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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.01.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-01-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930117027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893011702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893011702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-01
- Tag1893-01-17
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Freilich stand das Plenum, als es in die Bcrathung cintrat, nicht unter dem Eindrücke, daß cS zu einer Einigung über die M i l i t a i r v o r l a g e kommen und da» mithin auch eine Verständigung über die Aufbringung der Mittel »öthiz sein werde. In der Sitzung der Miltlaircommission, welche der Plenarsitzung vorausgcgangen war, balle der Redner des EciitrumS, v. Buoi, seiner Partei vollständig freie Hand rorbehallen und aus den Ecmpromißvorschlag des Herrn v. Bennigsen, die verbünrcten Regierungen möchten mit 4V 000 Mann Bcrmcbrung sich begnügen, war der Reichs kanzler die Antwort schuldig geblieben. Ob eine solche morgen in der nächsten Sitzung der Eommission erfolgt, muß abgcwartel werden; jedenfalls aber geht heute im Plenum auch die erste Lesung der Branntwcinstenervvrlage zu Ende, oknc daß taü HauS eine Ahnung davon hat, ob eine vollständige Durch- dcralhung des Entwurfes und der Versuch, die streitenden Interessenten zu versöhnen, sich verlohnen werde. Die neue Partei, die „Nationalpartci", bat sich vor gestern in gehcimnißvollcr Stille gebildet. Zwanzig bis fünfundzwanzig Personen, darunter einige Süddeutsche, aber kein aclivcr Abgeordneter, haben der feierlichen Handlung beigcwohnt. lieber die Zwecke der jungen Partei, deren Gründung besonders Herr Or. Peters, der Asrikaforscher, betrieben haben soll, wird der „Franks. Ztg." berichtet: „Wenn man hört, daß Bismarck-Verchrcr strengster Observanz, wie der Augsburger Herr v. Fischer, darunter sind, und daß der frühere Redactcur der „Kölnischen Zeitung", vr. Klejer, einer der geistigen Leiter ist, jo findet man nur bestätigt, Laß es sich uni eine Partei Bismarck handelt, die dessen bisherige publicistijchc Pe- lämpsung Caprivi'S und des neuen Curjes in das active politische und parlamentarische Leben übertragen und die Wiederkehr deS ehe maligen Kanzlers dann in dasselbe vorberriten will." Wenn mau sich erinnert, daß Fürst Bismarck schon ein mal sich genöthigl gesehen hat, die „guten Dienste" znrück- zuweisen, t»c ihm von der „Wcstd. Ztg." deS Herrn b>i. Kleser geleistet wurden, so begreift man, warum die Gründer der neuen Partei davon abgesehen haben, dieser den Namen „Bismarck-Partei" :u geben. — Die zweite Partei, die von Herrn von Wildenbruch und einigen Gesinnungs genossen inS Leben gerufen werten soll, steht noch in weiter «ferne. Sie soll erst gebildet werben, wenn sie ein großes Organ besitzt, das die Gründer zunächst schassen wollen. Sie molwiren diesen Plan durch einen Programmcnlwurf, in dem es heißt: „In den weitesten Kreisen unseres Vaterlandes bricht sich die Ueberzeugung immer mehr Bahn, daß die gegenwärtigen Partei verhallnisse Len Anforderungen der Zeit nicht mehr entspreche». Nie besitzen heute noch keine geschlossene Partei, welche die großen Zeitausgaben init Energie vertritt, und, abweichende» Meinungen ui Einzelfrage» Spielraum lassend, mit Recht als Vertreterin der öffentlichen Meinung gelten darf. Einen solchen Sammelpunct zu bilden sür alle gut deutsch Gesinnten, welche eine Gesundung unserer wirthschastlichen, politischen und socialen Berkällnisjc a». streben, ist in neuerer Zeit vielfach versucht worden. Doch dürsten diese B'strebungen im Sande verlausen, da ihnen daS nöthigc Ziel- bewußtsein und di« erforderliche Energie in der Ansagung der brennendsten Fragen der Zeit mangeln. Mit.Halbheiten wird heut- zutage nur dem Anarchismus in die Hände gearbeitet, und es ist höchste Zeit, daß sämmtliche deutsche Volksgenosse», die aus dem Boden der gegenwärtigen Staats- und Gesellschaftsordnung einen gerechten Ausgleich der vorhandene» socialen Gegensätze erzielen wollen, sich zu einer geschlossenen „deutsch-monarchistischen Volk-Partei" zusammenthun. Ten bisherigen nationalen Par- leien soll der Boden nicht abgegraben, sondern den verschiedenen Anhängern derselben nur ein neutraler Sammelplatz geboten werde», aus dem sie sich mit in den Hauptsragcn gleichgesinnten Anhängern anderer Parteien begegnen. DaS schnellste und sicherste Mittel hierzu ist die Schaffung einer großen Tageszeitung." Ebarakteristisck, für diese neue ZukunftSbiltung ist eS, daß einer ibrcr Gründer. Herr I>i. O. von Leixner, in einer Zuschrift a» die „Tägl. Rundschau" erklärt: „Für die Gründung einer politischen Partei besitze ich nicht die ge ringste Anlage, was mich nicht einmal schmerzlich berührt." — Erwähnt sei noch, daß ein Lanbwirtb Ruprecht- Ranscrn, dem die konservative Partei nicht agrarisch genug ist, in der „Landwirthsch. Tbierzuckn" eine dritte neue Partei gründen will, die ausschließlich die Interessen der Großgrund besitzer vertritt. Man ersieht daraus wenigstens, daß der „neue EurS" doch auf einem Gebiete fruchtbar ist. Gras Ta affe bat sich, wie so oft schon in seiner politischen Thäiigkeit, einer arge» Täuschung biugcgebcn, als er nnler allerhand zum Tbcil ganz nichtige» Vorwänden die Reichen- bcracr Stab tvcrtrclnng auslöste. Auslandes erhofften Triumphes hat er bei ben ErncuerungSwahlen eine derbe Schlappe cingeheimst, indem trotz starker Wablbeeinslnssung seitens der RegicrungSorgane zu Gunsten der ministeriellen Eandidatc» die Dculschnationalcii die absolute Mehr heit in der Stattvertrelung behauptet haben. Es ist ein plumper Kniff der ossieiösen Presse, wenn sie jetzt die „Schuld" an dem deutsch nationale» Wahlsiege in Rcichcn- berg der deulsch liberalen Partcilciluiig in die Schuhe schieben will. Diese wirb beschuldigt, sie habe von Prag anS ben Rcichenberger Liberalen die Weisung zugehen lassen, für die nalionalcn Eaiitibalen zu stimmen, um die Einigkeit der Tentschen im Prager Landtag aufrecht zu erhallen: die teutschliberale Parteileitung hat es zwar verständiger Weise vermieten, sich selbst durch eine feindliche Haltung gegen die Deurschnationalc» blvözustcllen, im klebrigen aber den Dingen in Reichcnberg ibre» freien Lauf gelassen. Die Niederlage, die sich Gras Taafse in der ersten Statt DeutschbökmciiS geholt, hat er ganz allein sich selbst zuzuschrciben. ES wird immer deutlicher erkennbar, worauf cS bei ben gegenwärtigen Wirrnissen in Frankreich abgesehen ist: zuerst werten Dcputirlc und Senatoren gestürzt, dann die Minister und hieraus der Präsident, um den Boden endlich sür den zu ebne», der da kommen soll: der Mann mit dem Degen, der Retter der Gesellschaft. Ganz offen wird zetzt der General Saussier als künftiger Eandidat sür die Präsident schaft angcpriesen, und die Presse erörtert riese Candidatur mit vollem Ernst und betrachtet den Rücktritt Earnot'S als ausgemachte Sache, was umsoweniger ohne Wirkung bicibc» kann, je weniger ein Mensch an die Dauerhaftigkeit des jetzige» Ministeriums zu glauben vermag. selbst tic Republikaner messen ihm höchstens einige Wochen zu. WaS soll aber Earnot, wen» baö Ministerium abtrcie» muß? Die Niederlage trifft ibn unmiltelbar, denn er hat dieses selbe Ministerium binnen weniger als Jahresfrist schon vier Mal neu bestellt. Wo soll daö anbcrö hinaus als auf seinen Rücktritt? Sonst licgc» heute über die Ereignisse in Paris keine Nach richten von größerem Belang vor. ES heißt, daß die Enquete - Eommission im Verhör cincS vormaligen Ober- bcamicn der Paiiamagesellschaft erhebliches Belastnngs- matcrial gegen Eottu gesunden habe. Eö bandelt sich »in 3.70 000 Fr„ welche von diesem der Easse unbcrechncr ent nommen wordenwaren. — A» dricn x beschuldigt in derZeitung „Lanternc" den verstorbenen Minister Barbe, ein Haupt- urbeber bei der Paiiamaemission gewesen zu sein. — Einige Blätter halten die Meldung aufrecht, »ach welcher Elcmc» ec au sein Mandat als Abgeordneter »iedcrlcgcn werde. — Dem „Petit Journal" zufolge soll der llnlcrfnchungSrichlcr Franqnevillc infolge der Ergebnisse deS VerlwrS von Earl von LcsscpS beschlossen babcn, Keule die Vorladung von lo weiteren Dcpukirten zu veranlassen, welche bisher in der Panama - Angelegenheit »och nicht belastet waren. — Bei ben von der französischen Regierung beschlossenen Ausweisungen srcmbcr Journalisten scheint eS in der Hauptsache aus eine „Rettung" tcü russischen Botschafters, Herrn von Mohrciikeim, dem »ach- gesagt worben war, auch er habe gegenüber den Panama aeldcrn keine Sprödigkeit bewiesen, dann aber auf die Be seitigung einiger »nbegucm gewordene» deutschen und öfter reickuschen Berichterstatter abgcsebcn zu sein. Von der Maß reget find die Herren v. Wedel, Vertreter mehrerer deutscher Blätter, Alt, jetzt Eorrespondcii» des „Eorricre di Napoli", Trömer, Rctaelcur eines FinanzblalleS, und Szcckelv, Eorrc- spondcnl des „Budapest! Hirlap", betrosse». Der letztere, dem man namentlich schuld giebl, Herrn von Mobrcnbeim „verleumdet" zu habe», erhob bei der österreichisch ungarische» Botschaft Beschwerde gegen seine Verhaftung und Ausweisung. Der Botschafter Gras Hoyos begab sich i» das Ministerium deS Acußeren und halte eine lange Unterredung mit dem Minister DevcUe. Mehrere Pariser Blätter erheben Wider spruch gegen die Ausweisung; sie erklären, das Vorgehen der Negierung sei ein Liebesdienst sür Varon Mohrrüben», cs schädige aber den Ruf der f'ranzösifchcn Gastfreundschaft. In der Fabrikstadt Bradford hat, wie schon gemeldet wurde, die „Unabhängige Arbeiter Partei" i» Eng land unter dem Vorsitze deS UnIcrbauSmilglicdcö Knirhartic eine Vcrsaminlniig aogebaltc», aus deren Verlaus sich klar und deutlich gezeigt hat, daß diese nenbegründclc Partei offen in rein socialistischcm Fahrwasser segelt. Eine lcnnzcichnendc Probe ibrcr Gesinnungen lag in dem zum Beschluß erhobene» Anträge, die Partei gebe darauf ans, sich die ooltcetive Eignerschasl aller ProdnclionSmittcl zu sichern. Die Eonferenz der Arbeiterpartei hat, wie weiter geinclkel wird, außerdem mehrere Vcschiußanträgc angeiiomiiieii, in denen der internationale Ebaratter der Arbeit be tont, dem Proletariat aller Länder brüderliche Be grüßung entboten und die Absicht der Partei ausgesprochen wirk, an der in diesem Iabrc in Zürich siallsiiikcnreii inler nationalen Eonferenz thcil zu nehmen. Angesichts dieser Be schlüsse ist es nur ein Spiet mit Worten, wen» die Ver sammlung zu Bradford den Vorschlag, man solle die neue Partei au? den Rainen „ Soeiatistischc Arbeiterpartei" taufe», mir überwältigenber Mehrheit abzelchnr bat. Die „Morning Pvst" betont mit Schadenfreude, daß Glat- stonr» gesetzgeberische Aussichten sich auch ans die ausgesprochen socialistische Arbcilcrgruppe im Parlamente stützen, und die „Times" findet, daß die Beschlüsse von Bradford sür Glad- stoncS Herrschaft von übler Vorbedeutung seien Die „Daily News" bemühen sich, die Fortcrnngc» der „Unabhängigen Arbeiter-Partei" als ZukuiisiSinnsik hinzustcllcn, die die Sooialistcii nicht hindern werde, an der Beseitigung be stehender Mißstände mitznwirkcn. Ten marokkanischen Dingen wird a»S Anlaß der Entsendung deS neuen englischen Geschäftsträgers Sir West Ridgcway »ach Tanger bezw. nach Fez i» gewissen poli tischen Kreisen von Paris und anderen Orten eine Ansmcrk- samkeit gewidmet, welche zu augcnsällig hcrvortrilt, nm nicht den Argwohn zu erregen, als läge ihr wirklich sonst nichts zu Grunde, als Sorge nm die in Marokko engagirtcii Inlercssen der Evnenrrcnzmächte Englands. Frank reich sowohl wie Spanien, um nur diese Heiden Staaten zu erwähnen, wären allerdings nicht in der Lage, rnbig zuseben zu könne», wenn sich England das ganze Sultanat in die Tasche steckte; allein daran ist auch nicht einmal entfernt zu denken, und zum Ueberflnß hat das englische Eabinct Erklärungen abgegeben, welche die Mission Sir WcstRikgcway'S des EbarakterS, welchen ihm ein übcrempsindlicheS Mißtrauen der Pariser Politiker durchaus beilegen wollte, völlig entkleide». DaS marokka nische Siintciiregislcr erscheint ja neuerdings durch etliche Ausschreitungen subalterner Angestellter gegen einen englischen bezw. spanischen Staatsangehörigen belastet, solche Dinge sind aber auch schon früher vorgekoinmc», ohne daß um ihretwillen die marokkanische Frage ins Rollen gcratben wäre, und bürsten sich noch späterhin wiederholen, ebenfalls obnc baß die Weltgeschichte deshalb aus ihren normalen EntwickclungSgleisen gcricthe — cö sei denn, baß sic von irgend einer Seite, die auf Vorwände zur Inscciiirnng eines Handstreichs lauert, zum will kommenen Aetionssigiial genommen würbe». Run ist aber in politisch sür wobt unterrichtet gellenden Kreisen nicht» davon bekannt, daß das englische oder daS spanische Eabinct im gegenwärtigen Augenblick ans marokkanische Abenteuer in dem Maße versessen wäre, mit kriegsmäßig ausgerüstetem Flottengeschwadcr oder mit Insanteriebriaabc» ihrem bedrohten marokkanische» Prestige zu Hitsc zu eiicn. Mr. Glabstonc hat mir dem Hvmc-Rnlc Prvsccl seine liebe Roth und wäre der letzte Mann, der sich in diesem kritischen ''öcndcpnnete der inneren Politik um Marokkos willen mit Frankreich oder Spanien ernstlich veruneinigte. Auch Herr Sagasta hat für Marokko in seinem Programm keinen »cnncnSwcrthon Spielraum gelassen — so bleibt denn nur Frankreich aus dem Platze, und die Muthmaßung, daß der ganze marokkanische Spcclakel in der Hauptsache darauf binauSlausc, der schwer bedrängten Negierung der Republik mo mentane Entlastung zu schaffen, kan» nicht so ohne Weiteres von der Hank gewiesen werden. Als Rothbehels der sranzösischcn Politik hätte die marokkanische Intriguc zwar auch eine Bcdcnlung, aber kaum eine internationale, sondern höchstens eine pathologische, und zwar für die immer höher anschwctlcndcn Verlegenheiten der Machthaber in Paris. — Nach neueren Meldungen will Spanien so viele Kriegs schiffe an die Küste von Marokko abschicken, als englische Kriegsschiffe nach Tanger entsendet werden. DaS Ge schwader von Eadip soll erst in See stechen, wenn ein englisches Geschwader a» der marokkanischen Küste erschiene: vorläufig soll nur ein Kriegsschiff dahin gehen. Bia» wäre in Spanien nicht abgeneigt, tnrch ein Hand- iiihaiidgebe» mit England ben Franzose», welche Spanien handelspolitisch ebenso »»freundlich behandeln, wie Italien und die Schweiz, einige Verlegenheit ;» bereiten, aber England scheint doch gerade mit Rücksicht ans Frankreich einen möglichst geringen Aufwand äußerer Machtmittel entfalten zu wollen, n»d so nimmt die marollanischc Angelegenheit vorläufig, äußerlich wenigstens, eine» ruhigen Verlauf, uni so mehr, als die marokkanische» Behörden sich zunächst beeilt haben, in den vrcimcnbcil Einzctsragen nachzugeben. Deutsches Reich. «7 Berlin, 10. Januar. In keinem Iabrc »och sind so viele Interpellationen in: Reichstag cingcbrackt worden, wie in diesem Winter. Nachdem eben drei volle Tage lang über die soeialrciiiokratisckic NotlistanbS Iiitcrpcllation ver handelt worden, siebt ans der morgigen Tagesordnung wieder eine Interpellation über die beabsichtigten Ahäuderungcn des amitichen WaarenvcrzcichnisscS z»m Zoll tarif. Wir sehe» damit in diesem kurzen Abschnitt der Session nicht wcnigcr als sieben Interpellationen und einen schleunigen Antrag fEinslcllung des Strafverfahrens zzegeii Ahlwarkt' zur Verhandlung kommen, womit zehn Oage oder »abczu die Hälfte aller Sitzungen zugc- brackit werden. DaS scheint »nS daö Maß etwas zu über schreite». welches sür die Erledigung wichtiger anderer Geschäfte und Aufrcchlerhallnng eines zweckmäßigen Arbeits planes beobachtet werden muß. Es darf nicht übersehen werde», daß die Bevorzugung der Interpellationen in der geschäftliche» Vchanolung der Voranssctzniig entspricht, daß mir wirklich dringende lind nnausschicbbaro Angelegenheiten ans diese Weise zur Verhandlung tomnicn sollen, nicht aber Gegenstände, die ganz gut aus den Weg der gewöhnlichen Anträge verwiesen werden könne» und bisher immer darauf verwiesen wnrdcii. Berlin, I«:. Januar. Scbamroth wäre die südwcst- afrikanische Gesellschaft geworden, hätte sic solche Eonecssioncu Feuilleton. Für die Ehre der -Familie. Roman von Clarissa Lohde. Nichtnick verböte». (Fortsetzung.) „Sie ist leider wieder lebendig geworden!" seufzte der Varon. „Weil unser hochverehrter Herr Commcrzicnralb in seiner P:elät gegen den Verstorbenen sie künstlich tobten wollte!" rief der Ingenieur. „Hätte er baS nicht getban, sic hätte niemals eine solche Macht über die beiden Mätcken gewinnen können, denn nichts Geringeres als die Stimme einer wie aus dem Grabe auserstanbenen Mutter konnte sie zn so heimlichem räthselhaften Tbun verlocken." „DaS man nur tief beklagen kann", seufzte der Assessor. „Ich finde die Schwestern darum nur um so liebenS- wertber." „Sic sind mein Mann!" rief Spcrncr und schüttelte dem Ingenieur warm die Hand, „eö giebl Lagen im Leben, wo eS weit chrenbaster ist, einen Schrill vom Wege gewichen zu sein, als sich correct auf der geraden Straße gehalten zu haben." „WaS gedenken Sie zu thun?" warf Arnold fragend ein, ohne aus das berührte Thema einzugeben. „Alles aufrubieten, um sie zu finden!" entgegnet« Becker voll Feuer. „Und wir werden sie finden, denn der Liebe ist Alles möglich! —" Becker sprach es mit einer Offenheit, die ihm daS Herz de« BaronS vollends gewann. „Verbünden wir uns. sie zu suchen und geben wir ge meinsam anS Werk!" fuhr Becker fort und bot dem Assessor die Hand, die dieser gesenkten Haupte» ergriff. „Topp", rief Spcrncr, seine Hand hinzusügenb, „lassen «ie auch micy dabei sein. Gill eS doch, tic Schwestern meiner Adele wicberzusintc» Und Du, Pauk", wandte er sich zu dem in Gedanken verloren Dastehende». Der Maler ,„l,r bei dieser direkten Anrede zusammen und wechselte ein wenig die Farbe. Seine Gedanke» weilten bei Oktavia. Sein ihr gegebenes Wort durste er nicht breche», auch nicht um der Schwestern willen. Und halten diese nicht Helfer genug? „Natürlich helfe ich —" entgegncte er, sich samniclnb, „doch scheint cS mir am gebotensten zu warten, bis dieser Halunke von Amerikancr sich melket, dem cS bei der ganzen Angelegenheit doch nur auf Erpressung von Geld ankommcn dürste." Ter Assessor machte bei diese» Worten eine abwcbrcndc Bewegung, als wolle er etwas Unreines, das ibm nahe ge treten, von sich abschütteln. Seine vornehme Natur litt pein lich unter dieser Berührung mit der Boheme, die sich wie ei» häßliches Gewürm an die Fersen seiner lieblichen Braut bestctc. — Die Mutter eine Unwürdige, ihr Gatte ein Abenteurer und Elsbeth unter ibncn. Dieser Gedanke konnte ihn wahnsinnig machen. — Und dennoch mußte er dem Maler recht gebe». DaS Beste war, zu warten; waS aber konnte während dessen Alles geschehen? — „Tbnn wir die Schritte, die notbwenbig sind", sagteer.— „Wir könne» unmöglich in Geduld uns fassen, wo so viel auf dem Spiel steht." Er griff nach seinem Hut, die Anderen folgten seinem Beispiele, um den Spuren der Entschwundenen weiter nach- zuforschen. II. Eapitel. In später Abendstunde erst kebrle Arnold in sein Eltern haus zurück. — Alle Nachforschungen, die er im Verein mit den andern Bcthciligtcn unternommen batte, waren resultat- loS geblieben. Zuletzt war man nbereingekommen, baß cS baS Richtigste wäre, abzuwarten, bis Herald sich selbst melden würde, um den klingenden Lohn für das Wiederbringcn der Vermißten einziisordern, da cS ja keinesfalls in seiner Absicht liegen könne, sich nnt der Sorge sür die Eristcnz der beiten ZwillingSköchtcr seiner Frau zu belaste». Im Stillen hoffte der durch die GcmütkScrrcgungcn deS Tages kies niedergedrückte junge Man», er werde seine Elter» nicht zn Haufe antreffen, und so für diesen Abend wenigstens peinlicher Erklärungen überboben sei». — Hatte er doch noch nie daS Bedürfnis; der Samnilniig so gefühlt, wie gerade beute. — Nicht allein, baß er sür baS geliebte Mädchen zitterte, nein, er grollte ihr auch im Herzen über ibre Unbesonnenbeit, er grollte zudem mit dem Schicksal, daS Elsbeth die Tochter einer Mutter sein ließ, auf deren Lebe» so dunkle Flecke hafteten. — Würden sie sich vor der Welt verbergen lasse», jetzt, da die vermeintliche Tvdte so abenteuerlich wieder a»s- gctancht war, da die Komödie einer Entführung ausgcsührt worden, die selbst die Polizei in Thäiigkeit gesetzt halte? — Wo so viele Menschen Zeugen geworden, würde cö nicht lange dauern, bis die Spatzen cs von den Dächern pfiffen, daß die jungverloble Braut dcö Assessors von Engelhard, während er amtlich verreist gewesen, aus dem Hause der Pslegccltcrn verschwunden, daß sic mit einem fremden Manne auf der Eisenbahn in die Rack,l binausgcfabren sei. Diese Geschichte mit der Mutter, und baß der Entführer ibr Stief vater gewesen, glaubte man vielleicht gar nicht. — O. Arnold kannte die Welt, er kannte sic nur zu gut, »nd er sab schon im Geiste das heimliche Achselzucken, daS ungläubige Lächeln, mit dem man ibm und Elöbctb begegnen würde. Der Hauch der Unberührtheit, die ibn so entzückt hatte, war ibr durch diese leidige Begebenheit entrissen, etwas Häßliches bastele a» ihr — und er, der auf seine fleckenlose Ehre stolze Mann, empfand daS mit Pein. Er hatte den Drücker zur Corridortbnr leise ins Schloß gesteckt, nnd glaubte nnbcmerlt sei» Zimnicr erreiche» zu können; aber das Lkr der Mutter, die zu Hanse war, börte sogleich den wohlbekannten Schritt. Die Tdiir des Speise zimmers wurde aiisgestoßen, unk mit der Lampe in der Hand trat die Präsidentin ihm entgegen. „Arnold, Tu?" rief sie erschreckt. — „WaS ist geschehen? Warum bist Du so rasch zurück?" — Auch der Präsident, der mit seiner Gattin eben den Tbcc nahm, hatte sich crbobe». Arnold suchte ruhig zn erscheine». „Ich werbe Euch Alles erklären. Eine» Augenblick nur gestattet, baß ich mich in meinem Zimmer etwas er hole — „Der Thce ist »och warm. — Trinke erst eine Taff«: Tn siebst angegriffen auS —." Er wehrte »nt rascher Handbewcgung ab. „Ich komme gleich." In seinem Zimmer aiigelangt, warf er sick i»S Sopba und deckle dce Hand über die Auge». Er überlegte, wie er aus die wenigst verletzende Weise ben Eltern baS Geschehene miltheileii tonne. — Aber cs wollte sich der rechte Ausdruck nicht so rasch finden. — Endlich faßte er dock, Muth, c« mußte geschehen; und sich erbebend, ging er festen Schrittes in daS Speisezimmer. Die Präsidentin blickte voll Besorg nis;, der Präsident mit flnmmcn Forschen in deS SobncS bleiches Antlitz. Trotzdem wurde, so lange man bei Tische saß, und das bedienende Märchen ab und zu ging, keine Frage a» ilm gerichtet; erst als man sich crbobe», forderte der Präsident ibn aus, mit >» sei» Zimmer zu gehen. Arnold folgte dieser Aufforderung schweigend, den Blick finiter zn Boden gerichtet, die Lippen fest aufeinander ge prellt. Ter Blick der Mutter, die an seiner Seite blieb, verließ ihn nicht, bis er im Studirzimmcr bcS VatcrS den Ellern gegenüber saß Wie ein Schuldiger ging cS ihm tnrch den Sinn, ja schlimmer als ei» Schuldiger: denn was er zn berichten hatte, betraf ja »ick,t ibn, sondern die, die ihm Höker galt als daö eigene Selbst, die Geliebte seines Herzens, seine Braut. „Nun?" fragte der Präsident in scharfem To» ben noch immer wortlos vor sick, hin Brütenden, „jetzt dächte ich, wäre cS wohl an rcr Zeit. Deiner Müller »nd mir endlich ben Grund Deiner plötzliche» Rückkebr auS dem auf mindestens acht Tage festgesetzten Eommissorium in Frank furt milzntl,eilen. — Halt Du Differenzen »nt Deinem Ebef qcbabt — oder bat sick, sonst etwas Besonderes ereignet? Du siebst »nS Beide auf's Höchüc bennrutngt." „Du kannst Dir denken, lieber Vater", cnlgcgnetc Arnold im», de» Blick ciiiporhebcnd n»b ihm fest ins Auge sehend, „wie sehr ick, es bedauert bade, gezwungen zn sein. Euch diese llnrubc zu bereite». Leider lag cS aber außerhalb mciiier Macht, sie Enck> z» erspare». Tenn Du bast richtig gedacht, mir etwas ganz Besonderes konnte mich veranlassen, vor Ab» Wickelung der mir ansgctragencii Arbeiten meine Bcurlanbung
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