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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.04.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-04-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950419027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895041902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895041902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-04
- Tag1895-04-19
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2802 U>eutscheA Nkich« V verltn, 18. April. Ebenso wie ein Entwurf, betreffend die Revision der bestehenden Unfallversicherungsgesetze, ist vom BundeSrathe in der letzten Zeit auch eine Novelle zum Invalidität«- und Altersversicherungsgesetz bearbeitet worden. Während aber der Entwurf eines die Unfallversicherungsgesetze abändernden Gesetzes schon fertig- gestellt ist und dem BundeSrathe zur Beschlußfassung vor- liegt, ist die Novelle über dir InvaliditätS- und Alters versicherung nock nicht so weit gediehen. Im Urbrigen dürfte wohl schwerlich überhaupt eine der mit der Arbeiterversichrrung sich befassenden Novellen noch in der laufenden Tagung dem Reichstage zugehrn. 6. U. verltn, 19. April. Auf einem im vorigen Jahre stattgrhabtrn Ballfest des Clubs „Hannovera" zu Neufelde waren die althannoverschen Farben Weiß-Gelb ostentativ zur Schau getragen, Reden, Gesänge und Toaste zu Ehren des Herzogs von Cumberland, der Königin Marie und anderer Mitglieder der depossevirten Dynastie ausgebrackt worden, worin mehr oder minder deutlich dem Wunsche nach der Wiederkehr des WelsenhauseS Ausdruck gegeben wurde. Die Polizeibebörde veranlaßte hierauf gegen den Vorstand des Clubs, die Herren v. d. Decken und Genoffen, die Anklage wegen Uebertretung des BereinSgesetzeS, da jene- allerdings mündlich beim Landrath angemeldcte und genehmigte Ballfest in Wirklichkeit nur eine politische Vereins- Versammlung mit dem Hauptzweck der Erörterung politischer, also öffentlicher, Angelegenheiten gewesen sei, zu der aber die erforderliche vorherige polizeiliche Genehmigung nicht ein- aeholt worden sei. Sowohl daS Schöffengericht, wie die Strafkammer zu Stade erkannten aber auf Freisprechung, da nicht nachgewiesen sei, daß der betreffende Verein ein politischer sei und damals öffentliche Angelegenheiten im Sinne des Vereinsgesetzes erörtert habe. Auf die auch von der Ober- Staatsanwaltschaft für begründet erachtete Revision der Staatsanwaltschaft hat aber heute der Strafsenat de« Kammergerichts die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Feststellung und Ent scheidung an das Landgericht Lüneburg verwiesen, da er der Ansicht war, daß die betreffende Gesellschaft, indem sie des depossevirten Königshauses in jener Weise gedachte und für dessen Wiederkehr eine agitatorische Thätigkeit entfaltete, aller dings mit politischen Gegenständen sich befaßt habe. Die gegentbeiligc Annahme des Vorderrichters sei rechtSirrthüm- lich. Nicht nur mittelst der Rede, sondern auch durch Poesie und Gesang könne eine Erörterung öffentlicher Angelegen heiten erfolgen. — Nach Lage der Sache habe eS nicht an gemessen erschienen, die Sache an dieselbe Vorinstanz, sondern vielmehr an eine andere Strafkammer zu verweisen. * Berlin, 18. April. Der Verein zur Förderung des Deutschthums in den Ostmarken hat am Mittwoch in Grauden; eine Versammlung abgehalten, auf welcher nicht nur die erfreulichen Fortschritte des Vereins festgestellt wurden, sondern auch die wiederholt erörterte sogenannte VertrauenSadreffe der deutschen Katholiken an den Erzbischof von StablewSki einer eingehenden Beleuchtung unterzogen Wurde. Von besonderem Interesse waren die Mittheilungen des Herrn von Tiedemann-Seebeim über die wohlwollende Unterstützung, die der Verein seitens der Staatsregierung finde, und über eine Beschwerde, die an den Staatssecretair des Reichspostamts Herrn von Stephan ergangen sei, weil eine Zeit lang Briefe mit dem ausgedruckten Namen des Vereins nicht an ihre Adresse gelangten. Der Abg. v. Tiedemann-Bomst theilte mit, daß die 7000 Unterschriften, die unter der Adresse der „Deutschen Katholiken" gestanden, nicht, wie klerikale Blätter „geschrieben", von ebensovielen „selbst ständigen deutschen Männern" herstammten, sondern zum großen Theil von polonisirten Deutschen,und daß Frauen und Kinder die Adresse mit unterschrieben haben; dann hat die Zahl der Unterschriften also überhaupt keine Bedeutung. Ferner machte Herr v. Tiedemann die (schon vom Telegraphen an anderer Stelle gemeldete) Mittheilung, daß in den nächsten Wochen eine „Ostdeutsche Landbank" mit einem Grund- capital von 3 Millionen Mark inS Leben treten wird, welche in Westpreußen und Posen Deutsche aus Mittel- und Westdeutschland auf kleinen, lebensfähigen Gütern nach vorhergehender Regelung der Kirchen- und Schulverhältniffe ansiedeln will. Zum Schluß wurde die Begründung einer Gesellschaft zur Erhaltung und Vermehrung des deutschen Mittelstandes erörtert, um die deutschen Handwerker und Kaufleute in den Städten gegen das vordringende Polenthum zu unterstützen. Der Plan, den die Leitung des Vereins vor legte, wurde von allen Seiten als lebensfähig und zweckmäßig anerkannt. Somit ist die Graudenzer Tagung al- ein neuer Markstein für die Entwickelung deS Verein» zu betrachten, dessen Unterstützung allen nationalgesinnten Deutschen auf daS Angelegentlichste erneut nahegelegt sei. — Der Kaiser hat am ersten Ostertage dem Generalarzt und Leibarzt der Kaiserin und der kaiserlichen Familie vr. Zun krr daS Ritterkreuz deS hohenzollernfchen Hausordens verliehen. — Prinz Alexander von Preußen hat sich mit seinem persönlichen Adjutanten Major Frhrn. v. Süßkind nach Baden- Baden begeben. - — Zmn Präsidenten de» OberlandeSgericht« kn Posen Ist der Geh. Oberjusttzrath im Justizministerium Eichholz ernannt worden. — Der französische BotschastSattachS Vicomte de Treilhard ist in da» Auswärtige Amt zu Pari« versetzt worden. — Der neuernannte russische Botschafter Graf v. d. Osten- Sacken ist au« Wien noch München zurückgekehrt; seine Ankunft in Berlin steht somit bald za erwarten. — Der Minister für Handel und Gewerbe Freiherr v. Berlepsch ist von Dresden hier angrkommen. — Dem Vernehmen der „N. Pr. Z." nach ist der Oberstlieute nant z. D. Frhr. v. Zehtwitz zum Vorstand der „Kaiser- Wilhelm-11.-Stiftung" (DarlehnSfonds für Generale und die unteren OssicierSgrade) ernannt worden. — Die „Köln. Z." berichtet, daß daS Programm für die Herbstmanöver abgeändert sei. DaS GardecorpS, sowie das 2., 3. und 9. CorpS würden in zwoi Parteien bei Prenzlau gegeneinander üben. Ursprünglich war nur die Theilnahme deS 2. und deS GardecorpS, sowie zweier Cavalleriedivisionen geplant. — Die PetitionS-Commission deS Reichstag- hat über eine Petition verhandelt, durch welche der Berliner Arbeiterverein eine Ausdehnung des Gesetzes über die Gewerbeschiedsgerichte auf alle im HandrlSgewerbe thätigen Personen, sowie auf ländliche Arbeiter und Dienst boten verlangte. In der Verhandlung der Commission äußerte sich der Vertreter der verbündeten Regierungen wie folgt: „Die Bestimmungen des Gesetzes über die Gewerbegerichtr vom 29. Juli 1890 sind den Verhältnissen der gewerblichen Arbeiter an- gepaßt. Soweit die Petition daraus gerichtet ist, die Zuständigkeit der Gewerbegerichtr aus das kaufmännische Hilfspersonal auszu- drhnen, deckt sie sich mit einem dem Reichstag vorliegenden Antrag der Abgeordneten Auer und Genossen vom 0. December v. I. Der- selbe Antrag ist schon bei der Berathung des Gesetzes vom 29. Juli 1890 im Reichstag gestellt und in Folge der erhobenen Einwen dungen abgelrhnt worden. Auch gegenüber den weiteren Anträgen der Petenten, die Geltung deS Gewerbegerichtsgesetzes auf ländliche Arbeiter, Dienstboten rc. zu erstrecken, dürsten mit Rücksicht auf die besonderen Verhältnisse dieser Classrn der Bevölkerung wesentliche Bedenken bestehen." Die PetitionS-Commission empfiehlt vem Plenum, die Petition, soweit sie die Handlungsgehilfen betrifft, dem Reichskanzler zur Erwägung zu überweisen, über die übrigen Forderungen jedoch zur Tagesordnung überzugehen. — DaS Verzeichniß der unerledigten Vorlagen im preußischen Landtage ist erschienen. Nach demselben harren der Berathung 12 Regierungsvorlagen, 10 Anträge und 23 CommissionSberichte. Im Herrenhause liegen 9 Vorlagen und Berichte und der Antrag Bethmanu-Hollweg. Die Tagung dürfte sich mehr in die Länge ziehen, als man anfangs an nahm. — Der Landwirthschassminister hat die Verwal tungsbehörden zu Gutachten über die Wirkung der Aufhebung deS Identitätsnachweises aufgeforvert. — Bei der Ersatzwahl zum Reichstage in Rinteln sollen die Anhänger der Freisinnigen Volkspartei, der „Freist Ztg." zufolge, für Prost Vircbow als Zählcandidaten stimmen. — Bekanntlich verurtheilte dieser Tage daS Richter'sche Blatt auf daS Schärfste aussichtslose Sonder- candidaturen, als — Andere sie aufstellten. — Für die durch Ungiltigkeitserklärung des Mandats des Abg. v. Gerlach im Wahlkreise Köslin erforderliche Ersatz wahl zum Reichstage werden die Conservativen und der Bund der Landwirthe Herrn v. Gerlach wieder aufstellen, während die Freisinnige Vereinigung den Baurath Benoit- Charlottenburg und die Socialdemokraten einen Kaufmann Lotz aufgestellt haben. — Anknüpfend an den Beschluß des Parteitages der bayerischen Conservativen gegen die Umsturzvorlage schreibt die „Kreurztg": „Daß die Vorlage, wie sie gegen wärtig ist, den Anforderungen, die wir an ein gegen die Umsturzgefahr gerichtetes gesetzgeberische» Vorgehen stellen, nicht entspricht, haben wir bereits dargelegt und sehen keinen Grund, dem für jetzt noch etwas hinzurufügen. Der Wieder zusammentritt des Reichstages steht nahe bevor: das Weitere wird sich dann schon finden." * Kiel, 18. April. Die Eröffnung de» Nordostsee canals in Holtenau wird, der „F-Z." zufolge, erst am 21. Juni Vormittags 11 Uhr stattsinden. Der Kaiser trifft hier allerdings schon am 20. Juni 2 Uhr ein; doch findet an diesem Tage Abends nur daS Kaiserdiner für 1000 Personen im Kaiserzelte statt. * vrrmen, 18. April. Die drei liberalen Parteien Bremens hielten heute eine Protestversammlung gegen die Umsturzvorlage ab. Sie beschlossen nach einem Referat deS Or. Buff eine Resolution gegen die Vorlage. (M. Z.) * Detmold, 18. April. Der Wiederzusammentritt des Landtags wurde verschoben. <5 Halle, 18. April. Die wegen Geheimbündelei angeklagten Anarchisten sind Arbeiter, Handwerker, Gastwirthe u. s.w. Einzelne Mitglieder sind schon früher wegen Vergehens gegen die tztz. 128 und 130 de» Str.-G -B. bestraft. Als Belastungs zeugen sind Ober-Polizei-Inspector Heydemann, mehrere Polizei-Commiffare und -Sergeanten, sowie ein amtlicher Stenograph geladen. Bier als Entlastungszeugen geladene Personm waren nicht erschienen. Am Nachmittag wurde die Verhandlung auf morgen vertagt. Der Verhandlung wohnte u. A. Oberstaatsanwalt Hecker-Naumburg bei. * Eisenach, 17. April. Obwohl der socialdemokratische Reichstagsabgeordnete Bock den socialdemokratischen Wählern den Rath gegeben hat, in der Stichwahl für Casselmann zu stimmen, veröffentlicht da» socialdemokratische Wablcomitv eine Erklärung, nach der den socialistischen Wählern „vollständig" freie Hand gelaffen wird, doch be trachtet eS das WählcomitL als vollständig ausgeschloffen» daß auch nur eine Stimme dem Bund der Landwirthe zu fällt. In diesem Fall würde ein Socialdemokrat sein Votum für die Umsturzvorlage, den Antrag Kanitz, Einführung der Doppelwährung rc. abgeben. Nachdem dies Alles aufgeführt ist, heißt eS weiter: „Es kann auch nach dem Vorstehenden nicht schwer sein, Eure Entscheidung zu treffen, weshalb wir eS mit Ruhe Euch selbst überlassen, wie Ihr am 19. April zu handeln habt." Es werden also die socialistischen Wähler indirect aufgefordert, für Casselmann zu stimmen. Die Eisenacher Parteileitung hat es jedenfalls, wie die „Post" wohl richtig vermuthet, nicht über sich gewinnen können, nach den Erfahrungen, die die Socialdemokraten in der Stichwahl in Eschwege-Schmalkalden mit der freisinnigen Dolkspartei gemacht hat, offen die Unterstützung der freisinnigen Can- didaten zu empfehlen. * Mainz, 18. April. Der „Verein Mainzer Kausleute" hat beschlossen, eine Commission zum Schutze gegen un lauteren Wettbewerb einzusetzen. * Trier, 18. April. Der Bauernverein, Bezirk Trier, beschloß eine Resolution gegen den Antrag Kanitz und die Staffeltarife und für den Erlaß eines Margarinegesetzes. * Metz, 17. April. Der „Voss. Ztg." wird von hier ge schrieben: Der wegen Spionage in Untersuchung befindliche Kohlenhändler Hanne hat einem in der Stadt ganz bestimmt auftretenden Gerücht zufolge ein Geständniß abgelegt, nach dem die Untersuchung noch größeren Umfang annehmen dürfte. Der kürzlich verhaftete frühere Feldwebel am Artilleriedepot, der sich nach seiner Verabschiedung in Montigny angekaust hat und ein Vermögen von etwa 40 000 ^ besitzen soll, bat hauptsächlich den Erwerb dieses Vermögens nachzuweisen. Gelingt ihm daS, so dürfte seine Freilassung erfolgen, da directe Thatsachen gegen ihn nicht vorliegen sollen. * München, 18. April. Der Prinz-Regent erhielt laut den „M. N. N." nicht nur vom Kaiser ein Einladungs schreiben, den Eröffnungsfeierlichkeiten des Nord-Ostsee- CanalS beizuwohnen, sondern auch alsbald weitere Schreiben vom König von Württemberg und vom König von Sachsen, durch welche die Rangordnung der Fürsten unter sich in einer alle Theile befriedigenden Weise gelöst wurde. — Die Generalversammlung deS Bundes der deutschen Frauenvereine beschloß die Einreichung von Petitionen an den Reichstag und an den preußischen Landtag um Maß nahmen gegen die Prostitution, Verbesserung des Frauen rechtes in dem neuen Civilgesetzbuch und um Verbesserung der preußischen Gesindeordnung. Oesterreich-Ungarn. * Wien, 18. April. Der seit zwei Tagen andauernde Ausstand der Ziegelarbeiter hat (wie schon kurz erwähnt) heute blutige Zusammenstöße zwischen der Polizei und den Ausständigen bewirkt, wobei zahlreiche Verwundungen durch Säbel erfolgten. Die Streikenden wollten nicht dulden, daß Fubrwagen mit Ziegeln beladen würden, und eröffneten einen Steinrcaen, worauf die Wache energisch einschritt. Insbesondere Frauen benahmen sich sehr herausfordernd. Ein Streikender führte einen Hieb gegen einen Polizisten, worauf blank gezogen wurde und ein Handgemenge entstand, daS schließlich mit dem Ab züge der Ausständigen endete. Bald erneuerten sich jedoch die Ansammlungen, worauf die Wache neuerlich die Waffen gebrauchte. Als die blanken Säbel sichtbar wurden, kreischten die Weiber, schimpften, drohten und ballten die Fäuste. Ein Weib, das ihren Mann schützen wollte, erhielt einen Säbel hieb, der vier Finger der rechten Hand abtrennte. Ein Mann erhielt einen Säbelhieb über den Kopf, ein anderer einen auf den Nacken. Eine Frau, die ein Kind aufheben wollte, daS in Gefahr war, von den Rossen der Wache zertreten zu werden, bekam einen Säbelhieb. Widerspenstige Weiber mußten von der Wache gepackt und zur Polizeistation gebracht werden. Die Erregung steigerte sich von Minute zu Minute. Die Weiber schickten sich bereits an, die Wachleute von den Pferden zu reißen, darauf folgte ein Ausfall der Polizisten und die Zerstreuung der Lärmen den. 15 Personen wurden verwundet, darunter ein Arbeiter sehr schwer, und 12 Verhaftungen kamen vor. (Mgdb. Ztg.) * Wien» 18. April. Die Conserenzen des gemeinsamen Minister» comitSs unter Vorsitz des Kaisers wurden Nachmittag beendet und die Einberufung der Delegationen auf den 5. oder 6. Juni festgesetzt. Bezüglich der Mehrforderungen der Kriegsverwaltung ist darauf hinzuweisen, daß dieselben eigentlich nur Folgerungen früherer Delegationsbeschlüsse sind und daher nur eine progressive Entwickelung, nicht aber neue Budgrtposten bedeuten. * Prag, 18. April. Anläßlich de» Gastspiels der Schauspielerin Marie PoSpischel am hiesigen städtischen Theater fanden heute vor und während der Vorstellung lärmende Kundgebungen statt. 10 Personen, meist Studirende, wurden verhaftet. Die Ursache de« Auftritts war der Umstand, daß die Künstlerin s. Zt. in einer Vor stellung des deutschen SchulvereinS mitgewirkt hatte. Frankreich. k. Paris, 18. April. In der Versammlung von Ver tretern der politischen Zeitungen verlasen die Mit glieder de» PreßsyndicatS da« über die gestrige Zusammen kunft mit dem „Timeö"-Correspondenten Blowitz aufge nommene Protokoll. Diesem Protokoll zufolge bat Blowitz er klärt, er kenne keinen französischen Journalisten» der eigennützige Beziehungen zu irgend einer Botschaft unterhalten habe. Nach der Verlesung dieses Protokolls nahm die Versammlung einstimmig eine Tages ordnung an, die sich darauf beschränkt, die Widersprüche zwischen den Correspondenzen Blowitz' und seiner Eigenschaft als Franzose sestzustellen und die Handlungsweise Blowitz dem Urtheile der öffentlichen Meinung überlaßt (!). * Havre, 18. April. Nach den Empfängen in der Unter- präfectur begab sich der Präsident Faure nach der Börse, wo eine Tafel zur Erinnerung an seinen Besuch angebracht wurde; später nahm Präsident Faure in seiner Wohnung das Frühstück eia. Urberall wo der Präsident sich zeigte, wurde er von der Bevölkerung mit lebhaften Kundgebungen begrüßt. — Nach der Tafel in der Unterpräfectur wohnte der Präsi dent einer Festvorstellung im CircuS bei, wo ihm lebhafte Kundgebungen dargebracht wurden. Niederlande. * Amsterdam, 18. April. Der „Nieuwe Rottervamsche Courant" erklärt die Gerüchte für falsch, die die bevorstehende Londoner Reise der holländischen Königinnen mit dem Plan einer Heirath zwischen der Königin Wilbelmine und einem englischen Prinzen in Verbindung bringen. Italien. * Rom, 18. April. Ein französischer Priester Namens Lancelon aus Grenoble, der seit mehreren Jahren von Monterotondo bei Rom für französische und canadische Blätter correspondirte, wurde aus Italien gewiesen. Anlaß zu der Maßnahme hat der Inhalt einiger Corre spondenzen gegeben, in denen Lancelon angeblich Italien ge schmäht haben soll. — Wie die „Agenzia Stefani" vom heutigen Tage meldet, hat der japanische Gesandte Takahira dem Minister deS Auswärtigen, Baron Blanc, den zwischen Japan und China am 17. d. M. abgeschloffenen Frieden amtlich kundgegeben. Tvanien. * Madrid, 18. April. Der Minister des Innern verbot alle Arbeiterzüge am I. Mai und ordnete «ine strenge Bewachung der Anarchisten an, die die Maifeier zu Kund gebungen benutzen wollen. Orient. * Sofia, 18. April. DaS Blatt „Mir" meldet: Der Sultan hat, die Beschwerden der Bevölkerung im Vilajet Monastir berücksichtigend, den dortigen Mali durch Abdul Ke rem, den bisherigen Mali von Sculari, ersetzt. * Konstanttuopel, 18. April. Der bisherige deutsche Bot schafter Fürst Radol in ist heute Nachmittag nach Berlin abgereist. Am Bahnhofe waren im Namen des Sultans der Oderceremonienmeister Munir Pascha und General Achmed Pascha erschienen, ferner hatten sich der Großwessir Minister deS Auswärtigen Said Pascha und daS diplomatische Corps iu corpore, sowie die Spitzen der deutschen Colonie zur Ver abschiedung eingesunden. Die Gemahlin des Botschafters begab sich gestern nach Rom, um der Hochzeit ihres Bruders Grafen Oppersdorfs mit der Prinzessin Radziwill beizuwohnen. Amerika. * Matzrid, 19. April. (Telegramm.) Nach amtlichen Depeschen aus Cuba entfaltet Martine; CampoS eine lebhafte Thätigkeit. 3 Divisionen begannen eine lebhafte Action gegen die Aufständischen. Diese flohen in die Berge, ohne daß eS ihnen gelungen wäre, irgend eine Stadt ein zunehmen. * Paris, 19. April. (Telegramm.) Ans Havannah wird gemeldet: Der Aufstand greift weiter um sich. Mehrere Insurgentenführer, darunter Marti, Maximo und Gomez sind am Sonntag in Baracoa gelandet. Marschall Martine;CampoS wird wahrscheinlich weitere Verstärkungen fordern. Aste«. * Rom, 18. April. Wie die „Agenzia Stefani" meldet, sind die Bedingungen deS heute amtlich ratificirten, zwischen China und Japan abgeschloffenen Friedensvertrages folgende: 1) Zahlung einer Kriegsentschädigung von20o Mill. Taels; 2) Abtretung der Insel Formosa, der Halbinsel Liau Tong bis zum 40. Breitengrade; 3) Eröffnung fünf weiterer chinesischer Häfen, darunter einige im Innern; 4) Abschluß de« Protestes folgten. Aber weder da- Eine noch daS Andere brachte die gewünschte Wirkung hervor. DaS Geschäft der Durchsuchung aller Gegenstände, die irgendwie geeignet schienen, als Aufbewahrungsort diScreter Papiere zu dieuen, nahm seinen ungestörten Fortgang und dem Entrüsteten blieb nicht« übrig, al- sich abermals in da» Unvermeidliche zu fügen. Freilich, mit seiner humoristischen Behaglichkeit war e« vorbei. Die noch nicht ganz auSgeraucht« Cigarre warf er mit einem abermaligen Fluch zu Boden. Dann begann er unruhig im Zimmer auf und ab zu wandern, ab und zu spähende Blicke durch die offene Thür inS Schlafzimmer werfend, während sich in den gespannten Mienen, in seinen hastigen, nervösen Bewegungen ein erhöhtes Interesse verrieth. Aber auch in dem Schlafzimmer schien der Unterofficier nicht mehr Glück zu haben, als vordem im Wohnzimmer. Alle Behälter der wenigen Möbelstücke und da- Bett in allen Einzelheiten — Matratze, Kopfkiffen, Decke — waren mit der sorgsamsten Aufmerksamkeit durchforscht. Nur noch ein Koffer, der unter dem Bett stand und den der Unterofficier nun bervorzog, war übrig. „Befehlen der Herr Lieutenant?" fragte der Unterofficier, Während er den Koffer, der sich bereit« beim bloßen Anheben al« leer erwies, leicht in die Höhe hob. „Gewiß!" Der Franzose, der auf die Schwelle de» Zimmer« getreten war und jede Bewegung und jede» Wort der beiden deutschen Soldaten mit einer Miene verfolgt«, die schlecht seine fieberhafte Spannung verhehlte, stampfte zornig mit dem Fuß auf. „Der Schlüssel fehlt, Herr Lieutenant", meldete der Unter- vfficier. „Den Schlüssel!" wendete sich Lieutenant Kramer lakonisch an den französischen Officier. „Nein, nein, nein!" flammte der Franzose wüthend aus und sprudelte in seiner Muttersprache einen Schwall von Sätzen heran«, so schnell, daß sie der deutsche Officier nicht verstehen konnte. Einen Augenblick bedachte sich Lieutenant Kramer, dann gebot er seinem in dienstlicher Haltung des Befehlt» gewärtigen Untergebenen mit einer Ruhe, al- handle r« fick um eine alltägliche dienstliche Hebung: „Unterofficier Fichter, binden sie dem Gefangenen die ände auf den Rücken und tran-portirea Sie ihn nach der olizeiwache. Melden Sie, daß ich Ihnen auf dem Fuße folge und persönlich Bericht erstatten werde." „Zu Befehl, Herr Lieutenant!" Der Unterofficier schritt auf den französischen Officier zu, der bleich, mit haßsprübenden Blicken, sich die Lippen blutig nagend, zurückwich. Plötzlich aber, als er sah, daß ihm der Unterofficier, der sein Taschentuch gezogen und rasch zusammen- aerollt hatte, mit entschlossener Miene folgte, griff er blitz schnell in seine Tasche und warf einen kleinen Schlüssel, den er hervorgezogen hatte, mit einer zornigen Verwünschung auf den Tisch. „Da!" rief er, ballte die Fäuste und schüttelte sie in ohnmächtiger Wuth gegen den deutschen Officier. „Da! Nehmen Sie! Ich füge mich der brutalen Gewalt! Aber das sage ich Ihnen: Ihre Neugierde soll Ihnen theuer zu sieben kommen. Noch heute telegraphire ich an den franzö sischen Gesandten in Berlin. Ich hoffe, Herr Lieutenant Kramer, Ihre Gewaltthat wird Ihnen Ihr Portepee kosten." Der Lieutenant entgegnete nicht-, obgleich ihn secundenlang ein Schauder durchrann. Der Unterofficier nahm den Schlüssel, öffnete den Koffer und stieß einen Laut der Enttäuschung auS. Auch Lieutenant Kramer fühlte eine Anwandlung von Muthlosigkeit. Die Möglichkeit, daß sein Argwobn ihn getäuscht, drängte sich ihm immer zwingender auf. Teufel, eine schöne Falle, di« er sich da selbst gestellt! Wenn er dem Franzosen wirklich Unrecht gethan? ES fröstelte ihn bei dem Gedanken, und wie ein Verzweifelter stürzte er sich neben dem Koffer aiff seine Knie nieder und befühlte und betrachtete ihn von allen Seiten. Vergebens! Auch hier nicht- Verdächtiges! Schon wollte er resignirt seine Forschungen einstellen, als er eine Beob achtung machte, die ihm da» Blut in die Wangen trieb und seinen Muth und Eifer von Neuem anfachte. Der Boden im Innern de» Koffer- zeigte eine eigenthümliche Wölbung und ebenso gewölbt war der Außendeckel. Die eine Hand innen, die andere außen betastete er den Koffer und klopfte mit den Knöcheln auf beide Deckel. Kein Zweifel, zwischen den beiden Deckeln befand sich ein geheime« Fach; r« war ein Koffer mit doppeltem Boden. „Hurrah!" entfuhr e« ihm wie ein Triumphschrei. Im Nu hatte er seinen Säbel gezogen und zwängte die Spitze der baldscharfen Kliuge iu den Rand zwischen Boden und Seitentheil. Der Anblick brachte auf den Franzosen eine wunderbare Wirkung hervor. Wie ein Rasender sprang er auf den Lieutenant lo« und hätte sich nicht Unterofficier Fichter dazwischen geworfen, der französische Officier hätte sich an dem deutschen thätlich vergriffen. „Halten Sie mir den Menschen vom Leibe!" rief Lieutenant Kramer dem Unterofficier zu, ohne sich in seiner Arbeit auch nur eine Sekunde lang unterbrechen zu lassen. Jetzt war er seiner Sache sicher. Die Wuth deS Franzosen bewies ihm, daß er auf der richtigen Fährte sei. Und richtig, eS war nur ein dünner mit Leinwand beklebter Pappdeckel, der seiner guten Klinge wenig Widerstand leistete und der, ein paar Centimeter höher als der äußere Deckel, mit diesem ein Geheimfach bildete. Mit zuckenden Fingern riß der Lieutenant den in Stücke geschnittenen Doppelboden herab und „Hurrah!" erklang eS noch einmal triumphirend von seinen Lippen. Eine Anzahl von Schriftstücken und mehrere Bleistift zeichnungen, Skizzen einzelner Festungswerke, die der Franzose offenbar selbst entworfen — sie waren mit fachmännischer Genauigkeit auSgeführt — fielen dem froh Aufathmenden in die Hände. Der Artillerieofficier konnte sich nicht enthalten» einen spöttischen Blick zu dem Franzosen hinüber zu werfen, der, das düster dreinschauende Gesicht zu Boden gekehrt, sein Schuldbewußtsein nicht mehr verleugnen konnte. Dann setzte er fick, um in Ruhe seinen Fund genauer zu prüfen. Es waren kurze Aufzeichnungen in französischer Sprache von den verschiedensten militairischen Dingen, die der Spion wahrscheinlich nach Mittbeilungen, die er schlau am Biertisch herauszulocken verstanden, sich gemacht hatte. De« Lesenden größte Aufmerksamkeit aber erregte ein ausführlicher, deutsch geschriebener Aufsatz über den strategischen Aufmarsch der Truppen an der Grenze. Da» Schriftstück in die Höhe haltend, rief er seinem Gegner mit beißendem Spott zu: „Da — da- scheint mir da« Ergebniß Ihrer Studien am Schreibtisch deS Obersten!" Ganz zuletzt fiel ihm ein zusammengefaltetr« Blättchen Papier in die Hand. Es war der Brief, den Madeleine zwei Tage zuvor an Gaston de St. Sauveur geschrieben hatte. Kaum hatte Lieutenant Kramer einen Blick auf die Unter schrift geworfen, als er, ohne von dem Inhalt de» Schreiben» Kenntniß zu nehmen, da- Blatt wieder zusammenfaltete und eS, einem unwillkürlichen inneren Antriebe folgend, dem Franzosen reichte. „Don zarter Hand", sagte er zu dem überrascht Zu- greifendrn — „Ihre LiebeS-Correspondenz geht uu« nicht« an." Den Franzosen durchzuckte eine Ahnung von den Beweg gründen dieser immerhin auffallenden Handlungsweise und von der Absicht, die den deutschen Officier dabei leitete, ohne sich einen Augenblick zu bedenken, zerriß er den Brief in eine Anzahl kleiner Stückchen, die er hinter den Ofen warf. „Unterofficier Fichter," wandte sich der Lieutenant an seinen Untergebenen, nachdem er ein paar Sekunden lang sinnend und unentschlossen vor sich niedergeblickt — „Unter- ofsicier Fichter, nehmen Sie die Scripturen da au sich und gehn Sie immer vorauf! Unten an der Thür erwarten Sie uns. Der Herr wird indeß seine Toilette vervollständigen." Der Unterofficier that, wie ihm befohlen, belud sich mit den Papieren und Zeichnungen, die man dem Franzosen abgenommcn und verließ schweigend daS Zimmer. Kaum hatte sich die Thür hinter dem Davongeheudeu geschlossen, als sich der Lieutenant lebhaft an seinen Gefangenen wandte. „Herr de St. Sauveur", sagte er ernst, mit einer gewissen Feierlichkeit in Ton und Haltung — „bevor ich meine Pflicht erfülle und Sie der Behörde ausliefere, möchte ich noch ein paar Worte unter vier Augen an Sie richten, als Officier zu dem Officier. ES ist nicht mein Amt, über daS, wa» Sie gethan und was Sie zu thun vorhatten, ein Urtheil abzu geben, da» ist Sache veS kompetenten Gerichte«. Sicherlich bat da» edle Motiv der Vaterlandsliebe Sie geleitet. Immer hin möchte ich Ihnen den Vorwurf machen, daß Sie die Gastfreundschaft, die die Familie des Obersten von Marenburg Ihnen geboten, übel gelohnt haben. Umso mehr kann man von Ihnen als Officier und Gentleman erwarten, daß Sie vieser Schuld nicht noch ein neue- Unrecht hinzufügen, indem Sie die junge Dame, die Ihnen offenbar ohne Kenntniß Ihrer wahren Absichten und der Tragweite derselben Vor schub leistete, unnothiger Weise in die peinliche Untersuchung verwickeln. Es würde wohl nur wenig zu Ihrer Entlastung dienen, wenn die Nichte de« Obersten neben Ihnen aus der Anklagebank —" Gaston de St. Sauveur unterbrach den Sprechenden mit einer heftig protestirrnden Handbewegung. Flammende Röthe ergoß sich über sein Gesicht, er richtete sich stolz in die Höhe. „Es bedarf Ihre» Appells an meine Ritterlichkeit nicht, err Lieutenant Kramer", entgegnete er, „ich kenne meine flicht wie Sie die Ihre. WaS ich that, au- Liebe für rankreich, auS Haß gegen Deutschland that, werde ich ver antworten, ich allein." (Fortsetzung folgt.)
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