schon näher gegen die Grenzen des Ethischen hin. Karl Kujath, ein warmer Verteidiger der modernen Reklame, hat ihre „Aufgabe" im „Plutus" so bezeichnet: „In gemeinsamer und ergänzender Arbeit mit dem Wissenschaftler, im besonder» mit dem Techniker, dem Arzte, dem Lehrer die Neuerfindungen und Verbesserungen auf allen Ge bieten des täglichen Lebens dem Publikum so schnell, so klar und so kurz wie irgend möglich vor Augen zu führen, es für die mit der Verfeinerung unsrer Lebenshaltung Hand in Hand gehenden neuen Lebensbedürfnisse zu gewinnen und, soweit nötig, hierfür zu er ziehen." Nehmen wir nun an, daß nicht nur die Anzeige, sondern auch die Reklame zu solchem Zweck in der Tat unentbehrlich sei, so müssen wir doch darüber staunen, daß kein einziger unter jenes Lobliedes Sängern einen weiteren Punkt der Erörterung wert hält: daß die Auslese für jene Vermittlungsarbeit durch die Inter essen des Kapitals geschieht. Woher wissen wir denn, ob ein Reklame-Artikel der beste sei, wenn wir seinen nicht empfohlenen Konkurrenz-Artikel gar nicht kennen lernen? Selbst wenn wir zu geben, daß der Erfolg das Brauchbarste innerhalb des Empfohle nen heraussichte, so kennen wir doch nicht, was, ohne Geld zur Reklame, untersank. Dagegen wissen wir, daß es der Reklame ge legentlich gelingt, auch mittelmäßige oder schlechte Ware in Umsatz zu bringen — wieviel Geld ist z. B. allein durch Bong für die „Berliner Range" oder für «Göh Krafft" den Leuten aus der Tasche gelockt worden, und zwar zum Schaden der minder reklamekräftigen Konkurrenz, unter der sich doch kaum bestritten viel bessere Bücher be fanden. Ich wähle Beispiele aus der „geistigen Branche", aber ich könnte zufällig auch rein gewerbliche Erzeugnisse nennen, z. B. Fenster feststeller und Strandmützen, bei denen es geradeso ging. Das Kapital, zumal das „anonyme", fragt: was verspricht den meisten Gewinn, die lautere Anpreisung überruft die leisere und gar den in Reklame dingen stummen Mann — und wir leben doch wirklich in einer gut gläubigen Welt, wenn wir uns diesen Vorgang als „gemeinsame und ergänzende Arbeit mit dem Wissenschaftler, dem Arzte, dem Lehrer" oder eine Art natürlicher Zuchtwahl aufloben lassen. Als wenn die Interessen der Kapitalisten schlechtweg dieselben wie die der Allgemeinheit wären! Das sind sie nun leider auch nicht bei der Erweckung neuer Be dürfnisse. Dafür soll die Reklame „gewinnen und, soweit nötig, er ziehen". Ganz sicher, nur wer von diesen Dingen rein gar nichts weiß, kann es leugnen: die Erweckung neuer Lebensbedürfnisse ist zum Fortschreiten nicht nur der Zivilisation, nein, auch der Kultur unentbehrlich — nicht die Zufriedenheit, sondern die Unzufriedenheit fördert, wo Mängel sind. Aber wirkliche Bedürfnisse erwachsen aus den Zuständen und Verhältnissen, und als Befriedigungen solcher echter Bedürfnisse Haben weder die Eisenbahnen, noch der Telegraph mit und ohne Draht, noch das Telephon der Reklame bedurft. Wo die Sache ein Bedürfnis erzeugt hat, genügt die Ankündi gung: es kann befriedigt werden, um den Absatz zu schaffen. Aus dem Wesen der Reklame als Absatzsucherin geht aber hervor, daß sie Bedürfnisse, oder vielmehr die Einbildung von Bedürfnissen, auch