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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.11.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-11-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18941103021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894110302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894110302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-11
- Tag1894-11-03
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BezU-s-Prel» GH» Haaptrxp« ditto» od« de» i» Stadt, hmtek »»d da» vorarte« errtchtrto» Nu«- gäßeftelle» ad,«holt: vierteljährlich^»HO. bei »weimLliaer täglicher Zustella«, in« hau« » ückO. Durch die Post bezog»« für Lentschlanb und Oesterreich: vierteliädrlich ul «.—. Dtrertr täglich« ikreuzbandieudung da« Ausland: «»onatlich ?.üO. Ltevkor-etaMadgab« erschetut täglich'/»? Uhr, dir Ubr»d.U»«gabe Wochentag» ü Uhr. Abend-Ausgabe. LÄtttio, «d Lrpeditiou: A»tzan»e«,ast« 8. Li« Erveditioa ist vochr»tag« »»-»terbrochea geisfuet voo stütz 8 bi« Abend« ? Uhr. /Male,: vtt« Me»»'« Gar«». <Alfred H«ha>, UniversilLtSstraße 1, Sa«»« Lisch«. Rathariucustr. 14, pari, uud KönigSplatz 7. UchMtr.TMblM Anzeiger. Organ f8r Politik, LocalgeMtr, Handels- and GeschSftsverkehr. ««zetge»Pret- dte «gespaltene Petitzeile A> Ps». Ueclame» »«ter de»Nedocttousstrtch (La«. spalte«) bv>4, vor de« F-mütennachrtchie» (Sgespaltea) 40-^. Groher« Lchriste, laut unterem Prett- veizruhuih. Tabellarischer u,d Ztsserasatz nach höherem Taris. Extra-Vellage» (gesalzt), »»r mit de. Morgen-Au«gade. ohne Postbesörderuag u« 60.—, mit Postbesürderuug 70.—. 2i»«al,»rschl»8 für Anzeige«: Abeud-Au-gabe: vormittag« 1V Uhr. Marge»-Burgob«: Nachmittag« «Uhr. So»«» »»d Festtag« früh '/^ Uhr. Bei den Filiale, uud Aunahmestelle» je et« halb« Stund« früh«. A»zetge» find stet« a» di« Expedition za richte». Druck »ad Verlag vo« L Pol» in Leipzig ^ 5«3. Sonnabend den 3. November 1894. 88. Jahrgang. Zur gefälligen Beachtung. Unsere Expedition ist morgen Sonntag, den 4. November, Vormittags nur bis Uhr geöffnet. Lxpeältlvn äes I^elprlxer I'axedlMes. Polittsche Tagesschau. * Leipzig, 3. November. Der rtzroutvechsel t« Nußlan» beschäftigt auch heute noch die gesammt« europäische Presse in erster Linie. Am zurück haltendsten zeigen sich in der Beurlheilmig der längst vorher- gefehrnen Wandlung die ossiciösen Organe, woraus am deutlichsten hervorgeht, daß auch in den maßgebenden Kreisen ein sichere- Urtheil über die Folgen dieser Wandlung fehlt und Hoffnungen und Wünsche die Stelle dieses Unheils aus- sülle». Die „Nationalliberale Eorrespondcnz" spricht sich folgendermaßen au«: .Eine mächtige Bewegung zuckt durch die Welt bei der Kunde von dem Tod des Zaren Alexander M. Ein Fürst von einer Macktsülle, wie kaum ein anderer, ist au« dem Leben geschieden. In einem riesigen Reiche, wo der autokratische Wille de« Herrscher« allein den LuSschlag -iebt, besteigt den unbeschränktesten Thron ein junger Mann, dessen Charakter und Eigenschaften noch wenig bekannt sind. Und doch sind sie von der höchsten Bedeutung nicht nur für daS unermeßliche russische Reich selbst, sondern e« hängen für die ganze Welt wich tig« Entscheidungen davon ab. Die Regierung de- jetzt ver storbenen Zaren zeigte eine Mischung von guten und schlechten HerrscherÄigenschaften. Unter den guten Eigenschaften ragte namentlich seine Scheu hervor, die ungeheure Verantwortung eine« Weltkrieg«, dessen Gefahr oft nahe genug lag, auf sich zu nehme», so daß er als ein Hort de« Frieden« bezeichnet werden kan».Weit weniger Beifall kann man seiner inneren Regierung und Politik spenden. Bon den Reformen Alexander - II., von dessen Streben, Rußland mehr und mehr der europäischen Eultur und den Anschauungen der neueren Zeit zu nähern, sagte sich die Regierung de« jetzt verstorbenen Zaren ent schieden unv grundsätzlich loS. Der milde, versöhnliche, dnlb sam« und in gewissen Grenzen freiheitliebende Sinn de« BaterS war dem Sohne nicht eigen. Glatt dessen herrschte ein starrer, antokratischer Wille, Unduldsamkeit und Ber- solguogSsucht gegen Alle«, was sich nicht dem allrussischen Wesen sügeu wollte, waS in Religion, Sprache, Natio nalität und Charakter von dem herrschenden Stamm abwich. Dagegen bildeten weder verbriefte Rechte, noch Rücksichten der Duldung und Humanität eine Schutzwchr. Insbesondere die Deutschen in den baltischen Provinzen baden unter diesem System de- Zwang« und der Unter trückung schwer zu leiden gehabt. Aber freilich ärger als in der österreichisch-ungarischen Monarchie war der nationale Fanatismus io Rußland auch nicht, und dort ist er noch un vernünftiger und selbstmörderischer. Auf diesen von starken inneru Gegensätzen aller Art, Eultur- und Rcformbestrebungen und allrussischer Reactiou, starrer Autokratie und mächtigen anarchistisch, nihilistischen Unterströmungen, Glauben-- uud Stammeshaß, noterwühlten Boden tritt jetzt ein junger unerfahrener Herrscher, über den die entgegengesetztesten Einwirkungen Macht gewinnen können. WaS man von der politischen Richtung und der geistigen Sinnesart des neuen Zaren bisher vernommen, berechtigt zu guten Hoffnungen. Er soll weit mehr Neigung haben, wieder in die Bahnen seines Großvaters, als die seine« BaterS cinzulenkcn: er soll inneren Reformen und europäischer Eultur, der Duld samkeit gegen andere Nationalitäten und Eonsessionen zngcneigt und insbesondere, worauf auch seine Ver- iiiäbluiig mit einer deutschen Fürstentochter hinweist, dem deutschen Wesen freundlicher gesinnt sein. Rußland und Deutschland baden taS ganze Iahrbundert bindurch in Frieden mit einander gelebt; ein ernstlicher Krieg hat überhaupt noch niemals zwischen ihnen bestanden, wohl aber manche gute Waffenbrüderschaft. Unüberwindliche Gegensätze sind nicht vor handen. Die russische» LebenSintercfsen liegen im Orient und in Asten unv berühren sich wenig mit den deutschen. Warum sollten diese beiden Mächte nicht friedfertig neben einander leben und damit da« festeste Bollwerk für den europäischen Frieden bi'den?" — Aus diese- .Warum ?" hat die Bernnnsl keine Antwort. Aber leider fragt der nationale Fanatismus nicht nach Bernunstgründen. Selbst Alexander II. bat diesem Fanatismus seine Einsicht unterordnen und sich in den russisch-türkisckei, Krieg hineintreiben lassen müssen. Diese Thatsacke ist eine eindringliche Mahnung an die Leiter der deutschen Politik, mit weiser Vorsicht zu vermeiden, wa« kiesen Fanatismus schüren oder die freundliche Gesinnung de« neuen Zaren gegen Deutschland abküblen könnte. Besonder« wird darüber zu wachen sein, daß jene Polenpolitik, die während der Aera Caprivi daS Mißtrauen Alexander'S HI. gegen Preußen und Deutschland zu nähren geeignet war und gleichzeitig unsere Position an der Ostgrenze schwächte, nicht wieder auflebt. Dem neuen deutschen Reichskanzler und preußischen Ministerpräsidenten Fürsten Hahenlatze wird die Absicht zu- geschrieben, eine gründliche Umgestaltung de« osfi» ciösen Preß Wesens vorzunebmen. Mann kann nur wünschen, daß diese Absicht nicht nur besteht, sondern auch baldigst zur Ausführung gelangt. Einstweilen weiß man weniger al« je, welche Blätter zu ossiciösen Kund gebungen benutzt werden. Wahrscheinlich ist e« einstweilen nur der .Reichsanzeiger", der den Männern de« neuesten Curses als Sprachrohr dient. Mao darf die« daran- schließen, daß der früher von officiösrr Seite bediente .Hamb. Eorr.", um Aufschluß über die Richtung diese- Enrsc» in erlangen, nach charakteristischen Thaten desselben sich umsiedt. Als solche führt da« Blatt daS Folgende auf: „ES ist nicht zu bezweifeln, daß zuerst die Absicht bestanden hat, den Hrafen Botho Eulenburg »ach feinem Rücktritt vom preußischen Ministerium mit der kaiserlichen Liatthalterschast in den Reichslanden zu betrauen. Daß dies nicht zur Aus- sührnng gelommen ist, wird nach der einen Version dem Einspruch des neuen Reichskanzlers, nach einer anderen Meldung dem Ralhe de« GroßherzogS von Baden zugeschrieben. Aus alle Fälle macht die Ernennung des Fürste» Hohenlohe.Langenburg bei weitaus der Mehrheit der Bevölkerung einen viel erfreulicheren Eindruck, als es die Berufung des Grasen Eulenburg hätte thun können. Bon snmptoinatischein Werthe ist, das wird allseitig zugestanden, die Ernennung de- StaatssecretairS Freiherru v. Marsch all zum preußischen Slaatsminister. Nach dem Grafen Eaprivi ist Niemand so angeseindet worden, wie dieser ouS der konservativen Partei hervorgegangene Staatsmann, dem man es schon zum Verbrechen aarechnete, daß er der Nachfolger de« Grasen Herbert Bismarck wnrd«. Noch zur Zeit, wo bereits dir Ernennung voll- zogen war, heischten manche Blätter ungestüm seinen Fall. Und jetzt muß die Münchener „Allgemeine Zeitung", die sich in Angriffen gegen den Freiherrn von Marschall besonder« hervorihal, gestehen: „Damit ist eine besondere Anerkennung seiner bisherigen Thätigkeit ausgedrückt, nnd e« ist gleichzeitig angedentet, Laß der neue Reichskanzler und Ministerpräsident dem Leiter des Aus wärtigen Amts großes Vertrauen schenkt." Freiherr v. Marschall ist briouder- in den Verhandlungen über die Handelsverträge hervorgetreten; zn seinem Ressort gehören auch die Eolonial- angelegenheiten. Das dritte bedeutsame Moment ist di» telegravdiich gemeldete Thariache, daß die Vorlage gegen die Umsiiirzbeslrebiinge» in der Sitzung des preußischen Staatsminisrenums am Mittwoch unter Vorsitz deS Fürsten Hodenlode uud iu Amvesendklt de« Herr» v. Uoellcr »ach der „Notionalztg." s« slgestellt worden ist aus der Äiuodlage der letzten Beschlüsse des LtaatSminisicriumS vor der Itrisi«. Tie Veränderungen, welche an diesen vor- genommen worden, sind nicht erheblich und bedeuten keine Ve» chärsung. Ter Ltaalsserretair de» Reichsjusiizamls, Herr Meder, ding, nahm an der Sitzung Theil. Darnach wird die Vorlage also in der vom Grasen Caprivi gebilligten Fassung an den Reichstag gelangen, die anders gearteten Vorschläge des Grasen Eulenburg sind wohl entgillig abgethan." Hieraus >chließt der .Hamb. Eorr." auf eine .Continuität der Polllik im Reiche", d. h. aus Jnnebaltung des Eaprivi- EurscS auch unter dem neuen Stcuermanne. Wir halten diesen Schluß sür sehr voreilig, obgleich wir recht gut wissen, daß Fürst Hohenlohe nicht Nachfolger de« Grasen Eaprivi geworden wäre, wenn er einen au-gevrägt eigenen CurS einzuschlagen gedächte. Aber der Rücktritt te- Grafcn Eaprivi beweist dock unwiderleglich, daß sein CurS dein vom Kaiser gewünschten nicht entsprach und daß also ein anderer eingcschlagen werden soll. Da gebt aber nicht im Handumdrehen. WaS in der kurzen Spanne Zeit seit dem Rücktritte de« Grafen Caprivi und de- Grasen Eulenburg geschehen, legt dem, was weiter ge schehen soll, kein Hinderniß in den Weg. Und daß die bis herigen Ossiciösen von dem Künftigen nicht- wissen und nicht vorzeitig einen Streit darüber anregen können, daS gehört auch zu den charakteristischen Merkmalen de- neuesten CurseS, die ihn vortheilhast und verheißungsvoll von dem Eaprivi Curse auSzcichnen. Im politischen und Parteilebe» Ungarn« bezeichnet der 28. October d. IS. möglicherweise einen wichtigen Wende punct. Der Empfang Franz Kossuth'S bat abermals die zauberische Gewalt de« von seinem Vater zu solcher Bedeuiung für Ungarn gekrackten Namen« über die magyarische Bolks- jeelr dargetban. Die Pflicht und da« Recht, seinem Baker- lande zu dienen, die der Erbe einer solch,» Ueberlieserung in Anspruch nimmt, bedeuten den Entschluß, die Führung einer Partei und einer BolkSströinnng zu übernehmen, deren Macht nicht nach den parlamentarischen Verhältnissen der Gegenwart beurtdeilt werden darf. Trotz de- gewaltigen Ansehen« Franz Deal'« bei Freund und Feind bat der im Jahre t8ti? in den Dualismus umgeseylc AuSgleichsgedaüke den Unabbängig- keitSbestrebungen nn Magyarenlhum kaum irgendwelchen Boden abgrwinnen können. Wenn die äußerste Linke den bis herigen Ministerien nicht gefährlicher geworben ist und niemals viel mebr ol« ein Viertel der Reichstagsmandate zu erobern vermocht ha», so lag daS vornehmlich in dem Mangel einer führenden Persönlichkeit, welche die besonder« in letzler Zeit überhand genommenen inneren Reibungen zn beseitigen im Stande gewesen wäre. Die gelegentlichen Botschaften aus Turin konnten nur notbdürftig die Einheit der Unabbängig- keitSpartei bi- zu dem au« Anlaß de« kirchcnpolitischcn Kampfe« cingetretenen Bruch aufrecht halten. Und dann war die doctrinäre Politik Koffutb'S, die den gesetzlichen Zustand nickt anerkannte, praktisch nicht durchführbar. Sein Sohn hat durch die bei seiner Ankunft abgegebene Erklärung, daß er sich der Entscheidung der Nation beugen, den verneinenden Stand- punct seine« BaterS verlassen und einen praktischen Weg zur Verwirklichung seiner Grundsätze betreten wolle, sich sofort parlamentarisch möglich gemacht und gewissermaßen seinen Anspruch auf die Parteisührerrolle angemeldet. D»e rückhalt lose Anerkennung, die Franz Koffuth für den verfassungstreuen König aussprach, als Menschen wie al« Herrscher, der an- drückliche Verzicht auf den Gegensatz zwischen dem KönigShause und dem Gouverneur Ungarn«, der e« am 14. April 1819 des TbroneS verlustig erklären ließ, kurz, da« ganze Auftreten de- Erben eine« unvergleichlichen Ansehen« zeigt deutlich, da« er eine maßgebende active Rolle zu spielen gesonnen und den letzter Zeit mehr akademisch betonten politischen Staudpunct der UiiabbängizkeilSpartei zu lebhafterer Bethätigung >n dringen entschlossen ist. Inwieweit der Bruch mit den revolutionairen Grundsätzen dem Ralhschlagc de- König« Humbert zu ver danken ist, von dem sich Franz Kossutb vor seiner Uebcr siedelung nack Ungarn verabschiedet bat, inwieweit seine eigene praktische Geiste-richtung und Erfahrung dabei mil gewirkt bat, entzieht sich vorläufig der Beurtheilung. So fremd auch der Parteiführer in «z»« den Einzelheiten der politischen Lage gegcnüberstebt, so viel Einsicht und Tact hat er schon vor und nach der Leichenfeier seine« Later« bewiesen, und so darf man annchmen, daß dem Duali«mu« in ihm ein sehr beachten-werther gefährlicher Gegner erwachsen ist. Ein unscheinbarer Vorfall hat iu der Schweiz di« anti semitische Frage, welche man mit dem Schächtverbol glaubte als abgethan betrachten zu dürfen, wieder in Fluß gebracht. Ein israelitischer Webrmann beschwerte sich, wie wir schon kurz erwähnt haben, beim Militair-Departemenl. er und seine Glaubensgenossen seien durch den Inhalt einer Feldpredigt, zu der sie commandirt worden wären, in ihren religiösen Gefühlen verletzt worden. Au« der Vernehmung de« FeltprekigerS Widmer in Bern (katholisch) ging hervor, daß derselbe keineswegs die Absicht hatte, Andersgläubige zu verletzen. TaS Militair-Departement machte nun den Feld - Prediger darauf aufmerksam, daß e« üblich sei, die Truppen ohne Rücksicht auf ihre Eonfcssivn zur Theilnahme am Feld- gotteSdienst zu commandiren, und daß in Folge dessen die Felk- prctigtcn so zu ballen feien, daß sic von Angehörigen aller Eofessionen obne Beeinträchtigung ihrer Glauben»- und Enltu« freiheit angehört werden können. In Folge eine- Mißverständ nisse« wurde nun im offieiellen Eommuniquü, welche- da- Militair-Departement über de» Fall der Presse zngeden ließ, der katbollsche Fetvpredigrr niit Namen erwähnt, der Name de« israelitischen Beschwerdeführer« aber nicht genannt. Der BnndeSpraxiS gemäß hätte der Name de« Beschwerdeführer in erster Linie genannt werden sollen. Die dem Feldprediger ertheilte Rüge erregte Aussehen, noch mehr aber die Be schwerde de« israelitischen WehrmanneS, denn seit vielen Iabren ist e« nicht vorgekommen, daß katholische, protestantische oder iiraelilifchc Wcbrmänner sich über eine Feldpredigt be schwert haben Nun stellte cS sich nach unwidersprochen ge bllebeocn ZeuungSnachrichlen heran-, daß die betreffende» Israeliten lediglich einen Auszug der Predigt i» einer Zeitung zu Gesicht bekommen, zu der Predigt aber nicht coinniandirl worden Ware». Dies machte in manchen Kreisen böse» Blut und nach der „Ostschweiz" stände eine neue VolkS- initiative in Sicht, die dahin ginge, die Schweizer Bürger israelitischer Confrssion Kraft Bundes verfassung von allen öffentlichen Aemiern, Osficiero ste j len re. auSz »schließen. Wir glauben und hoffen nicht, daß es dahin kommen wird, denn damit würde ein Hauvlprincip der Bundesverfassung durchbrochen, der beut zu Tage fick eigentlich von selbst verstehende Grundsatz, daß die Ausübung bürgerlicher oder politischer Rechte nickt durch Bedingungen religiöser Natur beschränkt werden darf. Der Millionär-Genosse Abg. vr. Bandervelde macht über die von den belgische« Social-Demokraten so eifrig betriebene Agitation folgende Mittheilungen, die um s o Monsieur Faver. Eia« altmodische Liebesgeschichte <s von Moritz v. Reicheobach. Nachdruck vrrdolkii. (Fortsetzung.) Sie schüttelte den Kovf und wollte reden, aber er fuhr fort: „Ich weiß, daran dachtest Du nicht, al« Do mich fort schicktest, aber mir fiel eS doch ein, nachdem ich die erste Aufregung, in der auch etwa- Groll gegen Dich lag, über wunden hatte. Und da überlegte ich, daß ich fort wollte iu meine Hrimath, zu meinen Verwandten, von dear» ich mich wegen Streitigkeiten getrennt hatte. Dort wollte ich eine Versöhnung versuchen, und wenn diese gelungen oder ich mir eine anderweitige Stellung er« obrrt hätte, die Deiner nicht unwürdig wäre, dann wollte ich noch einmal zu Dir zurückkehren und Dich fragen, ob Du mir nun folgen wolltest. Und während ich an da- alle« dachte, da überkam mich plötzlich die Sehnsucht, den Platz noch einmal zu sehen, wo ich Dich znm ersten Male geküßt batte. Ohnehin war r« mir unmöglich, im Zimmer zu bleiben, — so gab ick meinem Stallburschen den Auftrag, meine Sachen zu packen, und ritt wieder in den Wald. Beim Morgen grauen sollte es dann sortgeheu. Nun ist Alles ander« ge kommen und beffech denn nun brauchen wir un« nicht mehr zu trennen. Der Mann, der Dich au« irgend einer tollen Laune rinschloß und Dich dann dem Verderben überließ, nur an die eigene Rettung denkend, — der Mann hat keine Reckte mebr an Dich Uud wie meine Liede mich lebrtr, an der Wand emporzuklimmen, um Dich zu retten, so wird sie mich auch lehren, Alle« zu überwinden, wa« sich noch trennend zwischen mich und Dich drängen will. Du bist nun mein, und nicht« al« nur Dein eigener Wille kann Dich mir wieder entreißen, ich fühle mich allmächtig in diesem Augenblick, denn ich bade mir ein Recht an Dich erworben, und ich werde r< zu wahre» wissen. Ich werde unsere Zukunft gestalten, denn für Dich kann ick Alle«, Alle«, — auch drhmütbig sein!" Er bedeckte ihr Gesicht und ihre Hände mit Süssen, während ie ihn leise lächelnd gewähren ließ und sein grenzenlose« ^ i» di« sich ihr unwillkürlich «ittheilt«. Auch fühlt« sie sich zu schwach, um über Da« nachzudenken» wa« er ihr sagte. Sie hörte nur seine geliebte Stimme und sah seine Augen über sich leuchten, während die ihren immer glänzender wurden uud die Dimensionen aller sic umgebenden Gegenstände ihr ins Ungeheuerliche zu wachsen schienen. Xaver beugte sich aufmerksam über sie und legte seine küble Hand auf ibre brennende Stirn. „DaS Wundfiebrr findet sich schon rin", sagte er leise, aber der Doctor muß bald kommen." Elisabeth hörte seine Worte wie von fern her zu ihr herübcrklingend, aber sie lächelte, denn, wenn auch allerlei unklare Bilder durch ihren Kopf zogen, sie fühlte doch, daß sein Arm sie umfaßte und daß ihr Haupt an seinem Herzen ruhte. Nack Mitternacht kam auch der Gras in Walditz an, gewaltig schellend, weil er nur einen kleinen, offenen Wagen zur Rückkehr hatte auftreiben können. Er halte noch lange stöhnend und jammernd auf dem Platze still gesessen, auf welchem Xaver ihn verlassen hatte, in jedem Augenblicke die Explosion de« Pulver« erwartend und Xaver und >cine Gattin rettungslos verloren gebend. Aber die Zeit verstrich, obne daß die Explosion erfolgte. Zuerst hatten die Angst, die Aufregung und die Gewissensbisse über den in seiner Tasche befindlichen Schlüssel den Grasen süblloS gegen alle« Andere gemacht. Al« aber eine Viertelstunde nach der anderen verging, al« er gar in der Enljernung einen Wagen über den Waldweg rollen bürte, da begann er doch an eine mögliche Rettung zu glauben, und mit diesem Glauben kam ihm auch wieder daS Gefühl seiner höchsteigenen Persönlichkeit, die io dem leichten seidenen Schlasrock, der ungewohnten Nachtluft auSaesetzt, ganz abscheulich fror. Er wollte ausstehen, aber der Scklas- rock wurde von irgend etwa« Spitzigem festgebalten Ter Graf bückte sich, uni die vernieinllicke Dorneuranke zu entfernen, aber statt dieser entdeckte er einen Nagel, der an« einem kleinen Füßchen hervorstand, da« unter den Fichtenzweigen lag, auf denen er gesessen halte. Er betrachtete da« Ding näher. E» kam ihm merkwürdig bekannt vor. Er hob e« auf und drehte e« um. Da stand ans der Rückseite auf einem anfaeklebten Zettel mit großen, deutlichen Buchstaben geschrieben: „Pulver"' Der Vollmond leuchtete recht hell durch dir Zweige, und gräfliche Gnaden konnten da« verbängnißvollr Wort recht gut lesen und noch nachträglich von einem kalte» Schauer de« Entsetzen« geschüttelt werden, denn sie hatten die ganze Zeit aus de« gefürchtete, Pulverfaß gesessen, ohne zu ahne», daß der vorsichtige Forstmeister eS gerade auf diesen Fleck gestellt batte. ES läßt sich nicht constatircn, welchen Ausdruck daS Gesicht deS Grasen in dem Augenblick dieser Entdeckung annabm. Jedenfalls war er zehn Minuten später bei der Brandstätte angelangt und batte die Rettung seiner Gattin und deren Ab fahrt nach Walditz erfahren. Al« er im Schlosse ankam. galt seine erste Frage der Gräfin uud dem Stallmeister. Die Leute sahen ihn scheu au, al« wüßten sie nicht, waS sie antworten sollte». Endlich wic« man ihn in da« Krankenzimmer. Sprachlos vor Staunen blieb er einen Augenblick in der Thür sieben, al- er Xaver am Lager seiner Gattin erblickte. Aber schon hatte dieser ibn bemerkt, und Elisabeth der neben ibm wachenden Zofe übergebend, sckritl er schnell auf den Eintretenden zu, ergriff seine beiden Hände und führte ihn, ohne ein Wort zu sagen, au« dem Zimmer. „Ich bin Ihnen zwar dankbar für die Rettung meiner Grmablin, aber erklären Sir mir —" fing der Graf an. „Still!" herrschte Xaver ihn an, ibn trotz seine« Wider streben» noch weiter mit sich ziehend, bis sie ein Zimmer er reichten, wo ihre Stimmen von Elisabeth nicht mehr gehört werden konnten. Hier ließ er ihn lo«. „So mein Herr Gras", sagte er, „nun habe ich Ihnen allerdings Einige« zu erklären, Sie werden die Güte haben, recht aufmerksam zu sein " ,^WaS wollen Sie, waS soll taS Alle«?" rief der Graf, dem da« t«»e-L-lete mit seinem hünenhaften Stallmeister ansing unheimlich zu werden. Xaver zwang sich gewaltsam zur Ruhe. „Da« soll heißen", sagte er, „da< soll heißen, daß Sie, mein Herr, beut noch all' ihren Rechten aus die Gräfin Elisabeth entsagen werde» —" ,MaI fällt Ihnen rin! " „Hören S,e mich zu End«, mein Herr, Sir werdea Ihren Rechten entsagen, oder beim ersten TageSgrauen mil mir ein paar Kugeln wechseln." Der Graf war krebSroth im Gesicht geworden „WaS", schrie er, „da« wagt Er mir zu sage», Er, mein Untergebener, mein Stallmeister —" „Still, die Komödie hat nun rin Ende", unterbrach ihn Xaver mit blitzenden Augen, „da< sage ich Ihnen, ich, Xaver, Gras PorinSky, de« Sie wohl die Ehre eine« DaffrngangeS nicht verweigern «erden, und der Ihnen hiermit erklärt, daß er Sie Niederschlage» wird wie «in schädliche« Thier, wenn Sie w»g»-«, der Frau noch ein Mal in den Weg zu treten, dir Sie heule gemordet hätten, wenn ich sie nicht rettete!"" Der Gras war leichenblaß in einen Sessel gesunken. Seine Lippen bewegten sich zuckend, ohne daß er ein Wort hcrvor- brachie. Xaver stand vor ihm bochausacrichtet. die Arme ge kreuzt, und blickte ihn mit suolelndcn Augen an. „Beweise. Beweise!"" stöbnte der Graf endlich. „Die können Sie haben", sagte Xaver", „meme Papiere sind i» Ordnung — allenfalls kann ich mich auch durch meinen Onkel, den Grafen AoSzielSky. recognoSciren lassen. Und nun — wofür entscheide» erie sich? Werden Sie entsagen oder werden wir u»S morgen schießen?"" „Mein Gott, wa« wollen Sie denn eigentlich?" rief der Gras, sich den Angstschweiß von der Stirn trocknend. Xavers Aufregung verflog unwillkürlich etwa« bei dem jämmerlichen Anblick, den sein Gegner ihm bot. „Nun, ich denke, da« ist klar"", meinte er rubiger. „Sie verdanken cS nur einem glücklichen Zufall, daß Sie jetzt nickt al» Mörder vor mir stehen — und ihre Gattin will cS nicht auf einen zweiten solchen Zufall ankommen lassen —" „Ich will mit idr reden —" „DaS werden Sie nicht, denn sie liegt jetzt krank, im Wundficbcr, durch Ihre Schuld, und ich habe cS über nommen, fortan für ihre Sicherheit zu sorgen. Dieser Sorge stehen Sie, mein Herr, im Wege, und ich verlange daher im Namen der Gräfin Elisabeth, daß Sie einer gerichtlichen Scheidung von ihr nicht- in den Weg legen, mit einem Wort, daß Sie ihr entsagen." „Du lieber Gott, waS würde der alte Hochkirch dazu sagen?" rief der Graf im Tone so Heller Verzweiflung» daß Xaver gelackt hätte, wäre dir Situation «in Uevriaeo nicht so ernst gewesen. Jedenfalls ,eigte dieser AuSruf, daß der Gras an die Möalickkeit von Verdandlungen über diesen Punct dachte, und Xaver sagte daher: „Mit Ihrem Sckwiegrrvater fertig zu werden, würde meine Sacke sein. Hier baudell e« sich nur darum, daß Sie sckriftfick erklären, allen Ansprüchen an Ihre Gattin zu ent sagen —" „Ja. aber da« Gut, waS wird dann au« dem Gut?" „Da« ist mir qleichgiltig!" „Ja, aber mir nicht! Wie kann ich unterschreiben, «he nicht alle VermöaenSvrrbältnisse geordnet sind!" Xaver"« Geduld war erschöpft. »Herr, verschonen Sie mich mit Ihren Vermögeu-ver- hältniffr», wa« -ehe» »ich die an? Um Ihr« Fra» handelt
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