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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.04.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-04-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950418020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895041802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895041802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-04
- Tag1895-04-18
- Monat1895-04
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dl d« Hemptexpedition oder den im Stadt» bezirk und den Vororten errichteten Aus- aabestelle« , h - , tzolt: vierteljährlich 1.50. bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Hau» ^ ü.ü0. Durch die Post bezogen für Deutschland and Oesterreich: viertestährlich -4l S —. Direkte tägliche Kreuzbandieudung in» Ausland: monatlich 7.50. Di«Morgen-Ausgabe erscheint täglich mit Aus« nahm» nach Sonn- und Festtagen '/,? Uhr. di« >b«nd-8uSgabe Wochentag« 5 Uhr. Ne-action und Lrpeditiou: AohanneSgaffr 8. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- Abends 7 Uhr. Filialen: Ott» Klemm'» Sortii». (Alfred Hahn), Universitätsstraße 1, LoniS Lösche. Katharinenftr. 14, Part, und König-Platz 7. Abend-Ausgabe. 'chmerMgcklatt Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- nnd Geschäftsverkehr. Donnerstag den 18. April 1895. AnzeigeN'Prei- die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Rerlnnieii unter dem RedactionSstrich (4g»- spol-i. 50^, vor den Familieniiachrichtea (6 gespalten) 40 Größere Schriften laut unserem Preis verzeichnis. Tabellarischer und Ziffrrnjotz nach höherem Tarif. Extra »Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung ./t 60.—, mit Postbesürderung 70.—. Annahmeschluk für Anzeigen: (nur Wochentags) Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4tlhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zn richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 8S. Jahrgang. Die Immngsmeijler in Friedrichsruh. AriedrichSruh, 17. April. An 4000 Innungsmeister waren beute Nachmittag vor dem FriedrichSruher Schlosse versammelt, um dem Fürsten Bi-marck zu huldigen. Als der Altreichskanzler auf die Terrasse hinaustrat, wurde er mit brausenden Hochrufen empfangen. Nachdem endlich Ruhe eingetreten war, hielt der Obermeister der Berliner Schornsteinfeger-Innung. Borsitzender des Central-Ausschusses der vereinigten Jnnungsverbände, Schornsteinfegermeister Faster-Berlin folgende Ansprache an den Fürsten: Durchlauchtigster Fürst! Ein heiliger Wetteifer hat die verschiedenen Stämme der deutschen Nation erfaßt, Euer Durchlaucht aus Veranlassung Höchstdero 80. Geburtstages Glück- und Segenswünsche darzubringen. Alles Wehe und allen Druck der Zeit legen die einzelnen Berussstände gleichsam in ihre Huldigungen für Ew. Durchlaucht hinein, als den großen Mann, welcher uns das einige deutsche Vaterland verwirk licht hat und vor dessen Blick und Wort die dem Einheitsgedanken abholden Sonderbestrebungen in ihr verdientes Nichts zurücksinken. Auch den corporirten deutschen Handwerkerstand hat es gedrängt, Euerer Durchlaucht zu huldigen und dabei dem Sehnen nach einer endlichen, alle deutschen Handwerker ausnahmslos umfassenden gleichmäßigen und gemeinsamen Innung--Organisation öffentlichen Ausdruck zu verleihen. Eurer Durchlaucht danke» wir daher ins besondere dafür, daß Höchstdieselben dem corporirten Handwerker stande gestattet haben, heute diese Feier zu begehen und von Mund zu Mund durch die hier versammelten Vertreter der deutschen Jnnungsverbände und Jnnungsausschüsse die herzlichsten Glück wünsche zu verlautbaren. Dieselben haben wir uns erlaubt, in einer Geburtstags-Adresse nicderzulegen, mit deren Ueberreichung die hier stehenden 14 Deputationsmitglieder betraut worden sind. Als erwählter Sprecher der Deputation bitte ich, nunmehr den Wortlaut der Adresse Euerer Durchlaucht wie folgt vorlesen zn dürseu. Herr Faster begab sich nach Beendigung seiner Ansprache auf den Balcon, wo die Verlesung der Adresse erfolgte, die nachstehenden Wortlaut hat: Durchlauchtigster Fürst! Gnädigster Fürst und Herrl Millionen und Abermillionen der Herzen aus dem gesammten Erdenrund schlagen Ew- Durchlaucht am heutigen Tage jubelnd und dankend entgegen, um der vielen großen Thaten willen, vermöge welcher die deutschen Volksstämme zu einer einheitlichen Nation zu sammengeführt worden sind. Hochdieselben lehrten das Ausland überall den deutschen Namen mit Achtung nennen, gewöhnten den Deutschen selbst erst eigentlich daran, sein gemeinsames Vaterland mit Liebe zu umfangen und mit Stolz ihm anzugehören. Ew. Durchlaucht vor Allen vermochte weiland Kaiser Wilhelm 1. die deutsche Kaiserwnrde mit erneutem Glanze wieder herzustellen I Unverwelklicher Lorbeer blüht für solche Ruhmesthaten Höchstdero Namen und Haus. Zum Wohle des deutschen Handwerks insbesondere ist durch Eure Durchlaucht Ein greifen das Gesetz vom 18. Juli 1881 erlassen worden, ans Grund dessen die Einrichtung von Innungen und das Zusammentreten von Fachgenossen zu Innungs-Verbänden über das ganze deutsche Reich zu ermöglichen gewesen ist. Die Vertreter dieser Verbände unter lassen es nicht, im Name» des corporirten Handwerks Ew. Durch laucht hierfür einmüthig ihren Dank auszusprechen und zugleich die Versicherung daran zu knüpfen, daß sie allezeit niit ihren Angehörigen in Treue zu Kaiser und Reich stehen werden. Möge der Allmächtige Ew. Durchlaucht noch viele Jahre in »»geschwächter Kraft und Rüstigkeit zum Heile des deutschen Vaterlandes erhalten. Mit diesem Gruß verharren wir Ew- Durchlaucht in Ehrfurcht treu Gehorsamste. Im Aufträge der nachbenanuten deutschen Jnnungsverbände: ca. 27 Verbünde. W. Faster, I. H. Meyer. Vors. Vors. Stellpertr. Der Vorstand des Central-Ausschusses vereinigte Jnnungsverbände Deutschlands. Sr. Durchlaucht dem Fürsten von Bismarck zum 80. GeburtS- tage in Ehrfurcht gewidmet. Als Vertreter der Berliner Schlachter-Innung sprach dann Herr Altmeister Hel seit zum Fürsten: Durchlauchtigster Fürstl Zehn Jahre sind vergangen, da wir die Ehre hatten, Durchlaucht zum 70. Lebensjahre die Glückwünsche der Berliner Schlochlec-Jnnung darzubringen. Unsere Wünsche haben sich theilweise durch Gottes Gnade erfüllt; heute habe ich wiederum die Ehre, Durchlaucht zum 80. Lebensjahre die Glückwünsche der Berliner Schlachter-Innung darzubringen. Möge die Vorsehung gestatten, daß Durchlaucht noch viele Jahre in körperlicher Kraft und geistiger Frische verleben möge, dazu gebe Gott seinen Segen. Außerdem habe ich die Ebre, Durchlaucht zu danken, daß Durchlaucht unsere Bitte, Ehrenmitglied der Berliner Schlachter-Innung zu werden, angenommen hat. Als Altmeister der Schlachter. Innung habe ich die ehrenvolle Pflicht, Ew. Durchlaucht den Ehren - Meisterbrief der Berliner Schlachter-Innung zu überreichen. Ich knüvfe daran den Wunsch, daß unser Jungmeister recht lange Ehrenmeislcr der Innung sein und bleiben möge. Und nun, meine verehrten College» vom Handwerk, ersuche ich Euch, ein donnerndes Hoch auf den Alt-Reichskanzler darzubringen und mit mir einzustiinmen in den Ruf: Se. Durchlaucht, Fürst von Bismarck, er lebe lange, er lebe hoch! Nach dem Hoch ans den Fürsten stimmten einige der Untenstehenden die „Wacht am Rhein" an, in welchen Gesang alsbald die ganze Versammlung einsiel. Dann trat als Vertreter der Kupfer sch miede-Innung in Berlin der Kupferschmiedemeister Franz Pest an den Fürsten heran, um ihn mit folgenden Worten anzureden: Durchlauchtigster Fürst! Eurer Durchlaucht danke» wir Kupferschmiede des Regierungs bezirks Potsdam zu Berlin, daß wir noch mit besonderem Anliegen vor Eurer Durchlaucht kurz zu Worte kommen dürfen. Wir Kupfer- schmiede stehen ja in einem ohnehin wortkargen Berufe. Jenes Dichlerwort: „Wenn gute Reden sie begleiten, dann stießt die Arbeit munter fort" gilt für unsere Arbeit nur wenig. Denn bei unserer Arbeit übertöul fast alles Reden der Hammer mit seiner Sprache. Am heutigen Festtage aber lassen wir unseren eigenen Hammer ruhen. Heute sollen auch bei »ins die guten Reden zu Ehren kommen. In gutgemeinter Rede wollen wir aus treuem Herzen einen andern, fürwahr so viele Stimmen weithin übertönenden Hammer feiern I In diesem Sinne bitte ich daher vor- lejen zu dürfen die Adresse unserer Kupferschmiede - Innung, in welcher auch wir von Herz zu Herzen geredet haben möchten, indem wir dieselbe hierdurch Eurer Durchlaucht weihen. Durch lauchtigster Fürst! Euer Durchlaucht Geburt fiel in ein großes Sieaesjahr und Ew. Durchlaucht langer Lebensgang hat Ein großer Siegesgang werden sollen. Durch Kampf zum Sieg. Diese Signatur des Jahres 1815, Ihres Geburtsjahres, ist auch die Signatur Ihres ganzen Lebens geworden. Im Jahre 1815 ward das Joch der Fremdherrschaft zerbrochen. Es war Großes erreicht. Aber damit dieses Große nicht gefährdet bleibe, war noch Größeres zu vollbringen. Fürwahr, wir schauen auf zu jenen Helden von 1815. Dennoch fehlte der Held, der der „Martell" einer neuen Zeit geworden wäre, — nur Laß er schon geboren war! — Unserer deutschen Nation hat ihr zweiter Martell in Ew. Durchlaucht erstehen sollen! Wir Schmiede pflegen begeistert Ew. Durchlaucht als den Schmied unserer deutschen Einheit zu begrüßen. Sollte es daher nicht gerade uns wohl anstehen, eingedenk lenes Carl Martell, dessen aus der Vergangenheit herüberglänzende» Namen Jedermann kennt, unserem urdeutschen, altmärkischen Fürsten von Bismarck für unsere Neuzeit und Zukunft zuzujubeln als unseres deutschen Reiches „Otto Martell"? Möchten Ew. Durchlaucht mit diesem Bei namen sich benennen lassen gerade von uns, die wir mit dem Hammer vertraut sind. Nicht an einem Tage ist das einstige Rom erbaut; nicht mit einem Hammerschlage ist, wie es einst dem ersten Martell vergönnt war, Ihr Werk aethan gewesen. Wir Kupferschmiede schauen vielmehr in Eurer Durchlaucht Werkstätte hinein, stolz wahrnehmend, wie unsere Arbeit Eurer Durchlaucht Arbeit ähnlich sei. Wir müssen bekanntlich tausendfach hämmern; so erfordcrts unser Metall. Wir müssen hämmernd treiben und gestatten, wir müssen löthen und nieten, wir müssen zusammenschrauben, um ein Ganzes zu schaffen. So haben wir mehrere Jahrzehnte hindurch in einem noch höheren Sinne Ew. Durch laucht schaffe» sehen I Ihr Arm, vom Geist gestählt, hat nicht geruht I Als kein Feind mehr von außen her sie verunstalten durfte, haben Euer Durchlaucht unsere Germania gewissermaßen in Kupfer zu treiben und zu gestalten gewußt. Auch am Löthen und Nieten haben Eure Durchlaucht es fürwahr nimmer fehlen lassen! Eure Durchlaucht hatten, wo die Augen fast Aller erst nur noch Bruchstücke schauten, be reits das Getrennte zu einem Ganzen zujaminenzubringen gewußt! So darf wohl gerade unser Blick aus unserer Werkstätte in die Werkstätte Eurer Durchlaucht hinüberschweifen, dieweil auch wir zuletzt dein großen Ganzen, nämlich unserem deutschen Baterlande, Kaiser und Reich, mit unseren Hämmern und Treiben, Löthen und Nieten lammt Schrauben dienen möchten. Einstimmig haben wir beschlossen, Ew. Durch laucht zum Ehrenmitgliede der Kupserschmtede-Jnnung des Re gierungsbezirks Potsdam zu Berlin zu ernennen. Indem zum 1. April dieses Jahres 1895 dies aus Anlaß des achtzigsten Ge burtstages Ew. Durchlaucht geschieht, erlaube» wir uns, dies mit dem Rufe zu begleiten: Se. Durchlaucht der Fürst v. Bismarck- Schönhaujen, der Otto Martell des deutschen Reiches, Herzog zu Lauenburg, General-Oberst, Ehrenmitglied unserer Kupferschmiede- Jnnung, lebe hoch! hoch! hoch! In tiesster Ehrfurcht Der Vorstand der Kupserschmiede-Jnnung des Regierungsbezirks Potsdam zn Berlin. Berlin, zum 1. April 1895. Fürst Bismarck antwortete hierauf nach dem Steno gramm des „Hamb. Corr." Folgendes: „Meine Herren! Ich habe in den letzten Wochen viele ehren volle Begrüßungen erfahren, eine so zahlreiche, wie die Ihrige noch nickt und auch nicht eine Begrüßung, die mir so wie die Ihrige die Verschmelzung der deutschen Interessen nnd Stände vergegenwärtigt, die gesammten Gewerke, die gesammten Gewerbe. Ich bin ja ur sprünglich auch ein Gewerbetreibender, ein Landwirth (bravo!>, und es war die Landwirthschast vielleicht i» unseren ger manischen Gauen das erste Gewerbe; aber sie konnte, sobald die Kraft der Frau und des Mannes für Weben und Stell machern nicht mehr ansreichte, doch ohne Gewerbe nicht bestehen. Wir brauchten zuerst in unserer urdeutschen Landwirthschast doch den Schmied, der in jedem Dorfe wehnt: Es ist ja kein Dörslein so klein, ein Hammerschmied muß drinnen sein. (Bravo I Heiterkeit!) Der Stellmacher ist ebenso unentbehrlich, auch der Schuhmacher und der Schneider, sobald die Frau die Bekleidungssrage nicht mehr beherrschen kann. So ist in jeder Dorfgemeinde das Handwerk in Gestalt von Schuhmacher, Schneider, Wagenbauer, Stellmacher, Schmied ganz unentbehrlich. Wir Landwirthe gehören also mit allen übrigen Gewerben unzertrennlich zusammen, und die übrigen Ge werbe werden uin so mehr Beschäftigung haben, je mehr der Land wirth im Stande sein wird, gesteigerten Ansprüchen entgegenzu- komnien nnd sie zu befriedigen. (Bravo! Sehr richtig!) Also ich bin der Meinung, wir, alle producirenden Stände gehören zusammen, absolut zusammen und wir müssen uns durch die „Nichts-als-Consumenten" in unserem Zusammenhang nicht stören lassen. Wir haben ja manche Gegner, die uns diese Ausgabe er schweren. Ich bin unserer Gewerbegesetzgebung näher getreten mit Ab sichten, bei deren Verwirklichung ich ermüdet bin an dem Wider stande des Reichstages. Es war, >vas wir da versuchten, stets ein Bild der Echternacher Procejsion, zwei Schritte vorwärts, einen Schritt zurück. (Zustimmung, Bravo!) Ich bin ermüdet in dem parlamentarischen Sande in den Bestrebungen, die ich hatte, auch selbst in der Richtung der Gesetzgebung, die ich nur mit einem Wort als „Klebegesetz" bezeichnen will (Heiterkeit). — Sie wissen Alle, welches Gebiet darunter verstanden ist. Da sind meine ersten Be strebungen abgelehnt worden. Ich hatte nicht den Gedanken, daß der 17jährige Arbeiter bezahlen sollte, einzahlen sollte für Ergebnisse, die er mit 70 Jahren etwa erwarten konnte. (Bravo I) — Dieser psycho- logische Jrrthum ist mir nicht paisirt, sondern ich hatte Las Bestrebe», daß dem müden Arbeiter etwas Besseres und Sicheres als die Armen pflege, die locale Armenpflege gewährt werden soll (Bravo!), daß er wie jeder Soldat auch im Civillebcn seine sichere Staatspension haben sollte — mäßig, gering meinethalben, aber doch so, daß ihn die Schwiegermutter des Sohnes nicht aus dem Hause drängt, daß er seinen Zuschuß hat. (Bravo! Heiterkeit.) Dieses Bestreben wurde mir abgelehnt i» den ersten Verhandlungen des Reichstages über dieses Versorgungsgesetz, und ich muß sage», daß ich damit eigentlich die Lust an der Sache verlor und ihr ferner gerückt bin, denn ich glaubte nicht an die Möglichkeit, den 18jährigen Arbeiter zu über zeugen, daß er für seine 70 Jahre Einzahlungen nöthig hat, er wußte ja nicht, ob er so lange lebt (sehr richtig!) und hatte auch in seinem jugendlichen Aller eine bessere Verwendung für die Einzah lung. (Große Heiterkeit.) Ich halte eS für eine ungeschickte Sache n der Ausführung; für die Ausführung bin ich aber nicht ver- antwortlich: ich habe die Peranlwortuiig für die Anregung der Idee übernommen, aber es war für mich unmöglich, es in allen 25 deutschen Staaten in der Ausführung zu beobachten, und da ist es denn schließlich doch den Tendenzen der Reichstagsmajorität anheinigesallen, so daß die Sache heutzutage nicht so günstig und nützlich wirkt, wie der alte Kaiser Wilhelm bei der ersten Anregung der Sache gehofft hatte. Die Gesetzgebung kann ja darin Modi« rcationcn und Erleichterungen schaffen» sie kann namentlich die Kleberei abschaffen, die die unglücklichste Erfindung ist, auf vie man je kommen kann. Wo soll man all die Klebemarken deponiren und wie soll der Arbeiter, der in Sturm und Regen wochenlang unter reiem Himmel liegt, seine Klebemarken aufheben? (Sehr richtig!) Das ist ja gar nicht möglich. Das sind eben Einschaltungen vom grünen Tiich, für die ich jede Verantwortung ablehne (Zustimmung», und eine Besserung darin herbeizusühren, das ist meines Erachtens Aufgabe der Associationen, wie ich die Keime davon glaube mir gegenüber zu sehe», daß sie sich als Genossenschasten vrganisiren, die ihrerseits die Gesetzgebung richtig stellen, aus Grund dieser Richtigstellung Forderungen erheben (Bravo!) und die auch ihre Abgeordneten in diesem Sinne durchbringen. Das Zusammenhalten, die Genossenschaften, die Associationen, das ist, worauf ich in höherem Grade gerechnet habe — die freiwilligen Innungen. Wir können Zwangsinnungen heutzutage nicht mehr in die Wirklichkeit bringen, aber die Innungen so auszustatten, daß sie anziehend werden, daß jeder Gewerbsgenosse einsieht: Ich steh mich besser, wen» ich der Innung angehöre, und daß sie eine freiwillige Werbekrast ausüben, das würde ich für politisch außerordentlich nützlich halte». Ich habe früher ge glaubt, daß man unsere Wahlgesetzgebung in Preuße» sowohl wie im Reiche ans dergleichen Berufsgenossenjchaften begründen könnte, daß jede Berussgenoffenschast ihrerseits das Recht hat, sich durch selbst ständige Abgeordnete vertrete» zu lassen. Ich habe dafür kein Verstand- niß gesunden und ich habe, so lange ich Minister war, zn viel Kämpfe nach außen, nach oben hin gehabt, um mich dem zu widmen, und zu wenig Anklang im Reich-: tage. Erinnern Sie sich der Zeit, wo unter dem Regiment Windthorst's mir ein Hilfsarbeiter mit 20 000 abgelehnt wurde, lediglich weil ich ihn beantragte und ich ihn brauchte ? Sind diese Zeiten nicht wiedergekommen? Haben wir nicht wieder dieselbe Mehrheit im Reichstage (sehr richtig!), die sich aus Gegnern des ursprünglichen Reichsgedankens znsaminensetzt? Ich fürchte, ein Gegen- mittel dagegen liegt nur in der Ermannung der Be völkerung, der Wählerschaften, daß sie sich zujammenthuii, daß sie Organisationen bilden — dazu sind die Innungen, die Berufs- genossenschasten die gegebene Grundlage. Wenn Sie darin zusainmenhatten, so werden Sie — nicht sehr rasch, nicht von heute auf morgen — eine Acnderung in der Ver tretung erreichen, aber eS ist doch, glaube ich, das Einzige, was Ihnen zu erstreben übrig bleibt, also der enge Zusammenschluß unter ein ander, die Bildung von Genossenschaften und das Eintreten Eines für Alle und Aller für Einen innerhalb der Innungen und innerhalb der Gesainnttheit unserer erwerbenden Elasten, daß wir uns gegenüber den reinen Theoretikern, die nichts thun alsReden halten undabstimnien, daß wir uns denen gegenüber wehre» (Bravo!) sür unsere Erwerbs- sühigkeit, daß wir unterscheiden zwischen praktischen Leuten und Rednern, und Laß die praktischen Leute, die wirklichen Erwerber, von der Landwirthschast bis zn jedem kleinsten Gewerbe, wie sie sich allmählich angesctzt haben an die Urgewerbe, daß wir da zusammen - znhalten, die Erwerbenden, und uns wehren gegen die Drohnen (Bravo!), die nicht Honig sammeln — ich will nicht sagen, in so brutaler Art, wie die Bienen es thun (Heiterkeit) — aber doch, daß wir uns von ihnen nicht führen lasse». Und deshalb bitte ich Sic, ineine Herren, mir zuzustiinmen, wenn ich sage: Alle erwerbenden Stünde leben hoch, der Nährstand in der weitesten Ausdehnung — der Wchrstand wird sich schon selbst erhalten, er ist schwer be- waffnet (Heiterkeit) —, der Nährstand vor allen Dingen, er lebe hoch, hoch, hoql" - Lebhaft stimmten die Versammelten in die Hochrufe ein, an die sich erneute stürmische Kundgebungen für den Fürsten schlossen, der noch einmal an die Brüstung trat und das Wort nahm: Fairillets«. Die Französin. 14Z Roman von Arthur Zapp. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Er giebt ihre Hand frei und taumelt zurück. In seinen zuckenden Mienen, in seinen Blicken, die traurig und vor wurfsvoll auf ihr ruhen, verrath sich ein heißer, gewaltiger Schmerz. „Ihn, den Fremden, den Du kaum kennst?" „Mir ist er nicht fremd", giebt sie zurück und nähert sich langsam der Thür, die Augen von ihm abkehrend. „Den Franzosen?" stammelt er klagend. „Bin ich nicht eine Französin? „Ich glaubte, wir hätten Dich gewonnen mit unserer Liebe?" DaS Blut sluthrt in ihre Wangen zurück, in ihren Augen, die sich jetzt wieder aus ihn richten, funkelt etwas Feindseliges und etwas Grausames, und ihre Lippen verziehen sich zu einem bitteren, triumvhirenden Lächeln. Sie richtet sich hoch auf und öffnet den Mund, aber der Anblick seines verstörten, be kümmerten Gesichts scheint ihr die Zunge zu lähmen, denn sie sagt nichts mehr, sondern dreht sich kurz herum und ver läßt daS Zimmer. Erst eine halbe Stunde später kehrte Herbert von Maren- burg zur Gesellschaft zurück mit bleichem, theilnahmlosem Gesicht. Der Franzose hatte sich bereits still hinweggestohlen. Madeleine schien ganz in den Freuden deS Abend- auf zugehen; ihr Gesicht strahlte, ihre Augen leucbteten — aber ihre Lebhaftigkeit hatte etwas Fieberisches, Unnatürliches, und manchmal schlug sie plötzlich in das Gegentheil, in starre Regungslosigkeit um. Ihre Augenbrauen runzelten sich, über ihr Gesicht glitt ein Schatten, und ihr Blick richtete sich mit einem nachdenklichen, düster brütenden Ausdruck zu Boden. XI. Am andern Morgen erhielt Lieutenant Kramer endlich die au» Paris erbetene Benachrichtigung. Die Mittheilungen, die ihm sein Freund in einem ausführlichen Briese gab, er regten sein lebhaftes Interesse »nd entlockten ihm an einigen Stellen drastische Ausrufe der Ueberraschung, denen zweimal sogar eine kernige, soldatische Verwünschung folgte. „Ein Journalist Henri Larcher", so schrieb der Attache, „ist weder am Figaro noch sonst an einem Pariser Blatt von Bedeutung beschäftigt. Wahrscheinlich ist der bei Euch in dieser Eigenschaft auftretende Franzose ein Hochstapler, wenn er nicht noch etwas Schlimmeres ist. Was den Lieutenant Gaston de St. Sauveur betrifft, so gilt er als ein junger Officier von hervorragender militärischer Befähigung, aber unter seinen Kameraden ist er wessen seiner Strebernatur nichts weniger als beliebt. Gegenwärtig befindet er sich auf einer längeren Urlaubsreise. Wohin, habe ich nicht erfahren können. Man prophezeit ihm allgemein eine rasche Carriöre, um so mehr, als er der zwar grundhäßlichen, aber als geist voll geltenden Tochter seines Chefs mit einer Ausdauer den Hof gemacht hat, die aus die nicht mehr junge Dame, der man auf ihren Vater großen Einfluß zuschreibt, nicht ohne Eindruck geblieben. Wie ich aus bestimmter Quelle erfahren, wird die öffentliche Verlobung zwischen den Beiden nach der Rückkehr des Lieutenants statlfinden." Nachdem sich Lieutenant Kramer von seiner ersten Ueber raschung erholt, sing er an, über die erhaltenen Mjttheilungen nachzudenken. Wenn ein Henri Larcher überhaupt nicht existirt«, wer war dann die zweifelhafte und ihm längst ver dächtige Persönlichkeit, die sich unter diesem Namen beim Obersten von Marenburg eingeführt? Der junge Officier versenkte sich mit aller Schärfe seines Geistes in die Lösung dieser Frage. ES kam in ihm die Er innerung, daß er von einer auffallenden Aehnlichkeit hatte sprechen hören, die zwischen dem Lieutenant St. Sauveur und dessen vermeintlichem Freund Henri Larcher bestehen sollte. Dan» das EmvsehlungSschreiben des französischen OfficierS an Madeleine Roncourt, die von ihm beobachtete Intimität der Letzteren mit dem angeblichen Pariser Journalisten — diese und andere Umstände zwangen dem Grübelnden sämmtlich die Vrrmuthung auf, baß es sich hier um einen kecke» Streich Gaston de St. Sauveur'S handelte und daß der Letztere mit dem Journalisten und Mitarbeiter des „Figaro" Henri Larcher identisch wäre? Lieutenant Kramer sprang lebhaft empor. War eS in diesem Falle nicht seine Pflicht, den Franzosen, an dessen un lauterem Charakter nun nach diesen Nachrichten aus Paris kaum noch zu zweifeln, ohne Verzug festnehme» zu lassen? Aber ein Bedenken lähmte die Tbatkraft d»S jungen Ossi- cierS, der sckwn die Hand nach Säbel nnd Helm ausstreckte. Wenn er nur gewußt hätte, inwieweit Madeleine Noncourt, die Nichte des Obersten, bei der zweifellos von ihrem Freunde Gaston de St. Sauveur angezettelten Intrigue betheiligt war? Wenn die Annahme, daß Gaston de St. Sauveur und Henri Larcher ein und dieselbe Person waren, sich als Thalsache herausstclltc, dann lag auch die Befürchtung nahe, daß Made leine Noncourt nicht eine Betrogene war, sondern eine Mit schuldige des französischen Spions. Lieutenant Kramer ging unentschlossen in seinem Zimmer auf und ab und sann nach, um einen Ausweg aus dem Con- flict zwischen seiner dienstlichen Pflicht und seinen persönlichen Rücksichten auf die Familie des Obersten zu finden. Mitten in diesem schwierigen Bemühen unterbrach ihn ein Besuch. Es war Herbert von Marenburg, den Lieutenant Kramer, angenehm überrascht, bei sich eintretcn sab. „Ich bitte um Entschuldigung", nahm der Assessor das Wort, „daß ich Sie so früh am Morgen behellige. Aber es ist eine Sache von Wichtigkeit, die mich zu Ihnen führt und die keinen Aufschub duldet." Man setzte sich, Lieutenant Kramer präsentirte Cigarren und Herbert fuhr fort: „Ich weiß nicht, ob ich Ihnen zumuthen darf in einer Ehrensache als mein Cartelträger zu fungiren —" „Aber", unterbrach Lieutenant Kramer den Bruder Else von Marenburg'S mit freudiger Bereitwilligkeit — „ich bitte ganz über mich zu verfügen." „Die Angelegenheit ist nämlich, zumal für einen Officier nicht ohne Bedenklichkeit wegen der Persönlichkeit meines Gegners —" Erwartungsvoll schaute der Artillerieosficier dem ihm Gegen übersitzenden ins Gesicht. „ES ist", fuhr dieser fort, „ein Ausländer, kurz: der Ihnen bekannte Pariser Journalist Henri Larcher." Der Zuhörcnde konnte einen Ausruf der Ueberraschung nicht unterdrücken; er rückte mit einer unwillkürlichen Be wegung seinem Besuch ein Stück näher; sein Interesse war mit einem Schlage um da« Doppelte gewachsen. „Ich hatte gestern mit Herrn Larcher einen ziemlich scharfen Wortwechsel und möchte Sie bitten, dem Herrn meine For derung zu überbringrn." „Pars man, ohne indiScret zu sein, nach der Veranlassung de- Wortwechsel» fragen?" Ueber da« Antlitz de- Assessors glitt ein Schatten und er sah einen Augenblick befangen vor sich hin. Aber er raffte sich ans und entgegnete höflich: „Selbstverständlich! Da ich Sie um einen so wichtigen Dienst bitte, so schulde ich Ihnen auch volle Offenheit. Ich darf natürlich auf Ihre strengste Diskretion rechnen?" Der Lieutenant reichte anstatt einer Antwort seinem Be sucher die Rechte. Herbert von Marenburg schlug vor den erwartungsvoll auf ibn gerichteten Blicken des Andern die Augen nieder. „Es handelt sich um meine Cousine, um Madeleine Ron court." „Ah!" „Schon seit einiger Zeit war mir ausgefallen, daß der Franzose meiner Cousine eine Aufmerksamkeit widmete, die geradezu cvmpromittirend war. Gestern, während der Ge sellschaft bei unü, überraschte ich die Beiden in einem von den Gesellschastsräumen ziemlich entlegenen Zimmer." Die letzte» Worte kamen zögernd zwischen den auf ein ander gebilsene» Zähnen des Sprechenden hervor; auf seinen Wangen flammte die Rothe der Scham und des Zornes; seine zuckenden Finger drehten nervös die bereits erloschene Cigarre hin und her. Nach einer kurzen Pause berichtete er weiter: „Ich war wie vom Donner gerührt, als ich das Studier zimmer meines Vaters betrat —" Dem Artillerieossicier gab cs einen Ruck, er beugte sich in atbemloser Spannung vornüber, während der Assessor in peinlicher Bcsangenkeit weiter sprach: „Als ich das Studirzimmer meine« Vaters betrat und Madeleine mit dem — äh — dem französischen Phrasen- dreckSler in traulichem Töte-L-T«te fand." Lieutenant Kramer bewegte zweifelnd den Kopf und un willkürlich trat ihm der Einwurf über die Lippen: „War denn — Pardon — war denn die Situation eine solche, daß nickt ebenso gut eine andre Erklärung möglich ist?" Herbert von Marenburg blickte erstaunt auf. „Eine andere Erklärung — ja, welche denn? Ist denn überbaupt eine andere Annahme denkbar", fügt« er bitter hinzu, „als die eines zärtlichen Stelldicheins?" Er stöhnte qualvoll auf und seine Zäkne gruben sich tief in die Unterlippe. Seine Bewegung überwältigte ihn und noch einmal lebten der ganze Schmerz und Zorn, den er am Abend vorher empfunden, in ihm auf. Er preßte die rechte Hand gegen seine Augen und verharrte «ine Weile in ange strengtem Grübeln. Mit innerem Widerstreben vergegen wärtigte er sich noch einmal die Situation, iu der er Made- leine und Henri Larcher betroffen. „Freilich — sprach er, die Hand sinken lassend, nachdenk»
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