im Rathhau«« durchgaug) auzuzrigea ist. Znsdes«„»ere habe« hteru» Tiejeniie« »te Verpflichtung. die Fremde i« Zimmern od«r Schlafstelle» zur Beherbergung aus nehmen, bezüglich etwaiger Erkrankung«» ihrer Mtether oder sonstiger Herberg-gäste. Wir hoffen, daß unser« -suwohaerschast im allgemeinen Interesse, wie in dein eine« jeden Einzeln»» dies«r Anordnung sorgfältige Be achtung ,u Theil werdeu laste, damit, wenn »ttzer Ertvartrn ein ttrankheittsall hierher verschleppt werden sollte, die nöihigen Schritt« zu besten Localisirung und zur Verhütung de« Wettergretfrn» der Krankheit sosort getroffen werdea könnten; wir wollen aber nicht nuterlasteu, darauf hlnzuweisen, daß Ber- mletber der in Absatz 3 dieser Bekanntmachung bezeichnet«» Art, die die in Absatz 2 vorgeschriebene Meldung unterlass«» oder verzögern, insoweit nicht criminell« Ahndung «iuzutretru hat, mit Geldstrafe bi« zu 60 oder Hast bi« zu 14 Tagen bestrast werdeu würden. Leipzig, den 24. August 1894. Der «ath »er Stadt Leipzig. .... Pr. Grorgi. Dietrich. Bekanntmachung, die Anmeldung der au« Rustzl«»» und Galizien zureisendea Fremd«« betreffend. Mit Rücksicht daraus, daß in verschiedenen Orten Rußland« uud Galizien« bi« in di« neueste Zeit häufiger« Lholerasälle vocgelommen sind, und daß au« beiden Ländern für die nächste» Wochen ein starker Zufluß von Fremden uach hier zu erwarten steht, wird im Anschluß an di« Bekanntmachung vom 23. diese» Monat», zunächst für die Dauer der jetzt beginnenden Messe, »och angevrdnet, daß alle au» Nntzlantz (etnfchltrhlich Polen«) sowie an» Oesterreich-Galizien hierher kämmende» Fremde» in jede« Falle vom Qnarttergrber alpöglp a« Tag« Per Ankaufs, oder doch, fall« diele uach S Uhr Nachmittag« erfolgt, spateste«» am fotgrnde« Morgen kt« 1- Uhr beim Meldeamt Ldth. ll »der der betreffenden PolizeibtzirkSlvackir anzumelden sind. Insbesondere gilt »te« auch »on alle« solchen Fremden (Metzsremben und Besuchsfremden), dt« in Prtvathäusrr« absleigen und anch Pan«, wenn sie kürzere Fett al» » Tage hier der- wrilen wollen. Wegen der von anderwärt« zureisendeu Fremden h«w««d«t r« b«i §. 14 de« Melderegulativ«. Zuwiderhandlungen gegen diese Anordnung, für deren Befolgung di» Quartiergeber wie di« Fremden selbst verantwortlich sind, «erden niit Geldstrafe bi« zu SO oder mit entsprechender Haststrafe geahndet werden. Leipzig, den 25. August 18S4. Da» Poltzeiamt »er Stadt Leipzig. In Stellvertretung: v.L.3629. vr. Schmid. Bekanntmachung. Am Nationalfesttage Deutschlaudo > Sonntag, den 2. Trptember, wird in Verbindung mit dem So»ntagS-Bor- mittaqö-GolteSdienst vormittag» A «tzr ein Dank- und Kest- goltcsdtenft in der Peterskirche stattfindrn. Für die Mitglieder der kaiserlich«», königlichen und städtischen Behörden, sowie de« Sladlverordneten-Lollegmms wtrden» soweit thunlich, Plätze Vorbehalten bleibe». Leipzig, de« 2l. August 1894. Die Rtrcheninspeekto« für Leipzig. Der Superintendent. Der Rath der Stadt Leipzig. I. B.: l-ie. vr. Supp«. I)r. Georg i. Aff. Wirthgea. Bekanntmachung. Zu vermiethen ist eine große Wohnung uebst reichlichem Zubehör lm III. Ober geschoß de« städtischen Hausgrundstück» Grimmaischt Stratze Nr. S vom 1. Oktober l. I. eventuell 1. Januar >895 ab. Im Eiuvernehmen mit der gegenwärttgen Inhaberin und dem Bermlether würde die Uebernahme der Wohnung auch vor dem 1. Oktober erfolgen können. Miethgesuche werden ouf dem Rathhause, I. Etage, Zimmer Nr. 8, entgegen genommen. Leipzig, den 21. August 1894. Der «attz »er Stadt Leipzig. I». S863. vr. Georgi. Morche. Gesucht wird der am 11. März 185S in Kößlitz bet Weißens«!» geboren« Handarbeiter Lart Ernst Hofsmann, welcher zur Fürsorge für seine Kinder anzahalten ist. Leipzig, den 25. August I8S4. Der Nattz »er Stad« Leipzig, >r«en-A«t, Adttz. Ir». L.8.IV». Nr. 1S3L Hentlchel. Hr. Gesucht wird der am 21. November 1863 in Dresden geboren« Barbier Emil Paul Rudolf Heinrich Nähr, welcher znr Fürsorge für sein» Familie anzuhalten ist. Leipzig, den 17. August 1894. Der Math per Stadt Leipzig, Armenamt. Adttz. U. ch. L. VI/Abttz. H. 1498a. Heutschel. Meyer. Stadtrathsstelle! Bei dr« nnterzeichnete» Stodtrach« soll ein vierte« rechtskundige« Aattzsmttglietz angestelll werden. Die Wahl erfolgt zunächst au 6 Jahre. Der jährlich« Geholt ist auf 4000 festgesetzt worden Bewerber, welche hie Befähigung besitzen, di« »ach den bestehenden Vorschrift»» dt« Voraussetzung zur Annahme eine« selbstständigen Rtchteromt« bildet, «olle» ihre Gesuch« uebst Zeugnissen unter Bet- füg»», eine« »»«führllche, Lebenslaufe« tzt» »»» I. September diese« Jahre« hier etnrrtche». Plane, «. », I. «ii^st 1894 Der Gtadtrattz. vr. Dtttrich, Oberbürgermeister. König!. Knnftakademie und Knnstgewerbeschule - zu Leipzig. Beginn her Studien im Wintersemester 1894/9» am 1. Oktober ». o. Die Anstalt permttkrlt dt« «*»tztltz»u, ihrer Schüler für da» Grsa««t,e»trt »er zeichnen»«« (graphischen) Künste untz für tza« Ktmstgewertze UI«>»r»iA«»r T. Fachatthetlnng für architettontsttze Knnstgewertze. Darstellende Geometrie, architektonische Formen-, Gesäßsormen- und Stillehre: Archttekt Imworaabt. Ornamentik und Eniwerfen malerischer Decoratioaen: Präs Betobnrät, Architekt. Perspecttv« und Schattenconstractionea: Prof. Vlebrreger, Architekt. L. -achabttzeilun, für vtlptzauerei. Ornamentmodelliren, figürliche« Rodelliren nach dem Leben und Tiseliren von Gußarbriten, verbunden mit Ausführung selbst- länd^er Werke plastischer Knnst und de« Knustgewerbe«: Proftflor v. sächabttzetknng für Zeichnen und Male«. Zeichnen noch graphischen Borlagen: Prof. Salkort, Prof, blolio und Lehrer Llepnlg. Zeichue» »ach GhpS, anatomischen Prä- paraten, Raturabgiiffeu und Antiken: Prof, »edl« und Prof, »loteretrln. Buchornamentik, Entwerfen für künstlerische Buch. auSstattung, für Diplom«, Plecat« rc.: Pros. Ikeosgger. Aquarell- Anmeldungen vom 17. bi« mit 22. September ». o. Nachm. Leipzig am 8. August 1894. malen und landschaftliche« Staffagezelchuea: Prof. Lonräst. Deco« rationtmalen: rrlatder. Vla». und Porzellannialen: Prof. An^eldergar. Kupfer- und Stahlslechen. Radirea: Prof, kollert. Dylographie: Prof, vertdolck. Lithographie: Sekelter. Typo- graphifche« Zeichnen: krteek und Pros. Hooenger. Zeichnen und Malen nach dem lrbenden Modell und nach der Natur, Lomposittoas- übuugea »ad Ausführuna selbststinbiger Illustrationen uuter An- Wendung der für di« mechanische» Reproductioa-methodeu erforder lichen Technik: Directar. v. Phetomechanischr verbtelsältignng«- «nd Druck versa »reo. vr. viril. 4»rluo<I. Französisch und Englisch: vr. ptrrl. Lredw«. Ve»rtrAg;«r Etillehr,. Kunstgeschichte »nd Geschichte der Kunstindostrte: vaeat. Archäologie: Pros. vr. vrerdeed. Anatomie de« Menschen: vr. weä. L-nng«. Thier- und Pflanzenkunde: vr. xlrrl. Hirn, von 4—b Uhr erbeten. Regulative kosteufrei. lld«r lld1r««te»rr Prof. vr. ptul. 1ht«p«r, K. S. Geh. Hofrath. Die städtische Sparkasse tzeleitzt Werttzpapiere unter güusttgea Bedingungen. Leipzig, de» 10. Januar 1894. Die Sparcaffeu-Teputatie». Die Bestrafung von vergehen und verbrechen nach neuern Anschauungen. 6. WLHrend man in früherer Zeit Uebertretungen de« Gesetzes un Wesentlichen nach Buchstaben oder Geist de- GesetzeS -eurtheilte, also dir Thal selbst unter einen GesrtzeS- paragraphen oder die demselben zu Grunde liegende Rrchlt- anschauung zu bringen suchte, bricht sich neuerdina« eine Anschauung Bahn, die in erster Linie nicht die That, sondern den Thäter in Rücksicht gezogen haben will: früher wurde also der objektive Thatbrstand vorangestellt, die Größe der Verfehlung, mit der sich rin Mensch gegen va« Gesetz ver gangen hatte, jetzt dagegen tritt der subjektive Thatbestand in den Vordergrund und damit die psychologische Analhse der gesammten Gemüths- und WillenSversasiung des An- geschuldigten vor» während und nach der Tyat. Da aber dieser Gemüth«» «nd WillenSzustand ganz wesentlich beein flußt wirb durch körperliche Zustände, so ergiebt sich folge richtig auch eine Prüfung der bei dem Thäter vorhandenen körperlichen (anthropologischen) Grundlage al« uothwcndig. Eine eigene Abzweigung drr Medicin, die sogenannte crimi nelle Anthropologie, beschäftigt sich mit dem «tudium dieser Zustände. Wir verdanken ihr zunächst den Lersurh einer wissenschaftlichen Begründung de« für die ganze Criminal- wissenschaft wichtigen Unterschiedes zwischen dem Gewohn heit»- und Gelegenheit-Verbrecher. Schon längst batte der VolkSinstinct in gewissen An-drücken (r. B. »Spitz- bubrngesicht", ,Galgenphysioguo»iie", „Morderblick" rc.) die Anschauung fcstgehalten, daß zu gewissen Derbrechcr- lypen auch gewisse Ligenthümlichkeitea im äußeren Aus sehen gehörten. Dieses VolkSurtheil hat »un die anthropologisch-krimi nalistische Schult durch eingehende und uinsichiige Ver gleichung eine- großen Beobachtung-material- an lebenden Verbrechern, wie an Schädeln und sonstigen Präparaten einzelner Körpertbeile wissenschaftlich vertieft und erweitert, so daß jetzt die Festlegung eine« besonderen Berbrechrrlypu« nach seinen körperlichen Merkmalen wenigsten» sehr wahr scheinlich gemacht ist. Dieser Typus scheint sich in seiner Vollendung au- einer sehr großen Anzahl einrelner Merkmale zusanimenzusetzen, die sich über die verschiedensten Organe de» Körper« vertheilrn und sich dort in gewiflen Abweichungen zeigen, ohne indessen an einem bestimmten einzelnen Verbrecher all« gleichzeitig zur Erscheinung zu kommen. E» sind hauptsäch lich folgende Merkmale: ungleichmäßige Ausbildung der beiden Schädelhälften, so daß der Schädel schirfoval erscheint, Bil dung de« Schädeldaches nach Art eine« Kalme«, drr den Kiel nach oben hat, zuckerhutsörmiger Kopf, Kleinköpfigkeit, wie bei vielen Blödsinnigen, zurückfliehrnde Stirn, ungewöbnlich vor tretende Stirnhöhlen, mißgestaltete, verbogene Nase, kalkig- blasse« und unsymmetrische« Gesicht, schielende Augen, große benkelförmige Ohren mit enormen, »st angewachsenen Ohr läppchen, die dann gewöhnlich auch in ungleicher Höbe befestigt und stet« mit Gesicht-asymmetrie verbunden sind, wa» den Anblick besonder« frappant macht, affenartig vor- svringenbr Augenbrauenbögen, oft schwarze« und reichliche» Haupthaar, da« weit in dir gewöhnlia» niedrige und schmale, nicht selten viereckige Stirn hineinwächst, riesige Backenknochen, die dem Gesicht« «ine» groben und brutalen Ausdruck geben, schwere, vorstehend« Kinnbacken, die nur zum Beißen und Kauen geschickt erscheinen, mächtiger Unterkiefer, große», quadratische», einwart« springende« Sinn, fehlerhaft angeordnele Zähne und einseitig verzogene Lippen. Von minder häufigen Merkmalen fallen auf: Stumpfnase, sehr Nein« Augen, Verkümmerung der einen Körperhälftr, Verkrümmung der Wirbelsäule, schlecht ge bildete Hände und Füße, Mißbildung an den Fingern, nicht selten auch Greisfuß »der Plattfuß, weibische« Aussebrn. Unter den physiologischen uud psychischen Merkmalen find hervor- zuheben: Stumpfheit in der Tast-, Geschmack«- und Gc> ruchäempfindung, Link«HLndigkeit und stärkere Au«bildung der Unken Kärperseitr — wa« Beide« übrigen« nicht zu- sammenzusalle» braucht —, Herabsetzung der allgemeinen Enipfindnna«fähi-keit (Sensibilität) «nd drr Schnierz- «mpfindlichkeit, Sprachfehler, nicht selten auch früh zeitige« Erwachen de« sepucllea Triebe« und Neigung zu sexuellen Verirrungen. verbrekbrrischr Individuen, die eine größer« Anzahl dieser Merkmale auf sich vereinigen, bezeichnet der Sprachgebrauch dieser Schul« al« geborene Verbrecher, womit weiter nicht« gesagt sein soll, al« daß erfahrung-mäßig verbrecherische Veranlagung mit einer An zahl dieser somatischen Merkmale zusammenzusallen pflegt. Die Stärke der verbrecherischen Veranlagung zeigt sich vor Allem auch darin, daß solch« Individuen leicht rückfällig werten; au» ibncn recrutircn sich die HabituS« der Gefäng nisse und Zuchthäuser. Diesem geborenen Verbrecher stellt nun die anthropologisch-kriminalistische Schule den Gelegen heitsverbrecher gegenüber, der dadurch zu», Verbrecher ge worden ist, daß et sich in einer augenblicklichen Aufwallung, die nicht selten einem ganz edeln Gefühle entsprang (Eifersucht, gekränkte persönliche oder politische Ehre, verletzte« kindliche» oder verwandtschaftliche» Gesübl, Noth- wehr u. s. w), zu einer verbrecherischen Handlung hat hinrrißen lasten. Diese beiden hier angeführten Typen stellen aber selbstverständlich nur die beiden Endglieder einer Reihe dar, in der man sich sämmtliche Ver- brecherclaffen nack abnehmender Stärke der Verkehrtheit de» verbrecherischen Willens augrorvnel denken kann: an dem einen Ende der Reibe steht die denkbar stärkste sittliche Ver worfenheit de» Willen«, dir vielleicht in der verb»cchcrisi1'rn That gar nicht entsprechend zuin Ausdruck gekommen ist, am ankeren Ende stcbt ein Wille, dessen eigentliche Richtung viel leicht sogar der Beistimmuiig unseres sittlichen UrtheilS sicher sein darf, wenn auch die durch ihn bewirkte That Sühne, »nd unter Umständen möglicher Weise eine sehr hoch gegriffene Sühne, verlangt. Es ist nun klar, daß diesen innerlich ganz ver schiedene» psychologischen Bedingungen unsere bisherige Art zu strafen »ur höchst uiivolllommeu gerecht wird. So lange da« Dogma bestand, daß der Verbrecher eben bestraft, daß ihm also ein Webe lediglich wieder durch ein Wehe ver gölten werden mußte, und so lange man die Besserung eine» jeden Schuldigen ohne Rücksicht auf die von ihm durch seine ganze Vergangenheit bewiesene Unbekehrbarkeil für möglich hielt, so lange war eS auch nicht von großem Belang, ob man durch die Strafe ein gemeine» oder ein nach seinen Motiven nicht unedles Verbrechen zu treffen hatte: aus da- Unrccht folgte eben das Nebel, »wie die Thrän' auf den herben Zwiebel". Und diese« Ucbel bestand meist nur in der längeren oder kürzeren Gefängnißstrafe, wobei man gleichzeitig durch die Abschreckung baS Ver brechen »ach und nach unterdrücken zu können glaubte. E» hat sich freilich gezeigt, daß die« nicht erreichbar war. Daraus nun aber zu folgern, baß man dir Bestrafung ganz unterlassen solle, Ware ja natürlich auch falsch: es würde so fort die Welt au» den Fugen gehen, wenn Jeder ungestraft sollte thun dürfen, was ibm beliebte. Dir Gesellschaft muß also schon au-Nolhwehr strafen. Gleichzeitig darf dabei aber auch derjenige Zweck, der von allen überhaupt denk baren Straszwecken der höchst« ist, nicht au- dem Auge ver loren werden, die Besserung de- Verbrechers. Die Strafe verfolgt also hier eine Eombination von Zwecken, und dem entsprechend müssen sich auch ihre Maßregeln verschieden gestalten. Bei den schlimmsten Formen der geborenen Verbrecher, soweit sie erwachsen sind, wird allerdings der Staat aus die Hoffnung, sie zu bessern, verzichten müssen; hier kann r< sich leider nur darum handeln, den verbrecherischen Willen unschädlich zu machen (durch lebenslängliche Jnternirung in Anstalten für Unverbesserliche, durch Deportation, Todesstrafe oder Unterbringung in Verbrecher-Irrenanstalten; da» letztere in den Fällen, wo der Verbrecher irrsinnig ist, was bei dem engen Zusammenhänge zwischen Geisteskrankheit und Verbrechen gar nicht selten vorkomml). Bei jugendlichen Personen aber sollte man, auch wenn sie geborene Verbrecher sind, andere, weniger grausame Maßregeln ver suchen , indem man ihre Neigungen für irgend ein Hand werk oder irgend einen Beruf auSnutzt, der ihrrn Leiden schaften eine gewisse unschädliche Befriedigung gewähren, sie also gewissermaßen in ein geregelte« Bett leiten könnte. Ganz kleine Kinder mit verbreckerischer Veranlagung wären am besten in ehrbaren Familien unterzubringen, soweit sich solche Familien dazu bereit finden lassen, und diese Bereit willigkeit sollte vielleicht sogar durch besondere Vergünstigungen belohnt werden. Nur soweit sich solche Familien nicht finden, dürfte Erziehung in Besserungsanstalten eintreten, die immer ihr« großen Bedenken hat. Bei solchen Kleinen läßt sich namentlich durch sogenannte Witzigung viel erreichen, wah rend schwere, znr Strafe aufgetragene Arbeiten, grausame Strafen anderer Art und religiöse Beeinflussung, wenn sie nur nach dem Grundsätze: ,Virl hilft viel", vorgrht, aus moralische Gewohnheiten gar keinen Einfluß haben. Ander« liegt die Sache bei Gelegenheit-Verbrechern und bei svlcken, dir noch nie vorher bestraft gewesen sind. Hier schadet meist da« Gefängniß mehr, al« e« nützt: man bat daher vor geschlagen, die Gefänanißstrasr durch verschiedene andere Maß regeln zu ersetzen, z. B. durch Ermahnung, wie ste bereit« in Italien und England angewandt wird, Hau«arrest» Geld strafen, öffentliche Arbeiten in frischer Loft, besonder- aber weiteste Anwendung der sogenannten bedingten Verur- thrilung, die r« dem Verurtbrilten möglich macht, sich nach einem Vergehen, da» ihn zum ersten Male auf Abwegen zeigt, wieder rmporzuarbeiten, indem sie ihn nicht dem entsittlichenden Einflüsse der Rückfälligen und Gewohnheitsverbrecher auSsetzk. Diese« System der bedingten Verurtheilung ist besonder- von der Internationalen Vereinigung für Strafrechtspflege aus« Wärmste empfohlen worden. Anwendung hat man von der selben namentlich in Amerika gemacht; man nennt e« dort krodation ,Mem (probeweise Entlassung) und wendet es vorzugsweise, aber doch nicht ausschließlich, bei jugendlichen Delinquenten an. Da» System besteht darin, daß man einen zum ersten Male Vcrurtbeilten nicht einspcrrt» sondern probe weise auf freiem Fuße beläßt, jedock nur so lange, al- er nicht rückfällig wird. Beim ersten Rückfalle dagegen wird er auf eine bestimmte Zeit der Ueberwachuna eine» spccicllen Agenten unterstellt Wenn dieser 8tato nxvnt findet, daß der Rüchällige zu Hause keine angemessene Erziehung erhält oder nicht genügend beaufsichtigt wird, kann er ihn in einer ErziebungSanstalt für sittlich gefährdete Knaben unlerbringen. Wird der junge Delinquent wieder rückfällig, so stellt ihn der 8tLto »gvnt wieder vor Gericht, worauf er dann in einem EorrectionS- hause untergebracht wird. Die Ergebnisse, die man mit diesem System erzielt bat, werden sehr gerühmt. Im Staate Massachusetts, wo man e» jüngst einfübrte, sind die jungen Verbrecher säst ganz aus den Gefängnissen verschwunden, und es ergab sich in der Mehrzahl der Fälle, daß der Schuldige nur einige Zeit der strengen Uebcrwachung de- 8tato »gdm unterstellt zu werden und daß nur das Damoklesschwert de» EorrectionShauscS stet» über seinem Haupte zu schweben brauchte, »in ibn ans den rechten Weg zurückzusühren. Tie auf diese Weise erzielten günstigen Ergebnisse führten nun ans den Gedanken, dieses System auch aus erwachsene Delin quenten auSzudehnen, und der Gedanke wurde durch ein Gesetz vom Jahre 1878 zur That erhoben. DaS Gesetz schuf nämlich einen speciellen Beamten, den krobution aktiver, der über alle von den Bcstoner Gcricktcn wegen Verbrechen oder Vergehen Vcrurthcilten auf dem Laufenden erhalten werden mußte und dann aus Grund eingezogcncr Information z» bestimmen hatte, bei welchen Delinquenten man aus Besserung hoffen könne, ohne sie der Strafe zu unterziehen. Er hat dann allen Gerichtsverhandlungen beizuwohnen, die solche Personenlbetreffen» denen seiner Ansicht nach eine materielle Bestrafung mehr schaden al» nützen könnte, und nachdem er dann die Resultate seiner Nachforschungen, bei denen eS sick hauptsächlich darum dreht, ob der Betreffende schon einmal bestraft oder angcklagt war, bekannt gegeben bat, beantragt er, baß der Schuldige probeweise frcigegeben werde. Stimmt der Gerichtshof dem Anträge bei, so wird dem Verurtbeilten eine Probezeit festgesetzt, die, je nach dem Fall, den Umständen und — wohlverstanden — je nach dem Ermessen der Richter, zwei bi» zwölf Monate beträgt. DaS gcschicbt in folgender Form: der I'iobtitiou okticvr verbürgt sich förmlich Lasur, daß der Delinquent die ihm auserlegteu Bedingungen er füllen werde. Der ?roliLtion otfivvr, der stet» ein höherer Polizeibeamler ist, hat dagegen während der Dauer der Probezeit da- Recht, den freigelasienen Verbrecker zu jeder ibm beliebenden Zelt verhaften zu lassen, ihn auss Neue vor Gericht zu stellen und zu beantragen, daß er die nicht erlassene, sondern nur ausgeschobcne Strafe antrete. Wenn die Probe zeit um ist, beantragt der ?rofintion okücer, daß dem Indi viduum die Strafe erlassen werde; in gewissen besonderen Fällen jedoch kann er die Verlängerung der zuerst festgesetzten Probezeit beantragen und erwirken. Wahrend der Probezeit ist der Delinquent verpflichtet, dem krodittiou oktieer mündlich oder christlich jede gewünschte Auskunft zn ertheilen und sick allen einen Anordnungen zu fügen. Der Beamte dagegen hat sich, o weit die« möglich, über die Lage und Existenzbedingungen de- Individuums, über da» die Prvbczeit verhängt ist, auf dem Lausenden zu erhaltcu. Die probeweise Freilassung wird hauptsächlich bei folgenden Delikten in Anwendung gebracht: Trunkenheit, Hehlerei, leichtere Diebstähle, Beleidigung und Körperverletzung. Ein ähnliches System wurde 1887 in Eng land eingesührt. Neben dem System der ?robntlon besteht in Amerika noch eine ganze Reihe von Besserungsanstalten (Itokor- mntorio»), von denen die bekannteste die durch die Großherzigkeit eine» amerikanischen MensckensreundeS, Brockway's, gegründete Kev-Vvrlc Idekormatorz' in tümirn ist. Hier werden in der Regel nur junge Leute von 16 bi- 80 Jahren untergebracht, die zum ersten Male mit dem Gesetze in Conflict gekommen sind und einen nicht allzu schweren Fehltritt begangen Kaden; dabei besitzt der AufsichlSrath der Anstalt die gesetzliche Gewalt, wenn cS ihm dienlich ersckeint, einen Zögling unter Umständen lange vor der Zeit, die er gemäß feinem Vergehen abzusitzcn hätte, be dingter Weise frrizusprecken. Ein solckc» Urtheil »iuß sick auf die Ueberzeugung gründen, daß die Reue de» Betreffen den echt und von Dauer ist: die einzige Formalität bei der Entlassung ist da» Ehrenwort, das der Ent lassene dem Oderintrndanten giebt. Aber der A»s- sichtSrath besitzt nicht da» Recht, einen Verurtbeilten gleich von vornherein sreizulafsen; auch ist er »ickt in der Lage, die Strafe zu verlängern, und endlick wird der vor Ablauf seiner Strafzeit Entlassene hier nicht so streng beauf sichtigt, wie beim t>re>I>at>on«/k>tem. Als Hauptgrundsätze für die Verwaltung der Anstalt gelten: 1) streng individuali- sirende Behandlung de» Zögling», 2) eingehende Fürsorge für sein körperliche» Gedeihen, S) systematiscke Anregung seine» EhrgesühlS, 4) Erziehung desselben zu einem Berufe, inbem er in eine der AnstaltSclafsen für allgemeinen oder gewerb lichen Unterricht eingcreiht und nach seiner Entlassung in einer seinen Kenntnissen und Fertigkeiten angemessenen Be schäftigung untergebracht wird, 5) Verpflichtung desselben, »och seck» Monate lang nach seiner Entlassung Rechenschaft über sein Benehmen abzulegen; erst» wenn er sich ein Iabr lang tadellos geführt hat, wird er endgiltig frei- gesprochen. Der Hauptunterschied zwischen Urodntion und Elmira ist also der, daß hier die Strafe in allen Fällen auch wirklich angetretcn werden muß, dafür aber der Bestrafte während der ganzen Zeit, die er in drr Besserung»-
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