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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.01.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-01-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950110028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895011002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895011002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-01
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vezugS-Prei- 8» H» h»«ptexp»diti»n oder de« im S44-t» -e»bck de« Vororten errichtet»» Aus« ^i»I«»ad,,h,lt: vierteljLhrllch^S.StX »et z»«tmalia«r täglicher Zustellung tu« Hl»«» LchO. Durch di« Post bezogen für Deutschland «nd Oesterreich: viertel,thrltch 6.-—. Direkte tägliche Kreuzbandirndung WA Ausland: monatlich ^ ?.vv. DI«Morgen.Au»gabr erscheint täglich '/,?Uhr, dt» Abeud-Autgabr Wochentag» b Uhr. Nrd«rtto» vn> ErpeLitiou: A»tza«»e»«asse 8. Dt» Expedition t-Wochentag» ununterbrochen »Hstal »o, früh 8 bi« Abend» 7 Uhr. Fittelen: ivtt» Me««'» Gort««. («lfretz -atz«), U«iversität»strahe 1. Lo«i» Lösche, Entharinenftr. ich part. und »önlg-platz 7. Abend-Ausgabe. Anzeiger. Lrgiln für Politik, Localgcschichte, ßimdels- «nd Geschäftsverkehr. Sl«zeige«-Prei- dir 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. ßieclamrn unter demRedaction-strich (4go» spalte«) S04. vor den Famtltennachrichte» (6gespalten) «Och. Größere Schriften laut unserem Preis« »erzrtchniß. Tabellarischer und Zissernsatz nach höherem Darts. Lrtrn-Vellagen (gefalzt), aar mit d«, Morgen »AuSaabr, ohne Postbrsörderua, ^4 60.—. Mlt Postbesörderuag ?V—. Annahmefchluß für Anzri-e«: . «bend-AuSgab«: vormittag» »0 Uh». Morgen-Autgabe: Nachmittag» 4lichr. Sonn, und Festtag» ftüh '/,« Uhr. Sei den Filialen und Annahmestellen j, «in» halbe Stunde früher. Anzeige» sind stets -u dt» Expedition zu richten. Druck »nd Verlag von E. Polz in Leipzig Donnerstag den 10. Januar 1895. 8S. Jahrgang Politische Tagesschau. * Leipzig, 10. Januar. Die gestrige Fortsetzung der ersten Berathung der Umstnrz- pnrlage im Reichstage hat gezeigt, daß es überaus schwer werden wird, der Borlage eine Fassung zu geben, der eine Mehrheit der Abgeordneten zuzustimmen vermag. Die Freunde des Abg. Frhrn. v. Stumm wünschen eine möglichst scharfe Fassung, die zugleich fast ausschließlich die social demokratischen und anarchistischen Bestrebungen trifft; der ErntrumSredner Gröber und seine Parteigenossen wollen ganz Andere-: ein Gesetz, daS die dem (Zentrum bequeme Agitation und Kritik möglichst unbehelligt läßt, aber um so schärfer da« trifft, was die (Zirkel des Ultramontanimus stört. So sagte Herr Gröber nach dem Berichte der „Köln. Ztg.": „Dir ganze Fassung de- 8.130 läßt wiederum erkennen, dar. man nur da», was dir kleinen Leute sagen, treffen will. Di» Redner tu den kleinen Volksversammlungen sind nicht zum hundertste» Theil so gefährlich und so schuldig wie die Redner auf dem Katheder. Das Beispiel von oben ist viel verführerischer. Was ein Professor mit einem ganzen Wust von Citaten, einem Heuwagen voll Belegen vorbrlngt, das imponirt dem Deutschen viel mehr, als was ein einfacher Mann mlt bloßer Bolksjchulbildung spricht. Redner führt als Beispiele für die Gefährlichkeit der Professoren ein Gutachten des Jenenser Professors Ernst Hackel an, worin die unbeschränkte akademische Freiheit „ohne Rücksicht auf religiöse Vorurrheile" gefordert wird, ferner Citate aus Schriften von den Berliner Professoren Döring und Förster. Ersterer hat die Lehre von der Dreieinigkeit als nicht weit vom Polytheismus entsernt be- zeichnet. Die Ansichten über die Entstehung der Ehe, die die Schriften der Darwinianer mit den asfenähnlichen Vorfahren durch ziehen, weichen von den unjerigen wesentlich ab. (Heiterkeit.) Die gelehrten Werke bilden das Arsenal für die Herren Socialdemokraten (Ahal links. Beifall.) Würde die Vorlage Gesetz, so müsste sie zu nächst aus die vom Staate bezahlten Professoren angewandt werden. Die Rettung liegt darin, daß die Religion dem Volke erhalten bleibt. Wir treten auch gern mit in die Schranken für Religion, Sitte und Ordnung gegen den Umsturz. Zuvor verlangen wir aber, daß für diesen Kanlpf unsere gebundenen Hände freigemacht werden." Also völlige Freiheit für die Jesuiten und ihre Lehre, da gegen scharfe Gesetze, welche den „Rednern ans dem Katheder" da« freie Wort beschneiden. Aber das ist noch nicht das Lehrreichste in seinen Ausführungen. Er zeigte auch, welche Auslegung die vorgeschlagenen Bestimmungen von richter licher Seite finden können. Nach dem schon citirten Berichte sagte nämlich Herr Gröber: „Das Anpreisen aller Verbrechen soll strafbar sein, die über Haupt jemals io der Welt begangen worden sind, im In- und Nus lande, vor und nach der Sündfluth. (Heiterkeit.) UnS könnte das za in mancher Beziehung recht sein. Den Katholiken würde es dann erspart bleiben, sich dagegen zu wehren, daß ein Mord brenner, rin schwedischer Franctireur hier in Deutsch land verherrlicht wird (lebhafte Zustimmung im Centrum große Unruhe rechts und links), wie wir es im letzten Monai haben erleben müssen. (Fortdauernde Unruhe.) Das würde unter den Begriff der Anpreisung des Hochverraths fallen." Herr Gröber selbst ist Richter. Würde die Vorlage, so wie sie ist, Gesetz, so würde also auch Herr Gröber als Richter sich verpflichtet halten, Diejenigen zu verurtheilen, die angeklagt würden, den „Mordbrenner" und „schwedische» Franctireur" Gustav Adolf in Deutschland zu verherrlichen Die Commission, welcher die Vorlage überwiesen werden wird wird dieses Zugeständniß ganz besonders in Erwägung ziehen müssen. Herr Gröber steht mit dieser Auffassung nicht allein, da« bewies die Zustimmung, die ihm von seinen Partei genossen gezollt wurde. ES ist also anzunehmen, daß Herr Gröber auch unter den richterlichen College», die zur CentrumSpartei sich zählen, für seine Interpretation der auf die Verberrlichnng von Verbrechen und ihrer Tbäter beziig- icheu Bestimmungen der Vorlage Zustimmung findet. Die von dem Abg. Prof. vr. Hasse mit Unterstützung der nationalliberale» Fraction eingeb, achte Inter pellation: „Was gedenkt der Herr Reichskanzler zu thnu Angesichts der vielfachen Klagen über den mangelnden Schutz Vcr Deutsche» im Auslände, insbesondere in Central amerika?" wird in der ganzen deutsche» Presse, soweit in ihr überhaupt nationales Bewußtsein zum Auöbrucke kommt, mit Freuden begrüßt. „Wenn daö Vergeben der national- iberalen Partei" — so schreiben z. B. die „Hamb. Nacbr." — „in letzter Linie auch durch die bekannte» Vorkommnisse in Centralamerika veranlaßt sein mag, so bilden sie, wie aus den Umständen und der allgemeinen Bezeichnung deö Gegen standes der Interpellation bervorgebr, doch keineswegs den alleinigen Grund derselben. Die Empfindung, daß die deutsche» Interessen im Auslande erforderliche» Falls nicht mebr das frühere Maß vv» energischer Verlrekung fänden, batte sich schon bald nach dem Amtsantritt des Generals Caprivi als Reichskanzler weiter Kreise bemächtigt und unseres Er- inuerns ibren ersten Ausdruck gegenüber der Saumseligkeit bei Entsendung deutscher Kriegsschiffe nach den chilenischen Gewässern gefunden. In Felge der fortdauernden Abneigung des Grafen Caprivi gegen entschiedenes Auftreten de» ausländischen (Übergriffen und Rechtöbriichen gegenüber hat daS Gefühl, durch das Heimalhland nickt mehr ge nügend gegen fremde Willkür und Ungesetzlichkeit geschützt zu sein, bei den verschiedenartigsten Anlässe» >n»»er neue Ver tiefung bei unseren auswärts lebenden Landsleuten erfahren. Das einheimische Nativnalgcfühl ist dadurch in immer stärkere Erregung versetzt worden, sodaß eS sehr begreiflich erscheint, wenn jetzt die central-amerikanischen Vorgänge znr Einbringung einer entsprechenden Interpellation gcsübrt haben. Die Nationalliberalen verdienen für ihr Vorgehen den Dank sowohl aller deutschen Patrioten, wie auch de» der Regierung, die auf diese Weise Gelegenheit erhält und hoffentlich davon Gebrauch machen wird, ihre volle Entschlossenheit zum Bruche mit den Caprivi'schen Traditionen thunlicksten Nicht cinschreitcnö bei fremder Vergewaltigung deutscher Staats angeböriger und deutscher Interessen zn declariren. Soll dieselbe demnächst in die Thal nmgesetzt werden und ist dazu eine Neubesetzung verschiedener Posten im Ressort deS Aus wärtigen AuucS nöthig, so wird man bei der Entschiedenheit, welche wenigstens hinsichtlich der Personalveränderungen an der Tagesordnung ist, erwarten dürfe», daß „ist der Verab schiedung der betreffenden Beamten nicht gezögert wird." In Ungar» stößt dieCabinetöbildnng ans Schwierig kciten, die auf die Unmöglichkeit, eine Fusion der ausgleichs freundlichen Parteien zu bilden, zurückznführen sind. Hätte Graf Khuen sich keine andere Aufgabe gestellt, als ein Ministerium Wekcrle aus anderen Personen zu bilden, dann hätte er dieselbe wahrscheinlich schon gelöst. Für diesen Fall hätte die liberale Partei mit Einschluß der gestürzten Minister ihm ihre Unterstützung bedingungslos zugesichert. Aber es wird immer denk licher, daß die Aufgabe, welche dein Grafen Kbuen znfiel, keines wegS so einfach ist. An dem Tage, a» welchem das Ministerium Wckerle dem Reichstage seine Demission ankiuitigte, erklärte der liberale Secessionist Graf Szapary es als seinen Wunsch, daß nunmehr eine Vereinigung aller aus der staatS rechtlichen Grundlage vom Jabre 186? stehenden Parteien zn Stande kommen möge, und diese Erklärung hat die allgemeine Aufmerksamkeit erregt, denn es war anznnebmen, daß, was Graf Szapary aussprach, nicht blos sein Wunsch, sondern auch der Wunsch der Krone sei. So bildete denn auch in der letzten Conferenz hervorragender Mitglieder der liberalen Partei die Fusionsfrage den Hanptpimct der Deratbung, an welcher auch Graf Khuen Theil »alnn. Die Verhandlungen zerschlugen sich aber, denn die liberale Partei steht nach wie vor ans dem Standpuncte, daß Jeder, der ihr Programm vorbehaltlos accepliren und in ihre Reihen eintretcn will, ibr willkommen ist, aber die Fusion lehnt sie ab, weil diese mit der Integrität deö Programms nicht vereinbar ist. Nun mehr war nur zweierlei möglich: Entweder der znr Cabinels- bildung berufene Staatsmann verzichtete auf die Parteien- vereinignng, was aber den Intentionen Kbnen's und wahrscheinlich auch denen deö Königs zuwider ist, oder er versuchte, die Unterstützung seines Ministeriums außerhalb der liberalen Partei zu gewinnen, was einen völligen, von der Krone nicht gewollten Unistnrz der traditionellen „„Hänschen Politik bedeutete und die Auflösung des Reichstags nöthig machen würde. So blieb dem Grasen Khuen nichts übrig als nach vierzehntägige» Verhandlungen igln, zweiten Male zu erklären, daß er nicht im Stande sei, die ihm übertragene Mission durchzufübreii. Welche» Auöweg der König noch finden wird, läßt sich »och nickt abschc», aber die Meldung, daß wieder ans Banssy zmückgegnffen werden soll, scheint anzndeuten, daß die Krone schließlich dock auf den Gedanken der Fusion verzichten und ein rein liberales Cabinek accepliren will, denn nur für die Bildung eines solchen dürfte Banssy, der enge persönliche Beziehungen zu Meckerte und Szilagyi hat, zn haben sein. In der französischen Deputirtcnkammer hat gestern die Neuwahl des Präsidiums stattgesunden. Das Ergebniß ist für die gegenwärtigen Verhältnisse im Palais Bourbon überaus bezeichnend. Brisson, rer (Zandidat der Radicalen und der mit ihnen verbündeten Socialisten, der schon vor einigen Wochen nach Bnrdeau's Tode unter dem Jubel der hochrothen Opposition auf den Präsidentensessel erhoben worden war, wurde mit 2?2 von 3l0 abgegebenen Stimmen in seiner junge» Würde bestätigt; da aber die Kammer, wenn sie vollbesetzt ist, 581 Mitglieder zählt, so haben nicht weniger als 2?4 Abgeordnete der Abstimmung sich enthalten. Für Brisson, der sich nicht einmal rühmen darf, auch nur mit der knappsten absoluten Mehrheit — eS würden dazu mindestens 293 Stimmen gehört haben — gewählt zn sein, ist dieser kampslvs errungene „Sieg" nicht gerade ehrenvoll; er ist ein Sieger von der traurigen Gestalt, ein Präsident ohne mora lische Autorität. Für die Gemäßigten aber, die, wie die Zahlen zeigen, bei einiger Disciplin und Energie sehr wohl >m Stande gewesen wären, im Verein mit der Rechten der oppositionellen Linken und ihrem Vertreter die Spitze zu bieten, ist daS Wahlresultat geradezu beschämend, und die Phrase der ossiciösen Organe, die Wahl des Präsidiums sei eine interne, die gonveruementalen Kreise nicht berührende Angelegenheit der Kammer, ganz unverständlich. DaS An sehen der Regierung hat durch diesen Vorgang nicht ge wonnen; denn er zeigt klar und unzweideutig, daß zwischen d m Cabinet und der parlamentarischen Mehrheit die rechte Fühlung verloren gegangen ist, daß dasselbe seine bisherige Kammer-Gefolgschaft nickt mehr fest in der Hand hat. Unter diesen Umständen erscheint der Entschluß deS Ministeriums, dem Anträge auf Freilassung des soeben zum Dcpntirten ge wählten Socialisten Görault-Nichard, der wegen Beleidigung des Staatsoberhauptes zn einjährigem Gefängniß vernrtbeilt Worden war, ein entschiedenes Veto enlgegenzusctzen, einiger maßen gewagt. Die Abstimmung über diesen Antrag könnte leicht zu einer Krisis führen. Mit der italienisch-französische» Votschastcrasfairc steht die noch vor der Ähbernfnng Reßmaun'ö aus Paris ersolgle A n s - weis u n g des Journalisten Harcours in engstem Zusammenhang. Dieselbe machte sich, wie versichert wird, nöthig nicht wegen rüher von Harcours verübter Schwindeleien oder seiner ournalistischen Tbätigkeit, sondern wegen Verdachts politischer Spionage im Dienste deS französis chen Botschafters Billot. Die bei Harcours beschlagnahmten Papiere sollen be wiesen Haben, daß die Fehde gegen Crispi von Paris und dem französischen Vertreter in Rom unterstützt wurde. Hierauf bezieht sich ein Artikel der „Tribnna", der sich mit der allzu weit gebenden Eiii»iischi„ig der französischen Presse in die inneren Streitfragen Italiens beschäftigt. Namentlich das „Journal des DsbatS" und der ofsiciöse Pariser „TempS" haben in der Tbat eine förmliche Campagne gegen Crispi ein- geleilet. Dieses Auftreten hat in Rom zwar einiges Ans ehen erregt, aber sicher nicht die gewollte Wirkung gehabt, veil man die italienseindliche Absicht merkte. Die „Tnbuna" -alt nun den Augenblick für gekommen, um anzudeuten, daß die „Fabrikation der Artikel und Nachrichten, die von Rom ans in das Ausland gesandt würden, um in Gestalt von Rathschlägen und Warnungen zurückzukehren, seit einiger Zeit außergewöhnlich lebhaft geworden sei", wogegen sich vom Slandpunct des Rechtes und des Anstandes nichts weiter cinweildcn ließe, „wenn nicht die Eingebung dieser inter nationalen journalistischen Campagne von einer Person in amtlicher Stellung anSginge". Vorsichtshalber läßt daS Blatt einen Lesern die Wahl, den Inspirator der criSpiseindlichen ranzösischeu Presse nnter den Ministern, Generalen und Diplomaten zu suche»; genieint ist aber der französische Bot chafler. Personen, die in den letzten Tagen »nt CriSpi ge brochen haben, versichern, daß die Gleichgiltigkeit, die er an fangs alle» Pießaiigrisfen, namentlich den französischen, ent gegengesetzt hatte, ihn nach den denuncirenden Artikeln des „Tcmpö" verlassen habe, da dieser ihm klar gemacht habe, daß die vssieieUen Kreise Frankreichs seine Bemühungen im Interesse der Annäherung und des Friedens nicht anerkennen. Eine directe Betheilignng Billot'S an den Versuchen, Crispi unmöglich zu machen und zn diesem Zwecke auch die Krone gegen ihn einzunehmen — waS natürlich nicht gelungen ist —, wurde schon früher vermuthet. Jetzt sollen die Papiere, die bei dem jüngst ausgewiesenen fran zösischen Geheimagenten, der sich Harcours nannte, beschlag nahmt worden sind, den bestimmten Beweis für crispifeind- liche Machinationen im Palazzo Farnese geliefert haben. Der sogenannte Harcours ging, obwohl früher in Frankreich wegen Schwindeleien vernrtheilt, in der französischen Bot schaft aus und ein: er verkehrte hauptsächlich unter dev französischen Cvrrespvndrnteu und in oppositionekleid italieni schen Journalistciikreisen und wurde von der politischen Polizei längst für einen Zuträger der Botschaft gehalten. Seine Ausweisung, für die kein bestimmter Grund angegeben worden ist, war in erster Linie eine Warnung an die Adresse deS Botschafters Billot, deS einzigen fremden Vertreter«, der kein Wort des Bedauerns über die gehässigen Angriffe auf den Ministerpiäsidenten gefunden hat. Deutsches Reich. * Leipzig, 10. Januar. Unter der Ueberschrist „Vacanzen im Reichsgericht" bringt die „Nationalzritung" in ihrer Morgen-Ausgabe vom 9. d. einen Artikel, der Manches enthält, was Beachtung verdient. Im Eingang ist gesagt: „Jede Besitzung einer im Reichsgericht frei gewordenen Nichter- stelle nimmt mit Recht erhebliches Interesse in Anfpruch. Bei diejer oberste» richterlichen Behörde findet der Streit der Parteien, finden die Einwönde der Angefchuldiglen ihre letzte Würdigung, und die Aussprüche dieses zur Ueberwachung richtiger Gejetzcs-- auwenduug gcichasfeucn Tribunals gebe» den Unter» und Mittel» Instanzen Ziel und Richtung. Daß die Art, wie diese hohe Auf» Feirilletsir. Graf Jarl. 8) Roman von Hermann Hetberg. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Hier angrkommen, lehnte sich Eva an ihre« Onkels Brust und sagte: „O, daß ich Dich so vor mir sebek Nun ist Alles gut. Nun bitte, erzähl' mir erst einmal rasck, wie'S gekommen ist. DaS ist doch ein schreckliches Unglück. Und sag': Ist wirklich Alle« dahin? Ist'S so, wie Du schreibst?" Daß Du übrigens von Brand's Pfote schriebst, sieht Dir ähnlich. — Du bist eben Du." „Nun ja, mein kleiner Schatz, meine liebe Eva — eS wäre ja angenehmer, wenn'S nicht geschehen. Aber Thränen ver gieße ich deshalb nicht." „Beunrubige Dich also um meinetwillen gar nicht. Vielleicht gestattest Du, daß ich auch Dir fortan Clavier- stunden ertbrile. Die Sache geht allernäckstenS vor sich, sobald ich von Horst, wohinläch wegen der Gesammtübergabe reisen muß, zurückkehre." Eva sagte nicht«, sie bewegte nur still den Kopf. Daß ihr Onkel, der noch vor einigen Tagen von der ganzen Welt Beneidete, Musikunterricht geben sollte, wollte ihr vor Allem nicht in den Kopf. „Mama meint, daS sei ein Eigensinn von Dir! So schlimm werde eö nicht sein —" „Ja, Deine Mama, Eva! Die wird überhaupt keine zufriedene Miene aufstecken." „Wenn unsere Freundschaft nur nicht ein Loch bekommt! — Ich fürchte. Und wir müssen uns auch jetzt hinüber begeben! Komm, mein kleines Mädchen —" „Adam." — Sie sprach'« und blieb noch stehen, während er vorwärts schritt. „Nun?" „Mit mir wirst Du aber nicht die Freundschaft brechen? Wie? Sag'- mir! Von mir wirst Du nicht denken, daß — daß —" „Ich weiß, mein thenreS Kind, WaS Du sagen willst! Nein, auf Dich vertraue ich wie auf den Schöpfer. Ich bin Dir sehr» sehr gut —" Cr zog sie an sich und küßte ihren feinen Kopf. Aber während eS geschah, ward die Thür geöffnet und die Gräfin sah mit einem suchenden Blick ins Zimmer. Sie wollte sich auch schon wieder znrückziehen, als sie aber die beiden in dieser Umarmung bemerkte, veränderten sich ihre Mienen, und in sehr frostiger Art stieß sie heraus: „Na, waS ist den» daS? Ibr? Und Du Avam —" Und dann ein gewisses Kopf-Zurückwerfeu, und ein sehr strammer Blick von oben herab, durch den sie Eva fortsandte. Das junge Mädchen entwich nebenan ins Speisezimmer, die Gräfin aber trat mit dem Besucher, nachdem sie nur zögernd ihre Hand zur Begrüßung geboten, hinüber zu dem Obersten. Er lag in seinem prächtigen Arbeitszimmer ans einem Divan, rauchte aus einer Meerschanmpseife und laS die Zeitung. Er sprach sogleich sehr erregt auf Graf Adam ein, aber mehr vorwurfsvoll, als von irgend einer Theil- nahine erfüllt. Jarl steckte dagegen eine Miene ans, als ob er nicht ver stehe, weshalb sich sein Schwager so beunrubige. Er wollte ein Gewisses von oben herab, daS in dem Ton der Stimme seines Verwandten znm Ausdruck kam, von vornherein zurück- weisen. Seine Schwester hatte sich wortlos, offenbar ent schlossen, erst einmal zu hören, cbe sie da- Gericht über ihn eröffnet«, auf einen weichen Polstrrstubl neben dem Fenster gesetzt. Sie glich, wie sie sich so »iederhockte, einer düsteren JnquisitionSgcstalt. Ihre Mienen waren nichts weniger als liebenswürdig. „In erster Linie", gab Graf Adam mit edler Gelassenheit zurück, „alterirt Euch nicht, wenigstens um meinetwegen nicht. Ich schrieb Euch ja bereits, daß ich mich getröstet babe. Ich bin dnrchanS heiteren Sinne« und denke lediglich, wie ich mir mein Leben künftig am besten gestalten kann." „Allerdings unbegreiflich, diese Gleichgiltigkeit! — Nimm mir das nicht übel", gab Campe, ein Mann mit gemütblosen Gesichtszügen und kalten Augen zurück. „Schon desbatb, weil — weil — doch nickt nur Du, sondern dadurch dir anze — Familie den schwersten Nachtheil erleidet. Und öffentlich bestätigt sich die fatale Zeitungsnotiz und das allgemeine Gerücht nicht, daß Du wirklich Clavierlehrcr we"de„ willst?" „Ja, daS bestätigt sichl" entgegnete Jark, die unzarte An spielung, daß man ihn als Erbonkel angesrhen habe, vornehm übergebend in derselben ruhigen Weise. „Pardon — mit Deiner Erlaubnißl" unterbrach er sich, griff nach Cigaretten und entzündete davon eine mit einem Gleichinutb, der die reizbare Stimmung seiner Schwester keines wegs milderte. „Ja", wiederholte er, „daS ist die Wabrbeit. Ich babe a»fs Sorgfältigste überlegt, waS ich kan», womit ick wirklich Aussicht babe, mir ehrlich mein Brot zu verdienen und immer wieder gelange ich auf diese Tbätigkeit. Ich liebe Musik über Alles. Daß ich darin ein wenig leiste, wißt Ibr; so wird eS sicher geben. Vielleicht gelingt's später, eine größere Carriöre zu macken — (Zoncerte zu dirigiren oder solche zu geben. Ich werde seben! — Etwas Anderes zu wählen, weun'S nicht geht, bleibt immer Zeit. Vorläufig muß ich leben, — von der Luft allein kann Niemand existiren." Graf Campe wollte etwas sehr Unangenehmes erwidern, aber er unterdrückte eS vorläufig. Die alte Gewohnheit, seinem Schwager nicht nur das Uebergewickt zu lassen, sondern sich ihm sogar unterzuordne», übte noch ihre Wirkung aus. Er entgegnete nach einem starken Näuspern, durch daS er seinen Aerger ausbrückte: „Und sage mir einmal, wie war eS denn möglich, daß Du Dein ganzes Vermögen verspielen konntest? Mo ist cs ge schehen und wer ist der Gewinner?" „Ueber TetailS zn sprechen, müßt ihr mir freundlich erlassen! Ich habe mein Ehrenwort verpfändet, nicht darüber zu reden. Gebt Euch mit der Thatsache zufrieden, daß ick, vom Unglück verfolgt und in dieser Depression alle Ruhe »nd Besonnen heit verlierend, eine so erhebliche Summe verspielte, daß ich nur durch Hcrgabe von Horst meine Verbindlichkeiten zu lösen in, Stande bin. Und ferner: Ich kann nicht wieder ins Regiment eintreten, ich mag und kann auch nickt aus Horst Verwalter werden. Noch in diesen, Jahr will der neue Besitzer, ein langjähriger guter Bekannter von mir, dort schalten und walten und nur bis dahin führe ich auf seinen Wunsch noch die Geschäfte weiter und gucke zeitweilig nach dem Neckten." „Aber eS muß dock noch etwa« Anderes geben. DaS ist doch eine Narrbett l Graf Adam Jarl und Musikunterricht ertbeilen! DaS ist wieder eine Deiner gewobnbcitSmäßigen extravagante» Thorbriten", siel nun die Gräfin ein. Sie mußte ihrem, mit äußerster Gereiztheit vermischte,, Aerger endlich Luft machen. „Ne n, liebe Schwester", gab Jarl gelassen zurück. „Es mag Dir so erscheinen, aber eS bleibt „icktS Anderes übrig. Ich habe — wie gesagt — genau überlegt, wozu ich mich qnalisicire und was mir Befriedigung gewährt. Und ich sollte meinen, darauf komml'S allein an. Ich war eben thöricht, aber wer ist immer Herr seiner Leidenschaft? Ich war frevelhaft inibesoinicn, während ich vordem ein leidlich verständiger Mensch war. Ich muß es mir deshalb auch gefallen lasse», daß man mir die härtesten Vorwürfe macht, mich in den Topf wirft, in den man die unverantwortlich Leichtsinnigen steckt. Ich bin eben nur noch Adam von Jarl, nicht mebr Besitzer der Herrschaft Horst —" — „Ist denn gar nichts, gar nichts zu retten? Könnte man nicht mit den, Betreffenden verhandeln? Wie hoch ist der Werth, für den Du Horst taxirt hast? Wieviel Hypotheken» schulden ruhten darauf?" siel sein Schwager ein. „Ack, reden wir lieber nicht mehr davon, MagnuS. Wozu Euch „nd mir die Sacke ersckwcren? — Nur eins nochmals! Ich hätte bei einem öffentlichen Verkauf schwerlich die Summe beransgekriegt, die wir angenommen haben: Das möge Dir genüge»! Daß Horst übrigens überstark belastet mir von Onkel vererbt ist, weißt Du ja! Also ins Ungemessene geht mein Verlust nicht." In des Obersten Angesicht znckte eS, der Augapfel erhielt eine fast gelbe Farbe, und die Gräfin biß die Zähne auf die schmalen kalten Lippen. Nicht ein Wort des Bedauerns, der Zurede oder gar des Trostes kam über ihre Lippen, geschweige denn, daß sie ihm Anerbietungen machten, ihm in Zukunft zur Seite stehen zu wollen. Am Ende! — Adam hätte doch frühzeitig sterben können. Dann waren die Campe'S Erben. Nun war das Alles dahin! „Sagt mal, Kinder", fuhr Jarl, nunmehr aufbrechend, fort „nd sah nach der Uhr; „gicbt'S etwas zu frühstücken bei Euch? Sonst will ich mich empfehlen! Ich habe eine halbe Abrede mit Baron von Türkhcim!" „Ja wenn Du äußerst fürlieb nehmen willst —" Klementine spräch e in einem Ton, in den sie deutlich hinein legte, daß sie eine Ablehnung erwartete. Graf Adam ließ die Sache auch kurz fallen und sagte: „Nein, „ein, danke, dann laßt nur! Ich möchte aber gern noch Mercedes begrüßen und meiner kleinen Eva Adieu sagen. Wo sind sie?" „Mercedes ist znm Zahnarzt gegangen. Eva — ich will sehen Sie bat eine Schneiderin, — da ist sie " ,Lu sehr beschäftigt! Natürlich!" ergänzte Gras Adam. Er stand auf, reichte seinem Schwager in gewohnter Ungezwungenheit und in einer Weise die Han-, al- ob «r gar
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