Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.06.1895
- Erscheinungsdatum
- 1895-06-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189506044
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18950604
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18950604
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-06
- Tag1895-06-04
- Monat1895-06
- Jahr1895
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.06.1895
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezug-Preis kn der Hauptexprdition oder den im Stabte lezirk und de» Vororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich^ 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Haus 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: virrteljäbrlich 6.—. Directe tägliche Kreuzbandlenduug in- Ausland: monatlich 7.50. Die Morgen-Ausgabe erscheint täglich mit Aus nahme nach Sonu- und Festtagen '/,? Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentag» L Uhr. Ne-llktion und Lrpedition: Iohannesgaffe 8. Dir Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Filialen: kttB Rlemm'S Tortim. (Alfred Haha)» UniverfitätSstraße 1, Louis Lösche. Aatharinenstr. 14, Part, und König-Platz 7. 1 tWigcr Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Kandels- «nd Geschäftsverkehr. Anzeigen.PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter dem Redoctton-slrich (4ge- fpallen) 50^, vor den Familiennachrichlei, (6 gespalten) 40 Fj. Größere Echristen laut unserem Preis« verzeichniß. Tabellarischer und Zissernsatz »ach höherem Tarif. Extra »Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Poslbesördrnmg 60.—, mit Postbesürderuug ./L 70.--!. Ännahmeschluß für Anzeigen: (nur Wochentags) Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen - Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. ^ 269. Dienstag den 4. Juni 1895. 89. JahrganK Amtliche Bekanntmachungen. Die städtische Sparkasse beleiht Werthpapiere unter günstigen Bedingungen. Leipzig, Len 1. Februar 1805. Die Lparcassen-Teputation. Politische Tagesschau. * Leipzig, 4. Juni. Tn der Münchener „Allgem. Ztg." wird an eine Rede erinnert, die der jetzige Reichskanzler Fürst Hohenlohe im Juni 1881 als Reichstagsabgeordneter in seinem ober- sränkischen Wahlkreise in Pegnitz hielt und in der er u. A. auch auf die rückläufige Bewegung in der nationalen Entwickelung zu sprechen kam. Wir Deutschen, so sagte der damalige deutsche Botschafter in Paris, seien alle Idealisten, die Freihändler, die Fortschrittler, die Socialdemokraten, die Klerikalen, überhaupt die große Masse der Bevölkerung; sie alle hätten von der plötzlichen Einigung des deutschen Reiches Erfüllung ihrer Wünsche und Hoffnungen erwartet; als sie aber alle hätten einsehen müssen, daß ihre speciellen, einander natürlich widerstreitenden Hoffnungen nicht erfüllt würden, sei eine Ernüchterung ein getreten, die selbstverständlich um so größer gewesen sei, je größere Hoffnungen man sich gemacht habe. . . . Der Pessimismus sei der schlimmsteFeind; nur wenn wir Ausdauer hätten, würden wir daö große Ziel erreichen. Diesen Ausspruch, so meint das Münchener Blatt, müsse man sich vergegenwärtigen, wenn man das Verhalten des jetzigen Reichskanzlers und die über legene Ruhe verstehen wolle, mit der er dem parlamentarischen Kampfspicle folge und die er selbst in Momenten nicht verleugne, in denen bald auf der einen, bald auf der anderen Seite alles Maaß vergessen zu werden scheine. Diese Ruhe sei nicht die Ruhe der Gleichgiltigkeit oder des Fischblutes, sondern die der Ueberlegenbeit, reicher Weltkenntnis;, Welterfahrung und großer diplomatischer Schulung. Gerade diese Weltersahrung habe ihn in der Auffassung bestärkt, daß im Grunde die unzu friedenen und oppositionellen Elemente im Reichstag nur enttäuschte Idealisten seien, die durch Ausdauer zur Einsicht in die Unerfüllbarkeit ihrer überschwänglichen Wünsche und Hoffnungen zu bringen und zur positiven Mitarbeit am weiteren Ausbau des Reiches zu bewegen sein würden. Und diese Ausdauer habe er in seinen früheren Stellungen be wiesen. Dann heißt es weiter: „Um die Politik seines großen Vorgängers richtig weiter zuführen, soweit das auch jetzt noch möglich ist, hat Fürst Hohenlohe mach der Seite des Parlaments vor Allem die Auf gabe, mit der wichtigen Thatsache zu rechnen, nicht daß das Centruin Trumpf, wohl aber Laß es die Partei ist, welche unter Umständen das größte Gewicht in die Waagschale der Entscheidungen wirst. Die Frage, wie am besten mit dem Centrum fertig zu werden sei, steht jetzt bereits seit 20 Jahren auf der Tagesordnung. Es gab einen Moment, in dem es die nationalliberale Partei in der Hand hatte, sich selbst wieder in die Vorhand zu bringen und sich zu einer bürgerlich-conser- vativen Partei zu entwickeln; denn am 10. Januar 1877 erlangte das Centrum im ganzen deutschen Reiche 179 000 Stimmen weniger als drei Jahre vorher. Wäre die nationalliberale Parte damals aus die wirthschaftlichen und socialpolitischen Intentionen des Fürsten Bismarck eingegangen und hätte sie nicht bet der Zoll- resorm Herrn Windthorst Gelegenheit gegeben, aus einem großen Fehler Bennigsen's den entsprechenden Nutzen für sich und seine Partei zu ziehen, so wäre Vieles anders und vielleicht auch die rück läufige Bewegung in der nationalen Entwicklung nicht in dem Maße «kommen, wie es der Fall war, weil die Nationalliberalen von der Ninute ausschlugen, was keine Ewigkeit zurückbringt." Wenn der Verfasser dieser Ausführung in die Anschauungen und Pläne des Fürsten Hohenlohe eingeweiht ist, so betrachtet es dieser als seine mit Ausdauer zu verfolgende Aufgabe, das Centrum von seinem in Pessimismus umgeschlagenen „Idealismus" zu heilen, eS zur Mitarbeit an positivem Schaffen zu gewinnen und regierungsfähig zu machen. Er traut ich in diesem Falle etwas zu, was Fürst Bismarck vergebens ver- ucht hat, und verschließt sich der Einsicht, die dem scharfsichtigen Realpolitiker durchjenevergeblichenVersuche aufgegangen ist: der Einsicht nämlich, daß das Centrum durchaus reale Ziele verfolgt, die mit den Zielen und Aufgaben des Reiches un vereinbar sind. Das hat sich bei der Umsturzvorlage wiederum auf das Klarste gezeigt, so klar, daß man sich versucht fühlt, Denjenigen, der jetzt noch auf eine Bekehrung des Centrums u einer staatserhaltenden Partei hofft, für einen Idealisten >u halten, der trotz aller Aufwendung von Energie und Aus muer schließlich zur Ernüchterung kommen muß. Uebrigens ollte man von einem mit den Anschauungen und Plänen des Reichskanzlers vertrauten Manne mehr erwarten, als die vage Andeutung, Fürst Hohenlohe gedenke seinerseits die bisher ungelöste Frage zu lösen, wie am besten mit dem Centrum auszukvmmen sei. Man sollte erwarten, daß auch gesagt würde, mit welchen Mitteln Fürst Hohenlohe das bisher Unmögliche möglich zu machen versuchen wolle. Mit kleinen Geschenken macht man den Ultramontanismus nur begehr licher; diese Erfahrung ist so alt, wie das Centrum, das nur befriedigt wird, wenn mau ihm Alles bewilligt, was es fordert. Daß dazu aber Fürst Hohenlohe nicht bereit ist, bat wieder die Umsturzvorlage hewiesen. Welches andere Mittel könnt« nun aber der Reichskanzler im Auge haben, um damit bei zäher Ausdauer zum Ziele zu gelangen? So lange sein an- gehlicher Vertrauter dieses Mittel nicht nennt, werden wir uns sehr skeptisch gegen die Behauptung verhalten, der Fürst betrachte es als seine vornehmste Aufgabe, das Centrum zu curiren. Was er that sächlich als seine vornehmste Auf gabe betrachtet, ist uns freilich noch nicht klar geworden. Welche Erfahrungen man mit Bekehrungsversuchungen des Centrumö durch Zugeständnisse macht, hat vor Kurzem die aroßherzoglich hessische Regierung erkennen müssen. Auch sie hatte, wie wir bereits berichtet haben, Schritte gethan, die Cullurkampfgesetze „abzubröckeln", um die Ultramontanen zur Regierungssähigkeil zu erziehen. Die Vertreter der Negierung halten sich in der Zweiten Kammer sogar nicht gescheut, die Gegner des Ordensgesetzes zu brüskiren. Dafür aber mußte die Regierung es erleben, daß sie in der Ersten Kammer selbst brüSkirt wurde und zwar von dem Bischof Haffner von Mainz, der die viel weiter als die Vorlage gehenden klerikalen Ansprüche in einer Weise vertheidigte, daß die Regierung sich zu der Erklärung genöthigt sah, die Rede des Bischofs sei geeignet, in der Bevölkerung große Unruhe hervorzurufen. In der Hoffnung auf Dank von Seiten der Ultramontanen sah StaatSminister Finger sich gründlich getäuscht; sein Zugeständniß bot der Partei lediglich willkommenen Anlaß, weitergehende Forderungen zu erheben und zu zeigen, daß sie nicht eher befriedigt sein werden, als bis sie ihr Ziel, die Herrschaft der römischen Kirche über den Staat, erreicht. Der Bischof zeigte nicht übel Lust, das Gesetz abzulehnen, wenn er nicht einem Ge heiße des Papstes hätte Nachkommen müssen, aber mit seiner Zustimmung verband er sogleich den Protest gegen den noch verbleibenden Rest der Kirchengesetze, und zwar in so herausfordernder Weise, daß er die evangelische Mehrheit des Landes gröblich verletzte. Gleich seinen ultramontanen Freunden suchte er den Widerstand der evangelischen Bevölkerung gegen die Zulassung der Orden mit der Behauptung abzufertigen, daß das, was die Cultur-1 einer festen Stellung erfreut, in dem Augenblicke jedoch, wo kämpfer gegen die Orden Vorbringen, entweder Geschichts-1 sie Anzeichen eines Umschwunges wahrzunehmen glauben, sich lügen oder Eingebungen der Abneigung gegen die katholische I sofort zum AuSreißen anschicken. Daß der Wunsch Crispi'ö, Religion seien: nur eine unredliche Hetzerei bringe in der I die subversiven Elemente aus der neuen Kammer entfernt zu evangelischen Bevölkerung die Aufregung gegen die Orden I sehen, nicht in Erfüllung ging, mußte den Ministerpräsidenten, hervor. Das war die Quittung, die Bischof Haffner ^ „--inii^, k,?rHl,>e» Di- »nv DaS war die Quittung, die hessischen Regierung für ihr Entgegenkommen ausstellte, wenn Herr Finger bei seinem Entgegenkommen Ausdauer beweist, so wird er solcher Quittungen noch viele empfangen, bis er zu Gunsten eines von Bischof Haffner präsentirten Nachfolgers abdankt. Wenn deutsche Blätter ihre Ungeduld darüber äußern, daß der Mord des Kaufmanns Rockstroh in Marokko seine Sühne noch nicht gefunden hat, so läßt eine derartige Auf fassung vor Allem den Umstand außer Acht, daß an den Machtkreis der marokkanischen Behörden ein europäischer Maßstab nicht angelegt werden kann. Dies gilt noch in erhöhtem Maße für den gegenwärtigen Zeitpunct, wo viel fache Aufstände der unbotmäßigen Kabylenstämme die Tätig keit der Behörden völlig lähmen, so namentlich auch in der Gegend, wo der Mord geschah. Die von dem Grafen Tatten bach an Ort und Stelle geführte Untersuchung hat denn auch ergeben, daß es vorläufig unmöglich ist. die zu einem aufständischen Stamme gehörigen Mörder Rockstroh's der Bestrafung zuzuführen. ES ist daher der marokkanischen Regierung eine Frist zur Leistung der ihr abgeforderten Genugthuung gewährt worden. Inzwischen wird auch der von der ostasiatischen Station heimkehrende Kreuzer „Marie" an der marokkanischen Küste eintreffen oder eingetroffen sein und zurVerfügung des Grafen Tattenbach stehen. Ganz eigenthümlich nimmt eS sich aus, daß gerade ein Organ der freisinnigen Partei, die sich bekanntlich hartnäckig allen Marineforderungen und insbesondere auch der Vermehrung der deutschen Kreuzer- stotte widersetzt, darüber entrüstet ist, daß die Manne Verwaltung für Marokko nur den Kreuzer „Marie" zur Hand habe. Darauf sei unter Verzicht aus jede marine technische Erörterung nur erwidert, daß, nachdem der marokkanischen Regierung in Fez eine Frist gewährt worden ist, die Anwesenheit eines Kriegsschiffes in den marokka nischen Gewässern zur Zeit nicht erforderlich ist. Auch eine weitere Klage des bezeichnet«« Blattes, daß nämlich der nach Ostasien beorderte Panzer „Kaiser" auf der Reise dort hin nicht von Gibraltar aus Tanger angelaufen habe, erscheint nach dem Gesagten als gegenstandslos, ganz abgesehen davon, daß die möglichst baldige Einreihung dieses Panzers in das ostasiatische Geschwader angesichts der dortigen Lage dringend geboten erscheint. DaS annähernde Gesammtresultat der Italienischen Wahlen vom 26. Mai und der Stichwahlen ist folgendes: Gewählt sind 336Ministerielle und 155 Oppositionelle, darunter 98 Anhänger der constitutionellen Opposition, 40 Radicale und 17 Socialisten. Bei 17 Gewählten steht die Parteistellung nicht fest. So glänzend dieser Wahlausfall für die Regierung erscheint, wenn man nur die Zahlen in Betracht zieht, so bedauerlich ist es, daß die Majorität sich nicht aus lauter sicheren Elementen zusammensetzt, so daß man fortwährend die Eventualität von Ver schiebungen und demzufolge die Verwirrung der Partei verhältnisse zu besorgen haben wird. Wie selbst officiöse Verlautbarungen zugeben, finden sich in den Reihen der Mehrheit viele frühere Oppositionelle, welche sich erst in der letzten Stunde bedacht und ein ministerielles Programm auf gestellt haben, nachdem sie erkannt hatten, daß ihnen blos unter dieser Fahne der Erfolg winke. Ferner kann man in der Regierungspartei nicht wenige Deputirte entdecken, die sich jedem Cabinet anschließen, so lange diese« sich der > wie das ganze Caoinet peinlich berühren. Die Radikalen und und I die Socialisten haben nickt nur an numerischer Stärke nichts eingebüßt, sondern sogar, namentlich die Letzteren, gewonnen und ihre größten Lärmmacker durchgebracht. Im höchsten Grade bedauerlich ist die demonstrative Wahl mehrerer wegen der letzten revolutionairen Bewegungen in Sicilien und in Mittelitalien zu mehrjähriger Kerkerhaft ver- urtheilter Personen. Wenn auch diese Wahlen, da die Ver- urtheilten als Verbrecher die bürgerlichen Rechte verloren haben, ungiltig sind, so bilden sie doch unbefriedigende Symp tome für den in einigen Theilen Italiens herrschenden Geist. Im großen Ganzen ist denn auch die Sprache der der Regie rung nahestehenden Presse heute eine weniger zuversichtliche als vor den Wahlen. Eine düstere Folie haben die Verhandlungen über die Resormvorschläge der Mächte in Betreff Armeniens durch den meuchlerischen Uebcrfall englischer, französischer und russischer Eonsnlatsbeamtcn in TscdSah erhalten, der einem der Letzteren das Leben gekostet hat. Djeddah, der Pilger basen Mekkas, ist ein berüchtigter Herd des moslemischen Fanatismus. Man erinnert sich des furchtbaren Christen- blutbadeS, dessen Schauplatz die arabische Hafenstadt am 15. Juni 1858 gewesen ist. Auch damals sielen consularische Vertreter der europäischen Mächte, näm lich die Consuln Englands und Frankreichs, zum Opser. Anfangs der achtziger Jahre folgte der Consulnmord in Salonichi, ebenfalls unter dem Zeichen des religiösen und politischen Fanatismus. Auch die neueste Blut- that in Djeddah scheint aus den gleichen Ursprung zu deuten und läßt zusammen mit den letzter Tage gemeldeten Ausschreitungen der türkischen Polizei und Bevölkerung gegen die Vertreter der drei in Armenien interessirten Mächte in Musch — heute liegt eine neue derartige Nachricht vor — die Gesammt- lage und Stimmung in der Türkei als eine in hohem Grave gespannte erscheinen. Der Hedjas, zu welchem Djeddah gehört, ist ein türkisches Vilajet, es residirt auch ein türkischer Vali in der Hafenstadt, es garnisonirt dort eine Abtheilung türkischer Nizams und amtirt eine türkische Zollbehörde, aber die Provinz steht doch factisch unter der Jurisdiction deS Großscheriss von Mekka. Beim l858er Mafsacre verweigerte der damalige Groß scherif die Auslieferung der Consulnmörder, worauf sich ein eng lisches und ein französisches Kriegsschiff durch dreitägige Beschießung der Hafenstadt Satisfaction erzwangen. Auch jetzt hat die englischeRegierung sofort einenTheil des vorAlexan- drien liegenden britischen Geschwaders nach Djeddah beordert. Wie uns aus Paris gemeldet wird, theilte der türkische Botschafter dem Minister des Auswärtigen Hanotaux mit, daß auf Befehl des Sultans von der Pforte Anweisung nach dem Vilajet HedjaS gegeben wäre, um ein Kriegsgericht ein zusetzen behufs Auffindung, Verhaftung und sofortiger strenger Bestrafung der Personen, die bei den Ausschreitungen betheiligt waren. Nach weiteren Mittheilungen des Bot schafters sollen bereits zehn Beduinen festgenommen und dem Kriegsgericht vorgesührt sein, welches schon be gonnen habe, gegen dieselben zu verhandeln. Der Bot schafter sprach nochmals das lebhafte Bedauern seiner Regierung wegen dieses beklagenswerthen Vorkommnisses aus. Jedenfalls kann cs nichts schaden, wenn die drei Mächte durch eine energische Demonstration den Eifer der Behörden anstacheln; denn es ist noch sehr fraglich, ob die An ordnungen des Sultans in jenem entlegenen Gebiet, wo er nicht eben viel zu sagen hat, zu einer exemplarischen Bestrafung Fenrlletsn. Die Erbin von Äbbot-Cajile. 24j Original-Roman von I. Klinck-Lütetsburg. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Achtzehntes Capitel. Nach einer schlaflos verbrachten Nacht hatte Lady Ruth- bert in den Hellen Morgenstunden noch eine späte Ruhe ge sunden, und ihr Gatte hatte sich auf dem Balcon nieder gelassen, um, die köstliche Aussicht genießend, den Zeitpunct ihres Erwachens abzuwarten. Wiederholt hatte er daS Zimmer betreten, um nach ihr zu sehen. Er fand sie jedesmal in einer anderen Stellung, sie machte keineswegs den Eindruck einer friedvoll Schlummern den, und die Glnth ihrer Wangen hatte ihm noch zu keiner Zeit größere Besorgnisse eingeflößt. Sie war ernstlich krank, und er durfte nicht mehr zögern, einen Arzt zu Rathe zu ziehen. Tief bekümmert kehrte er zum vierten Male an diesem Morgen auf den Balcon zurück. Er saß mit übereinander- gekreuztcn Armen und starrte finster vor sich nieder. Die berrliche Natur, die ihre Schönheit in verschwenderischer Fülle vor ihm ausbreitete, hatte den Reiz für ihn verloren, er beschäftigte sich mit düsteren, hoffnungslosen und ent- muthigenden Gedanken. Nicht sie allein war einem grau samen Schicksal gegenüber wehrlos gewesen, sondern auch er war es. Er mußte die geliebte Frau zu Grunde gehen sehen, ohne ihr Helsen zu können. In diesem Augenblick trat Mary auf den Balcon. Sie trug ein weißes Morgenkleid mit rosa Schleife, aber keine Kleidung hätte die Zartheit ihrer Erscheinung auffälliger her vortreten lassen können als gerade diese, Harry Ruthhert zuckte zusammen, als er sie sah, nur mit Mühe beherrschte er seine gewaltige Erregung, er fühlte sich von einer unheim lichen Ahnung erfaßt. Ihr Verfall kam plötzlich sehr rasch. „Mary, Du bist krank!" DaS Wort drängte sich über seine Lippen, er hatte eS nicht zurückhalten können. Sie lächelte matt — es war daS süße, melancholische Lächeln, welches ihm da« Herr zerriß. „Ich glaubt eS beinahe, Harry", entgegnete sie leise; bis zur Stunde hatte sie jedt« Unwohlsein geleugnet. Er nahm sie in seine Arme und strich liebkosend ihr weiches Haar. „Was ist es, mein Liebling? Wir wollen einen Arzt zu Rathe ziehen." Sie schüttelte webmüthig mit dem Kopfe. „Nein, Harry, ich brauche keinen Arzt, wirklich nicht. Ich glaube, Sehnsucht macht mich krank." „Sehnsucht? Nach was, Mary?" „Nach Ruthbert-Hall." „Mary!" Dann setzte er mit leisem Vorwurf hinzu: „Bist Du nicht auch hier bei mir?" Sie schluchzte plötzlich auf. „O, Harry, vergieb mir! Ich mache Dir so unendlich viel Unruhe, ich weiß eS und kann eS doch nicht ändern. Ich habe so sehr wenig Gewalt über mich. Du liebst mich, Harry, Du willst mich glücklich machen und ich — ich quäle Dich nur. O, Harry, warum mußte es so kommen ? Ich habe keinen Wunsch, als Dich glücklich zu machen und kann den Weg dazu nicht finden." Ihre Worte erschreckten ihn nicht weniger als ein Aus bruch leidenschaftlichen Schmerzes, den zu sänftigen er ver gebens bemüht war. Erst nach längerer Zeit gelang es seinen Bemühungen, wenigstens den immer aussNeue hervorstürzenden Thränen Einhalt zu gebieten. Er hatte sie auf einen Sessel niedergleiten lassen und nun hing sie, sichtlich erschöpft, noch in seinem sie umschlingenden Arm. „Mary, Du mußt doch sehen, daß ich in Deinem Besitz unendlich glücklich bin", sagte er endlich, ihr tief in die thränen- gefüllten Augen blickend. „Nur die Sorge um Dich, Deine Gesundheit beunruhigt mich." „Ick möchte nach Ruthbert-Hall", sagte sie mit einem tiefen Seufzer. Es lag eine heiße Sehnsucht in den wenigen Worten. „Rutbbert-Hall ist sehr einsam, Mary. Der Herbst ist vor der Thür und vielleicht ein langer, öder Winter. Nur Doctor Donald und der Vicar werden uns besuchen und die Tage unendlich langsam vorüberschleicken, besonders noch, wenn Schnee und Eis unser Besitzthum einhüllen. — Willst Du nicht versuchen, Freude in der Natur zu suchen und später — in Italien — in den Wunderwerken der Kunst ? Ich habe mich so unendlich darauf gefreut, Dir alle« Schöne erschließen zu können, und batte gehofft, daß Du über daS Große, Herrliche die Nichtigkeiten eine« Dasein« vergessen würdest. Willst Du mir diese Freude zerstören?" „Nein — nein, gewiß nicht, Harry. Vergiß meine thörichten Worte", entgegnete sie mit einem Eifer, der nur dem Wunsche entsprang, sich seinen Absichten zu fügen. „Du mußt nur ein wenig Geduld mit mir haben, und — auf Ruthbert-Hall ist eS so schön, wie es nirgends schöner sein kann." „Wir werden ja auch zum Frühling dorthin zurückkehren, Mary." Eine Wolke beschattete ihre Stirn. Träumerisch blickte sie in die blaue, duftige Ferne. Sie dachte, daß es bis zum Frühling noch eine lange, lange Zeit sei, und daß cs ihr sehr schwer fallen würde, den Ort zu meiden, den sie so sehr liebte, und den sie schöner als Alles fand, was sie seither ge sehen. Sie dachte aber schon nickt mehr daran, nach Ruthbert- Hall zurückzukehren, und so sagte sie dem Gatten. Im Lause des Tages erschien sie heiterer, sie war so sehr bemüht, das Leid zu verbergen. Aber indem Harry Ruth- bert sie schärfer beobachtete, entging ihm die große Unruhe nicht, von welcher sie beherrscht war. Ihre Wangen brannten, ihre Augen irrten rastlos umher, sie war ersichtlich nicht im Stande, dem Faden einer angeknüpsten Unterhaltung zu folgen. Alles an ihr war Hast, Angst und Furcht. Sie mußte nach Ruthbert-Hall zurück. Er sprach mit einem Arzt, auch dieser stimmte ihm nach Klarlegung der Verhältnisse zu. Nun aber weigerte die junge Frau sich, die Rückreise anzutreten. Sie wollte sich so gern den Wünschen ihre« Gatten fügen. ES bedurfte seiner ganzen UeberredungSkunst, sie zu versichern, daß er glaube, auch sein eigenes Interesse erfordere eine Unterbrechung der Reise, vielleicht nur für kurze Zeit. ES war an einem späten Septembertage, als Lord Ruth- bert mit seiner Gattin beimkehrt«, lieber die Stoppelfelder brauste der erste Herbststurm und begann die aelbrothen Blätter von den Bäumen des Waldes zu pflücken. Er rüttelte an dem Fenster de« Wagens, welcher das junge Paar nach der alten Besitzung der Ruthbert'S zurückbrachte. Die junge Frau spähte, an der letzten Biegung des Weges an- gekommen, mit fieberhaft glänzenden Augen in« Freie hinaus. Da sah sie Rutbbert-Hall auftauchen. „Da ist e-, Harry, da! So sieb dock! Wie die Wetter fahne so fröhlich herumfährt im Wind! Und die vielen, vielen Blumen vor dem Hause. Ach, ich wünschte, ich wäre nie fortgrgangen. ES kann doch in der weiten Welt nicht schöner sein. Du wirst sehen, daß ich bald wieder ganz gesund bin." Harry Ruthbert konnte die Hoffnungsfreudigkeit seiner jungen Frau nicht mehr theilru, er glaubte den AuSgang vor sich zu sehen. Ein Kummer nagte an ihr, den keine Liebe heilen und beseitigen konnte. Abermals würden einige Tage kommen, an welchen eS den Anschein hatte, als ob sie noch einmal gesunden könne, in ihm konnten sie keine Hoffnung mehr erwecken, und dann würde eS bergab gehen mit Riesen schritten dem Ende entgegen. Ein wilder, verzweiflungsvoller Schmerz krampfte seine Brust zusammen, er hätte aufschreien mögen in Qual, und doch blieb er ruhig und sprach freundlich tröstende Worte, wenn er ihre Augen mit einem forschenden, besorgten Aus druck auf sich gerichtet sah. Kaum auf Ruthbert-Hall angelangt, brach die junge Frau ohnmächtig zusammen. Hhr Gatte trug sie mit starkem Arm auf ihr Zimmer, wo cs seinen Bemühungen zwar bald gelang, sie wieder zum Bewußtsein zu erwecken, aber sie wollte sich doch nicht wieder von ihrem Lager erheben, sondern sich ausruhen, sie sei so müde geworden, so entsetzlich müde von der weiten Reise. Bald lag sie auch in einem tiefen Schlummer. Lord Ruthbert überließ seine Gattin der Bewachung einer Dienerin und ging, um zunächst einen Boten nach Doctor Donald zu senden und sich dann in sein Arbeitszimmer zu begeben, um hier einmal ungestört mit seinen Gedanken allein zu sein. Er war gescheitert, und nun machte er sich Vorwürfe. Was war sein guter Wille diesen erdrückenden Verhältnissen gegenüber gewesen? Sie batte klarer gesehen als er. Wenn er sie ihres Weges hätte gehen lassen und geduldig abgewartet haben würde, vielleicht würde sein kurzes Liebesglück nicht diesen traurigen AuSgang genommen haben. Ungeduldig sein Zimmer durchkreuzend, erwartete er die Ankunft deS Arztes. Doctor Donald ließ nicht lange auf sich warten, nach Ablauf von etwa anderthalb Stunden rollte sein Wagen bereits in den inneren Hof. Lord Ruthbert eilte ihm auf der Treppe entgegen, ihn von dem Vorgefallenen in Kenntniß zu setzen. Doctor Donald war sichtlich erschrocken, er batte daS nicht erwartet, vielmehr von der Reise den besten Erfolg erhofft. Die Schilderung, welche ihm Lord Ruthbert von dem Zu stand der Kranken entwarf, wollte ihm durchaus nicht ge fallen. Er blickte sedr ernst. Dann begab er sich in daö Zimmer, wo Lady Ruthbert aus einer Chaiselongue auS- gestreckt lag. Die Dienerin war bemüht, sie aus einer aber maligen Ohnmacht zu erwecken. Es gelang ihr nicht. Sie sagt«, Mylady habe bereits seit einer Viertelstunde so gelegen.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite